Science Fiction
Legat - Kapitel 2 - Charon

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"Legat - Kapitel 2 - Charon"
Veröffentlicht am 01. August 2015, 18 Seiten
Kategorie Science Fiction
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Über den Autor:

Wer wäre ich hier, wenn nicht jemand, der seinen Visionen ein Zuhause geben will? Tue ich das gerade nicht, studiere ich Rechtswissenschaften und bemühe mich, nicht gleich jedes damit verbundene Klischee zu erfüllen (letzteres womöglich nur mit mittelmäßigem Erfolg), oder fröne in irgendeinem Pub meinen Lastern.
Legat - Kapitel 2 - Charon

Legat - Kapitel 2 - Charon

Charon

Es hatte nichts Erhabenes in einer Glasröhre zu erwachen, deren schleimiger Inhalt gerade abgepumpt wurde. Rhaims aber gelang es, das aufkeimende Gefühl von Panik zu unterdrücken, ebenso wie die Hilflosigkeit und Desorientierung der ersten Sekunden, die er mitnichten zum ersten mal durchstand. Dennoch, so wusste er, war das Resultat bei jedem mau aufs Neue ungewiss. Die Ende der Stase hatte etwas von einer Wiederbelebung, der Erlösung vom zeitweisen

Tod. Von der verhassten Ohnmacht zurück in die verhasste Welt. Der Sentinel spuckte auf die Kacheln vor sich, während er der Glasröhre entstieg, die inzwischen gänzlich leer gepumpt war. Sie ruhte in einer kleinen, einzelnen Zelle innerhalb der Charon, was er allein schon der Privatsphäre wegen begrüßte. Dennoch erwartete er, dass innerhalb der nächsten Minuten ein Mitglied der Crew erscheinen und sich nach seinem Befinden erkundigen würde. Sowohl Stase als auch ÜLG-Sprünge konnten allerhand unschöne Nebenwirkungen auf den Reisenden haben, die sich von einfacher

Übelkeit und kurzzeitiger Desorientierung über Angstzustände und Krämpfe bis zu Psychosen und Paralyse erstreckten. Rhaims selbst war von dem meisten bislang verschont geblieben, wohingegen er in Stasestationen, die nicht separiert waren, schon so manchen Schwall von erbrochenem gesehen hatte. Oder schlimmeres. Während er sich abtrocknete und den neoprenähnlichen Anzug gegen seine übliche Kleidung tauschte, entsann er sich jenes armen Jungen, der nach dem technischen Ende der Stase gar nicht mehr aufgewacht, wohl aber noch am Leben gewesen war. Er hatte nie erfahren, was aus dem unglückseligen Passagier geworden war,

wünschte ihm aber, dass er entweder doch nicht aufgewacht oder zumindest tot war. Gerade als er die Manschettenknöpfe seines schwarzen Hemdes schloss, öffnete sich die metallene Tür der Zelle und eine junge Frau eintrat, die ihr braunes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte und den militärisch grün-braunen Overall der staatlichen Raumfahrt trug. „Alles in Ordnung mit Ihnen?“, erkundigte sie sich, wobei sie ihn eindringlich musterte. „Den Umständen entsprechend“, antwortete Rhaims, „Wie viele Finger zeige ich“, verlangte

sie zu wissen und hielt dabei genau zwei in die Höhe. „Ist das wirklich nötig?“, entgegnete er. „Wie viele Finger?“, beharrte sie. „Zwei“, er gab sich geschlagen, während er mit seiner Rechten leicht gegen das immer schmerzende Knie tippte. „Mein Name ist Natalie Andrews“, fuhr sie fort. „Das sagten Sie bereits vor dem Abflug“, bemerkte er beiläufig, „Wollen Sie mein Erinnerungsvermögen testen?“ „Nein“, sie schüttelte langsam den Kopf, „Ich dachte nur, ich wiederhole es besser. Könnte noch wichtig werden.“ „Verstehe“, er nickte, während sie hinter

