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Helios III - Kapitel 1-Der erste Tag

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"Helios III - Kapitel 1-Der erste Tag"
Veröffentlicht am 28. Oktober 2015, 110 Seiten
Kategorie Science Fiction
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Helios III - Kapitel 1-Der erste Tag

Helios III - Kapitel 1-Der erste Tag

Helios III

[ Kapitel 1-Der erste Tag ] [ 6020 n. Chr. Tag 1 Helios III ] Es ist 9:30 Uhr, gemessen am Nullmeridian des Planeten XV Novus. Guten Morgen Samuel. Wie war die Nacht? Um 10:30 Uhr, gemessen am Nullmeridian des Planeten XV Novus, ist der Morgenappell. Ich wünsche dir einen angenehmen ersten Tag auf der Helios III. “Guten Morgen Miri. Ja, ich habe gut geschlafen. In Anbetracht, dass heute

mein erster Tag ist.” Deine Stimme klingt besorgt, Samuel. Soll ich die Farbe des Lichts ändern, oder Musik einblenden? “Nein danke, Miri. Ich bin nur noch etwas müde. Die Zeitverschiebung zwischen der Helios I und Helios III macht mir etwas zu schaffen.” In vierzehn Stunden fünft Minuten und sechsundzwanzig Sekunden werden die Zeiten aller drei Archen angepasst. Wünschst du eine genauere Auskunft über die Zeiten der anderen beiden

Schiffe? “Nein Miri. Bitte lass mich jetzt mal in Ruhe.” Ich vernehme leichte Aggression in deiner Stimme, Samuel. Kann ich dich irgendwie aufmuntern? Laut der Datenbank trägt klassische Musik zur Beruhigung bei. “Nein, Miri! Ich möchte einfach nur meine Ruhe haben. Wie spät ist es nochmal?” Es ist 9:33 Uhr, gemessen am Nullmeridian des Planeten XV Novus. In

exakt 56 Minuten und 15 Sekunden beginnt der Morgenappell. “Danke Miri. I.C.D stummschalten, für die nächsten zwölf Stunden.” Dann wird es ja mal Zeit, sich anzuziehen. Ich schaute mich um, in meinem neuen Zuhause. Eine sechzehn Quadratmeter Parzelle. Spartanisch eingerichtet. Ein Doppelstockbett, eine Metallplatte, die als Tisch dient, mit zwei ausklappbaren Stühlen und zwei Spinde. Wenigstens das Licht haben sie hier auf der Helios III mal angenehm gestaltet. Auf den anderen beiden Archen ist es immer starr und eiskalt. Hier kann

man wenigstens die Farbe dem Gemütszustand anpassen. Ich fragte mich, wer wohl mein Mitbewohner sein würde. Bis jetzt wurde mir noch keiner zugeteilt. Ich bin Samuel, wie bereits von Miri erwähnt wurde. 27 Jahre jung, gemessen an den vorgelegten Erdenjahren. Blonde, kurzgeschorene Haare, schlanke Statur und auch sonst nicht sehr kräftig. Hellhäutig, blaugraue Augen und zu einhundert Prozent Mensch. Dann will ich mal an meinen Spind gehen, meine neue Uniform anziehen. Sah doch ganz vernünftig aus. Hose, Hemd, Pullover. Alles schwarz und mit dem Wappen der Helios III

gekennzeichnet. Eine goldene Sonne mit drei senkrechten Streifen, in Silber. Auf dem Gang hörte ich schon die ersten Leute lautstark herumrennen und mit Stöhnen und Jammern den Tag einläuten. Mal sehen, ob ich den Weg auf Anhieb finde. Gestern hatte ich mich ja schon fast verlaufen, auf dem Weg in mein Quartier. Kein Wunder, nach zehn Stunden Flugzeit von der Helios I zur III und dann noch zwei Stunden herumlaufen in diesen Gängen und Abteilungen. Einige bekannte Gesichter waren mit dabei, aber auch viele neue. Greys und Chima. Mensch, wie ich die hasse. Also die Chima. Kein Mensch kann die

wirklich gut leiden. Die denken echt, die sind was besseres, nur weil sie unter Wasser atmen können. Dafür haben wir die Arche gebaut und sie versklavt. Wenigstens Widerstand leisteten sie erbittert, wenn auch vergebens. Die Greys dagegen sind sehr friedlich und hilfsbereit. Was aber vermutlich auch daran liegen kann, dass sie nicht widersprechen können. Sie können nämlich nicht sprechen. Aber dazu später mehr. Wo sind eigentlich meine Socken und meine Schuhe? Die müssen doch irgendwo hier sein. “Miri, weißt du, wo

meine Schuhe stehen? Oder stehen müssten?” Im Spind, Samuel. Unten ist eine Schublade zum aufziehen. Mit deiner ID-Karte kannst du sie öffnen. Wünschst du noch weiter Aus... “I.C.D stummschalten, für die nächsten zwölf Stunden.” Hoffentlich war dies das letzte Mal, dass ich sie heute was fragen müsste. Ein wenig nervt die interaktive Kommunikationseinrichtung schon. Interaktive Kommunikationseinrichtung, also interactive communication device.

I.C.D Tatsächlich, dort sind die Schuhe. Ebenfalls in Schwarz. Alleinig die Socken sind schneeweiß. Und dann passen die auch noch wie angegossen. Ein wenig fühlte ich mich wie eine sehr wichtige Person, in dieser Aufmachung. Aber nun wurde es wirklich Zeit, sich auf dem Weg zu machen. Nochmal schnell alles überprüfen. Habe ich alles dabei? ID-Karte, Kommunikator? Ja, alles da. Kaum war ich draußen, auf dem Gang, wurde ich auch schon angesprochen. “Guten Morgen. Weißt du, wo sich die

Station 43/4E befindet? Ich soll dort um 10:30 Uhr zum Appell antreten. Aber irgendwie sieht hier alles gleich aus.” “Guten Morgen, ja. Ich bin auch gerade auf dem Weg dorthin. Ich glaube den Weg noch einigermaßen zu wissen. Folge mir einfach. Ich heiße übrigens Samuel.” “Freut mich. Mitchel, mein Name. Gut zu wissen, dass es noch nette Leute hier gibt.” Wir folgten dem Gang weiter gerade aus, bis zum dritten Abzweig, dann nach rechts und die nächste wieder links. Wirklich sehr verwirrend, diese Gänge.

Wenn man den Aufbau nicht kennt, findet man sich hier niemals zurecht. Unvorstellbar, dass unser Abschnitt nur einer von dreißig ist. Und der ist schon gewaltig groß. 240 Quartiere soll es pro Abschnitt geben, mit jeweils zwei Insassen. Also insgesamt 7200 im ganzen Schiff. Und das ist nur eine von vier Ebenen. Man kann froh sein, wenn man seine Arbeitskollegen regelmäßig sieht. Wir befanden uns gerade in 13/4E, also mussten wir noch drei Stationen weiter. “Station 23/4E”, rief Mitchel mir zu, während ich den Korridor weiter inspizierte. Gut vier Meter breit und

unendlich lang war er. Alle fünf Meter waren links und rechts Quartiere, aneinandergereiht und dicht an dicht. Was für ein Leben. Wie in einem Bienenstock, wo jede Wabe ein Quartier ist und alle zusammen ein großes Gebilde ergeben. Immer wieder liefen andere Mitbewerber und Mitarbeiter an uns vorbei, schauen verbittert aus ihren beengenden Räumen, wie Häftlinge, oder schlossen sich uns an, auf der Suche nach dem richtigen Weg. Langsam kam ich mir vor, als wäre ich ihr Vorgesetzter. “Station 43/4E?”, fragte mich eine Frau, welche mich beinahe umgerannt

hätte. “Ja, dort wollen wir hin”, erwiderte ich, mit leicht genervtem Unterton. “Gut. Darf ich mich anschließen?” Und schon lief sie neben mir her. Ich musterte sie kurz und kam zu dem Entschluss, dass sie keine reinrassige war. Ihre hellblaue Haut ließ auf Chima schließen. Aber keine falschen Vorurteile deswegen. Immerhin hatte sie sich die Blöße gegeben und mich nach dem Weg gefragt. Eine reinrassige Chima hätte mir den Weg erläutert, oder mich sofort verprügelt, sobald ich sie berichtigt

