Kurzgeschichte
Ohne Weihnachten geht

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"Ohne Weihnachten geht"
Veröffentlicht am 04. Dezember 2008, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Ich denke positiv, in leisen Tönen.
Ohne Weihnachten geht

Ohne Weihnachten geht

Ohne Weihnachten geht's nicht

Es war vor vielen, vielen Jahren. Damals. Wir schreiben November. Eine trübe Stimmung zog sich zäh durch den Flecken. Die Wolken hingen tief, trudelten träge am Himmel entlang. Ab und zu regnete es lang und heftig. Der Ort hätte im Thüringer Wald, aber ebenso gut im Erzgebirge liegen können oder auch ganz woanders, niemand weiß es mehr so genau. Er war nicht zu groß, nicht zu klein, nicht bedeutend, aber auch nicht unbedeutend. Nennen wir ihn einfach Tannenwald. Die Bürger des Ortes pflegten ihre Fachwerkhäuser, sie waren nicht arm, aber auch nicht übermäßig reich. Ärmliche Hütten gab es nur vor dem Stadttor, wo sich Fremde niedergelassen hatten. In der Mitte von Tannenwald steht das Rathaus, ein Bau, der von Geschmack und Bürgersinn erzählt.

Es war Wochenmitte. Die Ratsherren, Zunftobermeister und der Pastor saßen immer zu dieser Stunde, wo der Tag im Zwielicht taumelte, im Ratskeller. In lockerer Runde bei Bier und Schweinshaxe ließ sich manches besser bereden als im Ratssaal.

Der Bürgermeister, zugleich Zunftobermeister der Zuckerbäcker, schaute sich in der Runde um. Seine Ratsherrenkette klirrte leise dabei. Er strich seine Weste aus feinem Tuch über den etwas feisten Bauch glatt. »Meine Herren«, begann er und räusperte sich. Das Gemurmel in der Runde erstarb langsam. Die Männer hoben noch einmal ihre Bierseidel und nahmen einen kräftigen Schluck. Dann hatte er die Aufmerksamkeit aller. »Meine Herren, gar seltsame Kunde brachte mir ein fahrender Geselle aus dem Fränkischen und ich denke, wir können allesamt davon profitieren. Stellt euch vor, in Nürnberg backen die Bäcker neuerdings zur Christzeit ein Gebäck, was sie Lebkuchen nennen. Es wird nur in der Zeit der Geburt unseres Herrn verkauft.«

»Hört, hört«, die Ratsherren und Zunftobermeister schwatzten wild durcheinander: Was ist das für ein Schmarrn? Warum denn etwas extra zu Christi Geburt herstellen? Leben wir nicht auch so gottesfürchtig? Ich verstehe den Sinn nicht! Immer dieser neumodische Kram.

In einem Bienenstock hätte es nicht lauter summen können, so ratschten die Ratsherren und Zunftobermeister durch-einander.

»Meine Herren, ich bitte euch. Wir sollten gemeinsam über die Idee nachdenken. Wir sind alle, so wie wir hier zusammensitzen, fromme Christen, gehen an diesem hohen Feiertag zur heiligen Messe, beten zu unseren Erlöser. Danach trotten wir nach Hause. Außer einen Platz im Paradies, bringt uns das nichts ein. Warum sollten wir nicht etwas zu Ehren Gottes tun, etwas Außergewöhnliches. Was die Nürnberger können, werden wir doch auch hinbekommen.«

Die Ratsherren ließen sich jeder noch einen Krug Bier einschenken, dachten nach, wiegten ihre Köpfe hin und her und ließen ihre Pfeifen dampfen.

»Meine Herren, stellen wir uns doch mal Folgendes vor. Warum bieten wir nicht unseren Bürgern schon einige Wochen vor Christi Geburt etwas an, woran sie merken, jetzt ist es soweit, der Tag der Geburt unseres Herrn Jesu steht bevor. Du Franz, du könntest in deiner Manufaktur doch besondere Kerzen herstellen. Nur für diese Zeit. Wäre das nicht ein Geschäft?« Franz nickte bejahend. »Unsere Kassen könnten zu dieser Zeit besonders reich klingen.«

Sofort wurden alle Ratsherren und Zunftobermeister hellhörig: Kasse klingeln. Das war ihr Stichwort. Die Ideen sprudelten nur so aus ihnen hervor.

