Fantasy & Horror
Lionheart - Boten des Lichts

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"Zwei Prinzessinnen aus verschiedenen Königreichen treffen durch den Krieg zusammen."
Veröffentlicht am 26. Juli 2015, 132 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

Hey:) Nyare90 besteht aus 2 kreativen Köpfen aus dem schönen Norden Deutschlands. Zusammen schreiben wir an unserer Buchreihe Lionheart. Wir sind beide 20 Jahre alt und kennen uns ca. 8 Jahre. Unsere Leidenschaft für Fantasy und Science-Fiction hat uns zusammengeschweißt und bereits einige Abenteuer erleben lassen. Wir wolllen euch mit unseren Geschichten in eine neue Welt entführen. Wir freuen uns immer über Kommentare eurerseits :-)
Zwei Prinzessinnen aus verschiedenen Königreichen treffen durch den Krieg zusammen.

Lionheart - Boten des Lichts

Prolog

Lodernde Flammen erhellten den Himmel in dieser Nacht. Von einer kalten Schnauze geweckt schnellte ich hoch. »Kayla, los. Das Schloss wird angegriffen.« Zu mir sprach ein riesiger Löwe mit tiefer Stimme. Ohne zu zögern schnürte ich meine Rüstung. Mit raschen Schritten eilte ich aus meinem Zimmer, wo mir schon eine Hand voll Soldaten über den Weg liefen. »Prinzessin! Wir werden angegriffen. Sie versuchen es am südlichen Tor«, sprach einer von ihnen. Ich spannte den Gürtel meines Köchers fest und nahm

meinen Bogen in die Hand. »Ares! Los, so schnell dich deine Pfoten tragen!« Selbstbewusst und mit erhobenem Bogen, drückte ich meine Beine gegen den Torso des Löwen. Rasch sprintete Ares los zum südlichen Tor. Ich vergaß alles um mich herum. Alles was ich noch hörte war mein Herzschlag und Ares‘ Atem. Ich war die Ruhe selbst. Der Korridor neigte sich dem Ende und Ares stieß das Tor auf. Ein Flammenmeer, dessen Knistern nur von den Schreien der Stadteinwohner übertönt wurde. Ares und ich standen auf der südlichen Mauer, in der sich bereits blutverschmierte Enterhaken

eingehakt hatten. Ich sprang von Ares runter und zielte mit meinem Bogen auf die erste Kreatur, die über die Mauer ragte. Es sah aus wie ein Mensch, hatte jedoch gräuliche Haut, schwarze Adern, die sich stark abzeichneten und rote Augen, die mich anstarrten während mein Pfeil sein Herz durchbohrte. Ich hörte eine bekannte Stimme hinter mir. Es war mein Vater, Faros, der König von Loria. Gefolgt von seinen Soldaten zog er sein Schwert und stieß es einem der merkwürdigen Wesen direkt ins Herz. Ein großer schwarzer Wolf wich nicht von seiner Seite. Es kamen immer mehr dieser Wesen über die Mauer. Ein kurzer Blick nach unten

lies mir den Atem stocken. Es waren mehrere Tausend, die versuchten die Mauer hochzuklettern. Mit gezielten Schlägen durchtrennten die Soldaten die Seile der Enterhaken. Ich bemerkte, wie Ares plötzlich nach rechts sprang und einem der Wesen, das aus dem Schloss kam, den Kopf abbiss. »Wir sind eingekesselt!«, schrie einer der Soldaten. Mein Blick wanderte zum anderen Ende der Mauer, wo sich Dutzende der Wesen ansammelten. An ihren Füßen schlängelten riesige Schlangen umher. »Ares! Bring meine Tochter sofort hier weg!«, rief König Faros. »Nein! Ares...Nein! Ich bleibe

hier!« Ich zog mein Schwert und lief in Richtung der Wesen. Eines der Wesen warf einen Speer, der meinen Bauch durchbohrte. Ich brach zusammen, doch bevor ich zu Boden fiel war Ares da, um mich zu retten. Geborgen auf Ares Rücken blickte ich zu meinem Vater. »Vergiss niemals wer du bist und wo du herkommst Kayla! Und jetzt lauf Ares! Lauf soweit euch deine Pfoten tragen!« Ich streckte noch einmal die Hand nach meinem Vater aus, dann wurde alles schwarz.

Kapitel I

Warmer Atem und eine riesige Tatze auf ihrer Wunde weckten Kayla. Sie öffnete die Augen und sah eine wunderschöne riesige Löwin, die sie anstarrte. »Elina, beeil‘ dich. Sie ist wach.«, sagte die Löwin mit einer warmen bestimmten Stimme. Kayla versuchte sich aufzurichten, doch Schmerzen stoppten sie dabei. Sie hielt sich den Bauch, der verbunden war. Ein paar Meter weiter sah sie eine Gestalt. Es war eine Frau. Sie hatte eine unglaublich warme Ausstrahlung und war bildschön. Ihr bordeauxrotes Kleid ging bis zum Boden und ihre Stirn war

mit einem silbernen Diadem geschmückt. Ihre langen braunen Haare umspielten ihren Körper sanft. Als sie sich umdrehte bemerkt sie, dass Ares hinter ihr lag. Seine Pfote war verbunden. »Mein Name ist Elina und das ist Aura. Sie ist mein Anima. Kannst du mir erzählen, was passiert ist und woran du dich erinnerst?« »Flammen...und den Tod.« Kayla blickte traurig zu Boden. Kayla versuchte wieder sich aufzurichten, doch Elina drückte sie wieder runter. Sie sah sich im Liegen um. Kayla bemerkte, dass sie sich in einer Höhle befanden, oder eher in einem

großen Erdloch. Es war feucht und moderig, doch in ihrer momentanen Situation, machte es Kayla wenig aus. Wieder fiel ihr Blick auf Ares, mit seiner prachtvollen Mähne. Er lag in der Ecke und es schien so, als ob er schlief. »Wie geht es Ares, ist er schlimm verletzt?« »Es geht ihm gut, er ist nur ein wenig erschöpft und seiner Pfote wird es auch bald wieder besser gehen. Er hat sich große Sorgen um dich gemacht.« Kayla war froh, dass es Ares gut ging. Er war schon immer an ihrer Seite gewesen, solange sie sich erinnern konnte, schließlich war er ihr Anima. Seit ihrer Geburt ließ Ares Kayla nicht

aus den Augen. Ein Anima war ein Begleiter, ein Teil der Seele des Menschen, den er in tierischer Gestalt überall hin begleitete. Nicht jeder Mensch hatte einen Anima an seiner Seite. Nur die Nachfahren der ersten Königsfamilie des Landes Aidanur wurden von Anima begleitet. König Haral und Königin Navia hatten vier Kinder. Zwei Prinzessinnen namens Naevia und Lianna und zwei Prinzen namens Keleth und Leoteth. Als der König und die Königin starben stritten die Vier sich um den Thron. Blutige Kämpfe entfachten zwischen den vier Königskindern. Um weiteres Blutvergießen zu vermeiden, beschlossen

sie das Land in vier Königreiche aufzuteilen. Jeder von ihnen herrschte von dort an über eines der Königreiche. Kayla stammte aus Loria, dem östlichen Königreich. Dort gab es die schönsten Wälder und die Sterne funkelten jede Nacht hell auf. Manchmal, wenn ihr Vater schon schlief, schlich Kayla raus und ritt auf Ares zum See in Mitten des Königwaldes, der sich in unmittelbarer Nähe der Hauptstadt Eanaris befand. Dort konnten sie all die mystischen Wesen beobachten, die nachts umhergingen. Es schien, als beständen sie aus purem Licht. Einige von ihnen hatten die Silhouette von Menschen, ein paar andere sahen aus wie kleine Feen.

Die Leute in Loria nannten sie Waldgeister und der Wald, indem sie lebten, wurde als heilig angesehen. Kayla saß oft an einer Lichtung und schauten ihnen dabei zu, wie sie tanzten. Die Wesen gaben Kayla ein Gefühl der Wärme, die sie zuhause oft vermisste. Im Westen des Landes befand sich das große Königreich Isana. Isana war bekannt für seine wunderschönen Felder auf denen jede nur erdenkliche Art von Blumen wuchs. Auch wuchsen auf den Feldern viele verschiedene Getreidearten, dessen Samen aus entfernten Ländern jenseits des Meeres kamen. Das Königreich lag direkt am

Meer, was den Handel mit anderen, weit entfernten Ländern erleichterte. Kayla hoffte, dass sie irgendwann einmal die Möglichkeit bekam dorthin zu reisen, denn sie hatte das Meer noch nie gesehen. Das Königreich im Süden hieß Galaria. Es war berühmt für seine unglaubliche Schmiedekunst und die schnellsten und schönsten Pferde im Land. Die besten Waffen kamen aus diesem Land, da dort ein reichliches Vorkommen an Erzen zu finden war. Doch leider hatten die anderen Länder nichts von diesem Fund, da durch die Teilung Aidanurs kein Kontakt zwischen den vier Königreichen bestand. Es gab

auch keinen Handel zwischen ihnen, nur einige Tage im Jahr war es den Händlern eines Landes bestimmt die Grenze zu überqueren. In all den Königreichen herrschte vor Kurzem noch Frieden, denn die Menschen lebten glücklich zusammen. Nicht jedoch im Norden. Das nördliche Königreich Asfaloth wurde von Emelith regiert. Ihre unersättliche Gier nach Macht überschattete das einst so prachtvolle Königreich voller Gebirge und Auen. Emelith war einst eine gütige Herrscherin, doch eines Tages auf einer Reise durch das Land der Kreto, einem Barbarenvolk aus Barania, dem Land

