Kapitel 18 Untergrund
,, Noch einmal, was gibt euch das recht hier einzudringen ?“ Zachary lies den Fremden nicht aus den Augen. Aber außer einer großen Klappe schien ihm der Mann nicht bedrohlich. Zumindest, dachte er, nicht für ihn. Er konnte keinerlei Magie in seiner Nähe spüren oder etwas, das einen Hinweis darauf gegeben hätte, das er ein Zauberer war. Und ein Mensch, zumindest einer, den er kommen sehe würde, war kaum gefährlich für ihn…
,, Um genau zu sein mein recht als
kaiserlicher Bote.“ Der Mann holte einen kleinen Gegenstand aus seiner Tasche und warf ihn Zachary zu. Dieser fing ihn aus der Luft und besah ihn sich einen Moment ungläubig. Ein Ring aus kaltem Metall lag in seinen Fingern, verziert mit den goldenen und silbernen Insignien des Kaiserhauses… Zuerst dachte er, es müsste sich um eine Fälschung handeln aber… das war unmöglich. Die Magier des Ordens halfen bei der Fertigung jedes einzelnen dieser Siegelringe und würde jemand versuchen einen nachzumachen würde der eingewebte Zauber fehlen. Aber Zachary konnte das sanfte Kribbeln der Magie spüren, die von dem
Schmuckstück ausging… er war echt. Und er war diesem Mann freiwillig gegeben worden, sonst wäre die Magie augenblicklich erloschen.
,, Und wer seid ihr, das man euch so etwas anvertrauen würde ?“
,, Hedan, der Name. Kapitän der kaiserlichen Marine… und seit neuestem offenbar Laufbursche seiner Majestät.“ , den letzten Teil des Satzes grummelte er mehr als das er ihn laut aussprach. Ganz offenbar gefiel es ihm genau so wenig hier zu sein wie Zachary sein Auftreten…
,, Ich nehme an, es geht um etwas wichtiges, wenn Kellvian euch mitten in der Nacht
hierherschickt.“
,, Um genau zu sein bin ich schon vor einigen Tagen aufgebrochen aber je eher ihr eure Nachricht bekommt, desto eher kann ich aufhören den Boten zu spielen. Hätten wir doch nie dieses Schiff gefunden… Also hört zu. Ich weiß, das vor kurzem einige Leute bei euch waren, einer davon ein Mann namens Galren Lahaye.“
,, Das ist richtig.“ , antwortete er vorsichtig geworden. Ihm gefiel nicht ganz worauf das hinauslief. Auf der anderen Seite… er kannte Kellvian seit Jahrzehnten.
,, Sagen wir einfach, der Kaiser hat ein gewisses Interesse daran, diese Leute
kennenzulernen. Und an dem, was sie gefunden haben…“
,, Kellvian plant also etwas ?“ Zachary legte die Fingerspitzen zusammen.
,, Eigentlich, Lord Zauberer, läuft dieser Plan schon seit einigen Wochen. Ich weiß nur das nötigste, aber der Kaiser will diese Leute kennenlernen. Und man erwartet von euch, das ihr sie zu ihm schickt.“
,, Ihr könnt unmöglich glauben, dass ich das tun würde ohne zu wissen, was dabei überhaupt gespielt wird.“ , gab Zachary ungehalten zurück. ,, Oder ob ich sie dadurch in Gefahr bringe.“
,, Ihr wisst was dieser Galren vorhat. Darum geht es dabei und nichts anderes.“
, erklärte Hedan. ,, Und ihr könnt es dem Kaiser nicht verübeln das er sich dafür interessiert wenn jemand die gleiche Route einschlägt, auf der einst Simon Belfare verschwand. Er wünscht ihnen Erfolg und nichts Böses. Darauf habt ihr mein Wort. Reicht euch das?“
,, Deutlich klingt anders.“ , grollte Zachry. Er könnte sich die Antworten holen, die er haben wollte, dachte er. Aber was brachte das? Auch wenn Hedan vielleicht nicht der freundlichste Geselle war, er glaubte ihm, wenn er sein Wort gab, das den anderen nichts geschehen würde. Und nach wie vor, er kannte Kellvian doch. Der Mann hatte seit dem Ende des Krieges nichts anderes getan,
als dieses Land wieder aufzubauen und sämtliche Spuren der Vergangenen harten Jahre auszulöschen. Der Kaiser war kein schlechter Mensch. Aber auch eigentlich niemand, der es nötig hatte solche Ränke zu schmieden. Warten ihn die Stimmen am Ende davor? Er wusste selber gut genug, dass das unmöglich war. Zumindest nicht ohne den Seelenbrunnen auch zu benutzen. Es waren nur Fragmente, uralte Gedanken und Eindrücke, die zurücklieben wie Schaum in einem leeren Fass. Und doch warum wurde der Ton den sie annehmen dann zunehmend düsterer?
