Seitdem Galrens Vater vor 20 Jahren auf einer Expedition verschwand, hatte er nichts mehr von ihm gehört. Dies ändert sich schlagartig, als eines Tages ein Fremder in seinem Haus auftaucht und ihm eine Karte übergibt, die ohne Zweifel die Handschrift seines Vaters trägt. So macht er sich schließlich auf, die Route nachzuvollziehen, die dieser vor zwei Jahrzehnten genommen hatte, unwissend, das er dabei längst Teil eines viel größeren Spiels ist, das vor über einem Jahrtausend begann.
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Freybreaks verfall war nicht nur den Verpflichtungen aus dem Krieg geschuldet. Bei weitem nicht, dachte Armell, als sie am nächsten Morgen durch die Straßen der Stadt ging. Auch wenn die rebellischen Adelshäuser geschwächt waren, der Kaiser hatte wohl kaum Interesse daran, seine eigenen Lehen zu Grunde zu richten, geschweige denn, ein Reich von dieser Größe alleine zu Verwalten. Doch mit dem Verrat ihrer Familie hatte sich ein ganz anderes Problem aufgetan. Kein einziges Kaisertreues Haus war einfach noch so
bereit Bündnisse mit ihnen zu schließen und untereinander Misstrauten sich die einstigen Anhänger des Aristokratenbundes vielleicht sogar noch mehr. Das bisschen an Einfluss, das ihnen geblieben war, war das einzige, was sie noch hatten… Früher hatte Freybreak dutzende Verbindungen zu allen größeren Häfen in Canton unterhalten, hatte Zollsenkungen ausgehandelt und neue Handelsrouten gemeinsam mit anderen Fürsten und Händlern geplant. Es war ein blühendes Geschäft gewesen aus dem alle Seiten profitiert hatten doch seit dem Fall des Bundes und dem Ende des letzten Bürgerkriegs vor zwanzig Jahren hatten
die Dinge sich dramatisch verändert. Nur noch wenige wagten es, mit ihnen Geschäfte zu machen, schon alleine um nicht mit einer Familie von Verrätern in Verbindung gebracht zu werden. Und das, dachte Armell, tötete Freybreak sicherer, als alles andere. Solange der Makel des Dienstes unter Andre de Immerson an ihrem Namen Haftete könnte sie tun was sie wollte… diese Stadt würde zu Grunde gehen. Sie konnte den zunehmenden Verfall in den Straßen sehen, denen sie folgte, an den verlassenen öffentlichen Plätzen und dem Hafen, in dem grade einmal eine Hand voll Schiffe trieben. Doch jetzt hatte sie eine Gelegenheit,
alles zu ändern und es war vielleicht die Letzte, die sich ihr je bieten würde, bevor es zu spät wäre… Es war noch früh am Morgen und kalter Nebel trieb durch die vereisten Straßen der Stadt, setzte sich in den Zweigen der Bäume fest und bildete Eis auf Dächern und Wegen. Die junge Adelige rieb ihre Hände zusammen um wenigstens etwas Wärme zu erzeugen. Selbst der blaue Wollmantel den sie trug bot kaum Schutz vor der Witterung und zum Umkehren war sie ihrem Ziel jetzt schon zu nahe. Vor ihr befand sich ein Straßenzug mit einigen Prunkbauten, die an die besseren Zeiten der Stadt erinnerten und die wenigen noch Erfolgreichen Händler der
Stadt beherbergten. Die Expedition, welche Lias und dieser Galren planten überstieg, was sie noch an Mitteln hatte bei weitem, aber es gab Wege, sich das Geld zu besorgen. Nicht von den Händlern hier freilich, die waren zu sehr damit beschäftigt, ihren schwindenden Reichtum irgendwie zu retten und, dass sie die Summe kaum würde zurückzahlen können, machte die Sache nicht besser. Aber es gab eine einzige Person, an die sie sich wenden konnte… Armell blieb vor Anwesen stehen, das sie gut kannte. Die brusthohe Mauer, die es umgab, war oben mit in Stein gehauenen Ranken verziert, die in kleinen Bögen verliefen. An der Spitze jedes Bogens
jedoch, befand sich ein eiserner Dorn. Und wie sie wusste, sahen diese nicht bloß so aus, als wären sie zu geschliffen. Jeder, der den Versuch wagen würde, über die Mauer zu klettern, würde vermutlich ein paar Finger verlieren. Sentine, die sich bisher in ihrem Mantel verborgen hatte, flatterte in Gestalt einer Blaumeise auf den Mauersims und spähte zum Anwesen herüber. Armell ging kopfschüttelnd weiter, bis an ein schmiedeeisernes Tor im Wall, durch das sie einen ersten Blick auf das Grundstück werfen konnte. Ein, jetzt im Winter freilich erstarrter, Garten umgab das Haus und die darum liegenden Wirtschaftsgebäude. Eis hatte sich auf