Der Glaspeter sprach: »Ich habe gehört, das man sich an einem weit entfernten Ort Tannen ins Zimmer holt, sie mit Äpfeln und Nüssen behängt. So etwas könnte ich viel schöner aus Glas herstellen.«

Dem Holzgeorg gefiel diese Idee ausnehmend gut: »Ich liefere die Bäume, habe doch einen Fichtenwald. Wir sollten alles nicht zu teuer anbieten. Die Masse muss es bringen.«

»Meine Herren«, der Bürgermeister macht eine große Handbewegung waagerecht durch die Luft und alle schauten ihn erwartungsvoll an: »Ich werde ein Gebäck herstellen, nur für diese Zeit, aus Mehl, Milch, Hefe und Nüssen und es Stolle nennen.«

Da erhob der Jakob seine Stimme, Kunstschmied war er: »Meine Herren, es scheint, das wir uns einig sind. Nur unter welchen Namen verkaufen wir das alles?«

Alle Anwesenden schauten betroffen in die Runde. Sie wussten nicht, was sie antworten sollten. Um die Gedankengänge anzuspornen, ließen sie sich alle noch einen Humpen Bier kommen, schlürften tief und überlegten.

Da meldete sich der Pastor zu Wort: »Liebe Ratsherren, mir kommt da so ein Gedanke ... Ich werde einige Wochen vor der Geburt unseres Herrn, ich denke so an vier Sonntage vorher, von der Kanzel von euren gottgefälligen Taten erzählen, damit unsere Schäfchen wissen, warum sie Tannenbaum, Glaskugeln und Stollen kaufen sollen.«

Die Anwesenden klatschten vor Freude in die Hände. In Gedanken sahen sie schon die Taler in Ihre Truhen rollen.

Jakob ließ nicht locker: »Wir haben immer noch keinen Namen für das Kind. Wie nennen wir die Wochen vor Christi Geburt?«

Die Ratsherren schauten betreten in ihre Bierkrüge, ließen sich wiederum nachschenken, steckten die Köpfe zusammen und flüsterten untereinander.

»Weihnachtszeit, meine Herren«, rief der Pastor plötzlich laut in die Runde, »Die vier Sonntage vor Christi Geburt? Ich schlage vor, die bestimmen wir zum Advent. Das passt doch gut. Die Zeit, wo der geweihten Nacht gedacht wird.« Triumphierend schaute sich der Pastor in der Runde um.

»Weihnachtszeit, Advent«, echoten die Ratsherren und Zunftobermeister.

»Weihnachtszeit und Advent. So sei es! Machen wir uns an unser frommes Werk. Mögen unsere Kassen dabei nicht darben«, beendete der Bürgermeister den Wortwechsel.

Alle Ratsherren, Zunftobermeister und auch der Herr Pastor hoben ihre Bierseidel, prosteten sich zu: Zum Wohl! Auf unser Gold! Sie waren mit sich sehr zufrieden.

 

Ob es so gewesen sein könnte? Das liegt im Dunkel der Geschichte.

 

 

 

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Ich denke positiv, in leisen Tönen.

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Susan Re: Re: Re: sjsan -
Zitat: (Original von Nera200 am 05.12.2008 - 19:00 Uhr)
Zitat: (Original von Susan am 04.12.2008 - 23:08 Uhr) Danke, Nera. Ich habe nicht so sehr viel Zeit, da ich an einem Buch schreibe.
LG Susan
freut mich mal wieder was von dir zu lesen
oh dann wünsche ich dir viel erfolg

Dankeschön. Ich weiß schon, wo es veröffentlicht wird. Vorgestellt soll es zur Leipzig Buchmesse werden. Da muss ich mich noch etwas sputen.
LG
Susan
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Nera200 Re: Re: sjsan -
Zitat: (Original von Susan am 04.12.2008 - 23:08 Uhr) Danke, Nera. Ich habe nicht so sehr viel Zeit, da ich an einem Buch schreibe.
LG Susan
freut mich mal wieder was von dir zu lesen
oh dann wünsche ich dir viel erfolg
Vor langer Zeit - Antworten
Susan Re: sjsan - Danke, Nera. Ich habe nicht so sehr viel Zeit, da ich an einem Buch schreibe.
LG Susan
freut mich mal wieder was von dir zu lesen
Vor langer Zeit - Antworten
Nera200 sjsan - eine gute geschichte
freut mich mal wieder was von dir zu lesen
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