Biografien & Erinnerungen
Erinnerung - geistig behindert und physisch stark

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"Erinnerung - geistig behindert und physisch stark"
Veröffentlicht am 26. November 2008, 4 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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Über den Autor:

16. Oktober 1952 erblickte ich das Licht der Welt in sehr bescheidenen Verhältnissen. Als Nesthäkchen wurde ich von meinen zwei Schwestern, zwei Brüdern und meinen liebevollen Eltern umsorgt. In meinen Erinnerungen ist die alte Hütte noch sehr präsent. Um das elterliche Bett vor Regen und Schnee zu schützen spannte mein Vater eine Plane an die Decke. Meine Schulzeit war alles andere als glücklich. Ungerechtigkeiten konnte und kann ich nur ...
Erinnerung - geistig behindert und physisch stark

Erinnerung - geistig behindert und physisch stark


Silas, mein Junge ich wünschte du wärst immer noch klein und könntest nach wie vor auf meinen Knien hoppe, hoppe Reiter spielen. Würdest lautstark „Lololi“ statt Ravioli verlangen. Ich möchte dich wiegen und Schlaflieder singen. Deine leuchtenden grünen Kinderaugen wieder einmal bestaunen, das wäre schön! Unser Haus ist so leer ohne dein entzücktes Lachen, dein tapsiges Laufen und dein bisweilen untröstliches Weinen. Lass uns die Zeit zurückdrehen und wieder gemeinsam baden und schwimmen im See.

Ich bin realistisch und weiß trotz funkelnder und glitzernder weihnachtlicher Stimmung wird mein Wunsch nicht in Erfüllung gehen.

Längst sind deine Krabbeljahre vorbei und dein Körper hat sich entwickelt zu einem Mann. Dein 20.Geburtstag letztes Jahr im Mai war ein Familienfest und alle waren dabei und freuten sich mit dir über deinen erbeuteten Platz in unserer Gesellschaft und jetzt -ist das alles vorbei?

Deine geballte Kraft, deine gewalttätigen und zerstörerischen Wutanfälle lassen uns hilflos, ängstlich und erschöpft

zurück wenn du zum wiederholten Mal begleitet von der Sanitätspolizei weg fährst. Sprachlos, traurig und dennoch mit Hoffnung und Zuversicht besuchen wir dich und wünschen uns ein bisschen Familienglück.

 

