Kurzgeschichte
Die Pillen

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"Ein altes Paar soll aus ihrem Haus, damit Flüchtlinge rein können "
Veröffentlicht am 07. Oktober 2015, 16 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Ein altes Paar soll aus ihrem Haus, damit Flüchtlinge rein können

Die Pillen

Titel

Die Sorgenfalten standen ihm im Gesicht. Langsam wendete er sich vom Fenster ab. Er schaute seine Frau ernsthaft an. Wie viel Leid sollte die arme Seele noch ertragen? „Es wird Zeit für unsere Pillen.“, sagte er fast unhörbar zu ihr. Sie nickte nur zaghaft und starrte dabei weiter auf ihre gichtgeplagten Hände. Tränen hatte sie keine mehr. Deren hatte sie in letzter Zeit zu viele vergossen. Sie war innerlich ausgetrocknet. Alles was sie einst liebte, hatte man ihr weggenommen. Nur noch ihr Mann war ihr geblieben und die Erinnerungen an

ihre Kinder und Enkelkinder. „Weißt du noch? Damals, als es uns schlecht ging, da hatten wir alle den Hitler gewählt. Der Aufschwung kam. Doch dann.... Nur wenige wissen, wie es damals wirklich zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs kam. Das Hitler nicht der Böse war, für den man ihn heute noch hält. Im Grunde war er ein guter Mensch gewesen. Trotz seiner grausamen Kindheit. Ich habe eines seiner Bilder. Warum die Kunstschulen ihn damals nicht annehmen wollten, ist mir schleierhaft. Der Mann hatte Talent. Wenn ich da an andere Künstler denke...Sie zeichnen ein Dreieck und malen es bunt aus. Das nennt sich dann

hohe Kunst. Wie hieß der eine Mann, der eine ganze Leinwand nur in ein und derselben Farbe angemalt hatte? Er hatte seine Leinwand blau ausgemalt und es dann als Kunstwerk verkauft. Heutzutage ist es mehrere tausend Euro wert. Das soll mal einer verstehen.“ „Wann möchtest du die Pille nehmen?“ „Gleich, Frau. Vorher möchte ich dich noch einmal so lieben, wie wir es taten, als wir noch jung waren. Meine letzten Gedanken sollen von glücklicher Natur sein.“ „Ach hör auf. Dafür sind wir viel zu alt. Du weißt, das ich kaum in der Lage bin selbst aufs Klo zu gehen. Da willst du mich lieben? Und das auch noch wie

früher? - Wir waren beide unbändig und voller Lust, aufeinander, gewesen. Aber das war einmal. Die Zeiten sind schon lang vorbei.“, entgegnete sie seufzend. „Du hast wie immer recht. Zu schön war der Gedanke gewesen, das Alter zu vergessen und die Jugend noch ein letztes mal ausleben zu können. Ich hatte mich von meinen Gedanken hinreißen lassen.“ „Möchtest du wirklich die Pille nehmen? Du weißt nicht, wie sie wirkt. Vielleicht bekommen wir Krämpfe. Winden uns vor Schmerz...“ „Es ist mir egal. Lieber ein Todeskampf, als von der Regierung auf die Straße geschmissen zu werden. Du hast den

Brief gelesen. Sie wollen, das wir das Feld räumen, damit irgendwelche Flüchtlinge unser Haus besetzen. In den Nachrichten zeigen sie jeden Tag, wie brutal die Banditen sind. - Damals haben wir den Juden für alles die Schuld gegeben, weil wir zu blöd waren, unseren Verstand einzusetzen. Aber dies ist keine Propaganda, sondern Realität. In Österreich war es nicht anders. Da haben sie auch Einheimische auf die Straße gesetzt, damit Flüchtlinge ein Dach über den Kopf haben. - Ich frage mich, wo ihre Frauen und Kinder sind. Für die Menge Menschen, sind eindeutig viel zu wenige Frauen und Kinder drunter. Was wollen sie wirklich bei uns?

Sie überqueren von ihrer Heimat aus so viele andere Länder. Machen aber erst bei uns halt. Wieso?“ „Quäle dich nicht mit Fragen, auf die du keine Antwort bekommst. Ich habe auch aufgehört zu fragen, warum sie unsere Tochter vergewaltigt und dann ermordet haben. Vor den Augen unseres Schwiegersohnes und unseren Enkeln.“ Wenn eine Nachbarin, die zwischenzeitlich auch vermisst wurde, es nicht zufällig selbst gesehen und dann den beiden erzählt hätte, dann wüssten sie bis heute nicht, wo ihre Tochter und deren Familie ist. Die Nachbarin war kein Tratschtante. Gab nichts auf Gerüchte. Deswegen glaubte

