Seitdem Galrens Vater vor 20 Jahren auf einer Expedition verschwand, hatte er nichts mehr von ihm gehört. Dies ändert sich schlagartig, als eines Tages ein Fremder in seinem Haus auftaucht und ihm eine Karte übergibt, die ohne Zweifel die Handschrift seines Vaters trägt. So macht er sich schließlich auf, die Route nachzuvollziehen, die dieser vor zwei Jahrzehnten genommen hatte, unwissend, das er dabei längst Teil eines viel größeren Spiels ist, das vor über einem Jahrtausend begann.
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Der Aufstieg schien eine Ewigkeit zu dauern. Mit jedem Schritt blieb die Stadt weiter unter ihnen zurück , eine gewaltige Fläche aus sich aneinanderreihenden Steinhallen, die sich vom Meer bis fast zum Beginn der Berge erstreckte. Auf der anderen Seite des Damms kam nun auch die Weststadt in Sicht, eine von einer kreisförmigen Mauer umgebene Anlage. Genau wie bei ihrer Schwesterstadt reihten sich tausende von Gebäuden aneinander, Wohnhäuser, großzügig angelegte Villen, Gärten und kleine Paläste… Doch dies
alles verblasste hier oben auf dem Gipfel dieser in sich geschlossenen Welt zur Bedeutungslosigkeit. Der Wind zerrte an Galrens Kleidern, während sie Hadrir stetig höher folgten, immer weiter die Stufen der gewundenen Treppe hinauf. Wenigstens war die Luft hier oben kühler und von der Asche befreit, die das Atmen weiter unten erschwert hatte. Neben ihnen waren noch dutzende weitere Personen unterwegs, die Treppe hinab oder hinauf und manche standen auch einfach auf den alle paar Stufen eingelassenen Vorsprüngen und sahen auf die Feuerberge oder das tiefblaue Meer hinaus. Am Ende der Treppe befand sich ein
weiterer großer Steinbogen wie der, den sie zu Beginn passiert hatten, nur war dieser nicht annähernd so gewaltig oder Höhlenartig angelegt. Stattdessen gab es jeweils zwei goldfarbene Gittertüren, die jedoch weit offen standen und einem stetigen Strom aus Zwergen hindurch ließen. Offenbar nahmen die meisten Bewohner die Brücke um zwischen den beiden Städten hin und her zu gelangen, dachte Galren, als die kleine Gruppe erneut in der Finsternis verschwand. Diesmal brauchten Hadrirs Leute jedoch keine Laternen zu entzünden. Fahles Licht fiel alle paar Schritte durch einen in die Seitenwände des Tores eingelassenen Schacht und erlaubte es
so, sich ohne Probleme zu orientieren. Die Luft hier war überraschend feucht und Galren meinte sogar, das Plätschern von Wasser in der Ferne zu hören, etwas, das gar nicht zu der verwüsteten Landschaft um sie herum zu passen schien. Als sie dieses Mal zurück ins Licht traten, fand Galren jedoch die Quelle des Geräuschs. Sie hatten den Kamm des Walls erreicht. Dieser jedoch bestand nicht wie Galren vermutet hätte aus nackte Stein wie bei einer Festungsmauer. Stattdessen zog sich vom Tor das sie grade passiert hatten bis zum nur schemenhaft erkennbaren Bogen am anderen Ende ein Garten. Und doch kam
Galren dieses Wort zu schwach vor. Von Tor zu Tor zog sich ein mit schwarzem Sand ausgefüllter Weg, breit genug das sich der stetige Zustrom an Besuchern ohne Probleme bewegen konnte. Abseits davon erstreckten sich Beete mit Blumen, zwischen denen, so unglaublich es auch wirkte, Wasserspiele in allen Formen plätscherten. Künstliche Bachläufe durchzogen die Parkanlage in allen Richtungen und stürzten als Wasserfälle an der Rückseite des Damms hinab. Und hinter den Beeten und künstlichen Wasserströmen erhob sich schließlich ein dichtes Spalier von Bäumen, so dicht, das man nicht länger über den Rand der Mauer hinweg sehen