östlich von Aidanur, wurde Lyla ihr geliebter Anima getötet. In einem Hinterhalt raubten die Kreto die Kutsche der Königin aus und versuchten Emelith zu töten. Ihr treuer Fuchs Lyla ging dazwischen und verlor sein Leben. Wenn ein Anima stirbt verliert der Mensch nicht nur seinen stetigen Begleiter und Freund, sondern auch einen Teil seiner Seele. Dieser Verlust hatte ein ewig kaltbleibendes Loch in Emelith‘ Seele hinterlassen. Der Norden war völlig abgeschottet von den restlichen Königreichen. Von dort hörte man nur Geschichten und Gerüchte über die Königin und ihre Machenschaften. Einige behaupteten

sogar die Königin würde dort ihre eigene Armee aufstellen, um das ganze Land zu erobern und es aus der Finsternis, in der sie lebte, zu beherrschen. »Du sagst also, du erinnerst dich an Feuer?«, sagte Elina völlig aus der Luft zu Kayla. »Ehm, ja, ich bekomme alles noch nicht so ganz zusammen. Die Bilder in meinem Kopf verschwimmen immer wieder. Das Einzige, was ich erkenne sind Flammen, die wie tausend Nadelstiche auf meiner Haut brennen und Ares Fell, das mich wohl behütet von ihnen wegträgt. Eine männliche Stimme ruft nach mir, doch sein Rufen

verstummt in der Ferne.« Kayla musste ihre Tränen zurückhalten. Ohne Ares an ihrer Seite wäre sie verloren. Die meisten ihrer Erinnerungen verblassten. Der Gedanke nach Hause zurückzukehren und all das Elend dort zu sehen bereitete ihr Bauchschmerzen. Warum hatte sie es zugelassen fortgetragen zu werden. Sie war die Erbin des Throns des Südens und doch hatte sie Angst zurückzukehren. »Wie bin ich hierhergekommen?« »Aura war gerade auf der Jagd in einem nahegelegenen Wald, als sie deinen Anima witterte. Wir haben dich und deinen Löwen dann auf einer Lichtung

gefunden. Ares war durch seine Verletzung und Erschöpfung zusammengebrochen. Aura und ich haben es geschafft euch mit aller Kraft hierher zu bringen.« Kayla dachte darüber nach, wie weit sie wohl mit Ares gekommen war. Zu sehen wie Elina nachdenklich und hektisch auf und ab lief, holte Kayla aus ihren Gedanken. Sie blickte Elinas Löwin an und bemerkte ihren strengen Blick. »Du siehst besorgt aus. Worüber machst du dir Gedanken?«, fragte Kayla Elina. »Ich mache mir Sorgen um meine Familie, ich wurde von ihr getrennt.« Elinas Blick sank zu Boden. Kayla sah

ihr die Angst an. »Dein Name ist also Elina. Und da du einen Anima an deiner Seite hast, nehme ich mal an du kommst aus einem der Königshäuser.« Kayla richtete sich auf und blickte Elina mit ernstem Blick an. »So ist es. Ich bin Prinzessin Elina von Isana.« Diese Worte schien sie schon oft gesagt zu haben. Sie sprach sie mit solch einer Selbstsicherheit. »Okay, okay. Und wenn ich mich hier so umsehe, sehe ich aber, dass wir immer noch am Rande von Loria sind. Ich erkenne diese Erdhöhle, als Kind habe ich hier oft gespielt. Was machst du hier?« Kaylas Blick wurde ernst. »Ich bin auf der Flucht. Mein Königreich

wurde angegriffen. Es geschah plötzlich, in der Nacht. Wesen mit bösen Augen und dunklen Adern auf ihrer fahlen Haut griffen uns an. Auf dem Boden...« Kayla unterbrach sie prompt: »...schlängelten sich Schlangen und Wesen der Dunkelheit...?!« Elina starrte sie erstaunt an. »Ja, genau.« Kayla riss die Augen auf. »Das Selbe passierte auch in Eanaris.« Nun senkte Kayla ihren Blick zu Boden. Also war das alles kein Traum, sondern Realität. »Ich möchte jetzt eigentlich keine voreiligen Schlüsse ziehen, aber was ist, wenn die Gerüchte wahr sind und der Norden nun versucht ganz Aidanur zu unterwerfen?«, sprach

Elina. »Daran hatte ich auch schon gedacht.«, antwortete Kayla mit besorgter Stimme. Nun meldete sich Ares zu Worte, der die ganze Zeit über still daneben saß. »Kayla. Lass mich nach Hause gehen, um zu sehen, was sich dort abspielt. Warte hier mit Elina und Aura bis ich wieder da bin.« »Nein!«, Kayla ballte die Faust. »Aber Kayla, ich habe deinem Vater versprochen dich zu beschützen. Ich kann dich dieser Gefahr nicht aussetzen. Es ist zu gefährlich.« Ares sprach sehr ruhig. Er kannte Kayla besser als jeder andere und wusste wie er mit ihr umgehen

musste. »Ich treffe meine eigenen Entscheidungen, Ares. Ich komme mit!« , sprach Kayla und die Wut war ihrem rot angelaufenen Gesicht problemlos anzusehen. »Wir begleiten euch!«, rief Elina aus dem Hintergrund. Aura nickte Kayla zu und es war beschlossen.

Kapitel II

Kayla stürmte aus der Höhle heraus. Elina versuchte sie aufzuhalten, da Kayla noch sehr schwach war. Ihre Wunde war sehr tief und noch immer nicht verheilt. Elina hatte alles versucht, damit Kayla sich schnell wieder erholte, doch Elina hatte das Gefühl, dass Kayla sehr stur war. Sie ignorierte ihren Ratschlag sich noch etwas auszuruhen. Aura und Ares versuchten Elina zu helfen, haben Kayla gut zu gesprochen, doch die Prinzessin wollte nicht auf sie hören. Anscheinend dachte sie nur noch an ihr zu Hause, an ihren Vater und ihr

Volk. Elina war es nach ihrer Flucht auch so ergangen. Und noch immer sorgte sie sich. In der Nacht wurde Elina immer von Albträumen heimgesucht. Sie sah, wie diese hässlichen Gestalten auf den Palast zuliefen und überall in der Stadt Feuer legten. Ihre Mutter, Königin Narissa, hatte sie in die Bibliothek gebracht, um dort die wichtigsten und ältesten Schriften zu retten. Sie verstauten die Bücher in alten robusten Truhen, damit sie ein mögliches Feuer überstehen konnten. Vom Hof gelangten die Schlachtgeräusche zu ihnen und sie hofften auf baldige Erlösung der Angst. Irgendwann hörte Elina Kampfgeräusche

auf dem Flur. Sie ging zur Tür und öffnete sie einen Spalt weit. Auf dem Flur sah sie ihren Bruder Ariacron gegen die Wesen kämpfen, die bereits in den Palast eingedrungen waren, Seite an Seite mit ihrem Vater, dem König. Die Wachen, die sich am anderen Ende des Flures befanden, versuchten zu König Ternius und zum Prinzen zu gelangen. Die Schar der Geschöpfe wuchs an und der König und Ariacron kämpften erbitterlich mit ihren Schwertern. Elinas Bruder war sehr gewandt mit dem Schwert und konnte sich gut gegen die Wesen behaupten. Mit der Erfahrung seines Vaters konnte er jedoch nicht

mithalten. Als Ternius Elina durch den Spalt sah, rief er dem Prinzen zu. »Ariacron, hol deine Schwester und deine Mutter und bring sie in Sicherheit!« »Vater du schaffst das nicht alleine. Ich bleibe an deiner Seite!« »Ich weiß deinen Mut zu schätzen, doch ohne euch gibt es keine Zukunft. Unsere Gegner sind in der Übermacht. Nun geh‘!« Ariacron nickte dem König zu und kam dann auf die Tür der Bibliothek zu. Er öffnete sie und sah Elina in die Augen. Narissa kam von hinten. Ohne dass Ariacron ein Wort sagte, wusste sie was sie zu tun hatte. Sie nahm Elinas Hand

und führte sie Richtung Geheimgang. Dies war der sicherste Weg den Palast zu verlassen. Die Königin betrat zuerst den Geheimgang und zog Elina hinter sich her. Elina dachte, dass ihr Bruder ihnen folgen würde, doch als sie sich umblickte, stand er noch am Eingang des Ganges. »Ariacron, nun komm schon!« »Verzeih‘ mir, Schwesterherz, doch ich kann nicht. Ich bleibe hier!« »NEIN! ARIACRON! GEH NICHT!« Der Prinz verschloss den Geheimgang und es wurde um Elina dunkel. Sie klammerte sich fest in den Griff ihrer Mutter. Sie kamen langsam voran. Am Ende des Ganges warteten schon ihre

Anima. Elina rannte direkt zu Aura und schmiegte sich in ihr weiches Fell. Aura gab ihr immer Schutz und Trost. Der Anima von Elinas Mutter, eine Eule, flog zu seiner Herrin und setzte sich auf die Schulter von Königin Narissa. Es erklang ein lautes Lachen welches die ganze Stadt, das ganze Land, erschüttern ließ. »Emelith!«, flüsterte die Königin fassungslos. »Elina, steig auf Auras Rücken und reite fort von hier.« »Aber Mutter was ist mit dir?« »Ich habe keine andere Wahl. Ich bleibe hier und passe auf, dass dir niemand folgt. Danach suche ich deinen Vater. Ich weiß nun wer unser Feind

ist.« Elina wollte gerade fragen wer es war, wurde jedoch in dem Moment von den Kreaturen entdeckt. Eilig nahm Königin Narissa ihre Halskette ab, der Anhänger war eine Glasperle, in der eine Muschel konserviert war, die Muschel, die auch das Banner von Isana zierte. Sie reichte Elina die Kette und strich ihrer Tochter noch einmal über die Wange. Elina fiel es schwer ihre Mutter zu verlassen, doch dann ritt sie auf Aura davon, genau so, wie es ihre Mutter verlangt hatte. Diese schrecklichen Momente erlebte Elina jede Nacht in ihren Träumen. Aura spürte, dass Elina wieder von Trauer und Schmerz erfüllt war. Sie trat zur

Prinzessin und stupste sie mit ihrer kalten, weichen Nase an. Elinas Flucht lag nun bereits eine Woche zurück. Sie hatte es ihrem Bruder Ariacron zu verdanken, dass sie in der Wildnis überleben konnte. Als sie noch klein war, hatten die beiden oft einige Tage in den Wäldern von Loria verbracht. Ariacron hatte ihren Eltern gesagt, sie würden einige Tage bei einer Verwandten in der benachbarten Stadt verbringen. Stattdessen waren sie mit Aura und Ariacrons Anima Shimshek über die Grenze geritten und haben unter dem sternenklaren Nachthimmel Lorias übernachtet. Ariacron hatte Elina gelehrt Feuer zu machen oder die Wahl

der richtigen Früchte zu treffen, um im Wald nicht zu verhungern. In der vergangenen Woche hatte Elina mehrmals täglich daran gedacht nach Isana zurückzukehren, um sich Gewissheit zu verschaffen was mit ihren Eltern und ihrem geliebten Bruder passiert war. Aura war diejenige, die Elina riet Abstand von ihrem Königreich zu halten. Aura war stets eine weise Begleiterin und Elina nahm sich ihren Rat sehr zu Herzen, doch eines Tages würde Elina zurückkehren. Tief in ihrem Herzen wusste sie, dass ihre Familie am Leben war. Und dieses Gefühl hatte sie noch nie enttäuscht. Elina wusste, dass sie Kayla nicht davon

abhalten konnte nach Loria zu gehen. Angst hatte sie trotzdem. Sie würde sehen, was mit Kaylas Königreich passiert war und das Selbe würde auch Isana zugestoßen sein. Sie hoffte Hilfe von Kayla zu bekommen, wenn sie nach Isana reiten würden, um ihre Familie zu suchen. Der Anima Löwe stand für Mut. Dieser Mut war unschwer in Kayla zu erkennen, doch Elina hatte stets Schwierigkeiten, dies in sich Selber zu erkennen. Sie zweifelte oft daran, dass Aura die richtige Gestalt bei ihrer Geburt angenommen hatte. Allzeit behütet im Schloss hatte Elina kaum eine Chance Dinge wie Bogenschießen oder

