Kapitel 34 Falscher Kurs
Galren wischte das Blut von seiner Lippe, während sie Elin über das Deck eskortierten. Die junge Gejarn schien zumindest für den Moment ihren Kampfgeist aufzugeben und lief wortlos mit ihnen mit. Er wusste nach wie vor nicht, was er von ihr halten sollte… oder ihrer Behauptung nach der sie ihnen irgendwie geholfen hatte.
,, Das ist also unser Dieb ?“ , fragte Naria mit einen Blick in ihre Richtung. ,, Hedan wird einfach begeistert sein…“
,, Er wird ihr aber nichts tun , oder ?“ Merl raffte seine braune Robe ein Stück
weiter um sich, während er besorgt in Richtung der Kajüte am Heck des Schiffs nickte. Zumindest würde Hedan sich wohl kaum darüber freuen, damit hatte Naria wohl Recht, dachte Galren.
,, Keine Sorge.“ , antwortete Armell und legte dem Magier eine Hand auf die Schulter. ,, Am Ende bin ich hier diejenige die das sagen hat. Ich kann mich nicht in allem gegen ihn stellen auch Hedan hat seine Grenzen.“
,, Wenn nicht zeige ich sie ihm eben auf.“ , meinte Lias.
,, Ihr vertraut ihr nicht etwa so einfach ?“ , fragte Naria. Die Kritik in ihrer Stimme war unüberhörbar und Galren hoffte stumm darauf, dass der Streit der
beiden nicht ausgerechnet jetzt neu aufflammte. Das fehlte grade noch. Sie hatten im Augenblick genug andere Dinge um die sie sich Gedanken machen mussten.
,, Das hat nichts mit vertrauen zu tun wenn ich nicht zulasse , dass jemand ohne Grund verletzt wird. Das ist schlichte Notwendigkeit. Wieder etwas, das ihr eigentlich verstehen solltet… Außerdem,“ , fuhr Lias fort. ,, Vertraue ich Galren. Und euch auch, gezwungenermaßen. Also wieso nicht ?“
,, Ihr vertraut mir ?“ Naria klang mehr als skeptisch.
,, Wir kämpfen hier alle auf der gleichen Seite. Ihr mögt mich nicht… und ich
mag euch vielleicht auch nicht, aber wer und was wir sind, zählt hier draußen nichts mehr. Wenn man weit genug von Zuhause entfernt ist hört man auf zu Fragen wer es ist, der einen stützt. Man ist nur froh darüber den Weg nicht ganz alleine gehen zu müssen.“
Naria zögerte und das Misstrauen wich allmählich aus ihren Zügen. ,, Das ist… überraschend weise. Und ich denke ihr habt recht.“
,, Nicht ich.“ , erwiderte Lias mit einem Anflug eines Lächelns. ,, Sondern Laos. Das sind einige der Worte die meinem Volk erhalten geblieben sind. Und von denen ich auch nach all den Jahrhunderten noch glaube, dass sie echt
sind. Es gibt viele Schriften über und von ihm, die in Helike verwahrt werden aber ein Großteil davon dürfte erst gar nicht mehr aus seiner Feder stammen. “
Die Gejarn schüttelte den Kopf. ,, Habt ihr mich grade ernsthaft dazu gebracht, mit Laos einer Meinung zu sein ?“
,, Vielleicht… Oder vielleicht habt ihr euch selber dazu gebracht.“
Ein unsicheres Lächeln huschte über Narias Züge. ,, Eines Tages ,Paladin, werde ich euch dafür eine Lektion erteilen…“
,, Ihr werdet es versuchen.“ , gab Lias zurück. So seltsam das war, es klang die Herausforderung schien in keiner Weise böse gemeint. Nur hoffte Galren
innständig, das das auch so bleiben würde…
,, Ihr… werdet mich doch bleiben lassen ?“ , rief ihr neuer Gast sich derweil wieder in Erinnerung. Elins Stimme klang beinahe flehend. Was war das für eine Frage? Bleiben würde sie so oder so, dachte Galren. Die Frage war nur ob frei oder besser irgendwo festgesetzt… Nun eigentlich hatte sie ja nichts weiter Böses getan, ermahnte er sich selbst. Und obwohl sie es leicht hätte tun können hatte sie nicht absichtlich versucht ihn zu verletzen, oder? Die fehlenden Vorräte konnten sie wohl verschmerzen. Elin war alles außer einer echten Bedrohung. Und vielleicht
konnte sie ja tatsächlich irgendwie helfen. Nur ob der Kapitän das auch so sehen würde war die andere Frage. Am Ende waren es er und Armell die hier das sagen hatten und so weit von Canton entfernt nutzte es der Fürstin wenig, das sie Offiziell das sagen hatte. Die Crew würde vermutlich hinter Hedan stehen…
,, Ich kann nichts versprechen“ , erklärte Galren. ,, Aber ich werde zumindest versuchen ein gutes Wort für euch einzulegen.“ Nur ob er ihr damit überhaupt einen Gefallen tat… Spätestens seit er Hedan offen wegen des Kurses in Frage gestellt hatte, schien der Mann eine Abneigung gegen ihn entwickelt zu haben.