sich die Tür zur Zelle verriegelte, „Der Rest der Mannschaft?“ „Nein, nur ich“, antwortete sie, worauf er sie erneut musterte, diesmal etwas genauer. In ihrem ebenmäßigen Gesicht lag ein paar haselnussbrauner Augen, das von einigem, schwarzen Kajal geziert wurde. Obgleich es unter Raumfahrern eine Seltenheit geworden war, besaß ihre Haut eine deutlich sichtbare Bräune, durchbrochen von Sprenkeln weniger Sommersprossen. Er hätte sie sich eher irgendwo in der Wüste beim Ausgraben uralter Artefakte vorstellen können oder an den sonnigen Stränden irgendeines Inselparadieses als an eben diesem Ort. Sie besaß etwas

erworben Exotisches, das weder in die metallenen Wände dieses Shuttles passte noch in die Uniform, die sie trug. „Militärischer Geheimdienst? Oder sollten Sie zuletzt noch selbst ein Sentinel sein?“, fragte er. „Eher eine Art Regierungsfunktionär“, murmelte sie. „Man weiß, dass es ans Eingemachte geht, wenn die Geheimdienste nicht mal mehr Namen haben“, kommentierte er, wenngleich sie keinesfalls den Eindruck einer skrupellosen Agentin machte. Dies aber tat er viel mehr als gutes und in der Branche notwendiges Schauspiel ab, welches ein Sentinel freilich nicht nötig hatte. Er konnte nicht behaupten, darüber

unglücklich zu sein. „Mag sein“, sie zuckte mit den Schultern, „Man hatte mir versichert, Sie seien der beste.“ „Wir haben keine Rangliste“, erwiderte er wahrheitsgemäß, obwohl man ihn unter den Sentinels genauso bezeichnete, wie sie es getan hatte. Dabei war er selbst geneigt, sich ein körperliches Wrack zu schimpfen, aber körperliche Mängel ließen sich inzwischen durch Technik mühelos angleichen. Was ihn selbst unter den seinen außergewöhnlich machte, hatte sie nichts mit Präzision, Schnelligkeit oder Körperkraft zu tun. Er legte es in einen Blick seiner jadegrünen Augen und

las in dem Ausdruck auf ihrem Gesicht, dass sie verstand. „Es gibt Probleme auf Cyro Omega“, begann Natalie. „Das hatte ich angenommen“,er räusperte sich, „Rebellen, Steuerhinterziehung, Zollverstöße, Lieferengpässe?“ „Ich denke, das Wort Aufstände trifft es am besten“, sagte sie, wobei ihre Stimme merklich leiser wurde, „Allerdings sind das keine offenen Ausschreitungen. Nur einige merkwürdige Vorkommnisse.“ „Merkwürdige Vorkommnisse?“, er runzelte die Stirn. „Hören Sie, ich weiß selbst nicht

sonderlich viel darüber. Deshalb sind wir ja hier. Ich sollte wohl noch erwähnen, dass bereits ein Team geschickt wurde, um herauszufinden, was da los ist.“ „In Anbetracht der Tatsache, dass wir nun hier sind, waren sie vermutlich wenig erfolgreich.“ „Das kann man wohl sagen“, ihre Mandelaugen verengten sich, „Der Kontakt brach ab, bevor sie Ergebnisse vorweisen konnten.“ „Was für eine Art von Team war das?“ „Drei Sentinels und ein Agent des militärischen Geheimdiensts.“ „Das wird ja immer besser“, er seufzte, obgleich er kein Bedauern

empfand. Für genau diese Art von Mist bin ich hier. „Glauben Sie mir, es gefällt mir auch nicht“, sie schüttelte langsam den Kopf, „Hinzu kommt, dass wir die Spur eines interstellar gesuchten Straftäter bis nach Cyro Omega verfolgen konnten. Vielleicht steht er mit all dem in Verbindung.“ „Um wen handelt es sich?“, verlangte er zu wissen. „Eine Frau namens Kerry Landros“, antwortete Natalie. Ein leeres Lachen entfuhr ihm, bevor er es verhindern konnte, und hallte innerhalb der metallenen Wände wieder.