Schwertkampf zu erlernen. Sie wurde zu einer richtigen Prinzessin erzogen. Stets bewacht von Soldaten, schlich sie sich nachts raus, um ihren Lieblingsort in ganz Isana zu besuchen, das Meer, welches direkt unter ihrem Gemach lag. Sie liebte es nachts im Wasser zu liegen und das Meer rauschen zu hören. Aura lag zu der Zeit lieber am trockenen Strand, behielt jedoch immer ein Auge auf Elina. Sonst verbrachte sie die meiste Zeit mit Lesen oder half ihrer Mutter bei den organisatorischen Dingen, die eine Königin zu tun hatte. Sie war diejenige, die dazu bestimmt war einmal die Herrscherin von Isana zu werden. In ihrem Land war es Tradition,

dass eine Tochter des Herrscherpaares den Thron erbt. Ihr Vater, König Ternius, war bislang die einzige Ausnahme dieser Tradition. Er bestieg den Thron, nachdem es seine einzige Schwester an einer Krankheit dahingerafft hatte. Sie war gestorben, noch bevor sie heiraten und einen Nachkommen gebären konnte. So war Ternius der einzige Erbe. Ariacron wurde zu einem guten Kämpfer und Anführer erzogen, denn er sollte einst das Heer von Isana befehligen. Sollte sie eines Tages die Krone besitzen, würde Elina nie auf den Rat ihres großen Bruders verzichten. »Also kommt ihr nun mit oder nicht?«

Kayla riss Elina aus ihren Gedanken. Elina bewunderte ihren Mut, fand ihren Tatendrang jedoch gewagt. »Bist du sicher, dass es dir gut geht?« »Es wird gehen. Wenn wir eine passende Stelle gefunden haben, um zu sehen, was in Loria vorgeht, werden wir wieder umkehren. Ich mag vielleicht ein Sturkopf sein, doch lebensmüde bin ich nicht.« Elina blickte zu Aura. Sie verstand ihre Löwin auch ohne Worte. Anhand ihres Blicke merkte sie, dass Aura bereit war. Als sie wieder zu Kayla blickte war diese bereits auf dem Rücken ihres mächtigen Löwen. »Also ich bin bereit.«, sagte Kayla

während sie sich den letzten Gürtel, an dem zwei kurze Schwerter hingen, umschnallte. Mit einem großen Sprung sprang Ares den Felsvorsprung vor der Höhle herunter.

Kapitel III

Wie in Ekstase sah Kayla die Bäume links und rechts verschwimmen. Sie hörte Elina noch rufen »Kayla warte!«, doch nun hatte sie einen Endschluss getroffen und wollte nicht anhalten. Ihr war es egal, ob die anderen hinterher kamen, zwar sah Aura kräftig aus, doch ob sie mit den Kräften von Ares mithalten konnte war fraglich. Kayla kannte die Wälder besser als jeder andere in Loria. Sie wusste, dass das Eanaris nicht weit von hier war. Sie trieb den Löwen weiter voran und Ares gab alles. Er sprang über Baumstämme, lief durch Bäche und wurde nicht

langsamer. Kurze Zeit später sah Kayla Elina erstaunlicher Weise neben sich. Aura war sichtlich erschöpft, da sie ein wenig kleiner als Ares war, doch sie konnte mithalten. »Willst du, dass wir langsamer werden?«, fragte Ares Aura. Aura legte noch einen Zahn zu, um ihre Kraft zu Beweisen. An einem Fluss machten sie kurz halt. Nun war der Weg wirklich nicht mehr weit, denn Kayla wusste, dass es sich bei diesem Wasserstrom um den Fluss Lye handelte, nicht weit entfernt von Eanaris. Aura und Ares konnten hier Wasser trinken und sich kurz ausruhen. »Wenn wir in dem Tempo von eben

weiterlaufen, sind wir in Kürze nah genug am Schloss, um zu sehen, ob der Feind noch vor Ort sind.« Kayla war aufgewühlt. Sie wollte weiter, doch die Löwen brauchten eine kurze Rast. Sie hatte gehofft wenigstens ihren Vater irgendwo in den Wäldern zu finden, doch bis jetzt waren sie noch keiner Menschenseele begegnet. Ebenfalls waren keine Tiergeräusche zu vernehmen, der Königswald schien wie ausgestorben. Kayla führte dies auf die dunklen Kräfte zurück, die in Loria ihr Unwesen trieben. Plötzlich hörte sie einen gellenden Schrei aus dem Wald. »Hast du das gehört?«, fragte Elina

sie. Kayla zog einen Pfeil aus ihrem Köcher und legte ihn an die Sehne. »Warte hier.« Aufmerksam lief Kayla in den Wald, Ares lief dicht hinter ihr. Sie dreht sich nochmals um und legte den Finger auf den Mund, um Elina zu symbolisieren, sie solle ruhig bleiben. Aura stellte sich beschützend vor Elina. Angst hatte Kayla nicht. Sie nahm an, dass es sich um einfache Räuber handelte, die des Öfteren ihr Unwesen an diesem Ort trieben, denn dieser Waldpfad war einer der Hauptwege zu den Dörfern jenseits des Waldes. Oft hatte die Prinzessin die Soldaten auf ihren Patrouillen begleitet und somit schon viele Räuber dingfest

gemacht. Leise lief Kayla tiefer in den Wald. Dieser Teil des Waldes war licht bewachsen, viele Bäume waren tot und verdorrt. Nun erkannte sie die zierliche Stimme einer Frau in weiter Entfernung, sie lief offensichtlich in ihre Richtung. Ihr Stöhnen und das laute Knacken der Äste unter ihren Füßen waren kaum zu überhören. Um sicher zu gehen und die Dame nicht zu erschrecken, schickte Kayla Ares weg und kletterte auf einen nahe stehenden Baum. Erneut spannte sie einen Pfeil in ihren Bogen und wartete. In der Position schmerzte ihre noch frische Wunde sehr, doch sie blieb bewegungslos auf dem Ast hocken. Plötzlich sah sie die Frau, die um ihr

Leben rannte. Sie drehte sich um und stolperte über einen Ast, kriechend schleppte sie sich zum nächsten Baum und versteckte sich dort. Kayla konnte nicht erkennen, von wem oder was sie verfolgt wurde. Sie beugte sich ein Stück nach vorne und verlor das Gleichgewicht, als eine Schar Vögel die Baumkrone verließ. Sie landete weich auf dem Laub des Waldes. Ihr Blick richtete sich sofort in Richtung der Frau, die erschrocken in Kaylas Richtung blickte. Die Unbekannte rannte auf sie zu. »Hilf mir! Bitte!« Die Frau fiel ihr in die Arme. Ihr Kleid war zerrissen und blutbefleckt. Als Kayla ein lautes Knurren hörte, musste

sie die Frau zur Seite stoßen. Kayla suchte eilig in dem Blätterhaufen nach ihrem Bogen, noch bevor sie wusste was nun auf sie zukam. Als sie den Verfolger der Frau sah, konnte die Prinzessin ihren Augen kaum trauen, denn das Wesen, um das es sich handelte, war Jax, der Wolf ihres Vaters Faros. Sie atmete erleichter aus und lief ihm entgegen. »Jax! Also geht es meinem Vater gut. Wo ist er?« Doch Jax hörte nicht auf zu knurren. Seine Augen glühten tiefrot und er fletschte seine Zähne. Der Himmel schien sich über Kayla für einen kurzen Moment zu verdunkeln. Plötzlich sprang Ares über sie herüber

und stellte sich schützend vor die Prinzessin. Er gab sein lautes und mächtiges Gebrüll von sich. Kayla erstarrte, sie wusste nicht, was los war und stand dort mit weit aufgerissenen Augen. Der große Wolf sprang Ares an und biss ihm in den Hals. Der Löwe holte mit seiner riesigen Tatze aus und schlug den Wolf gegen einen Baum. Kayla war klar, dass sie sich wieder fangen musste. Sie drehte sich zu der Frau, die immer noch voller Angst auf dem Boden lag. »Lauf aus dem Wald. Dort steht eine Frau mit einem Löwen am Fluss. Warte dort auf mich. Keiner von den beiden soll in den Wald

kommen!« Kayla war hin- und hergerissen. Tötet sie Jax verliert ihr Vater, der hier noch irgendwo sein musste, einen Teil seiner Seele. Hoffte sie darauf, dass Ares ihn in die Flucht schlüge, liefe sie Gefahr, dass er verletzt würde. Sie nahm einen Pfeil und schoss ihn in Richtung von Jax‘ Hinterpfote. Ein lautes Jaulen ging von dem Wolf aus und er sank zusammen. Er versucht hochzukommen, fiel aber immer wieder zu Boden. Ares holte erneut mit seiner Tatze aus und schlug den Wolf bewusstlos. Der große, majestätische Löwe packte Jax mit seinem Maul am Nacken und schleifte ihn über den Waldboden, hinaus aus dem

Dickicht Richtung Fluss. Noch immer wartete dort Elina auf sie, so wie es Kayla von ihr gewollt hatte. Die Wartende schaute die kleine Truppe mit großen Augen an, die sich beim Anblick des regungslosen Wolfes noch weiteten. Etwas entfernt stand die Frau, sie war noch immer sehr blass. Aura stand an ihrer Seite, doch die Löwin lief ihnen sogleich entgegen, als sie die Ankunft bemerkte. »Ist alles in Ordnung?«, fragte Elina. Kayla antwortete nicht, sondern ging weiter zum Flussufer und wusch sich den Dreck aus dem Gesicht. Elina zuckte zusammen, als Ares den Wolf vor ihren Füßen fallen ließ. »Ich

verstehe nicht. Was ist passiert?« »Das ist eine lange Geschichte.« Die Frau aus dem Wald kam auf Kayla zu, sie schien sich wieder etwas beruhigt zu haben. »Danke. Ihr habt mich gerettet, Prinzessin Kayla. Ich nahm an ihr seid tot.« Kayla brodelte vor Wut, sie hasste es abgrundtief, wenn etwas nicht so klappte, wie sie es wollte, denn die Prinzessin hatte immer gerne die Kontrolle über alles. Sie verstand nicht, warum Jax keine Informationen über ihren Vater preisgab. Kayla ließ Ares Jax direkt an den Fluss ziehen. »Ares, Aura! Ihr passt auf, dass der Wolf nicht auf falsche Gedanken kommt, wenn er

wieder zu Bewusstsein kommt.« Die Löwen stellten sich um den Wolf, als Kayla ihm einen weiteren Pfeil in sein anderes Bein schoss. Der Wolf schreckte hoch. Er war immer noch an den Boden gebunden, denn aufstehen konnte er nicht mit den Pfeilen in seinen Beinen. »Ich nehme mal an, du willst mir nicht sagen, was passiert ist.« Kayla hockte sich neben Jax. Der Wolf sah sie mit seinen großen roten Augen an. Sie nahm einen der Pfeile in ihre Hand und drehte ihn in der Wunde hin und her, sodass Jax vor Schmerz aufheulte. »Vielleicht hat dir das etwas die Augen

geöffnet. Wo ist mein Vater?« »Oh, meine Liebe. Muss die kleine Prinzessin den Helden raushängen lassen?« Ein Grinsen war seinem Gesicht zu entnehmen, was Kayla nur noch wütender machte. Sie merkte, dass es nicht Jax war, der da sprach. Kayla zog einen der Pfeile aus der Wunde und blickte Ares an. Der wusste genau was Kayla wollte. Er puhlte mit einer seiner Krallen in der Wunde rum. Der Wolf erstarrte vor Schmerz. Nun mischte Elina sich ein. »Schluss jetzt!« Kayla war erschrocken, sie so laut zu hören. Die junge Frau wirkte sonst sehr ruhig und schüchtern auf sie. Elina zog

ihre Schuhe aus und knotete ihr Kleid weit oben zusammen, sodass ihre Beine frei waren. »Zieht den Wolf ins Wasser. Überlasst den Rest mir.« Kaylas Verwunderung nahm kein Ende. Was hatte Elina vor? Mit sanften Schritten ging Elina kniehoch in den Fluss. Das Wasser um Elina herum fing an zu leuchten und zu schimmern. Kayla wusste nicht, ob dies nur eine Illusion der Sonne war, doch über eines war sie sich sicher, Elina sah in diesem Moment wunderschön aus. Das schillernde Wasser um sie herum wiegte sich leicht um ihre Beine und die Spiegelung der Sonne verlieh der Prinzessin aus Isana einen besonderen

