Kapitel 25 Der Kaise
Die wachen, grün-blauen Augen des Kaisers musterten sie alle der Reihe nach, während er in den Saal trat. Erneut musste Galren sich eingestehen, dass dieser Mann nicht seinen Erwartungen entsprach. Er wirkte eher wie ein Gelehrter, nicht wie ein Mann, der die halbe bekannte Welt kontrollierte… aber vielleicht täuschte das auch. Kellvian Belfare strahlte zumindest die nötige Selbstsicherheit dafür aus und warum auch nicht… irgendwie hatte er Stunden zuvor gewusst, dass sie auf dem Weg waren,
vielleicht schon seit sie aus Silberstedt aufgebrochen waren. Was plante dieser Mann? , fragte Galren sich. Und wieviel wusste er noch? Naria und Syle waren ein Stück beiseitegetreten, während die vier Bittsteller sich vor den Thron stellten.
,, Ich habe tatsächlich schon einiges über eure Unternehmung gehört.“ , meinte der Kaiser freundlich, während er vor dem Thron stehen blieb und sich langsam setzte. ,, Zachary hat euch zu mir geschickt nehme ich an ?“
,, Das ist wahr, Herr.“ , antwortete Armell mit gesenktem Kopf. ,, Er hoffte wohl, das ihr uns weiterhelfen könnt, wo seine Mittel nicht mehr
ausreichen.“
,, Nicht so förmlich. Ich weiß durchaus, was ihr vorhabt und ich bin tatsächlich geneigt euch zu helfen. Mich interessiert jedoch mehr, wieso. Der Weg den ihr einschlagen wollt ist ein gefährlicher und doch seid ihr ohne zu zögern aufgebrochen.“ Sein Blick wanderte zu Galren. Woher konnte er das Wissen? Es stimmte, nachdem er die Kiste mit dem Besitz seines Vaters erhalten hatte, waren keine zwei Tage vergangen, bevor er und Lias aufgebrochen waren und kaum eine Woche, bevor sie in Silberstedt waren… Aber die Nachricht darüber konnte die fliegende Stadt unmöglich schneller als sie selbst
erreicht haben, es wusste sonst niemand davon. Oder doch nicht ? Es war seltsam diesen Mann derart ungezwungen sprechen zu hören. Offenbar merkte Kellvian was in ihm vorging, den er fügte hinzu: ,, Ich gebe zu, ich habe vielleicht veranlasst, das man euch beobachtet. Es gibt Leute im gesamten Kaiserreich die für mich arbeiten und als meine Augen und Ohren fungieren. Und dennoch gibt es auch Dinge, die ich noch nicht weiß.“
,, Warum ?“ , fragte Armell.
,, Vielleicht beantworte ich euch diese Frage, wenn ihr meine beantwortet.“ , meinte der Kaiser ruhig. ,, Was macht euch so sicher, Erfolg zu haben
?“
Es hatte keinen Sinn zu lügen, dachte Galren. Offenbar wusste der Kaiser allerdings tatsächlich nicht über die Karte Bescheid oder er hätte es nicht nötig danach zu fragen… Wenigstens bedeutete das, dass man sie nicht den ganzen Weg über im Auge behalten hatte. Trotzdem gefiel ihm die Vorstellung überhaupt nicht. Auf der anderen Seite, würde der Kaiser wirklich böse Absichten damit verfolgen wären sie vermutlich längst entwaffnet und in einer Zelle…. Oder tot.
