Seitdem Galrens Vater vor 20 Jahren auf einer Expedition verschwand, hatte er nichts mehr von ihm gehört. Dies ändert sich schlagartig, als eines Tages ein Fremder in seinem Haus auftaucht und ihm eine Karte übergibt, die ohne Zweifel die Handschrift seines Vaters trägt. So macht er sich schließlich auf, die Route nachzuvollziehen, die dieser vor zwei Jahrzehnten genommen hatte, unwissend, das er dabei längst Teil eines viel größeren Spiels ist, das vor über einem Jahrtausend begann.
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Galren sah Sentine, lange bevor Armell eintraf. Das Wesen hatte erneut die Gestalt eines Vogels angenommen, allerdings einen, den er bisher noch nie gesehen oder auch nur gehört hatte. Groß, mit weißem und schwarzen Gefieder und einem seltsam abgerundeten , rot schwarzen Schnabel. Er fragte sich nicht zum ersten mal, was dieser Homunkulus, wie Armell es genannt hatte, eigentlich war oder was es damit auf sich hatte. Jedenfalls, schien er der Herrin von Freybreak nicht von
der Seite zu weichen. Die Nacht hatten er und Lias in einem kleinen Gasthaus nicht weit vom Anwesen der D'Ambois verbracht, nur um am Morgen von den Torwachen zu erfahren, das Armell bereits einige Stunden früher in die Stadt gegangen war und sie warten mussten, bis sie zurückkehrte. Trotz der Zusage, Galren wusste, dass es noch einige Hindernisse auf ihrem Weg gab… und die Fürstin könnte es sich nach wie vor anders überlegt haben. Unruhig ging er im Innenhof der verfallenden Burganlage auf und ab, während Lias ruhig auf einer kleinen Bank in der Nähe des Haupthauses saß.
Der Gejarn teilte seine Besorgnis offenbar nicht oder zumindest konnte er sie besser verbergen. Wenn er zurückdachte hatte er Lias selten unruhig oder nervös erlebt… Bevor er sich jedoch weiter darum Gedanken machen konnte, tauchte Armell schließlich am Tor der Burg auf. Sie schien sichtlich zufrieden, den ein kaum merkliches Lächeln lag auf ihrem Gesicht, das jedoch gleichzeitig Besorgnis auszudrücken schien. Galren konnte nicht sagen, was überwog… ,, Ich nehme an ihr hattet einen Grund heute so früh aufzubrechen ?“ , fragte Lias, der sich von seinem Platz erhoben hatte und auf sie zutrat. Der Gejarn trug
seine alte Rüstung, ob aus Voraussicht oder einfach nur weil er sich damit sicherer fühlte, aber auch nach all den Jahren gab er damit eine beeindruckende Erscheinung ab. ,, Erwartet ihr Schwierigkeiten ?“ , wollte Armell wissen, als sie die Panzerung bemerkte. ,, Sagen wir , ich bin gerne vorbereitet. Und ich habe im Laufe meines Lebens eine Nase für so etwas entwickelt.“ , erklärte Lias. ,, Und ihr ?“ ,, Ich halte meinen Teil der Abmachung.“ , meinte Armell. ,, Und ich hoffe ihr tut das auch. Mir ist es gelungen, das Geld zu bekommen, das wir für die Reise brauchen werden.