Glanz. Obwohl sie sich kaum bewegte, sah Elina wie eine tanzende Göttin aus, die über das Wasser gebot. Mit einer Leichtigkeit hielt sie den Wolf im Arm und träufelte ihm zärtlich Wasser auf die Wunden und auf den Kopf. Der Wolf wehrte sich nicht. Kayla richtete ihren Blick genau auf Jax. Seine Augen verloren die rote Farbe und sein Fell sah wieder viel gepflegter aus. Seine Wunden verschwanden und er sprang aus dem Fluss heraus. Aura schien wenig überrascht zu sein. Nur die Frau aus dem Wald, die das ganze Spektakel beobachtet hatte und Kayla standen erstaunt am Rande des Flusses. »Ok, jetzt bist du mir eine Erklärung

schuldig, glaube ich.« Elina stieg engelsgleich aus dem Fluss. Sie tat so, als ob nichts passiert sei. »Zur rechten Zeit werd ich dir alles erklären.« Elina ging rüber zu Jax und streichelte ihm übers Fell. »Kayla! Du lebst!«, sprach der Wolf mit tiefer und gedämpfter Stimme. »Offensichtlich. Wo ist mein Vater?« »Er ist nicht mehr der Selbe. Wir wurden getrennt. Er ist noch im Schloss.« »Was ist mit dir passiert? Und wer ist für all das hier verantwortlich?«, fragte Kayla. »Asfaloth erhebt sich. Emelith und ihre dunkle Magie taten mir das an. Sie hat

auch deinen Vater, Kayla. Nehmt euch vor ihr in Acht!« »Dann lass uns aufbrechen und deinen Vater befreien.«, sagte Elina. Kayla erkannte eine Seite von Elina die ihr gefiel. Ares stellte sich neben Kayla, die auf seinen Rücken stieg. Kayla blickte zu der Unbekannten aus dem Wald. »Geh mit Jax. Er wird dich beschützen. Geht in das nächste Dorf Amanis. Ich werde bald nachkommen. Mit meinem Vater.« Eilig machten Kayla und Elina sich wieder auf den Weg. Die Entfernung zum Schloss war nicht mehr weit. Noch ein Stück folgten sie dem Fluss, bis sie eine flache Stelle erreichten, wo sie das

Gewässer mit Leichtigkeit überqueren konnten. Der warme Wind wehte Kayla und Elina durchs Haar und Ares und Aura gaben erneut alles. Schnell erreichten sie die Stadtmauern von Eanaris, doch was sie dort sahen, lies ihnen den Atem stocken.

Kapitel IV

Schwarze Wolken bedeckten den sonst so klaren Himmel über Loria. Ein starker Regen setzte ein und vertrieb die Rauchschwaden, die von den kürzlich verloschenen Feuern der Stadt herrührten. Ein leichter Nebel blieb zurück und umhüllte die Stadt. Risse und große Löcher bedeckten die haushohe Stadtmauer um Lorias Hauptstadt Eanaris. Auf diesem Weg hatten es die Feinde wahrscheinlich geschafft in die Stadt einzudringen. Die beiden Prinzessinnen gingen mit ihren Löwen die Mauer entlang. Der Anblick, der sich ihnen darbot war

schockierend und ließ sie erstarren. Tränen benetzten Elinas Wangen, als sie die Stadtmauer betrachtete. Kayla ballte ihre Fäuste und schaute mit ernster Miene an die Mauer. An langen Stricken hingen Duzende Stadteinwohner die Mauer herunter. Nicht nur Männer, sondern auch Frauen und unschuldige Kinder. Das graue Gestein hatte sich von dem Blut der Menschen verfärbt. Den meisten Männern fehlte der Kopf, sowie andere Gliedmaßen, und waren dann kopfüber aufgeknüpft worden. Man konnte sagen, dass es diese Männer besser ergangen war, denn ihr Tod hatte sie schneller ereilt als bei den Frauen und Kindern, die nur langsam am Stick

erstickt waren. Elina sah einen kleinen Jungen mit rotem Haar, dessen Kehle aufgeschnitten war und kopfüber an der Mauer baumelte. Ihr Blick wich nicht von dem toten Jungen. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Kayla ihrem Blick folgte und auf die Mauer zuging. Elina verfolgte das Geschehen. Ares machte einen großen Satz und sprang hoch an die Mauer, um das Seil, an dem der Junge hing, zu kappen. Kayla fing den Leichnam mit ihren Armen auf und trug ihn mit trauriger Miene zu einem Busch nahe der Mauer. Die Augen des Jungen waren weit aufgerissen und Angst stand in seinem kalten leblosen Gesicht. Mit

ihren Finger schloss Kayla die Augen des Jungen und blieb noch kurz schweigend neben ihm hocken. »Was tust du da?«, sagte Elina, die sich neben Kayla gestellt hatte. »Wir haben keine Zeit für so etwas. Wir müssen deinen Vater finden.« »Er war ein unschuldiges Kind.«, sprach Kayla mit zittriger Stimme. »An dieser Mauer hängen noch viele weitere unschuldige Kinder und du kannst nicht jedes von ihnen begraben.« »Ich weiß, doch diesen Jungen kannte ich, er war der Sohn einer Hofdame und somit oft im Palast. Ich weiß noch, wie er immer gegen den Willen seiner Mutter durch die Gänge gerannt ist.«

Eine Träne verließ Kaylas Auge und auch Elina war traurig über das Schicksal des Jungen. Zusammen mit Ares und Aura suchte Elina große Steine, die von der zerstörten Mauer am Boden lagen, um den Jungen darunter zu begraben. Als der Junge vollkommen unter den Steinen verschwand setzten die vier ihre Reise fort und liefen weiter die Mauer entlang. Diese Unmenschlichkeiten zogen sich bis zum Haupttor hin, wo Wachen von Speeren durchbohrt am Tor hingen. »Wie kann Emelith zu einer solchen Grausamkeit fähig sein?«, fragte Elina mit leiser Stimme. Sie brachte kaum ein Wort heraus, ein dicker Kloß bildete sich

beim Anblick der vielen Toten in ihrer Kehle. »Ich weiß es nicht. Die Dunkelheit in ihr muss stark sein. Doch glaub mir, dies wird ein Nachspiel haben. Wir werden jeden Einzelnen rächen und wenn es das Letzte ist, was ich tue.« Elina merkte, wie die Wut in Kayla entbrannte. Sie konnte ihre Gefährtin gut verstehen, schließlich konnte es in Isana genauso aussehen. Sie wollte nicht einmal darüber nachdenken, dass ihre Untertanen und ihre Freunde, vielleicht sogar ihre Familie, so von der Stadtmauer hingen. Sie wollte so schnell wie möglich zurückkehren, doch sie wollte nicht alleine gehen, dazu war ihre

Angst zu groß. Nur aus diesem Grund hatte sie Kayla begleitet, damit die Prinzessin aus Loria sie als Gegenleistung nach Isana begleitete. Allein konnte Elina nichts tun, wenn Feinde sie angriffen. Mit Kayla und Ares hätte sie neben Aura weitere Leibwachen. Kayla trieb Ares weiter und Elina folgte ihr. Sie passierten das Stadttor. Überall in der Stadt bot sich ein Anblick von Tod und Zerstörung. Auf den Straßen lagen tote Soldaten, dessen Körper mit Pfeilen und Speeren durchbohrt waren. Der faulige Gestank war unerträglich, sodass Elina sich mit ihrem Ärmel Nase und Mund bedeckte, die Fäulnis suchte

sich jedoch einen Weg durch den Stoff. Vom Stadttor zum Schloss ging es ringförmig leicht bergauf. Der Regen spülte das Blut der vielen Toten durch die Rillen, hinunter an die Mauer. Je näher sie dem Schloss kamen, desto mehr waren die Steine am Boden von der roten Flüssigkeit benetzt. »Was uns wohl dort oben erwartet. Jax sagte, mein Vater sei nicht mehr er selbst. Ich hoffe er wird wieder der Alte.« In Kaylas Stimme lag großer Kummer. Elina wollte sie trösten, doch wusste sie nicht wie. Die Hoffnung in ihr war vollkommen erloschen. Der Krieg hatte alles Gute aus ihr gesaugt. Und sie kannte Kayla kaum, wie konnte

eine Fremde ihr nur helfen. Nach dem langen, schmerzhaften und schockierenden Weg, erreichten sie endlich das Schloss. Es herrschte Totenstille, nicht ein Laut drang zu ihnen. Kayla sprang von Ares und lief hinein. Elina folgte ihr zusammen mit den beiden Löwen. »Emelith, wo bist du? Wo hast du meinen Vater versteckt.«, rief Kayla. Ihre zitternde Stimme hallte in der Eingangshalle wieder und durch den ganzen Palast. Elina gefiel es gar nicht, dass Kayla so wagemutig durchs Schloss schrie. Sie hatte die Befürchtung, dass der Feind vielleicht noch da war und sich vor ihnen verbarg. Durch Kaylas

Aktion waren sie nun mit Sicherheit auf sie aufmerksam geworden. Kayla ließ ihren Bogen fallen und fiel auf die Knie. Ihr Kopf sank verzweifelnd in Richtung Boden. Elina kniete sich neben ihre Gefährtin und legte ihre Hand sanft auf Kaylas Rücken. Sie sah wie eine Träne das Auge der Prinzessin verließ und ihre Wange herunterlief. Sie hob Kaylas Bogen auf und reichte ihr diesen. »Wir finden deinen Vater!« Elina konnte den selbstbewussten Worten, die aus ihrem Mund kamen selbst kaum glauben, doch sie wollte Kayla Kraft und Hoffnung schenken. Kayla blickte Elina ins Gesicht und

lächelte zaghaft. »Danke.« Eine weitere Träne lief Kayla die Wange runter. »Ich kann dich vielleicht nicht im Kampf unterstützen, doch als deine Gefährtin werde ich an deiner Seite sein und dir Kraft schenken.« Dieses Mal meinte Elina alles so wie sie es sagte. »Nunja, das sollten wir vielleicht ändern, bevor wir weiterziehen.« Elina fragte sich, was Kayla vorhatte. Kayla stand auf und lief zu einer riesigen Treppe in der Mitte der Eingangshalle. Links von der Treppe befand sich eine Tür, die sie öffnete. Sie drehte sich zu Elina um und lächelte sie an. Elina folgte ihr, dicht gefolgt von