ihr das Paar. Was mit ihrem Schwiegersohn und ihren Enkeln geschehen war, konnten sie sich denken. Ganz sicher waren sie nicht mehr am Leben. Vor vielen Jahren hatte das Paar einen Flüchtling bei sich aufgenommen. Damals kam keine so große Flut aus Menschen. Und sie waren dankbarer gewesen, für die Hilfe, die man ihnen entgegenbrachte. Paco hatte sich dankbar gezeigt, indem er sich Mühe gab, die einheimische Sprache zu lernen und er war ihnen eine große Stütze gewesen. Im Haus und am Haus. Lange war er nicht geblieben. Als er hörte, das wieder Frieden in seinem Land

war, wollte er so schnell wie möglich wieder zurück. Denn er hatte Sehnsucht nach seiner Familie. Mama und Papa. Sie hatten ihn heimlich aus seinem Land in Sicherheit gebracht. Seine Eltern waren zu Hause geblieben, um für ihr Land zu kämpfen.Der Abschied war nicht leicht für alle. Aber die Entscheidung war gefallen. Sie mussten für ihr Land und ihre Freiheit kämpfen. Als Paco wieder in seiner alten Heimat war, half er das Land wieder aufzubauen. Einmal im Monat schrieb er dem Paar und berichtete ihnen von den aktuellen Ereignissen. Seinen letzten Brief erhielten sie vor sechs Monaten. Darin stand, das es sein letzter wäre, da

er nicht mehr lange zu leben hätte. Er bedankte sich ein letztes mal für ihre Fürsorge und das Geld, welches sie ihm jeden Monat geschickt hatten, für ihn und seine Familie. „Paco war so ein dankbarer und guter Junge.“, hatte er immer wieder gesagt, als er den Brief gelesen hatte. Er hatte diesen Jungen geliebt, als wäre es sein eigener gewesen. Seine Tochter hatte in ihm den Bruder gesehen, den er ihr nie geben konnte. Paco war sein Sohn gewesen. Und der seiner Frau. Denn auch sie hatte ihn tief in ihr Herz geschlossen. Es hatte ihr geschmerzt, ihn gehen zu lassen. Noch mehr hatte es ihr wehgetan, als sie erfuhr, das er nicht

mehr lange zu leben hatte. Paco wurde keine dreißig Jahre alt und erfuhr nie, von seinem Glück Vater zu werden. Denn als er krank wurde, dachte keiner daran, es ihm zu sagen. Es ging nur darum, das er wieder gesund wird. Der Alte ging an den Küchenschrank. Einerseits war er dankbar, das er ein langes Leben geschenkt bekommen hatte. Aber so, wie es seit Langem war, wollte er nicht weiter leben. Seine Frau konnte kaum alleine gehen. Für sie würde es eine Erlösung sein. Keine Schmerzen mehr. Weder körperlich, noch seelisch. Ihm ging es, trotz seines hohem Alters recht gut. Aber in dieser Welt wollte er nicht mehr leben. Früher

gingen die Christen auf Kreuzzüge, angeblich im Namen Gottes. Heute...Er hatte nichts gegen Religion. Jeder sollte seinen Glauben haben. Aber nicht einem anderen aufzwingen. Vor allem nicht mit Gewalt. Niemand hat das Recht, eine Frau zu vergewaltigen, nur weil sie keine Muslime ist. Ein letztes Mal blickte er aus dem Fenster seines Hauses, dann teilte er die Pillen aus. Wenn es Gott wirklich gibt, werde ich ihm meine Meinung sagen, sobald ich vor ihm stehe, dachte der Alte. Dann nahm er die Pille. Noch einmal sah er seine Eltern und seine Geschwister. Stand Hitler gegenüber, der ihm

freundlich lächelnd die Hand schüttelte. Nichts böses war in dessen Gesicht zu sehen. Und dann sah er seine geliebte Frau. Wie schön sie doch damals gewesen war. Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen. - Dann sah er seine Tochter und Paco, die zusammen spielten, als wären sie Bruder und Schwester, die einander lieb haben und sich verstehen... „Lass uns zu Bett gehen. Auch wenn wir uns nicht lieben können, wie einst, so möchte ich mich doch in deinem Arm wissen.“ Und so schlurften sie gemeinsam ins Schlafzimmer. Ein letztes Mal zogen sich sich nackend aus und stiegen ins

Bett. Sie legte sich in seinen Arm. Einen Augenblick später war sie auf dem Weg zum Himmel. Ihr blieb keine Zeit, noch einmal auf ihr Leben zurückzublicken. Der Alte spürte, das seine Frau nicht mehr war und drückte ihren leblosen Körper fest an sich. Tränen liefen ihm über das Gesicht. „Es wäre wirklich nicht mehr gegangen.“, hauchte er mehr, als er sprach und schloss seine Augen, um sie nie wieder zu öffnen. Nur ein paar Tage später nisteten sich sogenannte Flüchtlinge in das kleine Haus ein. Sie hatten weder Respekt vor dem Inventar, noch vor den Toten. Vor ihnen breiteten sie den Koran aus. Lasen

darin und deuteten alles falsch.

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