Der Name flackerte wie eine defekte Neonröhre in seinem Geist, dort wo es kein Vergessen und Vergeben gab. Ein Zug von bleierner Traurigkeit streifte durch seine Gedanken und er hätte schwören können, für einen Augenblick den Geschmack von Blaubeeren auf seiner Zunge gespürt zu haben. Dann verbrannte all das in einer nie erloschenen Flamme namenloser Verachtung. Es mochte eine andere Kerry Landros sein, nicht jene, an die er dachte. Er vermochte nicht zu sagen, ob er das eine oder das andere bevorzugen würde. „Ihr kennt diese Person?“, erkundigte sich

Natalie. „Das wird sich zeigen. Aber selbst wenn wird es kein Problem darstellen“, sagte er mit einer Kälte, die sie augenscheinlich überzeugte. „Dann gehen wir es an. Die anderen vermissen mich sicher schon“, sagte sie, wobei sie sich umdrehte und die Tür wieder öffnete. Er streifte seinen schwarzen Filzmantel über und folgte ihr durch die engen Eingeweide Charons, bis ins Cockpit. Der halbrunde Raum mündete in einer Fensterfront, hinter der in der Schwärze des Alls etwas schwebte, das sich wie eine riesige, schwarz-weiße Schneekugel

ausnahm. Cyro Omega. Der ÜLG-Sprung hatte sie irgendwo in die äußere Umlaufbahn des Planeten gebracht, der kaum mehr als ein einziges Meer aus Schnee und Eis sein konnte. „Da ist ja unsere Hübsche“, lachte einer der beiden Piloten, der in der Mitte des geräumigen Cockpits umher streifte „Klappe, Dane“, herrschte sie ihn an, „Sind wir bereit für den Landeanflug?“ „Wir sind längst soweit“, erklärte der zweite, der in einem tiefen Sitz gleich unterhalb der Scheibe saß und eine holographische Konsole bediente, „Was habt ihr beiden denn dahinten getrieben.“ „Unser Passagier hatte seine Probleme

mit dem Aufwachen“, entgegnete Natalie entnervt, worauf er nur kurz mit den Schultern zuckte. Die Lüge auf seine Kosten kümmerte ihn reichlich wenig. „Besser wir schnallen uns an“, fügte sie hinzu. „Aye, dann mal los“, tönte Dane, worauf er sich nach vorne zu seinem Copiloten begab. Rhaims selbst hingegen nahm auf dem Sitz des kommandierenden Offiziers im Zentrum des Cockpits Platz und schnallte sich fest. Natalie besetzte den Stuhl des Kommunikationstechnikers auf der Linken. „Nehmen wir den Autopiloten?“,

erkundigte sich der Copilot. „Quatsch, das mache ich selbst“, lachte Dane, „Wo bleibt denn da der Spaß? Gut festhalten, Ladies!“ Gott, wie ich diese Leute hasse.

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Über den Autor

Crawley
Wer wäre ich hier, wenn nicht jemand, der seinen Visionen ein Zuhause geben will?
Tue ich das gerade nicht, studiere ich Rechtswissenschaften und bemühe mich, nicht gleich jedes damit verbundene Klischee zu erfüllen (letzteres womöglich nur mit mittelmäßigem Erfolg), oder fröne in irgendeinem Pub meinen Lastern.

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EagleWriter Rhaims ist und bleibt einfach ein Sonnenschein^^ Also das genaue Gegenteil davon natürlich. Bin mal gespannt, was sie auf Cryo Omega ( Klingt nicht sonderlich warm^^) nun genau erwartet... klingt bisher ja eher alles recht wage.
lg
E:W
Vor langer Zeit - Antworten
Crawley Er ist wohl wirklich nicht der Typ, mit dem man nach Feierabend noch ein Bier trinken geht, aber von der Temperatur seines Gemüts her dürfte er gut auf den Eisplaneten passen.

Danke fürs Lesen und Kommentieren.
LG
Crawley
Vor langer Zeit - Antworten
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