Ares und Aura, durch die Tür, eine lange Treppe herunter. Unten angekommen stand Kayla vor einer riesigen Statue. »Sie sieht aus wie du.« Elina betrachtete die Statue aus weißem Marmor von oben bis unten. »Das ist meine Mutter.« Kaylas Stimme klang wehmütig. »Ist sie etwa auch noch im Schloss?«, fragte Elina. »Ja, aber nicht so, wie du denkst. Sie liegt in der Gruft. Sie starb als ich noch sehr klein war. Mehr weiß ich leider nicht.« »Das tut mir Leid.« »Ich versuche der Vergangenheit nicht

nachzuweinen. Mein Vater ließ mich zwar mein ganzes Leben ausbilden, doch er liebte mich und schenkte mir Liebe, auf seine Art.« Kayla betätigte einen Schalter an der Hand der Statue. Ein Klicken war zu hören. Die Statue sank in den Sockel und hinter ihr kam eine Tür zum Vorschein. Kayla öffnete die knarrende Tür und sie traten ein. Wo Elina auch hinsah, überall standen Bögen, Schwerter, Pfeile, Dolche und jede Menge anderer Waffen. Sie verstand zwar nicht viel von Waffen, doch diese sahen hochwertig aus. »Das wird offensichtlich eure Waffenkammer

sein.« »Ja, richtig. Ich habe hier etwas für dich, das dir gefallen könnte.« Kayla öffnete einen Schrank und holte einen kunstvoll verzierten Bogen aus fast weißem Holz heraus. »Eines der Meisterstücke unserer Waffenschmiede. Die Sehne dieses Bogens ist aus Muschelseide. Die Pfeile sind perfekt ausbalanciert, damit kannst du dein Ziel kaum verfehlen. Verlier ihn bloß nicht.« Kayla drückte Elina den Bogen in die Hand und schnürte ihr einen Köcher um die Hüfte. Dann wurde Elina in den hinteren Teil der Kammer geführt, wo Trainingsgeräte standen, somit auch eine Zielscheibe aus Stroh. Elina zog einen

der Pfeile aus dem Köcher und legte ihn an die Sehne. Sie versuchte den Bogen zu spannen, doch dies erwies sich als nicht so einfach. Sie merkte wie schwach sie war, denn um den Bogen auf Spannung zu bringen, brauchte sie viel Kraft. Elina holte einmal tief Luft und schaffte es den Bogen zu spannen. Sie kniff ein Auge zu du konzentrierte sich auf die Zielscheibe. Mit einem gezielten Schuss traf der Pfeil genau die Mitte der Zielscheibe am anderen Ende des Raumes. Elina bemerkte, wie Kayla skeptisch die Augen weit aufriss. »Anfängerglück.«, murmelte Kayla. »Das glaube ich auch.«, schmunzelte

Elina. »Du brauchst definitiv noch andere Kleidung. Eine leichte Rüstung erscheint mir vorteilhafter für unsere Reise. Außerdem sind wir von dem Regen ganz durchnässt.« Kayla sah zu einer anderen Tür herüber und lief auf sie zu, Elina begleitete sie. » Moment mal, du meinst aber keine schwere Eisenrüstung, wie sie die Soldaten tragen?«, drückte Elina ihr Bedenken aus. »Keine Sorge. Ich glaube mit einer Lederrüstung solltest du dich gut bewegen können. Ich spreche da aus Erfahrung.« Kayla öffnete die Tür eines Schrankes

und kramte ein paar Kleidungsstücke heraus. Ein paar kniehohe Stiefel aus braunem Leder mit silbernen Verzierungen, eine hautenges Mieder aus beigem Leder und einen elfenbeinfarbenen Overall, der sich ebenfalls eng an ihre Haut anschmiegte. Über den Overall sollte Elina ein dunkelblaues Gewand anziehen, welches weite, offene Ärmel hatte, an den Schultern mit Lederbändern zusammengehalten wurde und der Rock war an den Seiten offen. So konnte man sich im Kampf noch gut bewegen. »Zieh das an.« Elina zögerte nicht lang. Sie war froh endlich aus ihren nassen Kleidern

herauszukommen. Die Kleidung die Kayla ihr gegeben hatte passte wie maßgeschneidert. Auch Kayla hatte sich umgezogen. Sie trug nun eine hautenge Hose aus weichem Wildleder, in der Kayla sich gut bewegen konnte. Über eine grüne Baumwollbluse schnürte sie mit Elinas Hilfe eine braune Unterbrustcorsage, die mit einem goldenen Löwenkopf verziert war. Dunkelbraune Armschienen aus Leder und ein brauner Umhang ergänzten ihr Outfit. »Hier hast du noch einen Umhang.« Kayla reichte Elina einen silber-blauen Samtumhang mit kunstvollen Stickereien. »Wenn du in Gefahr bist, drehe ihn

einfach um. Mit ihm kannst du dich perfekt im Wald tarnen.« »Danke.« Elina schnürte sich den Köcher selbstsicher um und nahm sich aus einer Kiste einen kleinen Gürtel für ihren Dolch, den sie sich aus der Waffenkammer mitgenommen hatte. Schweren Herzens nahm Elina ihr Diadem vom Kopf. Mit ihren zarten Fingern strich sie über die fein geschwungenen Bögen des Metalls. An dem perlenfarbenden Stein in der Mitte verharrte sie. Dieses Diadem wies sie als die Prinzessin von Isana aus, doch wohin sie nun gehen würde, konnte sie es nicht mitnehmen. In einem Kampf bestände die Möglichkeit es zu verlieren,

das würde sie sich nie verzeihen können. Ihre Mutter hatte ihr immer eingeprägt, dass eine Prinzessin ihre Krone nie verlieren durfte, denn dieser Kopfschmuck war eins der wichtigsten Symbole ihres Königshauses. Vorsichtig legte sie das Diadem auf einem Tisch ab. Sollte der Krieg jemals vorbei sein, würde sie es sich wiederholen. Nun nahm sie die Kette ihrer Mutter in die Hand, doch sie brachte es nicht übers Herz den Anhänger zurück zulassen. »Wo gehen wir jetzt hin?«, fragte Elina Kayla. Diese blickte Ares fragend an. »Ich schlage vor wir beginnen unsere Suche im Thronsaal.«, sagte der Löwe.

»Gute Idee. Lasst uns keine Zeit verlieren!« Kayla nahm denselben Weg zurück und sprintete die Treppe hoch. Elina beeilte sich hinterher zu kommen, mit ihrem neuen Bogen fest in der linken Hand und innerlich bereit einen Pfeil in ihn zu spannen. Wieder in der Eingangshalle angekommen wartete Kayla einige Momente bis Elina und die Löwen oben angekommen waren. »Wir sind nicht allein.«, sagte Aura. Sie ging leise ein paar Schritte weiter in die Eingangshalle und schaute sich um, um zu schauen ob Gefahr aus dem Hinterhalt drohte. »Ja ich höre es auch.«, erwiderte

Ares. »Dann wollen wir unsere Freunde doch nicht warten lassen. Elina, halte dich bereit.« Kayla nahm ihre beiden kurzen Einhandschwerter in die Hände und lief die riesige Treppe in der Eingangshalle hoch. Elinas Herz pochte wild. Sie befand sich noch nie in solch einer Situation. Sie legte vorsichtig einen Pfeil an die Sehne ihres Bogens, so wie sie es bei Kayla gesehen hatte. Sie konzentrierte sich auf jedes Geräusch und versuchte alles in ihrem Umfeld wahrzunehmen. Aura lief dicht neben ihr. Oben an der Treppe schaute Kayla sich links und rechts um und lief dann

weiter den Gang links herunter. Elina lief ihr eilig hinterher, doch noch so langsam, dass sie sich umschauen konnte. Der Gang war geschmückt mit Gemälden des Königs und Kayla. Oben an der Decke bemerkte sie, wie sich etwas bewegte und fragte sich, ob Kayla es nicht bemerkte. Leise sprang eine der düsteren Kreaturen, die auch Isana angegriffen haben hinter Kayla von der Decke. Elina versucht sie mit einem Pfeil zu erfassen, doch Kayla hatte die Kreatur bereits bemerkt und trennte ihr mit ihren Schwertern den Kopf ab. Elina fand, dass sich Kayla im Kampf sehr elegant und natürlich bewegte, so als ob es für sie das allertäglichste auf der Welt

war und sie es schon ihr Leben lang machte. »Das sind die Wesen, die Isana, mein Zuhause, angegriffen haben.«, sagte Elina empört und wütend. »Ich sehe diese Wesen auch nicht zum ersten Mal. Das war bestimmt nicht der Letzte, dem wir begegnen.« Ein paar Meter weiter sah Elina eine Tür, die einen Spalt offen stand. Aus ihr strömte Licht. »Ares, Aura, ihr wartet hier! Ich werde euch rufen, wenn wir Hilfe brauchen. Elina, du kommst mit mir!« Kayla lief auf die Tür zu und schaute durch den Spalt. Elina tat es ihr nach. Der Thronsaal war vollkommen verwüstet.

Goldene Kerzenständer und Feuerschalen waren umgeworfen worden und die Asche war auf dem Marmorboden verteilt. Stühle und Tische, die vorher an den Wänden gestanden haben mussten, waren zerstört. Einzelne Tischbeine lagen in der Mitte des Saales und Schwerter, Pfeile und Speere steckten noch in den Tischplatten. Der Bode war mit Blut befleckt und die Leichen der Gefallenen waren auf einem Haufen in der Ecke geworfen worden. Der großen Tür gegenüber, unter einem Fenster aus buntem Glas, stand ein Thron. Eine Frau saß auf dem riesigen goldenen Thron des Königs und ließ sich von einem edel

gekleideten Mann, der auf dem Boden hockte, mit Trauben und Beeren füttern. Die Frau hatte stumpfes blondes Haar, welches zu einem strengen Knoten hochgesteckt wurde. Die Krone auf ihrem Haupt sah merkwürdig aus. Vom Weiten dachte Elina an schwarze, spitze Dornen. Ihr Gesicht war von Narben gezeichnet und sah an den Wangenknochen eingefallen aus. Die Frau trug ein langes schwarzes Kleid, welches sich eng an ihren Körper anlegte. Am Halsbereich und an den Ärmeln war die allerfeinste schwarze Spitze angebracht worden. Um ihre Schultern legte sich ein schwarzer Umhang aus