Sobald die letzten Vorbereitungen abgeschlossen sind, brechen wir auf.“ ,, Das dürfte nicht unser einziges Problem sein, oder ?“ , fragte Galren. Etwas, das Armell am Vorabend gesagt hatte, hatte sich ihm eingebrannt, ein weiteres Hindernis. ,, Ihr hört offenbar zu.“ , meinte sie grinsend. ,, Unser erster Weg führt uns nach Silberstedt. Ich bin nach wie vor Lord Zachary de Immerson unterstellt und damit hat er das letzte Wort, wenn es um eine Unternehmung dieser Größenordnung geht.“ ,, Und ihr seid euch sicher, dass er uns helfen wird ?“ Armell nickte. ,, Ich kenne ihn schon
sehr lange, glaubt mir, er wird nicht Nein sagen.“ ,, Dann bleibt nur noch zu kläre, wann wir aufbrechen können.“ , meinte Galren. Das gleiche alte Hochgefühl, wie damals, als er das erste Mal die Karte erblickt hatte, war wieder da. Und wenn sie sich so sicher war, das dieser Zachary ihre Expedition Genehmigen würde, dann war er geneigt das zu glauben. ,, Noch heute, wenn es sich machen lässt.“ , sagte Armell. ,, Ihr habt alles was ihr braucht ?“ . Er nickte. Alles, was sich mitzunehmen lohnte, trug er bereits bei sich. Die Karte, in einer stabilen Hülle an seinem
Gürtel, einige Kleidungsstücke und Vorräte in seinem alten Seesack, den er mit hierher gebracht hatte. ,, Ich habe ebenfalls alles hier.“ , meinte Lias und rückte das Schwert an seinem Gürtel zurück. Galren selbst hatte sich schnell an das zusätzliche Gewicht an seiner Seite gewöhnt, nun jedoch, fragte er sich, ob er Atrun überhaupt mitnehmen sollte. Er konnte ohnehin kaum damit umgehen und Armell es sicher irgendwo unterbringen… Mit einer Hand löste er die Seilschlaufen an seinem Gürtel. Lias, der sah was er tat schüttelte den Kopf. ,, Behaltet es besser bei euch .“ , meinte der Gejarn ernst. ,, Nur so ein
Gefühl.“ ,, Wie die Rüstung ja ?“ , fragte er hielt aber inne. Vermutlich hatte Lias allerdings recht. Er wusste nicht, was ihnen bevorstand. Tatsächlich würde er zum ersten Mal in seinem Leben Hamad für längere Zeit hinter sich lassen. Galren wusste nicht, ob ihm der Gedanke gefiel. Er war hier aufgewachsen, sechsundzwanzig Jahre lang hatte er hier gelebt… ,, Sagen wir einfach, mir ist lieber wenn du bewaffnet bist.“ , riss Lias ihn aus seinen Gedanken. ,, Ich habe in meinem Leben noch keine Waffe geführt, das weißt du so gut wie ich. Schon gar nicht so
eine.“ Der Gejarn schwieg dazu und machte sich auf dem Weg zurück ins Haus. ,, Wir sollten besser packen, solange wir noch Zeit dafür haben.“ , rief er Galren zu, der noch einen Moment bei Armell auf dem Hof blieb. ,, Verzeiht, aber eine Sache müsst ihr mir noch verraten.“ , meinte er. Sowohl die junge Adelige als auch Sentine auf ihrer Schulter legten den Kopf schief. Erneut fragte er sich, was es mit diesem Wesen wirklich auf sich hatte, oder wie stark seine Bindung zu Armell eigentlich war. Manchmal schien es sich tatsächlich so zu verhalten, als spiegle es ihre Gedanken
wieder… ,, Fragt.“ ,, Wie seit ihr so schnell an das Geld gekommen ? Ich will mich nicht beschweren, aber ihr habt nichts, das habt ihr selbst zugegeben.“ Er hatte gespürt, dass etwas nicht in Ordnung war, als sie den Hof erreicht hatte. Woher immer sie die Summe genommen hatte, die sie brauchten, es kam nicht ohne Preis. ,, Haben wir vielleicht ein Problem ?“ ,, Wenn, dann nur ich. Tut euch selbst einen gefallen und lasst es auch meine Sache sein.“ Mit diesen Worten ging sie an ihm vorbei zurück zum Haus. Galren sah ihr