hätte. “Seid ihr auch neu hier? Also ich diente vorher vier Jahre und drei Monate auf der Helios II” Fragend blickte sie zu mir und strich sich schüchtern ihre blonde Strähne aus dem Gesicht. “Ich will ja nichts sagen, aber die Haare müssen runter!”, entgegnete Mitchel ihr sofort. Ich stimmte ihm zu. Eigentlich war es Vorschrift, dass alle Reaktor- und Waffenarbeiter kurzgeschorene Haare haben mussten. Zur Sicherheit, versteht

sich. Verwundert senkte sie ihren Blick und presste sich den Kommunikator an die Brust. “Da mache ich mich ja gleich sehr beliebt am ersten Tag. Mein Vorgesetzter hatte recht, als er mir sagte, dass das Leben auf der Helios III härter sein würde.” Mein Blick wanderte zu ihr rüber. Eigentlich wollte ich niemanden verärgern, oder verärgert sehen. Es war so schon anstrengend genug, hier zu leben. Und dann noch wegen Haaren ausgegrenzt zu werden war wirklich nicht sehr

nett. “Aber nein, wir haben das nicht so gemeint. Wir finden es nur verwunderlich, dass es dir noch keiner vorher gesagt hat. Hier wird niemand schon am ersten Tag ausgemustert.” Und schon zeichnete sich ein Lächeln auf ihren zarten Lippen ab. Sie richtete sich neu auf und schreitete mit strammen Schritt weiter voran. “Mein Name ist übrigens Hal Mellins! Und wie heißt ihr?” “Samuel und Mitchel! Wir sind auch neu hier. Aber ich kenne mich schon ein

wenig aus. Sie haben den Korridoraufbau von der Helios I hierhin weitesgehend übernommen.” Dort vorn war unser Ziel, Station 43/4E. Ein großer Raum befand sich hier, wo der Morgenappell stand finden sollte. Kaum waren wir angekommen, mussten wir uns auch schon einreihen. In Reih und Glied standen wir nun da und warteten geduldig, bis der Abteilungsleiter uns durchgezählt hatte. Ich zählte leise für mich mit, da auch mich interessierte, wie viele nun eigentlich hier waren. Hal Mellins war vehement damit beschäftigt, sich die Strähne hinters Ohr zu klemmen, als

jemand sie von hinten ansprach. “Die Haare müssen ab! Hast du etwa nicht die Einweisung durchgelesen? Das ist deine erste Verwarnung! Bei dreien wirst du degradiert und zwangsläufig versetzt!” Es war ein Unteroffizier, der wiederum im Rang über uns stand. Aber in der Wichtigkeit keinesfalls. Aufgeregt erwiderte sie ihm sofort. “Ja, ich weiß. Haben die mir auch schon gesagt. Bitte drückt nochmal ein Auge zu.” Schnaufend schaute er mich an und

musterte mich eingiebig. Sein grimmiger Gesichtsausdruck verhieß nichts gutes. Aber im Gegensatz zu ihr, war ich wenigstens ein reinrassiger Mensch. “Naja, grade noch mal Glück gehabt”, sprach er und ging weiter durch die Reihen. Hal blickte kurz zu mir rüber und dann nach vorn. Was dies nun wieder sollte? Wenn ich wegen ihr noch eine Abmahnung kassiere, dann könnte ich aber für nichts garantieren. “Fünfzig! Gut, es scheinen alle da zu sein. Ach die Haare müssen ab, meine Liebe! Das ist die erste Verwarnung.

Nehmt eure Kommunikatoren zur Hand. Greys, ihr wisst Bescheid?” Hal Mellins blickte traurig auf ihre Füße und presste immer fester ihren Kommunikator an sich. “Sie hassen mich bereits jetzt schon”, flüsterte sie mir leise zu. Ich nahm meinen auch zur Hand und öffnete die uns zugesendete Datei. [ Morgenbericht ] Einteilung: Mitarbeiter: Erledigte

Arbeiten: Zeit: Materialverbrauch: Kosten/Aufwand: “Ich hätte doch lieber auf der Helios II bleiben sollen, wie es Vater mir geraten hat. Hier werde ich niemals Freunde...” “Sag mal, geht es noch lauter?”, entgegnete ihr der Kollege vor ihr, uns noch völlig unbekannt. “Weinen kannst du nach der Arbeit. Reiß dich gefälligst mal zusammen. Nur weil du eine Chima bist...” “Was ist denn dort schon wieder los?

Störst du etwa schon wieder? Das Schiff umfasst über fünfhundertmillionen Individuen. Denkst du etwa, du bist wichtiger als die alle zusammen? Zweite Abmahnung!” Ein wenig hatte ich schon Mitleid mit ihr. Auch wenn sie zum Teil Chima war, war sie auch nur ein Mensch. Da musste ich einfach eingreifen. Ich hob meine Hand und mache vorsichtig auf mich aufmerksam. Erwartungsvoll schauten mich alle an. “Hast du irgendwas zu sagen?”, fragte der Abteilungsleiter mich völlig

genervt. “Ja, habe ich. Sie ist von der Helios II und kennt noch nicht unsere Regeln hier. Ich werde mich um sie kümmern, wenn das recht ist.” “Ja, wie du willst. Aber erst wird gearbeitet. Also dann teilen wir euch mal auf. Drei Stationen sind zu besetzen. Der Reaktorraum, die Stromversorgung und die Magnetfeldgeneratoren.” Alle hören gespannt zu. Einer nach dem anderen zog ab und ging zu seiner Station. Mitchel wurde dem Reaktorraum zugewiesen, mit neunzehn anderen.

Fünfzehn weitere für die Stromversorgung, darunter auch die acht Greys. Und der Rest zur letzten Station. “Gut, dann sehen wir uns später”, rief Mitchel mir zu und ging mit den anderen zum Reaktorraum. Also da will ich ungerne arbeiten. Ich selbst war noch nie dort. Es soll sehr heiß und stickig sein. Davon abgesehen herrscht dort ununterbrochen ein gewisser Pegel an tödlicher Strahlung. Wer weiß schon so recht, ob sie nicht doch Folgeschäden von sich tragen. “Samuel und...”, musternd schaute er auf die verbliebenden Leute und fing an

zu grinsen. “Samuel und Hal Mellins. Magnetspulen sieben und acht. Wegtreten!” Echt jetzt? Ein Schlag ins Gesicht, aber mit Anlauf! Wobei ich glaube, dass wir nur zusammen arbeiten mussten, weil ich mein Maul aufmachte. Hal dagegen freute sich sehr darüber und präsentierte stolz ihren Kommunikator mit dem Morgenbericht. [ Morgenbericht ] Einteilung: Done Mitarbeiter: Hal Mellins/ Samuel Erledigte

Arbeiten: Zeit: Materialverbrauch: Kosten/Aufwand: Nach 53/4E mussten wir beide. Dort waren wir zugeteilt. Am äußersten Ende. Wo uns auch niemand stört und niemand hört. Hal gefiel das sehr, da sie so endlich mal Ruhe hatte und niemand sie weiter mustern würde. Wir folgten den anderen durch die engen Gänge und passierten unzählige Schotts, bis wir endlich die Generatoren erspähten. Lautes Summen und Zischen hallte durch den ganzen Raum und die

schweren Maschinen hämmerten im Gleichtakt. Zwei standen bereits schon an den großen Magnetspulen und atmeten erleichtert auf, als sie uns kommen sahen. “Endlich werden wir abgelöst. Neun Stunden können so anstrengend sein.” Ein kurzer Händedruck und weg waren sie. Nur einen kurzen Blick warfen sie auf Hal Mellins, bevor sie komplett das Schott verließen. “Das ist nun also unser Arbeitsbereich für heute?”, fragte sie in den Raum hinein und schaute zum Bedienpult. Kaum passierte ich die obere