,, Ich habe eine Karte bei mir.“ , erklärte er. Das war der Moment in dem er zeigen musste, dass sie Erfolg haben
konnten. Auch wenn der Kaiser sie unterstützen wollte, er würde sie nicht einfach losziehen lassen ohne eine Garantie. ,, Sie zeigt einen Weg bis zur Nebelküste. Ich denke wenn bisher alle vor uns gescheitert sind, dann weil sie nicht wussten welchen Kurs sie zu nehmen hatten. Sie verirrten sich vielleicht oder gingen an Riffen zu Grunde. Wir nicht.“
,, Eine Karte ?“ Der Kaiser klang nun ernsthaft überrascht. Also wusste er tatsächlich nicht davon, dachte Galren. Aber wieso nicht, wenn ihm alles andere im Detail bekannt war? ,, Darf ich sie einmal sehen ?“
Galren zögerte. Dann jedoch zog er das
zusammengefaltete Blatt Pergament aus der Tasche und trat vor um es Kellvian zu überreichen. Dieser nahm das Stück Papier vorsichtig entgegen und entfaltete es. Etwas schien in seinen Augen aufzublitzen, als er sich die Karte besah. Dann richtete sich sein Blick wieder auf Galren.
,, Also das war in der Kiste.“ , murmelte er mehr zu sich selbst, aber laut genug, das alle Anwesenden es verstanden.
,, Ihr wusstet davon ?“ Galren war wie vor den Kopf gestoßen.
,, Verzeiht.“ Kellvian reichte ihm das Pergament zurück. ,, Es ist vielleicht an der Zeit, einige Dinge aufzuklären, nicht ? Habt ihr euch nicht gefragt, wieso ich
einen Kaiserlichen Marineoffizier losschicke um euch eine Kiste voller durchnässter Dokumente zu bringen? Ein normaler Bote hätte es auch getan auch wenn der vermutlich Wochen länger gebraucht hätte um euch zu erreichen.“
,, Ich… Ihr habt persönlich veranlasst, das mich diese Kiste erreicht?“
,,Genauso wie ich veranlasst habe, das ihr danach euren Weg hierher finden würdet. Ich will ehrlich sein, Anfangs hatte ich nicht geplant euch überhaupt in diese Sache mit reinzuziehen Seht ihr… wenn ein seit zwanzig Jahren verschollenes Schiff vor unserer Küste auftaucht erfahre ich das.. Die Kiste war das einzige an Bord, das sich zu Bergen
lohnte und was von den Logbüchern eures Vaters blieb, habt ihr selber gesehen. Aber eine Sache gab es, die die Aufmerksamkeit der untersuchenden Offiziere weckte….“
,, Die versiegelte Schriftrolle, mit der Karte.“
,, Zuerst dachten sie, sie könnten sie einfach öffnen, aber wer immer den Zauber gewirkt hatte, der darauf lag, wollte diese Karte damit nicht bloß schützen. Selbst den Ordenszauberern, die dabei waren gelang es nicht, das Siegel zu brechen und keinem, der es sonst versuchte. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie dahinter kamen, worin das Problem lag. Offenbar war dieser Zauber
so angelegt worden, das er nur auf eine einzige Person ansprechen würde und selbst der Ordensoberste Quinn ist an dem Versuch gescheitert, ihn mit Gewalt aufzuheben…“
,, Und dabei seit ihr auf mich gekommen…“
Der Kaiser nickte.
,, Und wieso dieser ganze Aufwand ? Nur damit ihr erfahren konntet, was mir ein Mann der vielleicht seit Jahren tot ist hinterlassen hat?“
Kellvian schüttelte den Kopf, während sich ein kaum sichtbares Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete. ,, Vielleicht bin ich einfach nur ein Neugieriger Mann ? Aber denkt einmal über das
nach, was ich gesagt habe.