Samt. Kayla lief rot an vor Wut und stürmte mit erhobenen Waffen in den Thronsaal und Elina lief unauffällig hinterher. »Gib sofort meinen Vater frei, du Scheusal.« Die Frau lachte boshaft, ihr Lachen ging Elina durch Mark und Bein. »Prinzessin Kayla. Mein Name ist Emelith. Schön, dass du mich in meinem neuen Zuhause besuchst. Ich glaube deinem Vater gefällt seine neue Stellung als mein Diener.« Die Königin starrte Kayla direkt an und Elina erschauerte, beim Anblick der kalten pechschwarzen Augen ihr gegenüber. »Ich weiß, wer du bist. Ich will, dass du ihn freilässt,

sofort! Ansonsten…« »Ansonsten was, Prinzessin?«, sprach Emelith mit einem schauerlichen Grinsen auf den Lippen. Der Mann, der Emelith bediente, dreht sich zu Kayla. Es war der König, der sie mit leeren Augen anblickte. Elina hatte das Gefühl, dass der Mann vor ihr seine Tochter nicht erkannte. Elina wurde klar, dass ihre Mutter Recht gehabt hatte, Emelith, die Königin des Nordens hatte vor, ganz Aidanur zu unterwerfen. Kayla steckte ihre Schwerter rasch zurück in die Scheide und spannte ihren Bogen. »Lass ihn frei, oder ich schwöre, ich bringe dich um! Ares! Komm her!« Der Löwe sprang durch die Tür und brüllte

einmal laut. Aura folgte ihm und stellte sich schützend vor Elina. Emelith stand auf und lachte erneut laut. »Na wenn das so ist.« Die Königin des Nordens breitete ihre Arme weit aus. Schwarzer Nebel trat aus ihrem Umhang und breitete sich im Saal aus. Wie ein Fluss schlängelte sich der dunkle Dunst immer näher an die Prinzessinnen und ihre Löwen. Elina wich ein paar Schritte zurück und eilte dann zu Aura. Sie krallte sich ins warme und weiche Fell der Löwin. Als der Nebel sie erreichte und umhüllte, sodass sie nichts mehr sehen konnten, beschlichen Elina ungute Gefühle. Angst. Hoffnungslosigkeit. Verzweiflung. Einsamkeit. Sie sank

zitternd zu Boden, ließ Aura dennoch nicht los. Sie war wie erstarrt, bewegungsunfähig und auch Aura rührte sich nicht. Plötzlich entglitt Auras Fell Elinas Händen. Panisch tastete sie in der Dunkelheit des Nebels nach ihrem Anima, konnte die Löwin jedoch nicht finden. In diesem Moment lichtete sich der Nebel, sodass sie wieder alles sehen konnte. Sogleich bemerkte Elina, dass nur noch Kayla neben ihr stand. Aura und Ares waren verschwunden. »Was hast du mit meiner Aura getan? Wo ist meine Aura?« Elina war verzweifelt. Sie blickte zu Kayla. Diese riss die Augen weit auf und schaute sich ein paar Mal

um. »Jetzt reicht es mir.« Kayla schoss einen Pfeil ab. Emelith hob die Hand und ließ den Pfeil umdrehen, in Elinas Richtung. Die Prinzessin aus Isana sah, wie der Pfeil näher kam, konnte sich jedoch nicht rühren. Er durchbohrte ihre linke Schulter und sie sackte zusammen. Blut quoll aus der Wunde und färbte ihr Gewand rot. Elina wurde schwindelig und Übelkeit überkam sie. Ein hohes Pfeifen in den Ohren quälten sie, genauso wie der stechende Schmerz der Wunde, und ihre Sicht verschwamm vor ihren Augen. Kayla war gleich da um sie zu stützen. Sie legte den Arm um sie und schliff sie fort. Elina hatte keine

Kraft mehr um selber zu laufen. Zu großer Schwindel überkam sie. »Ich komme wieder Vater! Und dir werde ich höchstpersönlich das Herz rausreißen, Emelith!« Kaylas Stimme war zitterig. Einige der Kreaturen liefen ihnen hinterher. »Lasst sie gehen!«, befahl Emelith ihren Lakaien. Kayla schliff Elina die Treppe herunter. »Versuch dich festzuhalten.« Elina war kaum ansprechbar. Sie nahm nichts wahr außer Kaylas schweres Atmen. Kayla nahm Elina auf ihre Schulter und trug sie aus dem Schloss und wieder in den Wald. Der Regen hatte glücklicherweise

aufgehört. »Bring mich zum Wasser.«, flüsterte Elina mit letzter Kraft. Elina spürte, wie Kaylas Beine langsam zittrig wurden, ihre Gefährtin verließen ebenfalls die Kräfte. Lange würde Kayla sie nicht mehr tragen können. Dann sah sie in weiter Ferne einen Bach und in diesem Moment verließen sie auch ihre letzten restlichen Kräfte.

Kapitel V

Kayla war sehr besorgt um Elina. Sie hatte viel Blut verloren, die Wunde schien tief zu sein, und war nicht bei Bewusstsein. Vorsichtig hob sie die Verletzte auf ihren Rücken und brachte sie zu dem nahegelegenen Bach. Langsam ließ sie Elina ins seichte Wasser gleiten. Sogleich fing der Bach an um Elina Wellen zu schlagen. Kayla entfernte sich von ihr, blieb aber noch im Wasser nah am Ufer, um das Geschehen besser zu überblicken. Die Prinzessin von Isana schwebte an der Wasseroberfläche, ihr Gesicht an der Luft, der Rest unter Wasser. Um die

Wunde herum färbte sich das kühle Nass rot, sodass man den Oberkörper kaum noch sehen konnte. Wie zuvor bei Jax fing das Wasser an zu schimmern und leuchten. Geblendet von der Spiegelung, bedeckte Kayla ihre Augen. Sie sah nichts mehr, wusste jedoch, dass das Strahlen sie noch umgab. Das Wasser wurde wärmer, es fühlte sich wie eine zärtliche, liebevolle Umarmung an. Die Prinzessin Lorias erinnerte diese Wärme an ihre frühste Kindheit, es war wie eine Umarmung ihrer verstorbenen Mutter. Die Wärme verschwand und Kayla öffnete die Augen. Das Leuchten war ebenfalls weg und der Baach lag wieder ruhig in der Landschaft.

Kayla zog Elina wieder aus dem Wasser und legte sie langsam ins weiche Moos. Äußerst verwundert starrte Kayla auf die Schulter der noch immer Bewusstlosen. Dort wo zuvor die tiefe Wunde klaffte, war nur noch eine zarte rosa Narbe zu finden. Sie verstand nicht, was genau geschehen war, nur das Elina durch das Wasser geheilt wurde. Sie musste irgendeine Verbindung zum Wasser haben. Sobald sie aufwachen würde, würde sie Elina danach fragen. Erst jetzt bemerkte Kayla, wie dunkel es bereits war. Sie suchte am Waldrand nach herumliegenden Ästen und entfachte ein Feuer. Sie beobachtete, wie

Elina anfing zu zittern und legte sie näher ans Feuer. Sie setzte sich neben ihre Gefährtin und legte ihren Umhang über sie. Sie würde Wache halten, bis es Elina besser ginge. Starr blickte Kayla ins Feuer. Das Flackern und Knacken der Flammen erinnerte sie an die vergangenen Tage. Die Nacht ihrer Flucht schien schon Wochen her, doch waren seitdem erst ein paar Tage vergangen. Tief in ihrem Inneren bereute sie die Flucht vor dem Feuer und dem Kampf. Noch nie war sie einem Kampf ausgewichen und sie hatte trotz Verletzungen immer weitergekämpft. Aber sie hasste sich noch mehr dafür, dass sie ihren Vater im

Stich gelassen hat, bei Emelith. Wäre Elina nicht da gewesen, hätte sie Emelith sicherlich angegriffen und wohlmöglich hätte sie dann auch ihren Vater aus den Fängen des Feindes befreit. »A...Aura!«, murmelte Elina plötzlich. Auch Kayla dachte viel an Ares. Sie konnte sich nicht erklären, was im Thronsaal passiert war. Ares war immer bei ihr gewesen, doch jetzt, wo er nicht mehr dort war, fehlte ihr etwas. Sie hatte wahnsinnige Angst Ares nie wieder zu sehen, doch sie würde alles tun, um ihn zu retten. Sie fragte sich, wie Elina und sie die Löwen befreien konnten und eines war gewiss...Sie

konnten es nicht alleine schaffen. Langsam kam Elina wieder zu Bewusstsein. Kayla kniete neben ihr, als die Prinzessin die Augen öffnete. »Aura, wo ist meine Aura?« Panisch blickte Elina sich um. »Ich…ich erinnere mich, Emelith hat irgendetwas mit den Löwen gemacht, sie sind in einem Lichtstrahl verschwunden.« »So war es. Ich frag mich noch immer, wie sie das gemacht hat und woher sie solche Kräfte hat.« Kayla stand auf und trat zum Wasser. Sie sah, wie sich das Mondlicht auf der Oberfläche spiegelte. Plötzlich stöhnte Elina auf, Kayla drehte sich ruckartig zu ihr um und stürmte zu ihr. Es sah so aus, als habe sie große

Schmerzen, ihr Gesicht war verzehrt und sie kniff die Augen zusammen. »Elina was ist mit dir, schmerzt dein Bein noch?« »Ich kann sie spüren, Aura lebt. Sie erleidet große Schmerzen. Ich spüre, dass sie gefoltert wird. Kayla, sie braucht meine Hilfe, unsere Hilfe!« »Du kannst Aura spüren? Wie ist das möglich?« »Meine Mutter hat es mir beigebracht. Ich gehe tief in mich und konzentriere mich auf Aura, dann ist es so, als ob ich sie wäre, als ob ich durch ihre Augen sehe und alles spüre, was sie spürt. Das liegt wohl daran, dass unsere Anima ein Teil unserer Seele

ist.« Kayla wollte es einmal versuchen in Ares‘ Geist einzudringen. Sie schloss die Augen und blendete alles um sich herum aus. Sie konzentrierte sich auf Ares, sie dachte an sein weiches Fell und seine wundervolle Mähne. Immer tiefer drang sie in ihr Inneres ein, doch sie konnte Ares nicht fühlen, nicht einmal einen Funken. Kayla stürzte in die Dunkelheit, was sie fand war nur Leere. Ihr wurde kalt und sie erschauerte. »Da ist gar nichts, ich kann Ares nicht spüren. Da ist nur Leere und Kälte.« In Kaylas Stimme lag Panik und

Verzweiflung. »Das kann nicht sein. Das würde heißen, dass eure Verbindung langsam schwächer wird. Wir müssen die Anima finden, sonst wirst du Ares für immer verlieren.« Echte Besorgnis entsprang Elinas Kehle. Und auch Kayla begann sich Sorgen zu machen. Für sie war es immer selbstverständlich, dass Ares an ihrer Seite war. Sie hätte nie gedacht, dass sie Ares eines Tages verlieren könnte. Elina versuchte aufzustehen, doch sie brach gleich wieder zusammen. Kayla ging zu ihr und half ihr beim Aufstehen. Sie war noch sehr wackelig auf den Beinen, die vergangenen Tage hatten sie

wohl sehr geschwächt. In ihren Augen konnte Kayla eine Träne aufblitzen sehen. Die Prinzessin wandte sich ab, sodass Kayla ihr Gesicht nicht mehr sehen konnte. Sie fragte sich, was momentan in ihrer Gefährtin vorging, was sie fühlte und welche Gedanken sie hatte. Nun stieg eine Angst in Kayla auf, die sie zuvor noch nie gespürt hatte. »Woher weiß ich, dass Ares nicht schon tot ist?« »Das würdest du merken und ich auch. Du wärst nicht mehr du selbst. Außerdem veränderst du dich auch äußerlich. Kannst du dich an Emelith‘ Augen erinnern? Sie waren pechschwarz, eine Pupille konnte man

noch nicht mal erkennen. Es heißt auch, dass man Male am ganzen Körper bekommt.« Kayla wurde durch Elinas Worte etwas ruhiger. So konnte sie noch hoffen. »Was machen wir jetzt? Hast du einen Vorschlag?« »Ich will nach Aura suchen. An dem Ort wo sie gefangen gehalten wird ist es dunkel und moderig. Ich vermute dieser Ort befindet sich im Norden, in Emelith‘ Königreich. Vielleicht finden wir dort auch Ares.« Kayla erkannte Elina nicht wieder, sie hätte ihre Gefährtin nicht für so waghalsig gehalten. »Wir können nicht einfach in Asfaloth einmarschieren. Wir