konnte. Hätte Galren nicht gewusst, wo er sich befand er hätte eher vermutet durch einen Wald zu gehen, statt sich in luftiger Höhe zu befinden. Alles an diesem Ort leugnete das Inferno, das ihn umgab… es schien so absolut unmöglich so unwirtlich… ,, Wie erhaltet ihr das bloß alles ?“ , fragte Merl und sprach damit seine Gedanken aus. Der junge Zauberer beugte sich über einen der Bäche und schöpfte Wasser mit einer Hand, als wollte er sich überzeugen, dass es real war. ,, Ich meine, ich habe hier bisher weder Seen noch Flüsse gesehen. Sammelt ihr Regenwasser?“ Hadrir lachte. ,,So weit ich mich zurück
erinnern kann, hat es weder in Sunri noch in Sunse noch irgendwo auf dem Kontinent jemals geregnet. Höchstens wenn sich eines unserer Fischerboote einmal zu weit raus wagt bis an die Sturmfronten, bekommen sie mal einen Schauer ab.“ ,, Diese Stürme die wir auf dem Weg hierher passiert haben sind also… immer da ?“ , fragte Armell. ,, So weit sich jeder hier zurück erinnern kann, ja. Aber wie gesagt mein König kann dies alles besser erklären.“ Dieses Mal glaubte Galren ihm sogar. Nur noch ein Grund um wegen seiner vorherigen Lüge misstrauisch zu sein. Auch wenn er es nicht wollte, er spürte
einfach, dass hier etwas nicht stimmte. Und das hatte ausnahmsweise einmal nichts mit seiner Begabung zu tun. Es war die Art auf die die Leute sie ansahen, je weiter sie nach Westen kamen. Wie sie stehenbleiben und sie musterten, nicht mehr bloß neugierig sondern auch feindselig, misstrauisch. ,, Woher nehmt ihr das Wasser dann ?“ , wollte er wissen um das Gespräch wieder aufzunehmen. ,, Nun es gibt eine ganze Reihe von Höhlen unter der Stadt.“ , erklärte der Zwerg. ,, Die meisten davon wurden schon bei Gründung der Stadt entdeckt und mittlerweile gibt es eine ganze Reihe an Pumpen und Mechanismen, die
es aus dem Stein nach oben bringen. Ich bezweifle allerdings, dass ihr sie sehen werdet. Die meisten der Maschinen befinden sich tief unter den Städten und es ist Jahre her, das das letzte Mal jemand anderes als ein Mechaniker dort hinab wagte. Und selbst diese tuen dies nur ungern alleine. Es ist das reinste Labyrinth… und auch sonst kein angenehmer Ort. Ich glaube selbst der Prophet hat sich noch nicht dort hinab gewagt. Und das will etwas heißen…“ Prophet ? Erneut erhielt Galren für jede vermeintliche Antwort nur neue Fragen. Wovon sprach der Zwerg jetzt wieder? Doch für Hadrir schien das Gespräch beendet und er beschleunigte seine
Schritte wieder, als hätte er es jetzt eilig, endlich sein Ziel zu erreichen. Vor ihnen erhoben sich nun die ersten Umrisse des Palasts über die Bäume. Erneut hatte Galren die Größe des Bauwerks von der See aus maßlos unterschätzt. Ein Teil von ihm fühlte sich an die Ruinen der Erdwacht erinnert, auch wenn die Festung neben diesem Palast wohl klein gewirkt hätte. Die Grundform war ein Rechteck, das nach oben leicht winklig zu einem gewölbten Dach zulief. Die Ecken des Bauwerks wurden von mit Steinmetzarbeiten verzierten Säulen markiert, die aus einem einzigen Stück Stein geschlagen worden sein mussten.