,, Wenn ich wirklich der einzige war, der wie ihr sagt, diesen Bann auflösen konnte, dann heißt das jemand wollte absolut sichergehen, dass diese Karte mich, und nur mich, erreicht.“
,, Ihr versteht langsam. Und wer immer es war, hat einen Zauber gewirkt, den selbst der Meister des Sangius-Ordens nicht mehr aufheben konnte. Ich weiß nicht wie es euch geht aber…“
,, Das ist wirklich beunruhigend.“ , beendete Galren den Satz. ,, Weil das bedeutet, dass jemand damit gerechnet hätte, das ich diese Karte früher oder später bekomme und zwar nicht sicher durch einen Boten. Und mein Vater wird
kaum gewusst haben, dass sein Schiff kentern würde.“ Und das bedeutete, es ging hier um etwas völlig anderes als das bloße Schicksal von Varan Lahaye…
,, Ihr haltet die Antwort in den Händen.“ , meinte Jiy. ,,Es ist eine Spur und jemand will, dass ihr sie verfolgt.“ Es war das erste Mal, dass die Kaiserin sprach. Ihre Stimme war zwar leise, aber bestimmt. Galren sah zu der Schneeleopardin. Er hatte zwar davon gehört, dass die Frau des Kaisers eine Gejarn war, aber jetzt vor ihr zu stehen war doch etwas anderes. Zumindest erklärte das, warum der Kaiser einen Adoptivsohn hatte. Nachkommen waren für die beiden wohl ausgeschlossen. Also
um was genau handelte es sich hierbei? Eine politische Heirat um die Clans der Herzlande an das Kaiserhaus zu binden ?
,, Ich glaube, ihr sprecht die Wahrheit.“ , mischte sich Lias ein. ,, Aber sollten wir das wirklich tun ?“
,, Die andere Wahl wäre abwarten.“ , meinte die Kaiserin.
,, Und wir würden vielleicht nie erfahren womit wir es hier zu tun haben.“ , fügte Kellvian hinzu.
,, Manche Dinge bleiben vielleicht besser vergessen.“ Es war seltsam ausgerechnet Merl derart düstere Worte flüstern zu hören. Aber unter den gegebenen Umständen musste Galren ihm sogar Recht geben. Aber dann
wiederum… Nein, er war nicht so weit gekommen um einen Rückzieher zu machen, diese Möglichkeit gab es schlicht nicht mehr.
Er schüttelte den Kopf. ,, Ich glaube nicht, das wir die Wahl haben. Ich weiß nicht, wie es mit euch aussieht, aber ich gehe in jedem Fall. Jetzt erst recht…“
,, Vielleicht sollten wir jemand anderen schicken.“ , schlug Jiy vor. ,,Wenn jemand versucht grade euch auf diesen Pfad zu führen… solltet ihr ihm den Gefallen vielleicht nicht tun.“
,, Ich fürchte, du bist vielleicht wieder einmal weiser als ich.“ Der Kaiser schloss einen Moment die Augen, als würde er darüber nachdenken müssen. ,,
Und du kannst mich einen Narren schimpfen, aber ich möchte nicht länger im Dunkeln sitzen.“ Er hatte sich zu ihr umgedreht und legte ihr Vorsichtig eine Hand an die Wange.
,, Du fürchtest dich…“
,, Und ich fürchte, allen Grund dazu zu haben.“ Als wären Galren und die anderen nicht da oder vielleicht als würde es ihn auch nicht kümmern, hauchte der Kaiser einen Kuss auf ihre Lippen. Die Liebe und Zuneigung, die aus diesen wenigen Worten und Gesten mitklangen machte Galren perplex. Als die beiden sich wieder voneinander lösten, schien Kellvian sich wieder gefangen zu
haben.
,, Wenn es euer Wunsch ist, werde ich dem nicht im Weg stehen.“ , erklärte er. ,, Im Gegenteil, ich werde veranlassen, das man euch ein Schiff und eine Mannschaft zur Verfügung stellt. Ich denke, das sollte den Großteil euer Kosten decken. Und solltet ihr sonst noch etwas brauchen, scheut euch nicht mich erneut um Hilfe zu bitten. Aber es wird eine Weile dauern, alles zu veranlassen. Bleibt zumindest heute Nacht hier, als meine Gäste. Ich werde euch Boten vorausschicken, damit bei euer Ankunft an der Küste alles bereit sein wird.“
,, Ich danke euch, Herr.“ Kellvian
verneigte sich kurz und trat zurück.