,, Ein gutes Wort bringt mir nichts.“ Es war erstaunlich wie schnell sie wieder zu ihrer Selbstsicherheit zurückfand. Elin schien nun ernsthaft aufgebracht, während sie fortfuhr: ,, Wisst ihr wer alles ein gutes Wort für mich in Lasanta hätte einlegen können? Was ich brauche ist eine Chance und die gibt mir euer Kapitän sicher nicht. Da könnt ihr mich auch gleich wieder laufen lassen. Einsperren lass ich mich nicht.“
,, Ihr könnt euch auch nicht ewig verstecken.“ , meinte Lias. Er bedachte das wütende Mädchen mit einem amüsierten Schmunzeln. Für ihre Größe hatte sie mehr als genug Feuer, das
musste man ihr lassen. Und sie nahm garantiert kein Blatt vor den Mund. ,, Hätte euch jemand anderes entdeckt, ihr wärt vielleicht tot. Oder schon über Bord gegangen.“
,, Ich weiß…“ Die Luchsin ließ den Kopf wieder einen Moment hängen. Ihr war wohl selber klar dass Lias bedauerlicherweise Recht hatte.
Als sie schließlich die Kajüte erreichten und eintraten, war Hedan grade dabei die Karten erneut zu prüfen. Der Kapitän der Immerwind strich sich eine hellrote Haarsträhne während er von dem Tisch aufsah, an dem er stand.
,, Gibt es irgendeinen Grund warum ihr alle hier seid ?“ , fragte er säuerlich, als
er die siebenköpfige Gruppe betrachtete. Acht, wenn man Sentine mitzählte, die sich in diesem Moment als Papagei versuchte. Sein Blick blieb schließlich an Elin hängen. Ein Funke des Wiedererkennens schien sich in seinem Gesicht abzuzeichnen. ,, Und wer bei allen Tränen seid ihr ?“ Nach wie vor einen Sextanten in der Hand haltend, ballten sich seine Finger zur Faust.
,, Unser blinder Passagier.“ , erklärte Armell, während Elin hinter den anderen hervortrat. Und einen Schritt in den Raum machte. Ihre Augen wanderten rasch durch die Kabine, bleiben aber schließlich an den Karten und Instrumenten auf Hedans Tisch
hängen.
,, Großartig.“ Der Kapitän seufzte. ,, Also seit ihr die Vorratsdiebin… Ich habe euch schon in Lasanta gesagt das ich euch hier nicht brauche. Warum bringt ihr sie eigentlich zu mir? Sperrt sie irgendwo ein, werft sie ins Wasser, was kümmert es mich. Aber sie bleibt nicht hier.“
,, Jemand , der sich Wochenlang auf einem Schiff wie diesem verstecken kann könnte uns durchaus nützlich sein.“, warf Galren hastig ein. Natürlich wartete Hedan erst gar keine Erklärung ab. Der Mann hatte seine Meinung schon vor Wochen festgemacht. Und die würde sich nicht so schnell
ändern…
,, In wie fern ? In dem er uns Bestiehlt? Was kümmert euch das überhaupt…“
,, Wenn es mich nicht kümmert, dann vielleicht Armell.“ , erklärte Galren. ,,Eure Geldgeberin wenn ich euch daran erinnern darf.“
,, Ach wirklich ?“ Hedan verschränkte die Arme vor der Brust. ,, Ich werde jedenfalls…“
Bevor er den Satz noch beenden konnte, war Elin bereits an den Tisch getreten und hatte sich ungefragt eine seiner Karten geschnappt. Galren musste schmunzeln als er den verdutzten Ausdruck auf Hedans Gesicht sah. ,, Was soll das werden
?“
,, Ich korrigiere eure Fehler.“ , erklärte Elin ohne auch nur von den Karten und Tabellen aufzusehen. Galren hatte selten jemanden so schnell und präzise arbeiten sehen. ,, Gebt mir das.“
Hedan machte nicht einmal mehr den Versuch, sie aufzuhalten, als sie ihm den Sextanten aus der Hand nahm und weiter arbeitete. Galren und die anderen konnten nur ratlos zusehen, wie die junge Gejarn die Berechnungen des Kapitäns eine nach der anderen durchging, die Sonnenhöhen, Winkel von Gestirnen… all die Dinge die Galren zwar oberflächlich kannte, aber mit denen er schlicht nicht weiter umgehen
konnte. Und natürlich stieß sie auch auf eine Abschrift von Galrens Karte, die den kleinen Küstenabschnitt jenseits von Canton zeigte.
,, Fehler ?“ Hedan schien kurz darauf ihr Instrumente und Tabellen einfach aus der Hand zu reißen, ein warnender Blick von Lias belehrte ihn jedoch eines Besseren. Stattdessen nahm er ihr lediglich die Blätter mit seinen überarbeiteten Rechnungen ab. ,, Das ist…“
Galren konnte sehen wie der Kapitän von einem Moment auf den anderen Bleich wurde. Also doch, dachte er. Sein Gefühl hatte ihn nicht getrogen, dachte er. Sie waren nicht mehr auf Kurs… Und jetzt konnte Hedan das auch nicht mehr
leugnen.