einem großen Teich gebildet, der an der ihr zugewandten Außenseite des Hauses entlang lief und der kleine Pfad, der vom Tor zum Eingang des Anwesens ging, führte über eine Brücke darüber… Es war eine Weile her, dass sie zuletzt hier gewesen war und das hatte seine Gründe. Gründe, die sie Obarst heute allerdings nicht an den Kopf werfen konnte, wenn sie Erfolg haben wollte. Armell gab dem Tor einem Stoß, doch das Metall bewegte sich keine Handbreit. Natürlich verschlossen, dachte sie grimmig, während sie nach der Glocke suchte, die etwas versteckt in einer Mauernische hing. Wenige Augenblicke, nachdem sie den Seilzug betätigte und
das metallische Klirren über das Grundstück hallte, wurde auch bereits die Tür eines der Wirtschaftsgebäude geöffnet und eine ältere Frau in der Kleidung einer Dienerin trat heraus. Sie hatte sich offenbar keine Gedanken über das Wetter gemacht und sich nur einen dünnen Mantel als Schutz vor der Kälte umgelegt. ,, Was denn jetzt schon wie…“ , setzte sie an, als sie das Tor erreichte, die Worte verstummten jedoch, als sie Armell erkannte. So sehr die Stadt auch Schaden genommen haben mochte, ihr Wort war innerhalb der Mauern Freybreaks nach wie vor Gesetz. ,, Ihr könnt Obarst sagen, das Armell
D'Ambois mit ihm sprechen will und zwar möglichst sofort.“ , antwortete sie ruhig. Die Dienerin räusperte sich. ,, Der Herr schläft noch.“ , erklärte sie und machte nach wie vor keine Anstalten, das Tor zu öffnen. ,, Dann schlage ich vor ihr weckt ihn.“ , meinte Armell. ,, Notfalls warte ich hier, aber glaubt mir ich gehe nicht, bevor ich ihn gesprochen habe. Wer vor uns hält es wohl länger in der Kälte aus, was meint ihr?“ Die Dienerin zögerte, offenbar nach wie vor nicht sicher, ob ihr Herr es verzeihen würde um diese Zeit geweckt zu werden, aber Armell wusste bereits,
das sie gewonnen hatte. Vielleicht hatte Obarst sogar Anweisung erteilt, das man sie nicht mehr auf das Grundstück lies, aber dafür hätte er besser einige Wächter angeheuert, nicht irgendwelche Untergebenen. Am Ende wog ihr Wort schwerer als seines, zumindest für die Bürger Freybreaks… Schließlich schob die Frau den Riegel zurück, der das Tor verschlossen hielt und Armell zog es auf, bevor sie es sich doch noch anders überlegen konnte. Den Weg zum Anwesen verbrachten sie schweigend. Armell wusste, dass es nicht zu einfach werden würde, Obarsts Unterstützung zu gewinnen. Verflucht, im Nachhinein und hätte sie nicht die
Karte gesehen würde sie selbst daran zweifeln ob eine solche Unternehmung jemals gelingen könnte. Vielleicht hätte sie ihre beiden Gäste einweihen und mitbringen sollen aber… was wenn Obarst sich am Ende entschieden hätte, sie alleine zu unterstützen? Nein, es musste ganz allein ihr Name sein, der eine Rolle spielte, wenn Galrens Pläne Erfolg hatten. Ihre letzte Hoffnung baute darauf auf… Der Eingangsbereich des Hauses bestand aus einem kleinen Vordach, das von Säulen aus gelbem Sandstein getragen wurde, die wohl aus Erindal oder zumindest einer Provinz weiter südlich importiert worden waren. Hier draußen
gab es nur Granit und die meisten Leute konnten sich nicht einmal den leisten. Verflucht, sie selbst lebte in einem Holzgebäude. Aber für Obarst galten freilich andere Regeln, dachte sie säuerlich, während die Dienerin die Tür öffnete und sie ins warme Innere des Hauses lies. Ein Kurzer Flur mündete in einem Kaminzimmer, durch dessen Fenster man einen Blick in die gefrorenen Gärten werfen konnte. Kerzen und Öllampen erhellte den Raum und das Licht spiegelte sich auf der Oberfläche eines großen Holztischs und den Marmorfließen, die den Kamin verzierten. Armell trat wortlos vor das Feuer um sich die Hände zu wärmen,