eine Weile nach, während langsam einige Schneeflocken vom Himmel fielen. Diese Reise, dachte er begann bereits seltsam. Hoffentlich machten sie keinen Fehler. Und hoffentlich, hatte Armell keinen gemacht. Bereits am Abend fanden sie sich alle am Hafen von Freybreak ein. Jetzt in der Dämmerung war die aus Holzbalken bestehende Mole fast vollständig verlassen und die wenigen Hafenarbeiter und Seeleute, die noch unterwegs waren, trotteten langsam in Richtung Innenstadt davon, vermutlich zum nächsten Gasthaus. Mondlicht erleuchtete den ansonsten
verlassenen Hafen und spiegelte sich auf den hier und dort im Wasser schwimmenden Eisschollen wieder. Nur ein einziges Schiff lag um diese Zeit noch vor Anker, am äußersten Ende eines der Piers. Armell lenkte ihre Schritte zielsicher auf den Dreimaster zu und bedeutete Lias und Galren dabei ihr zu folgen. Die klare Nacht war so scheidend Kalt, das Galren hören konnte, wie das Salzwasser unter ihnen allmählich gefror. Ein unendlich leiser, knisternder Laut, Morgen früh, dachte er, während die Holzplanken unter ihren Füße knarrten, wäre das gesamte Hafenbecken vereist und wohl fürs erste Unpassierbar. So gesehen hätte ihre
Abreise nicht günstiger sein können… Mittlerweile war das Schiff, das sie zum Festland bringen würde deutlicher zu erkennen, eine Silhouette aus hellem Holz, das im Mondlicht beinahe silbern wirkte. Ein einzelner Mann wartete an der Planke zum Deck auf sie, langsam eine Pfeife rauchend. Ein grauschwarzer Bart, dunkle, krause Haare und der Ansatz eines grauen Mantels waren alles, was im Schein der Glut zu erkennen war. ,, Ich nehme an ihr seid Lady Armell ?“ , fragte er und klang dabei freundlicher als Galren zuerst vermutet hatte. ,, Die bin ich.“ ,, In diesem Fall, willkommen an Bord Herrin. Wir haben nicht mehr oft
Reisende bei uns und noch seltener Adelige. Ich hoffe also ihr könnt verstehen, dass wir nicht…“ ,, keine Umstände.“ , unterbrach Armell ihn. ,,Solange ihr uns sicher zum Festland bringt, ist mir beinahe egal wie.“ Der Kapitän, um den es sich bei dem Mann wohl handeln musste, nickte. ,, In diesem Fall steht unserer Abreise nichts mehr im Weg. Wir haben schon alles vorbereitet, während wir gewartet haben. Gebt uns ein paar Minuten und wir sind draußen auf der offenen See.“ Mit diesen Worten drehte der Mann sich um und gab ihnen ein Zeichen ihm an Deck zu folgen. Währenddessen rief er bereits
erste Anweisungen an die wartenden Matrosen, Taue wurden gekappt und Anker gelichtet… Galren blieb einen Moment am Anfang der Planke stehen. Plötzlich fühlte er sich, als würde ihm etwas die Brust zuschnüren. Etwas, das er nicht ganz benennen konnte. Es war nicht das Schiff, daran hatte er sich gewöhnt… Er sah einen Moment zurück auf die nur von einzelnen Lichtern erhellte Stadt. ,, Komm schon oder bist du festgefroren ?“ , reif Lias vom Deck aus zu ihm herab. ,, Nein… Ich komme schon.“ , erwiderte er und endlich bewegten sich seine Füße wieder . Sobald er an Bord war, wurden