Magnetspule, bekam ich eine Nachricht auf meinen Kommunikator. Slevin? Wer ist das? # Hal Mellins? Oh, du armer Tropf. Mein herzliches Beileid! # Er hatte leicht reden, wer auch immer er war. Hal mochte vielleicht nicht die gerissenste und schlauste sein, aber heiß war sie! Oh, ja! Denn jetzt hatte ich endlich mal Zeit, sie eingehend zu mustern. Und was ich dort auf dem zweiten Blick sah, war sehr ansprechend. Rein optisch jetzt. Aalglatte, hellblaue Haut. Knallgelbe

Augen, violette Lippen und leichte Andeutungen von Schuppen am Hals. Die einzige Behaarung ist auf dem Kopf und die Brauen, beides in einem sehr hellen Blond. In ihrer schwarzen Arbeitskleidung wirkt sie sehr fein und weiblich. Ihr Busen war deutlich zu erkennen, wie auch die wohlgeformten Hüften. Chima stammen von den Fischen ab. Leben aber auch an Land. Darum besitzen sie stark ausgeprägte Lungen und Kiemen an der Hüfte. Da Hal aber teils menschlich ist, sitzen ihre Kiemen hinter den Ohren. Welche wiederum reinrassigen Chima nicht haben. Bin ich zufrieden mit meiner

Partnerwahl? Optisch schon, arbeitstechnisch wird sich das noch zeigen. “Hal, du kümmerst dich um den unteren Generator, während ich hier oben alles im Blick behalte!”, rief ich ihr zu und zeigte zur Treppe. “Was soll ich tun?”, fragte sie verdutzt und strich sich schüchtern über die Arme. “Sag bloß, du hast noch nie bei den Magnetspulen gearbeitet, Hal”, entgegnete ich sofort und reiche ihr meinen

Kommunikator. “Nicht wirklich. Aber ich habe mich ausgiebig mit der Funktionsweise und dem Aufbau beschäftigt.” Echt jetzt? Sie teilen mir einen Neuling zu? Womit habe ich das nur verdient? Aber, sei es drum. Jeder hat mal angefangen. “Ist nicht schlimm, Hal. Dann machst du eben die weniger gefährlichen Arbeiten. Schau mir einfach zu und lerne. Dann kann nichts schief gehen.” Ich zeigte auf das Bedienpult, wo sie bereist

stand. “Wenn diese Anzeige unter zehntausend Tesla fällt, musst du die Stromstärke erhöhen, bis es sich wieder zwischen zwölftausend und dreizehntausend Tesla einpendelt. Das macht man über dieses Menü.” Aufmerksam schaute sie zu und notierte es sich. “Dadurch wird die Kupferspule natürlich auch heißer. Möglich, dass man dann auch mal achthundert Kelvin erreicht. Aber dafür gibt es ja die Keramikummantelung, die schützt uns vor dem

Verglühen.” “Was, so heiß kann das werden? Da arbeite ich doch lieber in der Wasseraufbereitung.” Da lachte ich. “Aber natürlich kann das so heiß werden, Hal. Eigentlich kann es noch viel heißer werden, aber mehr als tausendsiebenhundert Kelvin sollte es nicht erreichen.” “Wieso nicht? Was ist denn dann, wenn es mehr als tausendsiebenhundert Kelvin werden?” “Nunja, dann wird es hier ziemlich heiß.

Wenn gar nichts mehr geht, dann fahren wir die Generatoren langsam runter. Aber mehr als fünf auf unserer Ebene dürfen nicht abgeschaltet sein, sonst verlieren wir unser künstliches Magnetfeld und die kosmische Strahlung dringt ins Schiff ein.” Kreidebleich wurde sie im Gesicht. “Wasseraufbereitung ist definitiv besser.” “Übrigens sind die Wände nicht komplett isoliert. Wenn du sie berührst, verspürst du ein leichtes Kribbeln.” Vorsichtig führte ich ihre Hand dort

hin. Noch viel erstaunter blickte sie dann drein, als das Kribbeln sie durchfuhr. “Ist das nicht gefährlich?” Ungläubig schaute ich sie an. “Wir schweben im luftleeren Raum, vierzigtausend Kilometer über Novus. Das finde ich gefährlich!” Sie nickte kurz. “Da hast du auch wieder recht, Samuel. Aber nun lass uns endlich weiter machen. Ich habe noch so viel zu lernen.” Und die nächsten vier Stunden

verbrachte ich eingehend damit, ihr alles eingehend zu erklären, viele Handgriffe zu zeigen und sie auch selbst mal Hand anlegen zu lassen. Wir experimentierten ein wenig mit den Feldstärken rum und führten unzählige Messungen durch. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass Hal nicht gerade schnell lernte. Vieles vergaß sie schon wieder nach einigen Minuten und anderes, unwichtiges, verwechselte sie ständig. Es kam mir so vor, als würde ich sie mehr interessieren, als die Arbeit. Immer wieder machte sie kleine Andeutungen und suchte innige Nähe. Ich wies sie natürlich zurück. Es war unser erster Tag und auf solcherlei Beziehungen war nicht scharf. Auch

wenn sie schon sehr hübsch anzusehen war. Trotzdem verspürte ich Mitleid für sie. Obwohl sie halb Chima war, war sie doch eine nette Person. Man konnte sich gut unterhalten mit ihr. Die Zeit verging wie im Fluge und schon rückte die Pause heran. Mein Magen knurrte sehr und meine Lippen sehnten sich nach Flüssigkeit. Just, als ich mir den Bauch rieb, kam auch schon unser Essen für zwischendurch. Ein junges Mädel war es hier also, welches die Rationen verteilte. Brünette, kurze Haare, fröhliches Lächeln und vor allem menschlich. Schwarzweiß-quergestreifte

Uniform. Das wies darauf hin, dass sie für die Essenverteilung zuständig war. Ihre Konservenbox tragend, kam sie mit schnellem Schritt auf uns zu und schaute auf ihren Kommunikator. “Magnetspulen... Dann müsst ihr Samuel und Hal Mellins sein.” Wir nickten einverständlich. “Sind wir die letzten auf deinem Rundgang?” Sie schaute nach. “Nicht ganz. Ich muss nochmal rüber zur Stromversorgung. Einen habe ich nicht an seinem Arbeitsplatz vorgefunden. Ihr wisst ja wie das ist. Wir stehen in der Pflicht

euch zu ernähren und ihr steht in der Pflicht die Nahrung aufzunehmen.” Da schmunzelten wir. Zufrieden nahmen wir unsere Rationen entgegen und sie harkte uns ab. Eine Plastiktube und ein Riegel. “Dann wünsche ich guten Hunger”, entgegnete sie uns keck und stakste davon. Also dann los. Ich öffnete die Tube und presste etwas von dem undefinierbaren Gemüsebrei heraus. Giftgrün und grob püriert. Besonders appetitlich war er auch nicht. Dafür nahrhaft und äußerst

gesund. Zufrieden stopfte sich Hal ihren Algenriegel in den Mund und kaute wild drauf los. Dicke Backen hatte sie und bekam kaum noch Luft. Sofort schob sie sich etwas Gemüsebrei nach und würgte es sich runter. “Du kannst dir ruhig Zeit lassen damit, Hal. Uns hetzt niemand.” Nickend stimmte sie mir zu und zutschte noch den Rest aus ihrer Tube. Ich dagegen genoss, mehr oder weniger, jeden Bissen meiner