Höher als die meisten Bäume und so breit, das sie sich wohl alle Schulter an Schulter darum hätten Stellen können. Und doch waren sie der am wenigsten beeindruckende Teil der Palastanlage. Mit Silber und Blattgold ausgelegte Runen zogen sich an der gesamten Außenseite des Bauwerks herab und wurden nur von Fenstern und dem Tor unterbrochen. Dieses bestand aus zwei massiven Steinflügeln, genauso wie die Sälen offenbar aus einem Stück gefertigt. Doch wie die Architekten des Palastes es fertig gebracht hatten, sie an Ort und Stelle zu setzen, wollte er sich nicht einmal vorstellen. Gegen das was er innerhalb weniger Augenblicke in
dieser Stadt gesehen hatte, verblasste die Brücke an der Erdwacht zu Bedeutungslosigkeit. Das ganze musste für einen Zwergenarchitekten mehr eine Fingerübung gewesen sein… Der Stein des Tores selbst war mit Bildhaften Darstellungen in Blattgold überzogen und zum ersten Mal musste Galren sich nicht fragen, was die Symbole darunter zu bedeuten hatten. Es war eine Geschichte…. Und sie begann mit dem Bild hunderter Schiffe, die sich ihren Weg über ein aufgewühltes Meer suchten, die Sonne in ihrem Rücken. Das nächste Bild zeigte die gleichen Schiffe, allerdings dieses Mal am Ufer einer Küste, die er wiedererkannte. Dünne,
feine Linien aus Silber und Rotgold zeichneten Lavaströme und Rauch, der von den Gebirgsketten jeweils der unwirtlichen Küste aufstiegen. Die nächsten zwei Bilder zeigten, wie die ersten Seefahrer ihre Lager am Strand aufschlugen und damit begannen, das Land zu erforschen und in den darauf folgenden Zeichnungen sah man langsam , wie Häuser und Gebäude Gestalt annahmen, bis schließlich das unterste, siebte Bild genau das zeigte, was Galren und die anderen bei ihrer Ankunft hier gesehen hatten. Die beiden Städte und den Damm in ihrer Mitte… ,, Ist das die Geschichte eures Volkes ?“ , fragte er Hadrir, der es offenbar nicht
eilig hatte, das Tor zu öffnen. Der Zwerg nickte. ,, Zumindest der Teil, der noch wichtig für uns ist. Wir verließen unsere alte Heimat vor sehr langer Zeit, falls die Menschen das noch nicht vergessen haben.“ ,, Haben wir nicht.“ , antwortete Armell. ,, Nur weiß keiner mehr wieso ihr gingt.“ Bevor Hadrir darauf antworten konnte, schwang das Tor schließlich wie auf ein stummes Zeichen hin auf. Galren konnte das klicken von Zahnrädern hören, als sich die massiven Steinflügel scheinbar mühelos in Bewegung setzten. Bronzene Torangeln, so stark wie Bäume kamen in Bewegung und die auf den Toren
eingelassenen Bilder teilten sich. ,, Folgt mir.“ , meinte ihr Führer , als hätte er Armells Worte bereits wieder vergessen. Ohne darauf zu achten ob sie auch wirklich mitkamen trat er durch das offene Tor. Seine Wächter blieben mit ihnen zurück, einen Halbkreis vor dem Eingang formend. Nach wie vor hatten sie nicht wirklich eine Wahl, dachte Galren. Und er konnte auch nicht umkehren, selbst wenn er keine bewaffneten Soldaten im Nacken hätte. Nicht wenn er ein paar Antworten wollte. Hadrir folgend, betraten sie schließlich eine große Eingangshalle. Vier Säulenreihen durchzogen den Raum in
einem kreuzförmigen Muster. Dazwischen dämpften schwere Teppiche ihre Schritte und in den so entstehenden Ecken des Raumes konnte Galren weitere kleine Gärten erkennen. Über ihnen hob sich die Decke bis zum Rippengewölbe des Daches und durch mehrere Fenster fiel Licht hinab auf die wuchernden Pflanzen. Statt künstlicher Wasserläufe rannen hier kleine Wasserfälle von den Wänden herab und versickerten in der Erde. Farne, Sumpfblumen und Moose schimmerten, von falschem Tau überzogen, im Sonnenschein. Trotz des schleichenden Misstrauen, das sich seiner Bemächtigt hatte, seit sie hier angekommen waren, Galren konnte seine