,, Und was soll ich ihnen sagen ? Das der Kaiser sie wegen… nichts sprechen
möchte?“
,, Ich bin sicher euch fällt etwas ein.“ , meinte Hedan. ,, Und ihr wisst nicht zufällig, wo man in dieser Stadt etwas vernünftiges zu trinken bekommen kann ?“
,, Ich bin sicher, ihr findet etwas.“
Der kaiserliche Bote sah ihn lediglich Böse an, bevor er sich umdrehte uns auf den Weg aus dem Saal machte. ,, Ich finde den Ausgang wieder, keine Sorge !“ , rief er über die Schulter.
Zachary hatte erst gar keine Anstalten gemacht, ihm zu folgen, sondern sah ihm nur eine Weile nach, selbst als die Türen wieder hinter ihm zugefallen waren. Die Sache wurde langsam komplizierter, als
er je gedacht hatte. Am liebsten hätte er Merl geweckt und nach seiner Meinung zu dem ganzen gefragt. Der Junge war manchmal scharfsinniger als er selbst. Aber so wie er ihn kannte… er würde vermutlich als erstes Armell und die anderen informieren. Und was sollte er ihnen dann sagen? Die Frage hing nach wie vor in der Luft. Die andere war, ob er überhaupt etwas sagen oder sie einfach ziehen lassen sollte. Er wendete sich wieder dem Fenster zu und sah erneut auf die Stadt hinaus. Mittlerweile war der Mond hinter einer Wolke verschwunden so dass nur noch vereinzelte Lichter von Fackeln und Lampen das Dunkel durchdrangen. Wie
es aussah hatten seine Sorgen grade neue Nahrung erhalten. Manchmal wünschte er sich wirklich die einfacheren Zeiten zurück, wo er sich wenigstens noch nicht um eine ganze Stadt hatte Sorgen müssen. Aber diese Tage waren lange vergangen nicht? Er war zu einem Anführer für die Menschen geworden… Das hieß aber nicht, dass es ihm gefallen musste, ihre Entscheidungen manchmal für sie zu treffen. Zachary öffnete das Fenster ein Stück und streckte eine Hand aus. Innerhalb weniger Herzschläge flatterte ein dunkler, gefiederter Schatten auf seinen Arm. Die spitzen Krallen des Raben gruben sich in seine Haut, aber er ignorierte den schwachen
Schmerz. Vielleicht sähe bei Tageslicht ja alles anders aus… Vielleicht war es Zeit eine Antwort auf seine Frage zu suchen. Zachary lies den Raben wieder fliegen und machte sich auf den Weg, Merl zu wecken. Er würde heute nicht mehr schlafen und er würde nicht alleine in die Katakomben hinabsteigen.
Das Gefühl der Bedrohung war nur noch eine ferne Erinnerung als Galren am nächsten Morgen erneut vor dem Eingang zum Anwesen stand. Als sie heute den Nebelverhangenen Treppenaufgang zum Rabenkopf hinaufgestiegen waren, waren die schwarzen Vögel allesamt verschwunden
gewesen. Entweder sie waren von selber ausgeflogen oder Zachary hatte irgendetwas getan um sie zu vertreiben. Welchen Grund er dafür auch gehabt haben mochte…
Die Luft war nach wie vor schneidend kalt, aber heute empfand er es nicht mehr als unangenehm. Im Gegenteil, die eisige Kälte hatte etwas Belebendes und sie vertrieb ein wenig die Schatten der letzten Nacht. Nur zögerlich hatte er vorhin, als sie aufgebrochen waren wieder das Schwert angelegt und bisher vermied er es tunlichst, die Klinge auch nur wieder zu berühren. Galren wusste selber, wie töricht das war. Lias hatte recht gehabt, er hatte gestern keine Wahl
gehabt oder nicht? Und doch konnte er nicht vergessen, wie der Körper des Söldners einfach erschlaffte, als das Leben aus ihm wich… durch seine eigene Hand. Alleine das Gefühl dabei war so fremdartig für ihn gewesen… Die Dinge veränderten sich in letzter Zeit immer schneller, dachte Galren. Und nicht alles davon gefiel ihm. Nach wie vor in Gedanken folgte er Armell und Lias ins Innere des Anwesens. Die Kohlenfeuer, die am Vortag noch für Wärme in der Eingangshalle gesorgt hatten, waren allesamt erloschen. Die Asche war bereits vollkommen erkaltet und auch wenn es noch nicht so kalt wie draußen war, die Luft hatte merklich an Wärme
verloren. Auch wenn Lord Zachary nur wenige Diener hatte, in einer Gegend wie dieser ließ man die Feuer doch nicht ausgehen, schon gar nicht für so lange…
Armell schien ebenfalls zu spüren, dass etwas nicht stimmte. ,, Zachary ?“ Ihre Stimme hallte dünn in der verlassenen Halle wieder. ,, Merl ? Seit ihr da?“
,, Ich bezweifle, dass er hier ist.“ , meinte Lias und legte eine Hand an den Schwertgriff.