während die Dienerin im Flur stehen blieb. ,, Kommt ihr nicht rein ?“ , fragte sie. ,, Der Herr duldet allgemein nicht das ihm das… Personal über den Weg läuft, Lady Armell.“ , erklärte sie ernst. ,, Wir sind angehalten alle Arbeiten für den Tag zu verrichten, bevor er aufwacht.“ Armell schüttelte ungläubig den Kopf. Auf der anderen Seite, es sah Obarst beinahe ähnlich. Allerdings führte das noch zu seinem ganz anderen Problem. ,, Und wie wollt ihr ihn dann wecken ?“ ,, Ihr werdet euch gedulden müssen, bis er aufwacht, wenn ihr etwas mit ihm zu besprechen habt, fürchte ich.“ , erklärte
die Dienerin, fügte aber versöhnlich hinzu. ,, Darf ich euch in der Zwischenzeit etwas bringen ?“ ,, Tee, wenn ihr welchen da habt.“ , meinte Armell, bevor sich an den Kamin setzte. ,, Wann ist Obarst normalerweise auf den Beinen ?“ ,, Ich weiß nicht, ich glaube ich habe ihn selten vor den Mittagsstunden gesehen.“ , erwiderte die Dienerin, bevor sie den Flur hinab außer Sicht verschwand. Mittag… Armell schlug die Hände vors Gesicht. Götter, das könnte heiter werden. Vielleicht war ihr Onkel am Ende doch schlauer als sie gewesen, dachte sie, als er den Weg als Händler eingeschlagen hatte. Auch wenn sein
Erfolg nicht grade auf seinen Fleiß zurückzuführen war. Aber genau das durfte sie ihm heute eben nicht zum Vorwurf machen. Er hatte den Namen, der Armell so viel zu schaffen machte vor Jahren abgelegt zusammen mit seinem Adelstitel, was immer der noch wert gewesen war. Aber für sie kam, das nicht in Frage. Das hier war ihre Stadt, Freybreak gehörte seit Generationen ihrer Familie… und wenn sie es sich so einfach machte, würde sie dieses Andenken mit Füßen treten… Nein, noch konnte diese Stadt gerettet werden und das würde sie und wenn das hieß, dass sie gute Mine zum bösen Spiel machen musste. Sie sah hier, was sie vielleicht
erreichen könnte, ohne den ständigen Makel eines Verräters… Aber das würde auch bedeuten, jede Chance aufzugeben diesen Makel auszulöschen und dazu war sie für alles Geld der Welt nicht bereit. Armell wusste nicht genau, wie viel Zeit verging, bis sie endlich Schritte im Obergeschoss des Hauses hörte. Die Dienerin war zwischenzeitlich mit einer Kanne dampfenden Tee zurückgekehrt, den sie wortlos auf dem großen Holztisch abstellte, bevor sie verschwand. Eher aus Langeweile goss Armell sich eine Tasse ein und lauschte weiter. Sentine, diesmal in Form eines schmutzbraunen Starts nippte vorsichtig an der heißen Flüssigkeit, kehrte dann
jedoch offenbar wenig begeistert auf ihre Schulter zurück. Armell konnte nur hoffen, dass es wirklich Obarst war, der sich oben endlich regte. Draußen hatte die Sonne bereits ihren höchsten Stand zu dieser Jahreszeit erreicht, knapp drei Finger breit über dem Horizont. ,, Was machst du hier ?“ , verlangte eine Stimme von ihr zu wissen und sie zuckte unwillentlich zusammen. Armell wendete sich vom Fenster ab und dem untersetzten Man in der Tür zu. Obarst D'Ambois war ein gutes Stück kleiner als sie selbst und was er vor einigen Jahren noch an Haaren gehabt hatte, hatte sich endgültig verabschiedet. Ein Gehrock
aus roter und weißer Seide fiel ihm über die Schultern und das schwarze, mit goldnähten durchwirkte Brokathemd tat wenig dagegen den Schmerbauch des Mannes zu verbergen. Intelligente, wache Augen musterten sie eindringlich, während Obarst in den Raum trat und sich ohne ein weiteres Wort am Tisch niederlies. ,, Ich bin hier um dich um Hilfe zu bitten.“ , erklärte sie und gab sich dabei alle Mühe ruhig zu klingen. ,, Und glaub mir ich werde nicht gehen bevor ich sie bekomme.“ ,, Wir werden sehen.“ , meinte ihr Onkel abwesend. ,, Du kannst kaum von mir erwarten, dass ich dir unter die Arme