Mahlzeit. Mit lautem Schmatzen rieb sie sich die Hände am Pullover sauber und stützte sich anschließend am Geländer ab. “Isst du immer so langsam, Samuel? Da schläft man ja ein, wenn man dir zusieht.” “Dann sieh doch nicht zu, Hal. Ich habe Zeit und Geduld.” “Fein, dann gehe ich mal nach den Werten schauen”, sagte sie genervt und tippelte davon. Unbeholfen starrte sie auf den Monitor und drückte wahllos darauf herum. Ich konnte es regelrecht sehen,

wie sie ihr Gehirn zum Nachdenken zwang. Ich schüttelte einfach nur den Kopf und dachte mir meinen Teil. Zögerlich schaute sie mich an, wandte sich aber sofort wieder ihrer Arbeit zu. Sie flüsterte sich lautlos die Zahlen zu, welche auf dem Monitor aufblinkten. Dann wollte ich mich auch mal wieder an die Arbeit begeben. Ich ging zu ihr und schaute ihr über die Schulter. “Wie wäre es denn, wenn du runter gehst und mich hier oben arbeiten lässt?” Dümmlich schaute sie drein und nickte leicht zur Bestätigung. Sofort begab sie sich zur Treppe, mir im Vorbeigehen

leicht über die Schulter streichend. Das irritierte nicht nur mich, sondern sie gleich mit. Dennoch schwang sie sich grazil ums Geländer, zur ersten Stufe hinab. “Hast du nun eigentlich verstanden, warum der Generator dort unten senkrecht steht, wohingegen dieser hier waagerecht ist?”, fragte ich sie, während sie die Treppe langsam hinunterging. Sie blieb stehen und grübelte nach. “Um ein quattropolares Magnetfeld zu erzeugen? Also ein senkrechtes und ein waagerechtes?” Ich nickte. “Gut, Hal! Und warum ist das

so wichtig?” “Weil das Schiff sich um die eigene Achse dreht und somit die Magnetfeldlinien sich in ständiger Bewegung befinden. Dadurch ändert sich die Position und zwangsläufig auch die Feldstärke. Durch zwei, im rechten Winkel zueinander stehende, Magnetfelder werden die Lücken geschlossen.” “Auch das ist korrekt. Du kannst es doch, wenn du nur den richtigen Anreiz hast.” Stolz blickte sie auf ihren Kommunikator

und ging weiter die Treppe hinunter. Ich wandte mich wieder dem Generator zu und überprüfte abermals die relative Feldstärke, wie auch Hüllenintegrität. Plötzlich polterte es, gefolgt von einem Schrei. Sofort sprang ich zum Geländer und blickte hinab. Hal Mellins lag am Boden und hielt sich den Kopf. “Ist dir was passiert? Blutest du?” Kommunikator beiseite legen und sofort zu Hilfe eilen. Beinahe wäre ich auch noch hingestürzt, konnte mich aber doch noch abfangen. Sie richtete sich langsam auf und begann zu jammern. Leichte Schmerzen schien

sie zu haben. Sofort griff ich ihr unter die Arme und half ihr auf die Beine. Wackelig stand sie und krallte sich krampfhaft mit ihren zarten Fingern irgendwo fest. “Hal, schau mich an. Wo hast du Schmerzen?” Blass wie Mehl war sie im Gesicht und zitterte am ganzen Körper. Doch verletzt war sie nicht. Nur leichte Abdrücke vom Gitterrost zeichneten sich auf ihrer blauen Haut ab. “Atme tief durch und beruhige dich wieder.” Hustend entgegnete sie mir: “Bitte vermerke es nicht in deinem

Bericht.” “Eigentlich muss ich das schon, Hal. Und das weißt du auch. Denn wenn du Folgeschäden davonträgst, müssen wir das Geschehnis schildern.” Sie nickte verständlich. “Ich weiß. Aber bitte tue es trotzdem nicht. Das ist mein erster Tag und ich habe bereits schon zwei Abmahnungen. Dann werde ich zurückgeschickt auf die Helios II, oder komme in die Waffenabteilung.” Sie klang wirklich sehr besorgt und eingeschüchtert. Ob ihr sowas schon öfters passiert ist? Eigentlich wollte ich

nicht daran schuld sein, dass ein Ingenieur seine Arbeit bereits am ersten Tag verliert. Normalerweise sollte sowas generell nicht passieren. “Gut, Hal, ich werde es nicht vermerken. Es scheint ja auch gar nicht so schlimm zu sein. Eine Beule und nicht mehr, schätze ich. Ist jetzt wieder gut?” Sie rümpfte kurz die Nase und nickte anschließend. “Ja, geht schon wieder. Bitte denke jetzt nichts falsches von mir. Ich gebe mir wirklich Mühe.” “Daran habe ich auch nie gezweifelt, Hal Mellins. Du bist interessiert und

rücksichtsvoll. Etwas tollpatschig zwar, aber das ist auch schon etwas süß. Das macht dich menschlicher.” “Typisch Reinrassiger”, entgegnete sie mir schnippisch und boxte mir leicht gegen die Schulter. “Lass uns jetzt weiterarbeiten. Noch sind es vier Stunden bis zum Schichtwechsel.” “Aber jetzt arbeitest du oben. Dann brauchst du wenigstens nicht ständig die Treppe erklimmen, wenn jemand kommt.” Ich half ihr noch schnell beim Aufstieg und schnappte mir meinen Kommunikator. Jetzt war sie zwar

gezwungen, mir Anweisungen zu erteilen, aber dies förderte wiederum ihr Selbstbewusstsein. Auch wenn ich ohne sie zurechtkam, freute ich mich, noch eine zweite Absicherung zu haben. Immerhin geht es hier um hochkomplizierte Maschinen zur indirekten Lebenserhaltung der Besatzung. Ein wenig Zeit verging und plötzlich begann das, so schon spärliche, Licht zu flackern. Wobei dies kaum wahrzunehmen war. Kurz darauf heulte der Generator, stabilisierte sich aber wieder. Ein kurzzeitiger Spannungsabfall. Sofort

vermerken! [ Morgenbericht ] Einteilung: Done Mitarbeiter: Hal Mellins/ Samuel Erledigte Arbeiten: überpr. der Feldstärke/ Hüllenintegrität/ Spannung/el. Widerstand Zeit: 15:53 Uhr Spannungsabfall/ Materialverbrauch: Kosten/Aufwand: “Hal? Was passiert bei einer Depolarisierung?” Gespannt wartete ich auf ihre Antwort. “Moment! Da... Ich weiß es, Samuel.

Hab etwas Geduld.” In der Zwischenzeit hatte ich genau dieses Problem behoben und überprüfte erneut den elektrischen Widerstand. “Bei einer Depolarisierung verliert das Magnetfeld einen oder mehrere Pole? Folglich schwirren die Feldlinien unkontrolliert im Raum herum?” “Absolut richtig! Ich bin beeindruckt, Hal. Bitte vermerke diese in deinem Bericht.” Sie schreckte auf. “Meine Schuld? Habe ich

diese...” “Nicht zweifeln, Hal Mellins”, erwiderte ich sofort und gab ein entnervtes Stöhnen von mir. Die restlichen Stunden verliefen dann wenigstens ohne weitere Komplikationen und Zwischenfälle. Ab und an konnte ich auch einen Blick auf ihren knackigen Hintern werfen, der mir neue Kraft gab, dies weiter durchzustehen. Der einzige Trost zur Zeit. Sie war sich einfach zu unsicher bei allem und traute sich kaum was von alleine. Man musste viel Geduld haben bei ihr. Die letzten dreißig Minuten verbrachten

wir damit, unsere Berichte anzugleichen und nochmal ihr neuerworbenes Wissen zu festigen. Keine Ahnung ob sie mir zuhörte, weil ich Ahnung hatte, oder ihr einfach nur sympathisch war. Ich kann nur meine Worte von heute Vormittag wiederholen. Optisch war ich zufrieden! [ Morgenbericht ] Einteilung: Done Mitarbeiter: Hal Mellins/ Samuel Erledigte Arbeiten: überpr. der Feldstärke/ Hüllenintegrität/ Spannung/el. Widerstand Zeit: 15:53 Uhr Spannungsabfall/ Materialverbrauch: - Kosten/Aufwand:

- “Da kommt unsere Ablösung. Also Hal, alles klar soweit? Ich wünsche dir dann noch einen schönen Tag.” Ein schneller Handschlag und weg war ich. Mit Aufdringlichkeit konnte man bei mir nicht so schnell punkten. Keinen Blick würdigte ich ihr mehr und lief unbeirrt durch die Schotts, stets den Ausgang suchend. Leicht hallte ihre Stimme durch die Räume, klang aber in der unendlichen Weite langsam ab. Jetzt wollte ich erstmal meine Ruhe haben. Mir war schon bewusst, dass man mich am ersten Tag nicht schonen würde. Aber mit sowas hatte ich nicht

gerechnet. Beinahe hätte ich sogar noch den Abteilungsleiter umgerempelt, auf der Flucht vor ihr und der Unfähigkeit. Entsprechend genervt schaute er mich dann auch an, als wir am Ende des Korridors kollidierten. “Hier wird nicht gerannt! Und die Augen stets nach vorne richten!” Er musterte mich. “Wo willst du denn eigentlich hin? Wo ist dein Partner?” Urplötzlich wurde ich nervös und blickte hektisch zurück zu Hal. Mit großen Schritten kam sie in meine Richtung. Ich konnte schon hören, wie sie wieder

meinen Namen rief. “Könnte ich Sie kurz sprechen? Unter vier Augen.” Er schaute auf seinen Kommunikator und tippte etwas darauf herum. Mit Stöhnen sprach er: “Aber wirklich nur kurz!” Sofort gingen wir weiter, zum Versammlungsraum. Dort, wo der Morgenappell stattgefunden hatte. Hal folgte uns nicht. Sie verlor uns aus den Augen, oder suchte uns gar nicht erst. Wer wusste schon, was in ihrem Kopf

abging. “Also, was gibt es? Sprich geschwind.” Gemütlich lehnte er sich gegen die Wand und tippte weiter auf seinem Kommunikator rum. “Ich möchte nicht Ihre Glaubwürdigkeit in Frage stellen. Aber ich glaube, Sie haben sich da einen Spaß erlaubt, als Sie mir Hal Mellins zugeteilt haben.” Verdutzt schaute er mich an und fühlte sich anscheinend beleidigt. “Du bist Samuel, nicht wahr? Kann ich mal deinen Bericht

sehen?” Ich reichte ihm meinen Kommunikator und öffnete die Datei. “Also laut deinen und meinen Dateien wurde dir Hal Mellins zugeteilt. Du hast dich doch heute früh bereiterklärt, sich ihrer anzunehmen. Also warum meckerst du jetzt rum? Anscheinend ist doch alles in Ordnung. Ich verstehe dein Problem nun wirklich nicht.” Dann verabschiedete er sich und ging seine Wege. Eigentlich hatte ich mir schon mehr erhofft, als solch eine Abspeisung. Ich will nicht behaupten,

dass ich sie nicht mochte. Aber hätte man sie denn nicht wenigstens mal vorher einweisen können? Hoffentlich würden sie bald ihren Fehler einsehen und mir jemand besseren zuteilen. Aber nun erstmal ab in die Kantine. Ich hatte einen gewaltigen Kohldampf und das gewaltige Magenknurren schallte auch schon kräftig durchs Schiff. Die Frage war nur, wo sich diese befand. Auf der Helios I war sie eigentlich ganz in der Nähe meines aktuellen Aufenthalts. Ich linste um die Ecke und hielt nach ihr ausschau. Nirgends zu sehen war sie. Erleichterung! Mit großen Schritten sprintete ich den Gang entlang, in Richtung Station 43/4E.

Ich war äußerst überrascht, als ich im Hauptkorridor ankam. Keine Menschenseele war hier. Also ich meine, keine Menschen. Aber wirklich nirgendwo. Mein Blick schweifte ziellos umher und die einzigen Personen, die ich entdecken konnte, waren eine Gruppe von Greys und eine Chima. Und ich hatte wirklich keinen blassen Schimmer, wo nun die Kantine war. Ich folgte den Greys ein Stück, in der Hoffnung, dass mal ein Mensch kommen würde. Aber dem war nicht so. Das ist nicht ungewöhnlich, aber ungewollt. Dann musste ich mich halt erbarmen und die Chima nach dem Weg fragen. Zu lange würde es dauern, den Greys klar

zu machen, was ich von ihnen wolle. Vorsichtig näherte ich mich der Chima, die dazu auch noch ein Unteroffizier war. Sie entdeckte mich sofort, so laut wie ich schlich. “Was ist?”, fragte sie genervt und schaute mich abfällig an. “Wissen Sie vielleicht, wie ich zur Kantine gelange?” Diese gelben Augen und die Zornesfalten an ihrer Stirn. Sie war viel dunkelblauer als Hal. Und auch ihre Lippen verliefen mehr ins schwarze, als violett. Man konnte gut erkennen, dass ihre Lunge

viel stärker ausgeprägt war, als unsere. Mit jedem Atemzug bebte ihr ganzer Brustkorb und ließ ihn auf doppelte Größe anschwellen. Verständlich, dass dann ihr Busen auch heftig herausstach. “Warum belästigst du mich mit solchen Sachen!? Ich könnte dich zerquetschen, mit meinen bloßen Händen! Und warum starrst du mich so an!?” Schüchtern rieb ich mir den Hals und senkte meinen Blick. “Ich habe Sie nicht angestarrt. Ich will nur wissen, wie ich zur Kantine gelangen kann. Das ist doch eine berechtigte Frage, oder

nicht?” Langsam führte sie ihren Zeigefinger an mein Kinn und drückte meinen Kopf nach oben, sodass ich ihr direkt in die Augen blickte. “Du hast Angst, ich spüre es. Gut so! Von euch Menschen lasse ich mich nicht veralbern... Die Kantine befindet sich in Station 63/4E auf der linken Seite, im zweiten Gang. Und jetzt verschwinde endlich!” Sie winkte mir ab und ging weiter ihren Weg. Was für eine Begegnung. Das war ein Grund, warum niemand gerne mit Chima zusammenarbeitete. Sie sind einfach unberechenbar. Dabei war sie

noch nett. Und jetzt starrten die Greys mich auch noch völlig perplex mit ihren großen Augen an und steckten die Köpfe zusammen. Was sie sich nun wohl wieder für Gedanken austauschen? Welch ein Vorteil das doch ist, nicht sprechen zu können. Dann konnten sie wenigstens auch nichts falsches sagen. Das Leben kann hart sein, als Mensch. Reicht hin mit den Selbstzweifeln! Auf zur Kantine, ohne weitere Zwischenstopps. Drei Stationen galt es zu passieren, was auch wiederum einige Minuten dauerte. Und immer noch waren keine Menschen zu sehen. Ob die

wirklich alle essen waren? Oh ja, waren sie. Die Kantine war brechendvoll! Bis zur Tür standen die Leute und reihten sich weiter ein. Wenigstens ging es schnell voran in der Schlange. Einmal ringsum mussten wir gehen, bevor wir zur Essensausgabe kamen. Und der Raum war wirklich riesig. Mindestens fünfhundert Sitzplätze umfasste er und fast alle waren besetzt. Hoffentlich bekam ich noch einen, bestenfalls allein. Getuschel vor und hinter mir. “Habt ihr diese eine gesehen? Die mit den langen

Haaren.” “Mellins heißt die doch, oder nicht?” “Ja, richtig. beknackter Name.” Lautes Gelächter folgte zugleich. “Der Typ ist mal echt arm dran, der sie zugeteilt bekam. In seiner Haut will ich nicht stecken.” Da musste ich schlucken. Woher kannten die alle sie? War sie etwas besonderes? War sie wirklich so anders, dass man sich darüber die Mäuler zerreißen musste? Ich verstand es nicht. Vielleicht wollte ich das auch gar nicht. Aber was ich wirklich wollte, war