,, Wenn ihr weiter eurer aktuellen Route gefolgt wärt, hättet ihr euer Ziel um mehrere Tagesreisen verfehlt.“ , erklärte Elin mit nicht wenig stolz in der Stimme. ,, Ich glaube ihr habt einfach nicht bedacht, wie anders sich hier draußen alles verhalten kann, wenn man nirgendwo mehr eine Küste in Sicht hat. Allein die Strömungen habt ihr schon völlig außer Acht gelassen.“
,, Also ?“ , fragte Galren grinsend. Er konnte sehen wie es in Hedans Kopf arbeitete. Der Mann suchte nach einem weiteren Grund Elin jetzt doch noch loszuwerden. Eines musste auch ihm klar sein, die Situation hatte sich grade ein
gutes Stück zu seinen Ungunsten verschoben. Wenn die Crew wüsste dass ihr Kapitän sie beinahe ins Verderben geführt hätte, wäre auch deren Loyalität nicht mehr sicher. ,, Seit ihr immer noch der Meinung, wir brauchen Elin nicht ?“
,, Schön.“ , erklärte er schließlich verärgert. ,, Wenn ihr sie hier behalten wollt.. bitte. Aber dann habt ihr ab jetzt auch ein Auge auf das Gör. Wenn irgendetwas verloren geht… mache ich euch dafür mitverantwortlich, verstehen wir uns?“
,, Ehrlich gesagt… nach euer Irreführung, Kapitön, vertraue ich ihr mehr. Ich sage es ungern, aber die Kleine versteht offenbar mehr von eurem
Handwerk als ihr…“
Hedan erwiderte nichts, aber seine Mine wurde noch eine Spur düsterer
,, Ich habe schon mehrmals versucht eure Rechnungen zu korrigieren.“ , meinte Elin. ,, Aber ihr habt es irgendwie geschafft eure Fehler immer wieder zu wiederholen.“
,, Ihr habt was ?“Hedan machte einen drohenden Schritt auf sie zu. ,, Ihr seid hier eingebrochen ?“
,, Sonst wärt ihr jetzt gänzlich verloren.“
,, Wer hat euch eigentlich das Navigieren beigebracht ?“ , wollte Armells wissen. ,, Wenn nicht einmal Hedan wusste, was er falsch
macht…“
,, Das war meine Mutter. Sie hat mir auch einmal von den Strömungen hier erzählt…“
,, Klingt als wäre sie weit gekommen.“ , meinte Naria. ,, Kann es sein, das ich sie kenne ?“
,, Mutter kennt einige Leute. Vater vielleicht noch ein paar mehr.“ , antwortete Elia unsicher.
,, Mich interessiert eher, warum sie euch auf so eine Reise gehen lassen würde.“ Merl, der bisher geschwiegen hatte sah auf und musterte Elia neugierig. Manchmal hatte der junge Magier die Begabung die Dinge auf den Punkt zu bringen. GAlrne hatte sich ebenfalls
schon gefragt was sie hierher verschlagen haben könnte. Sie konnte nicht viel älter als Merl sein, wohl eher Jünger… Neunzehn ? Zwanzig ? Am Ende spielte es wohl keine Rolle.
,, Sie… weiß nicht wirklich, dass ich hier bin ?“ Es klang beinahe entschuldigend, doch schon wenige Augenblicke später hatte sie sich wieder gefangen. ,, Ich habe genug davon rumzusitzen. Ihr habt schon gesehen was ich kann. Und ich habe die Geschichten gehört… das hier, ist meine Chance, das auch allen zu beweisen.“
,, Jemand hier hat offenbar eine viel zu romantische Vorstellung von der Welt.“ , meinte Hedan lachend. Gleich darauf
kehrte jedoch sein düsterer Gesichtsausdruck zurück. ,, Und das bin ganz sicher nicht ich. Wenn es sonst nichts mehr gibt, vielleicht könnte jemand unseren neuen… Gast unter Deck bringen? Seht selbst zu wo sie einen Schlafplatz findet. Oder etwas zu essen. Ich kümmere mich garantiert nicht darum… und ich werde dem Koch ganz sicher nicht daran erinnern auf sie zu achten.“
,, Ihr könnt sie nicht leiden.“ , stellte Armell fest. ,, Nicht weil sie sich an Bord geschlichen hat… sondern weil sie besser ist als ihr. Kann das sein?“
,, Besser in was ?“ , fragte Hedan. ,, Navigation ? Jeder kann ein wenig
rechnen lernen. Aber davon ist man weder Kapitän… noch irgendetwas sonst. Den Rest wird sie noch unter Beweis stellen müssen…“
,, Keine Sorge.“ , erwiderte Elin sicher. ,, Das werde ich schon…“