Kurzgeschichte
Verloren

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"Sie lebt in einer anderen Welt und versteht deshalb seine Reaktionen nicht"
Veröffentlicht am 06. November 2015, 12 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Sie lebt in einer anderen Welt und versteht deshalb seine Reaktionen nicht

Verloren

Titel

Seit Tagen erreichte sie ihn nicht mehr. Er ignorierte ihre Anrufe und antwortete nicht auf ihre Nachrichten. Ging er ihr aus dem Weg oder war ihm gar was zugestoßen? Sie musste zu ihm und es herausfinden. Vor einiger Zeit hatten sie sich freundschaftlich getrennt. Zumindest war sie sich sicher, das sie sich freundschaftlich und im gegenseitigen Einverständnis getrennt hatten. Sie waren einfach nicht für einander bestimmt gewesen. Zu vieles trennte sie. Deswegen war es besser gewesen, sich zu trennen und nur noch Freunde zu

bleiben. Als sie vor seiner Haustür stand, fragte sie sich, ob sie aufschließen oder lieber klingeln sollte. Entschloss sich dann, es erst mit klingeln zu versuchen, um ihn nicht in einer peinlichen Situation zu erwischen. Hinterher, wenn er sich nicht rühren sollte, würde sie den Schlüssel benutzen, den sie von ihm bekam, als sie ein Paar wurden. Die Chance war gering, das er auf ihr Klingeln reagieren würde. Als sie noch bei ihm wohnte, standen oft nur penetrante Vertreter vor der Tür oder er sollte ein Paket für einen seiner Nachbarn annehmen. Nicht nur einmal stellte sich dann heraus, das der

Hausbewohner zu der Zeit zu Hause gewesen war und auf sein Paket wartete. Im Erdgeschoss wohnen ist nicht immer das Wahre. Wie sie erwartet hatte, reagierte er nicht. Sie schloss die Haustür auf und lief bis zu seiner Wohnungstür. Dort klingelte sie wieder. Dann klopfte sie und rief nach ihm. Nannte ihren Namen und den rund ihres Erscheinens. Plötzlich ging die Tür auf. An seinem Gesichtsausdruck erkannte sie, das er über ihr Erscheinen nicht sehr erfreut war. Sein Tonfall bestätigte es obendrein. „Was willst du?“ Ihm lag so einiges auf der Zunge. Doch

er schluckte es runter. Er wollte, das sie so schnell wie möglich wieder ging. „Ich wollte nach dir sehen, weil ich seit Tagen nichts mehr von dir gehört habe.“ „Wie du siehst, bin ich noch am Leben. Noch was?“ „Warum gehst du mich so an? Habe ich dir irgendwas getan?“ Er atmete tief ein und ordnete seine Gedanken. Sie war nicht die Hellste gewesen. Deswegen musste er ganz genau überlegen, wie er ihr es verklickerte, was ihn so wurmte. „Weißt du noch, warum du dich von mir getrennt hast? - Es verging noch nicht mal eine Woche, da hattest du schon einen neuen Typen. Er war das ganz

genaue Gegenteil von dem, auf was du eigentlich fliegst. Und du hast die Eigenschaften, die ihm zuwider sind. Du hattest ihn mir vorgestellt und ich dachte nur, das ich raus muss. Es war nur eine Bettgeschichte, stimmt's? Ein paar Tage später sehe ich dich, wie du mit einem anderen Kerl Gymnastik treibst. Wir waren verabredet gewesen. Weil du nicht kamst, dachte ich, du würdest vielleicht noch schlafen. - Glaub mir, den Anblick wollte ich nicht sehen. - Am Tag darauf sehe ich dich zufällig auf der Straße. Schon wieder neben einem neuen Typ. Dann kamst du zu mir, wir redeten miteinander und landeten im Bett. Du gabst mir das

Gefühl, das wir wieder zueinander finden. Doch dann sehe ich dich wieder mit einem Anderen. Und jedes mal bin ich dann Luft für dich. Ich ruf dich an und du gehst nicht ran. Schreib ich dir, kommt nichts zurück. Was glaubst du, wie es mir dabei geht? - Und es war nicht nur einmal, wo es für mich so aussah, als würden wir wieder zusammenkommen. - Jetzt will ich es eh nicht mehr. Um ehrlich zu sein, will ich auch keinen Kontakt mehr mit dir. Gib mir meinen Schlüssel zurück und ruf mich nie wieder an. Ich will nicht sehen, wie du täglich deine Partner wechselst. Auch will ich niemand zur Freundin haben, die von Bett zu Bett

hüpft. Und das tust du, seit unserer Trennung. Warum, das weiß ich nicht. Es ist mir auch egal geworden.“ Er riss ihr seinen Schlüssel aus der Hand und schmiss die Tür zu. Verdutzt stand sie davor und wusste weder, wie sie darauf reagieren sollte, noch, was das ganze zu bedeuten hatte. Klar, sie hatte seit ihrer Trennung mehrere Beziehungen gehabt. Aber was konnte sie dafür, das er keine andere fand und er sich Hoffnung machte, das sie je wieder zusammenkommen? Sie hatte ihm nie die Hoffnung gemacht. Zumindest nicht, das sie wüsste. Wenn er das falsch verstand, war es nicht ihre Schuld. Auch hatte sie nie eifersüchtig

geguckt, wenn andere Frauen ihn ansprachen. Warum hätte sie das machen sollen? Sie waren getrennt gewesen. Er konnte tun und lassen was er wollte. Schließlich hatte sie auch einen anderen gehabt. Warum sollte sie dann eifersüchtig sein? „Ich hüpfe gar nicht von Bett zu Bett.“, rief sie durch die Tür. „Nicht mehr.“, sprach sie ganz leise und fast nicht hörbar. Es gab eine Zeit, da brauchte sie es mehrmals täglich. Wenn keiner zu ihr kam, machte sie es sich selbst. Ihr Kitzler war oft wund. Aber das war ihr egal gewesen. Sexsucht nennt man so was wahrscheinlich.

Sie fühlte sich plötzlich elend. Als hätte sie eben jemanden verloren, der ganz tief in ihrem Herzen gewohnt hatte. Der ihr mehr bedeutete, als alles andere auf der Welt. Verstehen tat sie es nicht, denn sie sah ihre Fehler nicht. Stets hatte sie die Ursachen bei anderen gesucht. Speziell bei ihm. Auf die Idee, das sie das Problem ist, kam sie nie. Sie bemerkte auch nicht, was er alles für sie getan hatte. Wie aufgeschmissen sie ohne ihn gewesen wäre. Oft hatte er sie aus der Scheiße gezogen. Die Schuld auf sich genommen. Aber ihr war das nicht so bewusst. Ihre Vergessensrate war auch

enorm. Ob sie jemals kapieren wird, was sie falsch machte, steht in den Sternen.

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