Essen. Quälend waren die Minuten, bis ich endlich an der Reihe war. Ich schnappte mir ein Tablett, stellte es auf die Schiene und lief langsam immer weiter. Was gab es denn nun so schmackhaftes? Möhreneintopf; Spargel im Teigmantel; Pilze; Algensalat; Kartoffeln mit Brokkoli; Tofu; synthetisches Fleisch. Eindeutig Tofu, Algensalat und Spargel im Teigmantel. Und als Getränk heute mal Mineralwasser. Oh, was erspähte mein Auge denn dort leckeres? Mehlwürmer. Das läuft doch einem glatt das Wasser im Munde zusammen. Aber nichts überstürzen. Jeder bekam nur

einen, als Dessert. Tablett schnappen und sich einen freien Platz suchen. Alles besetzt. Einige aßen sogar schon im Stehen, weil sie es nicht abwarten konnten. Aber auf so ein Niveau lasse ich mich nicht herab. Da war einer frei geworden. Sofort stürmte ich hin und erwischte ihn auch. Da schauten sie blöd, die sechs anderen. Das nächste Mal halt nicht so viel quatschen. Überstolz umklammerte ich mein Tablett mit beiden Armen und ließ meinen Blick musternd durch den Saal streifen. Doch dann erblickte ich sie, inmitten der Warteschlange. Hal Mellins. Sofort

winkte sie mir zu, als hätte sie nur darauf gewartet, dass ich mich nach ihr umsehe. Unverzüglich wandte ich meinen Blick von ihr ab und starrte intensiv auf mein Essen. Halbherzig stocherte ich mit der Gabel im Salat herum und nippte am kühlen Nass. Die Geräusche wurden immer intensiver, je mehr ich mich auf mein Essen konzentrierte. Wie schön es doch sein musste, an der Oberfläche zu hausen. Die hatten kein Kantinenfraß, so wie wir. Und auch deutlich mehr Platz und Freizeit. Ebenso gab es dort auch mehr Abwechslung zu sehen und zu erleben. Wie ich diese Zeit vermisste. Schon wieder schwelgte ich in Erinnerungen, an eine bessere

Zeit. Aber wie das nun mal so im Leben ist, geht auch die Kindheit irgendwann vorbei und der Ernst des Lebens beginnt. Jeder wird oder musste irgendwann einmal hier arbeiten. Ich war nur einer von vielen. Heute schmeckte das Tofu aber auch wieder mal köstlich. Schon lange hatte ich nicht mehr solch ein leckeres Stück Bohnenkäse gegessen. Und auch der Algensalat war gut abgeschmeckt. Für Kantinenessen gar nicht mal so übel. Ich versuchte mich ein wenig zu entspannen und der Arbeit zu entfliehen. Ich begann die Stühle und Tische zu

zählen. Das beruhigte mich. Und dabei stieß ich auf so manche Kuriosität. Auch sehr faszinierend, wie Greys ihre Nahrung aufnahmen. Sie haben zwar einen Mund, aber der gleicht eher einer Gesichtsöffnung, ähnlich den Nasenlöchern. Wie durch einen Schlauch schlürfen sie die Nahrung auf und schlucken sie im Ganzen runter. Darum gab es auch immer irgendein Suppen- oder Breigericht. Feste Nahrung können sie nur krampfhaft zu sich nehmen. Sie besitzen auch keine Stimmbänder und können darum auch nicht verbal mit uns anderen kommunizieren. Sie machen es eher über Telekinese oder per Zeichensprache. Doch beides zweites

können nur wenige von uns und ersteres wollen wir nicht. Dort drüben, neben dem Eingang, saß eine junge Dame. Halb Grey, halb Chima. Mensch, sehen die sonderbar aus! Und bei ihr kamen die rezessiven Genome deutlich zum Vorschein. Schwimmhäute, gepaart mit meterlangen Extremitäten. Ein knallblauer Melonenschädel mit handgroßen Glubschaugen. Spektrale Iris und blassrosa Lippen. Zum glück besaß sie kein Kopfhaar. Das hätte sie komplett entstellt. Aber auch sie hatte eine Berechtigung zu leben. Und vermutlich war sie sehr gut in ihrem Fachbereich. Jeder hier hatte die Berechtigung zu leben und zu lieben.

Selbst Hal Mellins. Aber trotzdem genoss ich lieber die Gesellschaft meinesgleichen. Ich versank wieder in Gedanken und stocherte fleißig im Essen rum, da sprach mich plötzlich jemand von der Seite an. “Darf ich mich setzen?” Erst jetzt bemerkte ich, dass mein Tisch fast komplett frei war. Mein Blick wanderte langsam hinauf. Und wer war es wohl? Natürlich Hal Mellins. Enttäuschung machte sich breit, die ich aber gekonnt überspielte. “Ja, kannst

du.” Kaum nahm sie mir gegenüber Platz, redete sie auch schon drauf los. “Warum hast du es eben so eilig gehabt? Hattest bestimmt Hunger, stimmt́s? Was hast du dir denn so leckeres geholt, Samuel? Willst du etwas Fleisch von mir haben? Du hast dir ja keins geholt. Oder hast du deines schon aufgegessen?” Sofort schnitt sie ein großzügiges Stück ab und klatschte es auf mein Tablett. Dafür schnappte sie sich prompt etwas Tofu von mir. “Sag mal, geht es noch? Ich will dieses

synthetische Fleisch nicht! Weißt du denn nicht, wie das hergestellt wird? Und hole dir gefälligst deinen eigenen Tofu.” Sofort tauschte ich das Essen wieder um, bevor sie auch nur ihren ersten Bissen tat. Verdutzt blickte sie drein und ließ glatt das Essen von ihrer Gabel fallen. Schniefend legte sie das Besteck auf dem Tablett ab und schob dieses zur Seite. Sie nahm ihren Kommunikator zur Hand und drehte ihn zu mir rum. “Ich habe da mal eine Frage, bezüglich der Feldstärke und den Daten. Schau mal, ich habe die entsprechende Datei bereits für dich

geöffnet.” Energisch schob sie ihn mir entgegen und drängte so langsam mein Tablett mit weg. Wie das nervte! Ich war am Essen und sie kam an mit Arbeit. Kein Anstand, diese Chima. Ja, sie ist nur zur Hälfte Chima. Aber benimmt sich trotzdem sehr stürmisch und offensiv. “Hal, wenn ich esse, dann esse ich. Hat das denn nicht bis morgen zeit? Iss du auch lieber mal was. Sonst kippst du noch vom Stuhl. Treppen hinunterlaufen kannst du ja anscheinend schon mal

nicht.” Da machte sie große Augen! Grimmig starrte sie mich an und spitzte die Lippen. Mit einem harten Ruck fuhr ihre Hand über den Tisch, den Kommunikator dabei erhaschend. Leider verkeilte er sich an meinem Tablett, welches daraufhin mitgerissen wurde und zu Boden fiel. das ganze Essen verteilte sich unter dem Tisch und meine Hose blieb auch nicht gänzlich verschont. Sofort sprang ich auf, trat den Stuhl nach hinten und schnappte mir meine Sachen. Mit zornigem Blick durchbohrte ich ihre Brust, direkt auf́s Herz zielend. Krampfhaft presste ich mir den

Kommunikator am meinen Bauch und war kurz davor, ihn durchzubrechen. So wütend war ich! Ängstlich starrte sie mich mit ihren knallgelben Augen an und kauerte sich zusammen. Ihr keinen weiteren Blick würdigend, stampfte ich einfach davon und trat in meiner Raserei jeden unbesetzten Stuhl von mir weg. Egal, ob die anderen mich anstarrten, oder nicht. Demütigung war bereits den ganzen Tag lang geschehen, da kam es jetzt auch nicht mehr drauf an. Wie spät war es nun eigentlich schon? 20:40 Uhr bereits? Dann schaffe ich ja heute gar nichts mehr in meiner

Freizeit. Zu wenig, um großartig was anzustellen und zu viel, um bereits zurückzugehen. Dann werde ich eben etwas mehr Zeit unter der Dusche verbringen. Das entspannt auch ganz gut, wenn man sich warmes Wasser über den Körper gleiten lässt. Jetzt, wo meine Hose ja auch mit Essen besudelt war, war dies umso mehr nötig. Und wo befanden sich die Gemeinschaftsduschen nun schon wieder? Sollte ich etwa wieder eine Chima fragen, oder gar einen Grey? Zum Glück waren nun ein paar menschliche Wesen auf den Gängen und sogleich fragte ich nach. Ich wusste zwar, wo sie sich auf der Helios I, in Relation zur