Erna Müller-Rytz
 

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Hörbuch

Über den Autor

Coeur
16. Oktober 1952 erblickte ich das Licht der Welt in sehr bescheidenen Verhältnissen.
Als Nesthäkchen wurde ich von meinen zwei Schwestern, zwei Brüdern und meinen liebevollen Eltern umsorgt.
In meinen Erinnerungen ist die alte Hütte noch sehr präsent. Um das elterliche Bett vor Regen und Schnee zu schützen spannte mein Vater eine Plane an die Decke. Meine Schulzeit war alles andere als glücklich. Ungerechtigkeiten konnte und kann ich nur schwer ertragen und davon gab es in der Schule und außerhalb mannigfach.
Frauen brauchen keine Bildung, dieser Meinung war damals mein Vater obwohl meine Mutter einem 100% Job nachging.
1970 ziehe ich für einige Zeit zu meiner damals geschiedenen Schwester Irene und in diesem Jahr lernte ich meinen ersten Mann kennen.
1971 wurde unser gemeinsamer Sohn geboren.
Am 26. November 1974 erhängte sich meine Schwester Irene in ihrer Wohnung, am Schlafzimmerfenster. 13 Tage vor ihrem 29. Geburtstag! Mein verzweifelter Versuch eine Logik in den chaotischen Tod von Irene zu bringen, scheiterte. Entsetzen, Wut, Schuld, Enttäuschung und auch Angst der Verantwortung nicht gerecht zu werden.
Plötzlich war ich mit meinen 22 Lenzen die Ersatzmutter vom damals 10-jährigen Jungen, natürlich nicht ohne die Unterstützung meines ehemaligen Mannes, er war in all den schwierigen Zeiten mein fröhlicher und treuer Begleiter, auch wenn sich unsere Wege später getrennt hatten blieben wir jedoch Freunde. Abschied für immer musste ich am 18. Januar 1983 von Bruder Hans nehmen.
Im 33. Lebensjahr wählte er den Freitod. Ein Schnellzug erfasste ihn in Lenzburg.
Im gleichen Jahr starb auch mein Patenkind. Er war im zarten alter von 3 Jahren in ein Desinfektionsbad für Schafe gestürzt.
Der ohnehin schon angeschlagene Gesundheitszustand meines Vaters verschlechterte sich nach dem Todesfall von Hans zusehends, ja sogar schlagartig.
15. Juni 1984 war mein Vater gestorben. Wenigsten blieb ihm die nur ein gutes Jahr später schmerzliche Nachricht von meinem verunglückten Bruder Hugo, die ich meiner Mutter überbringen musste, erspart.
Am 5. Oktober 1985, im 39. Lebensjahr war er bei einem Tauchgang im Zugersee tödlich verunglückt.
Dieser Abschied war sehr, sehr, sehr schwer, dabei hat das Jahr 1985 glücklich angefangen.
Damals lebte ich allein mit meinem Sohn der ein fröhlicher, lieber und sorgloser Teenager war, ja, sicher in der Schule hätte er durchaus mehr leisten können...
Ich war glückliche Kioskleiterin. Durch gute Leistungen sowie Umsatzsteigerungen gewann ich immer wieder traumhafte und einzigartige Motivationsferien im Ausland unter anderem im Piemont, in Florida, Norwegen, Andalusien und vieles mehr. Den Kontakt zu den unterschiedlichsten Menschen war eine Herausforderung die ich gerne annahm. In meinem Team waren Frauen und Männer mit unterschiedlichsten Berufsausbildungen sowohl Hausfrauen, Lehrerinnen, Studenten und Verkäufer auch auf meinen 20jährigen Sohn durfte ich mich eine Zeitlang verlassen. Er war eine super tolle Unterstützung für unser Team. Zu den Kunden gehörte der Designer Luigi Colani oder der bekannte Jan Tinguely ebenso wie Obdachlose und natürlich meine neue große Liebe.
Am 17. Mai 1991 starteten wir mit einem gecharterten Düsenflugzeug im Berner Flughafen Belpmoos um über den Wolken unser Jawort zu besiegeln.
Am 17. Dezember 2003 wurde ich erneut daran erinnert, dass man diese Zeit nicht für immer hat! Mein geliebter Mann erlitt einen Herzinfarkt. Dieses Mal war es glücklicherweise nur eine Warnung. 2004 und 2005 wurde mein Mann erneut am Herzen operiert und konnte so einem erneuten akuten Herzversagen vorbeugen.
Während ich diese Zeilen schreibe genieße ich ein harmonisches und glückliches Leben!



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3balmers Re: Re: Geht mir ganz schön unter die Haut - Oh e grad so liebe Gruess nach Bärn. Mini Geburtsstadt
Guet Nacht
Karin


Zitat: (Original von Coeur am 04.01.2009 - 19:44 Uhr)
Zitat: (Original von 3balmers am 04.01.2009 - 16:29 Uhr) Ist aber mutig und schön zugleich, dass Du mit einem Schluss endest der in allem Schlimmen der Funke der Hoffnung enthält.
Es ist Dir hier eine Geschichte gelungen, die einem ergriffen da sitzen lässt aber dennoch nicht mutlos.
LG Karin


Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt! Manchmal sitze ich nur da und harre der Dinge die kommen. Wie du sicherlich schon festgestellt hast bin ich eigentlich hart im nehmen und akzeptiere das Leben mit all den Höhen und Tiefen aber dennoch sind die in der letzten Zeit erhaltenen Hiobsbotschaften etwas viel... Die Lebenserfahrungen werden immer mehr... *grins*
Danke für deinen Lesebesuch und ganz liebe Grüsse nach Thun
Erna

Vor langer Zeit - Antworten
Coeur Re: Geht mir ganz schön unter die Haut -
Zitat: (Original von 3balmers am 04.01.2009 - 16:29 Uhr) Ist aber mutig und schön zugleich, dass Du mit einem Schluss endest der in allem Schlimmen der Funke der Hoffnung enthält.
Es ist Dir hier eine Geschichte gelungen, die einem ergriffen da sitzen lässt aber dennoch nicht mutlos.
LG Karin


Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt! Manchmal sitze ich nur da und harre der Dinge die kommen. Wie du sicherlich schon festgestellt hast bin ich eigentlich hart im nehmen und akzeptiere das Leben mit all den Höhen und Tiefen aber dennoch sind die in der letzten Zeit erhaltenen Hiobsbotschaften etwas viel... Die Lebenserfahrungen werden immer mehr... *grins*
Danke für deinen Lesebesuch und ganz liebe Grüsse nach Thun
Erna

Vor langer Zeit - Antworten
Coeur Re: WirrWarr im Kopf. -
Zitat: (Original von spitzerblei am 04.01.2009 - 16:55 Uhr) Selbst wenn es nicht den Eindruck macht, Brauch er eure Unterstützung. Aber nur bis zu einem Gewissen Punkt! Ab dann sollte man geschehen lassen was geschieht bevor man selbst nicht mehr Herr seiner sinne wird!! ( 6 Wochen Psychotherapie und 6 Wochen Alkohol Entzug, mit 25 Jahren.)