greife. Du hast doch die Stadt unbedingt übernehmen wollen. Pass nur auf, das es dir nicht wie deinen Eltern ergeht...“ Es war beinahe als legte er es darauf an, sie zu provozieren, dachte Armell. Ihre Eltern waren wenige Jahre nach dem Urteil aus Silberstedt gestorben und schon damals war es mit der Stadt bergab gegangen. Doch der eigentliche Fall hatte danach begonnen und Obarst war nicht unschuldig daran, das wusste sie. Mochte sein, das er seinen Titel abgelegt hatte, aber die Privilegien nutzte er nach wie vor. Die andere Händler konnten kaum mit jemanden konkurrieren, der die Stadt de facto beherrschte, wie sonst nur
Armell… und sie konnte kaum Überall sein um etwas dagegen zu unternehmen. Freybreak blutete aus… und Obarst war wie ein Egel, der sich daran gütlich tat. Ständen die Dinge anders, könnte die Stadt es wohl verkraften, wenn ihr Onkel ein paar Händler vergraulte doch momentan war jeder verlorene Geschäftsmann, jede erloschene Verbindung eine zu viel… ,, Nichts dergleichen.“ , erklärte sie nur noch mühsam beherrscht. ,, Gut, ich kann schließlich nichts dafür, wenn du Freybreak nicht richtig verwalten kannst.“ ,, Das ist nicht das Problem und das weißt du so gut wie ich. Aber ich habe
vielleicht endlich di Chance unserer Familie das Ansehen zurückzugeben, das sie einst hatte.“ ,, Deiner Familie.“ , korrigierte Obarst sie. ,, Was habe ich damit zu tun ?“ ,, Du wirst mir dabei helfen… oder ich könnte auf die Idee kommen, ab jetzt doch ein Auge auf deine Geschäfte zu haben. Ich weiß wie du vorgehst… Wenn ich wollte Obarst, könnte ich dich geteert und gefedert aus dieser Stadt jagen lassen.“ ,, Leere Drohungen.“ , meinte der Mann gelangweilt. ,, Oder hast du irgendwelche Beweise für diese Anschuldigungen ? Nein ? Dann solltest du vielleicht darauf achten was du sagst,
den so wie die Dinge stehen bist du diejenige, die bald das Feld räumen muss. Also du brauchst Geld…“ ,, Für eine Expedition zur Nebelküste.“ , bestätigte Armell. ,, Wenn es funktioniert, wird das alles Überdecken was du und meine Eltern während des Krieges getan haben mögen. Niemand wird mehr danach fragen und unser Haus wieder seinen angestammten Platz einnehmen.“ ,, Du bist verrückt.“ , meinte Obarst nur. ,, Aber wenn du dich umbringen willst ist das mir egal. Nur tu es ohne dabei mein Geld mit ins Grab zu nehmen. Du weißt genau, dass das keine Aussicht auf Erfolg hat. Und ich habe
nichts zu verschenken.“ Das sehe ich ganz anders, dachte Armell. ,, Was willst du als Gegenleistung ?“ ,, Wie wäre es damit… wenn du wirklich Erfolg hast, will ich einen Anteil an was immer du findest. Die Hälfte…“ Sie holte tief Luft. Das war viel, wenn es den auf dieser Expedition irgendetwas zu gewinnen gab. Aber es war auch nur halb so schlimm, wie sie befürchtet hatte. Vielleicht wollte Obarst sie einfach loswerden, vielleicht hatte er auch noch genug Familiengefühl übrig um sie zumindest in ihrer verzweifelten Stunde nicht ganz m Regen stehen zu lassen… ,,, Wenn du allerdings versagst und die
ganze Sache ins Wasser fällt, will ich die zehnfache Summe von allem, was ich dir Gebe.“
Von wegen Familiengefühl, dachte Armell und Sentine, die sich bisher ruhig verhalten hatte, nahm auf einen Schlag die Gestalt eines fauchenden Drachen von der Größe einer Katze an. Anscheinend war das Wesen genauso empört über diese Forderung wie sie selbst. Aber hatte sie eine Wahl? Nein, die hatte sie nicht….
Terazuma Hi Eagle! Hoffentlich war das für Armell nicht ein Deal mit dem Teufel... Aber es war wohl ihre einzige Chance. Dann halten wir einmal die Daumen für diese Unternehmung. ^^ Und Obarst ist nicht gerade das was man einen sozialen Menschen nennen kann. Eher wie eine unersättliche, egozentrische Qualle.^^ LG Tera |
EagleWriter Ich glaube das trifft es ganz gut. Aber wie fies der gute Werden kann wird sich auch noch zeigen ^^ lg E:W |
EagleWriter Hoffe das bleibt so ^^ lg E:W |
abschuetze Tja die lieben Verwandten :( LG von Antje |
EagleWriter Ganz lieb ja^^. Offensichtlich. lg E:W |