Kantine, befanden. Aber ob das nun auch hier zutreffen würde, wurde immer fraglicher. “Entschuldigung, wo befinden sich die Gemeinschaftsduschen?”, fragte ich den einen Burschen, der sich gerade auf dem Weg in die Kantine befand. Anfang zwanzig schätzte ich ihn. “Die müssten sich in 53/4E oder 13/4E befinden. So genau weiß ich das jetzt leider auch nicht.” “Gut... Trotzdem danke.” Ich ließ ihn ziehen und fragte mich weiter durch. Nach drei weiteren Leuten,

die mir wiederum andere Auskunft gaben, kam ich zum weiblichen Geschlecht, welches rein zufällig meinem Gespräch lauschte. “Du suchst die Gemeinschaftsduschen? Ich kann sie dir zeigen, wenn du verstehst, was ich meine.” Keck zwinkerte sie mir zu. “Das ist nicht dein Ernst, oder?”, fragte ich sie erwartungsvoll und betrachtete sie kurz. “Gut, du hast eine schöne Figur und ein bezauberndes Lächeln. Aber nicht heute.” Die Hände offenhaltend und schulterzuckend entgegnete sie: “Dann

verpasst du eben das beste. Station 13/4E. Links die Weibchen und rechts die Männchen. Überlege es dir noch mal. Noch hast du die Chance dazu.” Erneut musterte ich sie. Recht schöner Anblick. Aber definitiv nicht sie. Irgendwas sagte mir, dass sie mir nicht gut tun würde. “Ich bleibe bei meiner Aussage.” Auch trotz meiner Abfuhr, warf sie mir noch einen leidenschaftlichen Blick zu und verschwand hinter dem nächsten Korridor. Kaum war sie weg und ich ein Stück weiter gegangen, bereute ich meine Entscheidung schon ein wenig.

Ich hätte sie zumindest als Begleitung mit dahin locken können. Nur um nicht ganz so einsam zu sein. Denn Station 13/4E war am anderen Ende. Was für ein sinnloser Aufbau das doch war. Aber was beklagte ich mich denn schon wieder über solche Dinge? Tausende von Ingenieuren und Mechanikern waren Jahre damit beschäftigt, das Schiff zu entwerfen und zu verbessern. Sie werden sich schon was dabei gedacht haben. Endlos schien die Zeit, bis ich endlich angekommen war. Ich sah schon die Besatzungsmitglieder leicht altern, so lange war ich unterwegs. Fast hätte ich auch Hal vergessen, aber nur fast. Sogar mein Quartier passierte ich auf dem Weg

dort hin. Aber viel weiter musste ich auch nicht. Ich wollte mir schnell ein großes schwarzes Handtuch aus meinem Spind holen, da bemerkte ich diese große Metalltruhe im Quartier. Mussten die Sachen meines Mitbewohners sein. Gut zu wissen, dass ich doch noch einen zugeteilt bekam. War schon gespannt, wie er wohl sein würde. Ob wir auch gut harmonieren und es keine Reibereien gäbe. Bei den Duschen angekommen, wäre ich beinahe sogar zu den Weibchen gegangen. War ja auch schwer zu unterscheiden, wenn vor beiden nur Männer standen. Alleinig die Gesichter verrieten es. Mit breitem Grinsen und

sich aufbäumend standen sie wie Wachleute vorm Eingang und taten so, als müssten sie die Damen durchschleusen. Nagut, ich war auch mal so. Aber nun hatte ich andere Probleme, wie meine Männlichkeit zu beweisen. Ich betrat den Umkleideraum und schaute mich erstmal um. Vier Bankreihen, jede gut sechs Meter lang. Feingenoppte, mit Silikon beschichtete, Edelstahlgitter bedeckten den Fußboden und verhinderten ein Rutschen, auch bei starker Nässe. Die Wände waren nur aus Metall und spiegelglatt. LED-Streifen zierten die drei Meter hohe Decke, welche gerade genug Licht spendeten,

um nicht irgendwo dagegen zu laufen und Gesichter zu erkennen. Man muss bedenken, wieviel Energie jede Sekunde im ganzen Schiff verbraucht wird. Jede Möglichkeit, Energie einzusparen, musste genutzt werden. Zwischen dem Hauptkorridor und Umkleideraum befand sich nochmal ein schmaler Weg, der unerwünschte Blicke abhalten sollte. Klappte bekanntlich auch nicht immer. Mit nur jeweils zwei Wachen war man halt nicht absolut sicher. Ich legte meine Sachen ab. Neben mir noch viele weitere Männer, welche auch das selbige taten. Natürlich waren kleine Späße und prickelnde Unterhaltungen

ebenso vorhanden, wie unerwünscht. “Vorhin habe ich sie abgeklärt.” “Echt jetzt? Respekt! Ich weiß wirklich nicht, wie du das immer schaffst.” “Dann solltest du mal öfters auf mich schauen, beim Duschen.” “Ne, lass mal gut sein. Sowas habe ich auch nicht nötig.” Dies hier ist auch einer der wenigen Orte, wo Chima erträglich waren. Hier konnte man mal dem Alltagsstress entfliehen und sich am besten mit den anderen Spezies unterhalten. Hier war man gleichgestellt, weil man die gleichen Probleme hatte. Niemand konnte sich

verstecken, vor den Blicken und Beurteilungen der anderen. Der Anblick meiner Hose war natürlich sofort ein neues Gesprächsthema. Zwar ist es keine Seltenheit, aber trotzdem kurios. “Ein Chima?” “Könnte man so sagen. Aber eine.” “Oh, weiblich! Ja, die sind die schlimmsten.” “Mach dir nichts draus. Greys sind auch nicht reinlicher.” “Ja!” Gelächter brach auch. “Du hattest auch grad das Pech, dass dem Grey schlecht war. Ich hätte mich gleich mit übergeben, nachdem er sich übergeben

hatte.” Schnaufend schnappte ich mir meine Hose und ging zu den Duschen. Der Dampf des heißen Wassers hüllte den ganzen Raum in dichten Nebel ein und perlte langsam an den kühleren Wänden ab. Es rauschte ohrenbetäubend und ein beißender Geruch von Desinfektionsmittel, vermischt mit Seife und Schweiß, lag in der Luft. Das Geschrei, der sich unterhaltenden Kerle, übertönte dies nur bedingt. Es war eher ein feiner Sprühnebel, wie Wasser, welcher aus den Brausen herausspritzte. Sanft hüllte er mich ein und benetzte zart meine Haut. Der

klebrige Schweiß und das schmierige Öl gingen damit ganz leicht ab. Wie ein Hauch von Nichts umschloss er meine Poren. Trocken blieb ich nicht. Aber triefend nass war ich auch nicht. Eher so leicht berieselt, oder angefeuchtet. Nur wenige Glaswände fungierten als optische Raumteiler, was eher der Ästhetik diente und weniger dem Zweck. Vielleicht auch mal zum Abstützen, oder als Führungshilfe. Ich suchte mir einen freien Platz und genoss diesen Augenblick der Wonne. Es kribbelte leicht auf meiner Haut, was unter den richtigen Bedingungen auch schon mal zu einem stärkeren Gefühl werden konnte. Doch das

Bewusstwerden, dass man hier nicht allein war, unterband dies meistens schon vorher. Trotzdem musste man sich nicht schämen, falls es doch mal passieren sollte. Niemand ist perfekt. Genüsslich ließ ich mir das brühende Wasser übers Gesicht laufen und träumte vor mich hin. Ein Chima gesellte sich zu mir und begutachtete mich eingehend. Sein selbstgefälliger Gesichtsausdruck, beim Anblick meines besten Stückes, sprach Bände. Chima waren deutlich besser bestückt wie wir Menschen, und prahlten zu gerne damit. Aber Größe ist ja bekanntlich nicht alles. “Und wie war dein Tag?”, fragte er mich

kurz und knapp. “Ganz gut”, stieß ich zurückhalten heraus. “Ich bekam eine Chima zugeteilt. Gut, sie war nur zur Hälfte Chima.” “Und gefällt sie dir? Also ist das Arbeiten angenehm mit ihr?” Da musste ich kurz schweigen und in mich kehren. Die Wahrheit könnte nun nämlich falsch aufgefasst werden. Und dies wollte ich nicht riskieren. “Sie hatte Aspekte einer Chima. Es war erträglich, sag ich mal so. Es ging alles gut und sie war auch ganz zufrieden mit

mir.” “Das ist schön zu hören. Wir Chima wissen selber, dass wir schnell zur Aggression neigen. Aber das ist unsere Natur. Und dies könnt selbst ihr nicht in zweihundert Jahren wegzüchten.” Da schmunzelte ich. “habe ich persönlich auch nicht vor. Ihr gefallt mir so. Ich kenne euch nur so. Eher würdet ihr unsere Physiologie verändern können, wie umgekehrt. Ihr seid ein Teil von uns und eigentlich sind wir auch gar nicht so verschieden.” Er drehte sich zu mir um und sprach nun

etwas direkter. “Ein Rat, von Chima zu Mensch. Wenn wir nackt sind, sind wir erträglich.” Wie auch immer er das meinte, ich nahm es mir zu Herzen. Aber jetzt hatte ich mich auch genug geduscht. Noch reinlicher konnte ich nicht werden. Und meine Hose war auch wieder sauber. “Ich bin dann mal weg. Danke nochmals, für die ruhige Unterhaltung.” Ich verließ die Duschen, trocknete mich ab und band mir das Handtuch um die Hüfte. Meine Hose konnte ich ja so nun nicht anziehen. Da würde ich mich noch erkälten und zwangsläufig krank werden.