müssen uns Hilfe besorgen, alleine schaffen wir das nicht. Lass uns nach Süden gehen, lass uns mit einer Armee in Asfaloth einmarschieren.« Kayla musste sich eingestehen, dass sie sich ebenfalls nicht wiedererkannte. Normalerweise war sie immer wagemutig und nicht so vernünftig wie jetzt. Elina trat selbstbewusst auf Kayla zu. »So viel Zeit hat Aura nicht, sie braucht mich. JETZT! Ich kann sie doch nicht einfach so im Stich lassen. Ich gehe nach Asfaloth! Entweder kommst du mit oder ich gehe alleine. Es ist deine Entscheidung.« Kayla schaute Elina direkt in die Augen,

dort lag so eine Selbstsicherheit und so ein Kampfgeist. Ihr Wille war stark, und Kayla wusste, dass sie nicht aufzuhalten war. Sie dachte darüber nach, was sie nun tun sollte. Kayla wollte nicht, dass Elina alleine ging und erst recht nicht wollte sie ihre Anima im Stich lassen, doch was konnten sie schon alleine ausrichten. Zu Zweit gegen eine ganze Armee von Monster, das würden sie nicht überleben. »Es tut mir leid Elina, doch ich muss versuchen in Galaria Hilfe zu finden. Ich bin der Meinung, dass wir alleine gegen eine solche Übermacht nicht ankommen. Ich werde uns eine Armee aufbauen und dann in den Norden

einmarschieren.« Elina wirkte enttäuscht. »Wie du willst.« Mit diesen Worten drehte sie sich um und verschwand im Wald. Kayla rief ihr noch hinterher, doch es kam keine Reaktion von Elina. Sie hoffte, sie würde ihre Freundin bald wiedersehen. Eilig löschte sie das Feuer, schnürte sich ihre Waffengürtel um den Torso und legte ihren Mantel an. Zu Fuß konnte sie Galaria nicht erreichen. Sie brauchte ein Pferd und machte sich auf den Weg nach Amanis. Es war mitten in der Nacht und Kayla hörte Geräusche in der Ferne. Um sicher zu gehen, dass keine Gefahr drohte, ging

sie den Geräuschen nach und sah einige der kleinen Wesen, die sie mit Ares oft beobachtet hatte. Drei kleine, feenartige Kreaturen, die kichernd auf einer Lichtung herumtanzten. Die Waldgeister erstrahlten alle in einem kühlen blau und erhellten damit die ganze Lichtung. Kayla versteckte sich hinter einem Baum, bis plötzlich ein weiterer Waldgeist hinter ihr auftauchte und sie zusammenzucken ließ. Es lächelte Kayla an und flog zu den anderen. Hinter einem anderen Baum auf der anderen Seite der Lichtung kam eine Gestalt zum Vorschein. Kayla versteckt sich weiter hinter dem Baum und beobachtete die Gestalt. In einen dunklen

Umhang gehüllt trat diese zu den Wesen und legte die Kapuze ab. Kayla traute ihren Augen kaum. Es war die Frau aus dem Wald, die von Jax verfolg wurde. Sie schien mit den Geistern zu sprechen. Um sie besser zu verstehen, klettert Kayla auf den Baum und hangelte sich den Ast entlang, der in die Lichtung ragte. »Zwei Seelen sich gefunden, zwei Seelen sich getrennt, zwei Seelen die doch eine sind. Mit Pfeil und Bogen, mit Herz und Verstand, nur Licht erhellt das in Dunkelheit getränkte Land«, sangen die Wesen. »Ich verstehe«, sprach die

Frau. Kayla fragte sich was die Wesen damit meinten. War das, was die Waldgeister soeben gesungen hatten eine Art Prophezeiung? Und wer war diese Frau? Als Kayla sie vor Jax gerettet hatte, dachte sie, die Frau wäre eine einfache Bewohnerin einer nahegelegenen Stadt oder eines Dorfes. Doch die Entdeckung, die sie nun machte ließ Kayla an dieser Vermutung zweifeln. Normalerweise waren die Waldgeister sehr scheue Wesen, die sich nicht jedem zeigten. Kayla wollte unbedingt herausfinden, wer diese Frau war. In diesem Moment trafen die ersten Sonnenstrahlen des Tages auf die

Lichtung. Die tagesscheuen Waldgeister verschwanden im Schatten der Bäume, sodass man keine Spur ihrer Anwesenheit mehr erkennen konnte. Geschwind kletterte Kayla vom Baum, doch als sie unten ankam, war auch die Frau nicht mehr zugegen. Eilig lief die Prinzessin weiter in den Wald hinein, in der Hoffnung die geheimnisvolle Dame zu finden. Doch nach einer Weile gab sie die Suche auf und setzte ihren Weg weiter fort. Amanis war nicht mehr weit und Kayla konnte sich vor Erschöpfung kaum noch auf den Beinen halten. Nach einem kurzen Sprint sah sie das erste Haus der kleinen Stadt. Sie nahm ihre letzte Kraft

zusammen und lief zum nächsten Gasthaus. Vorm Gasthaus sah sie sich um und wunderte sich, dass die Straßen leer waren. Als sie die Tür öffnete, war sie erleichtert, dass das Gasthaus besetzt war und wartete einen Augenblick am Tresen. »Was kann ich Euch Gutes tun?«, sprach der äußerst korpulente Wirt. »Ich hätte gern ein Zimmer, in dem ich mich ausruhen kann.« »Wenn Ihr auch zahlen könnt bekommt Ihr alles was Ihr wünscht.« Kayla war überrascht, dass er sie nicht erkannt. »Eine Prinzessin muss keinen Wirt für ein Zimmer bezahlen. Erkennt ihr mich denn

nicht?« Der Wirt überlegte kurz und wurde rot vor Scham. »Ich bitte vielmals um Verzeihung. Seit den Angriffen kann man niemandem mehr trauen. Das halbe Dorf ist auf der Flucht. Ihr bekommt natürlich ein Zimmer, Milady. Darf es außerdem noch etwas sein?« »Ein Pferd, etwas zu Essen und füllt meine Flasche mit Wasser auf.« »Wie ihr wünscht. Wenn ihr erwacht wird alles bereitstehen.« Der Wirt zeigte der Prinzessin ihr Zimmer und sie fiel erschöpft ins Bett. Kayla fragte sich, wo Elina grade war und wie es ihr

ging...

Kapitel VI

Elina stapfte traurig durch den Wald. Sie war enttäuscht von Kayla, denn sie hätte nie gedacht, dass sie sich einmal von Kayla trennen würde, jedenfalls nicht solange Isana und Loria in Gefahr schweben würden. Doch für Elina war momentan nichts wichtiger als Aura. Wie konnte es nur sein, dass Kayla nicht auch so empfand. Elina machte sich Sorgen um ihre Gefährtin. Kaylas Worte hatten sie zum nachdenken gebracht. War es wirklich möglich, dass sich die Verbindung von Kayla und Ares löste? Das würde bedeuten, dass in Kayla eine große Leere in ihrem Herzen und in ihrer

Seele Platz nahm. Elina konnte sich auch einen Grund dafür denken. Die Kämpfe hatten ihren Tribut gefordert und auch Emelith‘ Machenschaften hatten ihren Teil dazu beigetragen. Kayla hatte bestimmt viele verschiedene Sorgen, besonders machte sie sich um ihren Vater Sorgen. Doch auch Elina sorgte sich um ihre Familie, sie wusste noch nicht einmal ob sie noch lebten, diese Gewissheit hatte bis jetzt nur Kayla. Elina dachte an Ariacron. Sie vermisste ihren Bruder sehr. Er war immer für sie da gewesen, mit ihm konnte sie über alles reden. Er hätte sie nie alleine gelassen. In ihrem Inneren konnte Elina

das Lachen ihres Bruders hören, welches sie immer umgeben hatte. Auch Aura verstand sich gut mit Ariacron, besonders mit seinem Anima Shimshek, dem Adler. Shimshek saß oft auf dem Rücken oder dem Kopf der Löwin, meistens, wenn Elina und Ariacron sich wieder in den Wald geschlichen hatten. Hin und wieder hatten sie sich über die Grenze nach Loria geschlichen, wenn ihre Eltern für längere Zeit den Palast verlassen hatten. Sie setzten sich an einen kleinen Waldsee, wo sie mystische Wesen beobachteten, die übers Wasser tanzten. In diesen Momenten fühlte Elina sich geborgen und die Last des Prinzessinnen-Daseins fiel von ihr ab.

Dem Palast zu entfliehen war das Beste, was ihr Bruder für sie getan hatte. Elina hatte Tag und Nacht Unterricht und wurde von ihren Hauslehrern herumgescheucht. Immer musste darauf achten, was sie sagte oder was sie tat. Es war anstrengend und um neue Energie zu schöpfen war der kleine Waldsee mit seinen tanzenden Wesen genau das Richtige. Doch nun wusste sie noch nicht einmal, ob sie ihren Bruder wiedersehen würde. Eine Träne lief ihr über die Wange, schnell wischte Elina sie weg. Sie musste jetzt positiv denken, sonst würde sie Aura nicht retten können. Elina überlegte, was sie nun tun sollte. Der

Weg nach Asfaloth war weit, diese Strecke würde zu Fuß nicht zu bewältigen sein. Vielleicht konnte sie sich in einem Dorf ein Pferd kaufen. So könnte sie sich auch neu orientieren, denn Elina konnte nicht genau sagen, wo sie war. Die Wälder in Loria waren ihr unbekannt, sie war schließlich nie alleine gewesen. Ariacron war ein guter Jäger und war oft in Wäldern unterwegs und auch Kayla schien der Jagdkunst mächtig zu sein. Doch Elina hatte nie kämpfen gelernt, sondern solche Sachen wie Tanzen und Konversation. Ein Bisschen beneidete Elina Kayla für ihr Leben, denn Kayla schien in ihrem Leben mehr Freiheiten zu haben als sie

selbst. Mittlerweile war der Mond aufgegangen. So konnte sich Elina orientieren. Sie lief weiter nach Norden und endlich verließ sie den Wald. Vor ihr lag ein kleines Dorf, dort wollte sie eine kleine Rast einlegen und versuchen ein Pferd zu bekommen. In dem Dorf war es sehr ruhig, schließlich war bereits die Nacht angebrochen. Auf den Straßen trieben sich nur noch die Bettler herum. Elina lief schnell an ihnen vorbei, in der Hoffnung, sie würden sie nicht beachten. Bis sie im Gasthaus war, verbarg sie sich im Schatten, sie wollte nicht zu sehr auffallen, besonders daher nicht, um sich den Blicken von Emelith‘