die letzten Segel gehisst und das Schiff setzte sich langsam in Bewegung. Stück für Stück blieb zuerst die Hafenmole und dann auch Freybreak hinter ihnen zurück, als das Schiff durch die Hafeneinfahrt hinaus aufs offene Meer trieb. Salzgeruch und kalter Wind wehten ihnen entgegen und der feine Wasserfilm in der Luft gefror auf Tauen und Deckplanken zu einer feinen, kristallinen Eisschicht. Der Kapitän löschte derweil seine Pfeife und trat ins Licht einer an Deck aufgestellten Laterne. ,, Ich schlage vor.“ , meinte er an seine drei Gäste gerichtet. ,, Ihr begebt euch unter Deck. Es wird nicht unbedingt
wärmer sein, aber wenigstens gibt es ein paar Decken. Mit etwas Glück haben wir morgen früh bereits die Küste erreicht.“ Armell nickte, Galren jedoch spürte die Kälte nach wie vor kaum. Stattdessen trat er ans Heck des Schiffes und sah zur langsam kleiner werdenden Silhouette von Hamad zurück. Freybreak war nur noch ein schwach glühender Lichtpunkt irgendwo knapp über dem Wasser und die Berge auf diese Entfernung grade noch zu erahnen… Galren wusste nicht, wie lange er, auf die Reling gestützt dort stand und zusah, wie seine Heimat in der Ferne verschwand. Es war ein seltsam Wehmütiges Gefühl, als würde ihm jetzt
erst klar, dass er sie lange Zeit nicht wiedersehen würde… und vielleicht nie mehr. ,, Alles in Ordnung bei dir ?“ , wollte Lias wissen. Trotz seiner Größe und der Panzerung konnte der Gejarn sich überraschend leise bewegen. Galren antwortete eine Weile nicht. Eigentlich war das hier doch genau, was er gewollt hatte. Und doch machte es ihm jetzt, wo es wirklich losging zu schaffen. ,, Vielleicht bin ich doch noch nicht so bereit hier alles hinter mir zu lassen, wie ich dachte.“ Er rang sich ein müdes Lächeln ab. ,, Aber jetzt ist es zu spät, wie ?“ Er würde den Weg seines Vaters zu Ende
gehen. ,, Und du bist nicht alleine dabei, vergiss das nicht.“ Der Gejarn legte ihm eine Hand auf die Schulter. Galren nickte. Aber es könnte trotzdem eine Weile dauern, bis er seine Heimat wiedersah. ,, Ihr tut das alles wirklich nur um herauszufinden, was eurem Vater zugestoßen ist ?“ , wollte Armell wissen, die sich offenbar doch entscheiden hatte noch an Deck zu bleiben. Ihre Wagen waren gerötet aber in ihren Augen glitzerte etwas, das Galren während der ganzen Zeit in Freybreak nicht gesehen hatte. Aufregung vielleicht, das gleiche Gefühl, das von ihm Besitz ergriffen
hatte, seit er die Karte in Händen hielt… ,, Und ihr begleitet uns sicher nur wegen dem Geld ?“ , gab er zurück. ,, Nein.“ , erwiderte die Fürstin mit einem Lächeln, das jedoch verlosch, als sie weitersprach. ,, eine Familie diente Andre de Immerson im Krieg. Das wirkt bis heute nach. Und es ist zum Teil für Freybreaks Lage verantwortlich… Ich habe vor diesen Makel auszulöschen, Galren. Wenn wir Erfolg haben, wird das vergessen sein, glaubt mir. Und man wird auch euren Namen überall kennen.“ ,, Ich glaube mir wäre lieber, wenn dem nicht so wäre.“ , meinte er ebenfalls kurz grinsend. ,,Ihr könnt von mir aus den ganzen Ruhm haben, wenn ihr mich
dabei raushaltet.“
,, Ich komme bei Gelegenheit darauf zurück.“ , erwiderte die Fürstin. ,, Kommt, wir sollten wirklich unter Deck… sonst erfriert noch einer von uns bevor wir wieder Land sehen.“
EagleWriter Nicht unbedingt Zachary und auch nicht ganz freiwillig aber... wirst du schon sehen ^^ lg E:W |
abschuetze auf ins Abenteuer^^ LG von Antje |
EagleWriter ^^ lg E:W |