Und glaubt mir, dies wollte hier keiner riskieren. Da hatten die Frauen natürlich gleich was zu gucken, als ich tippelnd über den Korridor lief. Sie konnten es sich auch nicht verkneifen, mir am Tuch zu ziehen. Aber gekonnt schlug ich sanft deren Hände weg und kam unberührt an. ID-Karte durch den Schlitz ziehen, kurz warten, bis mein Name erschien, und dann konnte ich mein Zimmer betreten. Kaum war ich drinnen, ertönte auch schon Miris Stimme. Guten Abend, Samuel. Wie ist es dir

ergangen? “Guten Abend, Miri. Ganz gut, denke ich. Hat sich schon mein Mittbewohner bei dir gemeldet?” Nein Samuel. Es ist keine Registrierung durchgeführt worden. Hast du irgendwelche Wünsche? “Ja, Miri. Könntest du etwas Musik einblenden? Klassische Musik. Mozart, erste Sinfonie.” Und sie blendete sie ein. Herrlich, diese Musik. Da hatten unsere Vorfahren wahrlich ein Händchen für. Wer auch

immer dieser Mozart war, er musste ein Genie gewesen sein! Das klingt auch so echt und natürlich. Mein Herz ging auf. Da ließ es sich entspannen. Sofort legte ich meine Hose zum Trocknen über den Stuhl und zog mir anschließend meinen Pyjama an. Der war natürlich auch schwarz. Anschließend legte ich mich ins untere Bett und genoss weiter die Musik. “Miri, wie spät ist es zur Zeit?” Es ist exakt 21:48 Uhr, gemessen am Nullmeridian des Planeten XV Novus. Ich schloss die Augen und ließ die Klänge weiter auf mich wirken. Kurz

darauf öffnete jemand die Tür mit lautem Getöse und trat ein. Das war bestimmt mein Zimmergenosse. Sofort begrüßte ich ihn. “Guten Abend. Es macht dir doch nichts aus, dass ich unten schlafe, oder?” “Guten Morgen. Nein, ich schlafe gerne oben.” Verdutzt schaute ich drein. Die Stimme kannte ich doch. Kurz blickte ich zur Tür und da sah ich sie tatsächlich. Hal Mellins. Ich habe sie zuerst nicht erkannt, wegen den kurzen Haaren. Aber sie war es. Das konnte jetzt nicht wahr sein, oder? Wer wollte mich hier bloß

bestrafen? “Was?”, quälte ich mir fragend heraus. “Ich schlafe gerne oben, habe ich gesagt. Miri, wie spät ist es zur Zeit auf der Helios II?” Es ist exakt 6:00 Uhr auf der Helios II. In 1 Stunde 49 Minuten und 45 Sekunden werden die Zeiten aller drei Archen synchronisiert. Die exakte Zeit beträgt dann 0:00:00 Uhr. “I.C.D stummschalten”, unterbrach ich Miri und Hal sofort. Sie drehte sich um und erschrak bei meinem

Anblick. “Samuel, du? Sind wir jetzt...” “Ja, es scheint so, Hal! Wir sind Zellengenossen. Also bitte hab ein wenig Respekt und nimm...” Sofort unterbrach sie mich. “Miri, ich wünsche Musik. Es gibt einen Grund zum Feiern.” Es läuft bereits Musik. Soll das Lied gewechselt werden? “Das kann sich doch keiner anhören, was hier läuft. Da schläft man ja nebenbei ein. Elektronische Musik,

wünsche ich. Sonnenwind.” Wie du es wünschst. Kaum erklangen die ersten Töne, fing sie auch schon an, rhythmisch dazu zu tanzen. Schwungvoll wippten ihre Hände im Takt und die Füße gleich mit. Ich fand das gar nicht amüsant. Sie konnte doch nicht einfach irgendwas bestimmen. Gut, die Musikauswahl war nicht das Problem, ich mochte das auch ganz gerne. Aber sie hätte mich doch wenigstens mal vorher fragen können! “Ich finde es schön, dass wir zusammen

auf einem Zimmer sind”, sagte sie und räumte im Takt zur Musik ihren Spind ein. “Miri, bitte die Musik etwas lauter stellen.” Kurz blickte sie zu mir rüber. “Normalerweise stehe ich nicht so auf elektronische Musik von eurem Heimatplaneten. Aber dieses Lied ist echt gut. Eine wirklich gute Interpretation von kosmischen Klängen.” Sie wandte sich wieder ihren Sachen zu und holte ihren Pyjama hervor. Ebenfalls schwarz und mit dem Wappen des Schiffes gekennzeichnet. Wir bekommen die gesamte Kleidung einheitlich

abgestimmt. Wenn man es so betrachtet, ist das schon etwas langweilig. “Miri, bitte das Lied wechseln. Roter Zwerg” Und zu diesen Rhythmen zog sie sich dann um. Langsam und sehr anrüchig, möchte man behaupten. Etwas irritierte mich das schon, wie Hal ihre Hüften kreisen ließ und sich mit ihren Fingern zärtlich über den Bauch fuhr. Ich versuchte nicht hinzuschauen. Aber es reizte mich schon, eine Chima mal nackt zu sehen. Sie sollen ja wirklich extrem gut aussehen. “Darf ich dich Sam nennen, da wir jetzt

Zellengenossen sind?”, fragte sie mich und tänzelte ein wenig herum. Sie bekam irgendwie den Pyjama nicht über ihre Hüften. Und dann kam sie an mein Bett und drehte mir den Rücken zu. “Kannst du mir mal helfen? Der ist so eng.” Sie streckte mir ihren Po regelrecht ins Gesicht und zerrte verkrampft am Baumwollstoff. “Miri, schalte die Musik ab. Hal, was soll das? Hörst du mal auf damit? Ziehe dich gefälligst im Bett an, oder nimm den Spind als

Sichtschutz.” Perplex schaute sie mich an und ging ein paar Schritte zurück. “Was meinst du, Samuel? Ich kann doch nicht nackt schlafen.” “Wäre aber einfacher für mich. Ich meine, muss das sein? Bist du immer so tollpatschig und konfus?” Stirnrunzelnd schüttelte sie den Kopf und ging wieder zu ihrem Spind. “Du sprichst in Rätseln, Samuel. Ich habe mich doch nur umgezogen. Das machst du doch auch

hier.” “Ja, aber bestimmt nicht vor dir”, grummelte ich und drehte mich zur Wand. “Dann schlafe ich eben nackt, wenn das dir lieber ist.” Und schon lag ihr Pyjama wieder im Spind und sie anschließend im Bett. “Miri, wie spät ist es?” Es ist 22:05 Uhr. “Wann müssen Samuel und ich morgen

aufstehen?” Um 5:30 Uhr ist Beginn. “Danke, Miri. Wecke uns um exakt fünf Uhr... Gute Nacht, Sam?” “Gute Nacht, Hal! Miri, bitte das Licht ausschalten.”

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Hörbuch

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ZarkarasJade

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Ameise Großartig geschrieben. Ich werde Dich abonieren, damit ich weiterlesen kann. LG Ameise
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