Bewunderung für die Schönheit, die ihre Gastgeber an diesem Ort aus nichts erschaffen hatten, nicht verbergen. Hadrir führte sie einmal quer durch die Halle bis zu einer Tür am anderen Ende, vor der zwei Zwerge Wache hielten, beide in der gleichen Panzerung wie er und erneut mit unterschiedlichen Wappen auf ihren Rüstungen. Nach wie vor hatte Galren keine Ahnung was das zu bedeuten hatte, aber die beiden Männer machten ohne ein Wort Platz, sobald sie Hadrir erkannten und öffneten die Türen für sie. Der nächste Saal war nicht so hoch angelegt wie der erste. Der Boden hier bestand aus großen Fliesen, die aus
groben Stein gefertigt waren und auch die Säulen, die die Decke trugen wirkten nicht mehr ganz so kunstvoll. Hier wirkte alles irgendwie… urtümlicher, gewaltiger. Ihre Schritte hallten von den nur unzureichend glatt geschliffenen Steinwänden wieder. Es war beinahe, als befänden sie sich nun wirklich in einer Höhle. Dutzende von Fackeln erhellten den Raum und die aus Jade geschliffenen Halterungen bekamen durch die unsteten Flammen einen unheimlichen Schimmer. Je weiter sie in den Raum traten, desto mehr Licht gab es und auch ihre Umgebung veränderte sich zunehmend. Die groben Wände machten poliertem Granit Platz und die Bodenplatten
wurden durch geschliffene Achatscheiben ersetzte, die alle nur erdenklichen Farbtöne aufwiesen. Doch waren die Edelsteine nicht wahllos gesetzt worden, wie Galren bemerkte. Man hatte damit begonnen dunklere Farbtöne von Grün und violett bis zu Schwarz an den Rändern der Halle zu verlegen, während sich in der Mitte ein Pfad aus himmelblauen und gelben Kristallen befand. Ein Weg, der hin zu einem Podest aus Granit führte, auf dem sich das bisher vielleicht erstaunlichste Kunstwerk befand, das Galren gesehen hatte. Es war ein Thron aus violettem Kristall. Gefertigt war er aus einer Amethystdruse leicht so hoch wie ein
Haus und die unbeschädigte, von ihnen abgewendete, Hälfte der Gesteinshülle spannte sich wie ein Dach darüber. Die feineren, nicht bearbeiteten Kristalle im inneren formten einen nahezu perfekten Kreis um den Sitz, der offenbar aus drei oder vier gewaltigen Kristallspitzen geschnitten worden war. Weiße und violette Adern zogen sich durch den Stein. Darauf schließlich saß der wohl älteste Zwerg, den Galren bisher gesehen hatte. Alleine der Blick aus seinen dunklen Augen reichte, um ein Gefühl der Ehrfurcht bei ihm zu erzeugen. Was er bei Hadrir gesehen und für Alter gehalten hatte… es war nichts gegen die bloße Ausstrahlung dieses Mannes. Er
trug eine rote Weste, die mit goldenen Nähten durchwirkt war und einen langen Mantel aus schwarzem Samt, der über den Thron bis vor seine Füße fiel. Ein langer, ebenfalls mit Gold durchwirkter, Bart fiel ihm bis auf die Brust und auf seiner Stirn saß eine Krone, die wohl fast so viel wiegen musste, wie die gesamte Rüstung Hadrirs. Gold und Silber fügten sich darauf zu filigranen Figuren zusammen, Umrisse von Zwergen, die Juwelen in den Händen hielten, über wasserklare Diamanten bis hin zu schwarzem Opalen. Der König der Zwerge hatte noch kein Wort gesprochen. Und doch schien alleine seine Haltung und sein Blick mehr über
ihn zu verraten, als Galren je wissen wollte. Was der Kaiser an Sanftheit zu viel haben mochte… das fehlte diesem Mann ganz entschieden…
Terazuma Hi Eagle! Puh, was für ein Kontrast zu Haldrir. Und uralt? Hab er vielleicht zu Simon Belfares Zeiten schon gelebt? Irgendwie ist mir dieser Zwerg sehr suspekt. Aber man darf doch nicht nach dem ersten Eindruck gehen - oder wäre es in diesem Fall eher doch vorteilhaft? ^^ LG Tera |
EagleWriter Na ja wie ich Abschuetze gegenüber schon erwähnte. Gut und Böse hier auseinander zu halten wird schwierig werden ^^ Auch wenn es zu Beginn leicht wirken könnte. Und ja der gute ist ziemlich alt ^^ Wie alt genau dürfte auch noch klar werden. lg E:W |
abschuetze ... steinreich und böse? Nun bekommen sie aber Antworten... oder doch wieder nicht? LG von Antje |
EagleWriter Na so einfach wird das mit dem gut und böse hier nicht werden ^^ Tja wer weiß. Antworten ja aber erfreuliche... eher nicht lg E:W |