,, Und ich werde euch weiterhin begleiten.“ , erklärte Merl mit überraschend fester Stimme. ,, Nennt es eine schlechte Vorahnung aber… mir gefällt die Vorstellung auch nicht, euch alleine ziehen zu lassen.“
,, Genau so wenig wie mir.“ , meinte Lias und Armell stimmte ihm nickend zu. Also blieb alles beim Alten, dachte Galren erleichtert. Nach den Tagen und Wochen, die sie zusammen verbracht hatten hätte er auch ungern einen von ihnen missen wollen.
,, Und solltet ihr nichts dagegen haben, würde ich euch ebenfalls begleiten.“ Die Stimme kam von der schon halb
vergessenen Gestalt neben Syle. Naria, die Schakalin , die bisher geschwiegen hatte, trat ohne zu zögern vor. Erneut wanderte ihr Blick zu Lias, doch diesmal war nicht mehr nur misstrauen darin, sondern auch eine Spur Unsicherheit. Wer war diese Frau und was genau wollte sie eigentlich?
,, Ich wäre nur froh, wenn ihr auf euch aufpassen würdet.“ , meinte Kellvian.. ,, Ich will wirklich nicht derjenige sein, der euren Elter erklären muss, das ihr auf einer Expedition ins Nirgendwo verschollen seid. Zyle würde mich umbringen… und Relina… sagen wir einfach ich glaube sie ist kreativer.“
,, Verzeiht, aber warum wollt ihr
mitkommen ?“ , fragte Merl.
,, Ich bin mir sicher, sie wäre eine wertvolle Unterstützung für euch.“ , bemerkte Jiy. ,, Ein Magier mehr kann durchaus entscheidend sein.“
,, Magier ?“ Der junge Zauberer sah verwirrt zu der Schakalin. ,, Das ist völlig unmöglich. Gejarn verfügen nicht über das Erbe des alten Volkes ich meine…“
Die Gejarn sah Merl herausfordern an. ,, Wenn ihr eine Demonstration verlangt ?“ , fragte Naria grinsend.
,, Naria stammt aus Maras.“ , mischte Kellvian sich ein. ,, Ihre Mutter besitzt ebenfalls die Gabe auch wenn sie nie erfahren hat wieso. Sie stammt
ursprünglich aus Helike und zu ihrer Zeit wurden Zauberer dort immer noch gejagt also… Ich kann euch nicht sagen wie, aber ich verbürge mich persönlich für ihre Fähigkeiten.“
Maras also… Hatte Lias ihm nicht einmal davon erzählt ? Ein Inselstaat vor der Küste Helikes, auf den sich die Zauberer von Laos zurückgezogen hatten. Vielleicht erklärte das auch, wieso sie dem Löwen nicht über den Weg zu trauen schien.
,,Verzeiht.“ Merl senkte den Kopf. ,, Ich hatte zwar davon gehört… Meister Zachary hat mir einmal davon erzählt ich habe aber bis jetzt nicht geglaubt, dass so etwas möglich wäre. Aber… ich habe
wohl noch viel zu lernen.“
. ,, Ihr seid sein Schüler, oder ?“ , fragte Jiy. ,, Wie war euer Name ?“
,, M… Merl , Herrin.“ , brachte der junge Magier gepresst hervor.
Sie lächelte freundlich. ,, Er hat viel von euch erzählt. Es ist allerdings eine Weile her, dass ich ihn gesehen habe. Wie geht es ihm?“
,, Er arbeitet Herrin. Nach wie vor. Manchmal vielleicht etwas zu viel… Ich meine… Er…“ Offenbar wusste Merl einen Moment nicht, was er sagen sollte. ,, Es geht ihm gut.“
,, Und er hat euch das anvertraut ?“ Sie deutete auf das Amulett mit dem darin eingelassenen, blauen Juwel das er um
den Hals trug. ,, Er muss euch wirklich vertrauen.“
,, Das hoffe ich zumindest.“ , erklärte Merl kleinlaut und nutze die Gelegenheit um hinter die anderen zurück zu treten.
,, Also dann.“ , meldete der Kaiser sich erneut zu Wort. ,, Wenn es sonst nichts mehr gibt, sollten wir vielleicht besprechen, was ihr sonst noch für eure Reise brauchen werdet…“