Armell ignorierte den Einwand des Gejarn und trat durch die Tür am Ende des Saals in die kleine Bibliothek. Erneut lag der Raum verlassen vor ihnen und auch ihre Rufe blieben unbeantwortet… WO konnte der
Zauberer stecken? , fragte Galren sich. Er würde doch nicht einfach verschwinden, wenn er am Abend noch seine Unterstützung zugesichert hatte.
Sentine war derweil von Armells Schuler auf den Boden hinab geflattert und tapste über den mit einem Teppich verdeckten Grund. Der braun-graue Vogel schien es geradezu darauf angelegt zu haben, ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen, den er flatterte mehrmals auf und nieder und landete sogar auf Lias Fuß, bis dieser sich endlich die Mühe machte, das Wesen abzuschütteln und nach unten sah. Armell folgte seinem Blick und lächelte plötzlich.
,, Ich glaube ich weiß wo er ist.“ ,
meinte sie. ,,Tretet mal zurück. Weg vom Teppich.“
Galren fragte nicht lange, sondern trat beiseite und auch Lias folgte ihren Worten nach kurzem Zögern. Es war seltsam anzusehen, wie die Fürstin Freybreaks sich auf ein Knie niederlies und den ausgefransten Rand des Teppichs abtastete. Wonach genau suchte sie ? , fragte Galren sich. Die Antwort jedoch, lies nicht lange auf sich warten. Armell packte eine Ecke des Teppichs und schlug ihn mühelos beiseite. Statt jedoch ein Stück Stoff zur Seite zu bewegen, begann das Tuch zu flackern, wie eine Kerze kurz vor dem Erlöschen. Die Muster und Farben verblassten
zunehmend wurden erst gräulich und schließlich vollends durchscheinend, bis nicht einmal mehr eine Faser von dem Teppich übrig blieb. Darunter kam nicht etwa der blanke Fußboden zum Vorschein sondern eine rechteckige Öffnung. In den Fels gehauene Stufen führten hinab in die Tiefe und verloren sich bereits nach wenigen Schritten im Halbdunkeln.
,, Woher wusstet ihr das ?“ , fragte Galren während er versuchte zu verstehen, was grade geschehen war. Also hatte er sich gestern nicht getäuscht, als es so ausgesehen hatte, als klaffe ein Loch im Boden der Bibliothek. Waren Zachary und der
Ordensoberster, Quinn, vielleicht von dort unten gekommen ?
,, Ich war schon einmal hier.“ , riss Armell ihn aus seinen Gedanken. Diese hatte bereits die ersten Stufen genommen und winkte ihnen zu ihr zu folgen. ,, Kommt. Es sei denn ihr wollt warten, bis Zachary wieder auftaucht.“
Lias grummelte etwas, das wohl ganz danach klang als würde er fast alles vorziehen, als der Treppe in die Dunkelheit zu folgen, setzte sich dann jedoch in Bewegung. Lias folgte ihm und fragte sich einen Moment, ob sich der magische Durchgang auch von der anderen Seite so einfach öffnen ließ. So oder so, eine Wahl hatten sie nicht
wirklich außer eben zu warten. Trotzdem tat er es Lias gleich und legte eine Hand an den Schwertgriff. Nicht dass es ihm etwas nützen würde, aber grade eben kam ihm das Gewicht der Waffe wieder weniger wie eine Last vor. Das bisschen Licht, das von oben auf die Stufen fiel, wurde bald von der Dunkelheit verschluckt und Galren wollte schon vorschlagen, zurückzugehen um eine Lampe zu holen, als plötzlich ein schwaches Glimmen durch die Schatten drang. Es dauerte einen Moment, bis er seine Quelle als das erkannte, was es war. Sentine hatte wieder einmal die Gestalt gewechselt und saß nun als Glühwürmchen auf Armelles Schulter.
Das Licht das von dem Wesen ausging schien jedoch nicht wirklich zu dem kleinen Insekt zu passen, silbrig und hell genug um ihre Umgebung ohne Probleme erkennen zu können. Magie, wieder einmal ohne Zweifel. Er hatte in den wenigen Tagen seit ihrem Aufbruch mehr davon gesehen als in den zwei Jahrzehnten zuvor. Vielleicht hätte ihm das zu denken geben sollen aber auf seine eigenen Art… es war großartig. Einschüchternd ja, aber vor allem faszinierend. Er hatte einige der Schattenseiten seiner Entscheidung bereits zu sehen bekommen, aber es ging immer irgendwie vorwärts. Immerhin hatte er bereits mit einem Zauberer gesprochen...
Vielleicht könnte er sich daran gewöhnen. Wie auch immer diese Reise ausgehen würde, er würde sie zumindest nicht bereuen, versprach Galren sich.