HERZLICH WILLKOMMEN?
Die Frau mit der humorvollen Frisur, den zusammen geklebten Fingerspitzen und den drei Knöpfen an den allzeit farbenfrohen Jacken hatte sich in den letzten Jahren mit der vermeintlichen „Rettung“ der Banken beschäftigt.
Das war recht gut gelaufen.
Mit Hilfe ihres schroffen Auftretens, markiger Sprüche und einer willfährigen Presse hatte man kurzerhand und
ziemlich rigoros Gelder der öffentlichen Hand einfach umverteilt.
Die Banker waren ihr sehr dankbar. Und das jetzt Straßen, Autobahnen und Brücken dem fortschreitenden Verfall entgegenschimmelten; das Schulen verfielen, Lehrkräfte fehlten und Schwimmbäder schließen mussten, das war eben der Preis ihres Erfolgs.
Denn trotz all dieser herzlosen Maßnahmen waren ihre Umfragewerte zufriedenstellend. Sie war bei den meisten beliebt, Ihre Partei weit vorne.
Das war gut.
Doch es ging ja immer noch besser.
Es wurde Zeit für eine echte Herausforderung.
Da kam es gerade recht, dass abertausende Menschen - Männer, Frauen, Kinder - ihre vom Krieg verwüsteten Landschaften verlassen mussten. Diese Massen suchten nach Asyl, nach einem friedlichen Platz zum Leben und einer dürftigen Versorgung mit dem Nötigsten. Und sie machten sich auf den Weg, zu Wasser in schimmeligen Schlauchbooten und zu Fuß über Land. Viele Kilometer lang, und Richtung Europa. Vorzugsweise nach Deutschland, weil man sie woanders in dieser Europäischen Union nicht haben wollte.
Für die Frau mit dem herzlosen Gebaren einer waschechten Technokratin war
dieser Ansturm der Ärmsten der Armen die große Chance als wahre Retterin und Beispielloser Gutmensch in die Geschichtsbücher aufgenommen zu werden. Sozusagen die Mutter Theresa der Flüchtlinge; die Übermutter aller Heimatvertriebenen.
Eine wahrhaft glorreiche Aussicht!
Und so brachte sie sich in Position.
Mit ihrem schroffen Auftreten, markigen Sprüchen und willfährigen Medien bastelte sie an ihrem neuen Image als Mutter aller Vertriebenen.
„Herzlich Willkommen!“ Rief sie hinaus in die geschundene Welt.
Und die Menschen kamen. Allerdings nicht ohne vorher kräftig dafür bezahlt
zu haben. Schlepper verlangten Unsummen um die Flüchtigen ans Ziel ihrer Träume zu bringen, denn in das Paradies konnte man nicht einfach so einreisen. Auch wenn man von allerhand religiösen Fanatikern mit dem Tod bedroht, von Regierungstruppen beschossen und von allerlei anderen Arschlöchern terrorisiert wird. Ein Visum, das die legale Einreise ermöglicht gibt es nicht. Und so müssen eben kriminelle Schlepperbanden die lange Reise organisieren. Eine echte Wachstumsbranche, diese Schlepper. Da mochte man nicht eingreifen. Und trotz all dieser Schwierigkeiten kamen sie zu Hunderttausenden. Ein wahres Wunder.
Und ein wachsendes Problem. Wie sollte man all diese Menschen verpflegen, einkleiden und unterbringen?
Nun, diese Sorge überließ man nur allzu gerne den Landräten, den Bürgermeistern und einer ganzen Armee von Ehrenamtlichen Hilfskräften. Das kostete ja auch kein Geld und man konnte die Verantwortung leichter von sich schieben. Doch angesichts der Massen machte sich langsam Unmut breit in der Bevölkerung. Angeheizt von rassistischen Vollpfosten, revanchistischen Zeitungen und verblödeten Patrioten witterten Teile der Bevölkerung eine perfide Verschwörung. Keifend und geifernd stürmten sie die
Straßen, warfen Flüche und Steine auf die vertriebenen Menschen, steckten ihre Notunterkünfte in Brand und hielten sich bei all diesem unmenschlichen Treiben für das einzig wahre Volk.
Das machte nun keinen guten Eindruck im Rest der Welt. Die Mutter aller Vertriebenen musste handeln, diesem „Volk“ durfte man solch eigennütziges Verhalten nicht durchgehen lassen. Und sie handelte wie immer.
Sie stellt sich der erbosten Öffentlichkeit mit schroffem Gebaren, markigen Sprüchen und unverbindlichen Versprechungen.
„Auch wenn wir nicht einschätzen konnten wie viele Menschen unsere Hilfe
benötigen werden, wir schaffen das! Gemeinsam werden wir diese Aufgabe bewältigen. Und wir werden uns für nichts entschuldigen!“
Schöne nichtssagende Worte.
Tatsächlich war klar abzusehen dass es Millionen Flüchtlinge gibt. Der Bürgerkrieg in Syrien wütet seit nunmehr fünf Jahren, die Kriege in Afghanistan, im Irak, Palästina und auf dem afrikanischen Kontinent wüten schon viel länger. Eine tatkräftigere Regierung hätte Vorsorge getroffen, Menschenwürdige Unterkünfte mit geschultem Personal bereitgestellt, Sprachunterricht organisiert, die Versorgung sichergestellt und das mehr
als schleppende Asylverfahren beschleunigt um eine schnellere Integration zu gewährleisten.
Doch nichts ist passiert.
Das alles hätte ja auch eine Menge Geld gekostet, das den Banken dann gefehlt hätte. Nicht gut.
Und jetzt?
Man redet, beschwört und fordert Solidarität, ansonsten macht man das was man schon immer gemacht hat - nämlich nichts.
Text: harryaltona