Gruß Bernd


Ich habe grosse Achtung vor deiner Ehrlichkeit und von deinem erfolgreichen Entzug. Mein erster Mann hatte auch ein Alkiproblem aber nie einen Entzug gemacht. (Das Problem hatten ja nur die andern... aber das kennst du sicherlich!)
Es ist wie du schreibst: "Gewähre die Unterstützung bis zu einem gewissen Punkt." Aber für eine Mutter von einem geistig behinderten Sohn ist diese Latte hoch gesteckt...
Wir hoffen immer noch auf eine Stabilisierung von seinem Zustand. Manchmal sieht es gut aus und manchmal eben nicht....
Danke für den Gedankenaustausch und liebe Grüsse
Erna
Vor langer Zeit - Antworten
Coeur Re: Lass uns die Zeit... -
Zitat: (Original von Rattenfaenger am 04.01.2009 - 16:47 Uhr) ...zurückdrehen und wieder gemeinsam baden und schwimmen im See...
Schiller schreibt: Mit des Schicksals Mächten ist kein ewiger Bund zu flechten...*****
LG
Rattenfänger


Du hast mit deinem Kommi den Nagel auf dem Kopf getroffen!
So ist es!
Herzlichen Dank und liebe Grüsse
Erna
Vor langer Zeit - Antworten
Rattenfaenger Lass uns die Zeit... - ...zurückdrehen und wieder gemeinsam baden und schwimmen im See...
Schiller schreibt: Mit des Schicksals Mächten ist kein ewiger Bund zu flechten...*****
LG
Rattenfänger
Vor langer Zeit - Antworten
3balmers Geht mir ganz schön unter die Haut - Ist aber mutig und schön zugleich, dass Du mit einem Schluss endest der in allem Schlimmen der Funke der Hoffnung enthält.
Es ist Dir hier eine Geschichte gelungen, die einem ergriffen da sitzen lässt aber dennoch nicht mutlos.
LG Karin
Vor langer Zeit - Antworten
Coeur Re: ***** -
Zitat: (Original von franziw2000 am 16.12.2008 - 01:36 Uhr) Traurige Geschichte... Weiß gar nicht was ich da schreiben soll :-( LG Franzi


ja, diese Dinge machen uns sprachlos und hilflos...
Danke für deinen Besuch
LG, Erna
Vor langer Zeit - Antworten
franziw2000 ***** - Traurige Geschichte... Weiß gar nicht was ich da schreiben soll :-( LG Franzi
Vor langer Zeit - Antworten
Coeur Re: Erinnerung ... -
Zitat: (Original von MarianneK am 26.11.2008 - 18:09 Uhr) Du hast diese glücklich schöne Zeit im Rückblick sehr wunderbar beschrieben um in wenigen Zeilen die ganze Traurigkeit zu beschrieben. Man ist Machtlos und kann nur hoffen dass es sich wieder ändert.

Lieben Gruß Marianne


Eine Besserung, wenn überhaupt ist wahrscheinlich nur mit Medikamenten möglich. Diese Hilflosigkeit ist für die betroffen Eltern nur schwer zu ertragen und ich leide mit ihnen.
Danke für dein Kompliment und dein Besuch.
Liebe Grüsse aus dem winterlich und weihnachtlich geschmückten Bern
Erna
Vor langer Zeit - Antworten
Coeur Re: Bittersweet... -
Zitat: (Original von ParadiseKiss am 26.11.2008 - 15:52 Uhr) finde aber, du hättest das weiter ausbauen können.

Mit den süßesten Besserungswünschen, Lydi.


Danke für die gepuderten Genesungswünsche hoffe, dass sie in der weihnachtlichen Stimmung erhört werden.... Meistens sind aber gerade in dieser Zeit alle, auch die "Normalen" verrückt...
Deine Kritik ist sicher berechtigt und ich werde mich bemühen diese bei Gelegenheit umzusetzen...
Aus der klirrender Kälte liebe Grüsse vom zerbrechliches Kaltblut
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