Spionen zu entziehen. Hier in der Fremde konnte Elina niemanden vertrauen. Das Gasthaus war gut besucht, in der Wirtsstube war kaum noch ein freier Tisch zu sehen. Doch einen fand Elina noch, im hinteren Bereich in der Ecke. Sie setzte sich und legte ihren Umhang ab. Sofort kam der Wirt zu ihr hinüber. »Was kann ich für Sie tun, Fräulein?« »Bitte bringen Sie mir doch einen Becher Met und eine warme Mahlzeit.« »Bringe ich sofort. Kann ich Euch sonst noch etwas anbieten.« »Ein Bett für die Nacht wäre schön.« »Ein Zimmer ist noch frei. Ich sorge dafür, dass es für Sie vorbereitet

wird.« »Vielen Dank.« Der Wirt eilte wieder zurück. Schon bald brachte er Elina einen Becher Met und die Mahlzeit, die sie bestellt hatte. Des Weiteren teilte er ihr die Zimmernummer mit, damit sie nach dem Essen hochgehen konnte. Elina ließ ihr die Mahlzeit langsam auf der Zunge zergehen. Es war lange her, dass sie etwas Vernünftiges in den Magen bekommen hatte. Danach ging Elina zu Bett, in letzter Zeit hatte sie oft auf dem Boden geschlafen und Aura hatte ihr als Kopfkissen gedient und ihr Wärme gespendet. Nun war sie dankbar über ein Bett, auch wenn es nicht ganz so bequem

war, wie ihr Bett im Schloss. Doch trotzdem schaffte sie es etwas zu schlafen. Am nächsten Morgen stand Elina früh auf. Es gab noch viel für sie zu tun. Sie bezahlte ihr Zimmer und die Speise vom Abend. Nun wurde das wenige Geld sehr knapp. Ihre Mutter hatte Elina noch einen Geldbeute mitgegeben bevor sie mit Aura geflohen war. Elina hoffte, das Geld würde noch für ein Pferd und etwas Proviant reichen. Auf der Straße vor dem Wirtshaus liefen schon viele Bewohner herum. Die meisten liefen zum Marktplatz, zum wöchentlichen Markt. Elina schloss sich der Menschenmenge an. Vermutlich

konnte sie auf dem Markt Proviant günstig kaufen. Auf dem Platz war noch mehr los. Die Menschen drängelten, schupsten und schoben sich an den Ständen vorbei. Des Öfteren bekam Elina einen Ellenbogen in die Magengrube oder in den Rücken gehauen. Sie war wirklich nicht für das Kleinstadtleben geschaffen. Elina schaffte es schließlich etwas Obst und Brot zu kaufen, zudem noch einen Trinkschlauch voll Wasser. Am Rande des Marktplatzes stand ein Händler mit einigen Pferden. Etwas Geld hatte Elina noch, aber nicht mehr viel. Sie hoffte es würde noch für ein Pferd reichen. Der Händler war sehr korpulent und seine

Kleidung war dreckig und stank nach Abfall und Bier. »Was kann ich für Euch tun, Miss?«, hickste ihr der Händler entgegen. »Ich benötige ein Pferd. Reicht das Geld für eins?« Elina hielt dem Händler den restlichen Inhalt ihres Geldbeutels hin. Er schaute sich die Münzen genau an und schob sie hin und her. Er nahm auch einige Münzen, um zu kontrollieren, ob diese echt waren. Als er davon überzeugt war, dass die Münzen echt waren nickte er und ging zu einer schneeweißen Stute hinüber. Er löste den Strick von dem Zaun und übergab ihn ihr. Sie näherte sich langsam der Stute und streichelte ihren Hals unter der

schneeweißen Mähne. Ihr Fell war warm und weich. Nun hatte Elina kein Geld mehr für einen Sattel oder für Zaumzeug, also legte sie den Strick über die Schultern der Stute und band ihn an die andere Seite des Halfters. Mit ein wenig Mühe schwang sich Elina auf das Pferd und lenkte es Richtung Norden. Eine Prinzessin wie sie war es nicht gewohnt ohne fremde Hilfe auf ein Pferd zu steigen. Schnell verließ sie das Dorf, spürte den Herzschlag des Pferdes unter ihr, die Atemstöße. Vor ihr lag nun ein weiter und gefährlicher Weg. Elina wollte einen Umweg nach Asfaloth machen, da sie die Umgebung und Landschaften Lorias nicht kannte. Also

ritt Elina Richtung Westen und überquerte die Grenze nach Isana. Zwar kannte sie den genauen Weg nicht nach Asfaloth, jedoch fühlte sie sich in Isana mehr in Sicherheit als in Loria. Sie ritt aus dem Wald hinaus, auf eine kleine Landstraße. Neben der Straße lagen Felder, doch das Getreide darauf war verdorrt. Unkraut wucherte schon zwischen den Pflanzen. Das Feld sah so aus, als ob es seit Wochen nicht bestellt worden war. Elina vermutete, dass durch die dunkle Macht Emelith‘ das Land, welches sie angriff, starb. Elina stieg vom Pferd und untersuchte die Pflanzen genauer. Das Unkraut, welches aus dem Boden spross, trug Dornen. Elina war

vorsichtig, damit sie sich nicht stach. Auch der Grünstreifen Gras am Straßenrand hatte eine dunkle Farbe angenommen, die schon leicht ins braun ging. Die weiße Stute wollte grasen, doch Elina hielt sie davon ab. Sie konnte nicht riskieren, dass das Pferd krank wurde. Elina ging weiter die Straße entlang, das Pferd trottete ihr hinterher. Es tat Elina gut, mal einen Moment zu laufen, ihre Beine waren vom Reiten schon ganz steif. Sie begutachtete die Umgebung. Irgendwann konnte sie am Horizont Menschen erkennen, die ihr auf der Straße entgegenkamen. Es waren Bauern und Dorfbewohner. Der Kleidung nach zu

urteilen, waren es Bürger Isanas. »Wohin führt Euch der Weg?«, fragte Elina höflich, dennoch neugierig. »Wir sind auf dem Weg nach Galaria. Und wenn ihr mich fragt, dort solltet Ihr auch hin reiten.«, sagte ein Bauer. Elina bemerkte, dass er barfuß unterwegs war und seine Kleidung war zerschlissen. Auch die anderen trugen zerrissene und schmutzige Kleidungen. Die Kinder die bei ihnen waren, versteckten sich ängstlich hinter den Erwachsenen. Auch alte und verletzte Menschen waren unter ihnen. Dass die Bürger Isanas ihre eigene Prinzessin nicht erkannten, gab Elina zu denken. Sie mussten von außerhalb Rhevars kommen oder sich

einfach nicht für sie interessieren. Das war jetzt nicht mehr wichtig. »Ihr seid doch Bürger Isanas, wieso reist ihr dann nach Galaria. Die Hauptstadt Isanas liegt doch viel näher.« »Habt Ihr es noch nicht gehört? Rhevar ist gefallen. Wir haben nur noch die Möglichkeit nach Galaria zu fliehen, bevor wir auch noch sterben.« Elinas Herz setzte aus. Sie wollte nicht glauben, dass die Hauptstadt Rhevar gefallen war. »Was ist mit dem König oder der Königin? Sind sie noch am Leben?« »Was weiß ich, ist mir auch egal. Ich möchte nur noch hier weg.« Der Bauer schob Elina zur Seite, damit er und die

anderen passieren konnten. Elina sah ihnen nach, irgendwie hatte sie Mitleid mit ihnen. Sie hatten alles verloren und nun mussten sie ein neues Leben in einem fremden Königreich beginnen. Hatte Elina das Selbe Schicksal vor sich? Schnell stieg Elina wieder auf ihr Pferd. Sie ritt weiter die Straße entlang, doch nun hatte sie ein neues Ziel. Sie wollte ihre Reise nach Asfaloth später antreten. Nun wollte sie nach Rhevar reiten und herausfinden, was mit ihrer Familie geschehen war. Sie ließ jedoch ihre Gedanken bei Aura, um zu spüren, dass es ihr gut ging.

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Über den Autor

Nyare90
Hey:) Nyare90 besteht aus 2 kreativen Köpfen aus dem schönen Norden Deutschlands. Zusammen schreiben wir an unserer Buchreihe Lionheart.
Wir sind beide 20 Jahre alt und kennen uns ca. 8 Jahre. Unsere Leidenschaft für Fantasy und Science-Fiction hat uns zusammengeschweißt und bereits einige Abenteuer erleben lassen. Wir wolllen euch mit unseren Geschichten in eine neue Welt entführen.

Wir freuen uns immer über Kommentare eurerseits :-)

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Buhuuuh Kapitel 5 auch noch gelesen - ich komm nicht weg:

- Baach statt Bach ( auf Seite 93 )
- ... ihren Vater im stich gelassen hat ... [ hatte wäre richtige Zeit ) ( Seite 96 )
- ( ebenfalls Seite 96 ) Komma zuviel bei: ... erklären was im Thronsaal passiert war. ( so würd`s passen )
- verzehrt statt verzerrt ( Anfang Seite 98 )
- Vorm Gasthaus ... statt Vor dem ... ( Seite 110 ) - nicht so Tipp/Schreibfaul. ;-)
- erkannt statt erkannte ( seite 110 )

P.S. Schaut noch ein wenig nach der Zeit im Text und macht nicht ungewollt, vermutlich, Zeitsprünge neben dem vermutlich ebenfalls ungewollten hohen Erzähltempo ( niet so schnell ;-) ) dann habt ihr `n richtig tolles Buch geschaffen bzw. `ne sehr tolle Story bis jetzt oder seit auf bestem Weg dazu bis jetzt. Mir gefällt`s sehr gut! :-)

Write on!

Simon
Vor langer Zeit - Antworten
Buhuuuh ... noch `ne konstuktive Korrektur bzw, zwei Rechtschreibhinweise:

- Stick statt Strick in Kapitel 4 ( Ende bzw. letztes Wort Seite 59 )
- allertäglichste stat alleralltäglichste ( Ende Seite 80 )
Vor langer Zeit - Antworten
Buhuuuh Hab weitergelesen und *badoing* in Kapitel III noch `nen Schreibfehler entdeckt:

... um zu sehen, ob der Feind noch vor Ort sind.

Ich glaube du/ihr meint ist!

Weiter sehr interessant - bin jetzt bei Kapitel 4

Vor langer Zeit - Antworten
Heidrun Eine sehr schöne Geschichte!

Deine Heidrun
Vor langer Zeit - Antworten
Buhuuuh Eines sei noch gesagt:

,,Schön mal wieder etwas lichte und helle Fantasy zu lesen".

Das soll es ja wohl sein; oder etwa nicht. ;-)

Macht weiter! :-)
Vor langer Zeit - Antworten
Buhuuuh Da muss ich mir mal Zeit nehmen zum durchlesen. Sehr gut geschreiben soweit. Klingt nach einem interessanten Crossovermix von Chroniken von Narnja und Der goldene Kompass irgendwie. Oder zumindest davon inspiriert.

Interessant. Ich lese wieder. :-)

Simon
Vor langer Zeit - Antworten
Buhuuuh Hübsches Buchcover! :-)

Der Teaser hat leider einen Rechtschreibfehler liebe Autorinen. ;-)
Nur als konstruktive Kritik nicht zum schlechtmachen oder so. :-)
Ich les jetzt mal rein.

Write on!

Simon
Vor langer Zeit - Antworten
Nyare90 Danke für den Hinweis, hab es gleich verbessert.
Vor langer Zeit - Antworten
Buhuuuh Bitte! :-)
Vor langer Zeit - Antworten
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