Kurzgeschichte
Auf den Hund gekommen

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"Auf den Hund gekommen"
Veröffentlicht am 25. Juli 2015, 18 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Andyhank
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Der Alltagslyriker Andyhank (sprich: Ändihänk), mit bürgerlichen Namen "Andreas Hanke", zeichnet und schreibt, musiziert und komponiert, bastelt, kreiert, kocht und gärtnert. Humor ist sein liebstes Steckenpferd, was nicht immer bedeutet, dass alles, was hervorgebracht wird, auch lustig sein muss. Lassen wir Leser uns bezaubern von einer Denkweise der Dichtkunst, die nicht allzu oft anzutreffen ist, lassen wir Betrachter uns anstecken von ...
Auf den Hund gekommen

Auf den Hund gekommen


Auf den Hund gekommen „Das, und das, und das auch – könnt Ihr haben.“ Der kleine, aber stämmig gebaute Bursche legte seine unterm Arm getragenen Holzscheite dem Krämer in den Wagen. „Dies sind die letzten Stücke. Nur den Kupferdraht, den behalte ich. Der könnte was wert sein. Nicht unbedingt vom Gewicht her, aber vielleicht …“ Den Satz ließ er unvollendet. Der Krämer schüttelte nur mit dem Kopf. So einer war ihm noch nicht vorgekommen. Wollte nichts, brauchte nichts – schenkte ihm stattdessen etwas.

Ein Zeichen? Der Krämer schaute nach oben und verzog seine Mundwinkel. Es sah wie ein feines Lächeln aus. Er schüttelte abermals seinen Kopf. Der stämmige Bursche lief derweil die holprig gepflasterte Straße hinab. Friedgald, so hieß ihn seine Mutter, war auf Wanderschaft. Er sollte sich sein eigenes Leben aufbauen, sein Vater wollte nichts mehr mit ihm zu schaffen haben. „Kostest nur Schweiß und Taler! Nimm dein Bündel und geh!“ – waren seine letzten Worte. Mutter dagegen gab Friedgald eine innige Umarmung mit - ein paar Tränen flossen, ungeachtet der missbilligenden Blicke des Familienoberhaupts. Friedgald fühlte den harten Taler in der Innentasche seiner

ungegerbten Linnenhose, die ihm bis zu den Knöcheln reichte, zu mehr ward nichts drin. Aber wen kümmert’s, wenn die Wege trocken und die Wiesen weich sind? Friedgald stapfte schon immer barfuß durch die Landen. Sein Bündel war auch schon kleiner geworden, sodass es beim Laufen wie eine Fahne hin und her schwankte. Er kam an einer Schlachterei vorbei – der Lebenssaft floss in Strömen, die Schweine quiekten. Friedgald setzte sich auf einen alten, umgestülpten Topf, dem man sein Alter längst ansehen konnte, und machte ein Päuschen. Eine Frau mit rot-weiss karierter Schürze kam auf den Innenhof, sah Friedgald und verschwand wieder.

Friedgald hatte sehr wohl ihre Hastigkeit bemerkt, ließ sich davon aber nicht anstecken. Dann kam sie wieder aus dem Haupttor gewuselt und lief direkt auf ihn zu. Nun hieß es wachsam sein. „Hier, nimm die Wurst und geh schnell, mein Mann sieht es nicht gern, wenn welche … bei ihm lungern.“ Friedgald dankte ihr für den unerwarteten Schmaus und biss herzhaft in die appetitlich duftende Rotwurst.

Ah …, welch himmlischer Hochgenuss …! Und er vergaß die Warnung des Mütterchens, das längst wieder seinen Blicken entwichen war. Er leckte sich eben noch seine Finger, als Friedgald wie ein urplötzliches Donnerwetter im blauen Himmel angefahren wurde:

„Was mümmelt Er hier herum? Pack dich!“ Friedgald schaute interessiert auf. Er ließ sich seinen Schrecken nicht anmerken.

Vor ihm stand, die muskelbepackten Arme in die kräftigen Seiten gestemmt, ein Klotz von einem Mann, mit dem sicherlich nicht gut Kirschen essen sein konnte. „Glotz nicht, pack dich!“ grummelte es erneut aus seiner Richtung. „Ihr braucht einen Anlernling, sagte mir der Schlachter von Arren. Nun, da bin ich!“, widersprach Friedgald frech. Den Ort „Arren“ hatte er sich gerade ausgedacht. Wer weiß, vielleicht spielte das Glück mit, und er konnte hier …?

Dann wäre ein Ziel in Aussicht.


Außerdem sah er hinter dem verdutzt dastehenden Meister eine huschende, für das Auge sehr schmeichelnde Bewegung eines weissen Gewandes. „Hold und Gurrigurri …“, entfuhr es Friedgald ungewollt. „Was schwätzt er für ein Zeug? Ist er noch immer nicht gewillt? Ich kann auch andere Seiten aufziehen!“ – ließ sich der Mann vernehmen und kam geräuschvoll auf Friedgald zu. Der zog eine Gabel aus seinem Bündel und suchte, sich den hektischen Kerl vom Leibe zu halten. Derweil kam ein Dritter aus dem Tor und sah zu, wie sich sein Meister plagte. Die schwarzen, fettigen Haarstränen zur Seite schiebend, ließ er sich das Schauspiel nicht entgehen, zumal nun ein

anderer als er selbst den Grimm des Meisters zu spüren bekommen sollte. Zumindest konnte man sehen, dass der Meister dies wollte. Aber Friedgald wusste ihn zu händeln. Ein Gerangel entstand, bei dem keiner dem anderen ein Härchen zu krümmen wusste, oder es auch nicht wollte. „Du Hund, du …!“, zischte es aus den Zähnen des Meisters. „Aufhören!!!“, fuhr das weisse Gewand mit glockenheller Stimme dazwischen. Friedgald und der Meister hielten erschrocken inne. „Wenn ihm danach gelüstet, warum gebt ihr ihm nicht die Probe? Lasst ihn machen.“ Friedgald schaute sich nach der Stimme um. Hui … Sappalod! Und: Gurrigurri! Vor ihm stand eine Fee. Nein, eine Elfe.

Ja, so musste es sein! Barfuß wie er, doch hellere Haut, weissblondes Haar, etwas schräge Augen, fast spitze Ohren – die Konturen ihrer jugendlichen Kurven schimmerten durch das Gewand, welches von hinten vom Gleiß der flirrenden Sonne durchflossen wurde. Sie dürfte höchstens 16 Lenze zählen. Die bezaubernde Elfe zwinkerte ihm spitzbübig zu und stemmte die Arme in die Seiten. Schon der Anblick ließ die Gedanken schmelzen … Der Mann ließ sich ob dieser „Gewalt“ schier erweichen. „Wenn es denn sein muss … – eine Kraft könnten wir durchaus noch gebrauchen … - soll er doch.“, stammelte er. Doch dann schaute er wieder grimmig und herrschte

Friedgald an: „Aber nicht so! Da“, und er zeigte auf eine Ecke des Hofes, „kann Er seine Sachen legen. Und wasche Er sich!“ Er drehte sich hocherhobenen Hauptes um und schritt durch das Tor, nicht ohne den zuschauenden Jungen mit den strähnigen Haaren barsch anzufahren, der daraufhin schnurstracks hinter den Flügeln verschwand. „Komm!“, forderte die Elfe ihn auf, ihr zu folgen. „Vater ist manchmal so barsch, hat aber sonst ein weiches Herz.“

Friedgald folgte ihr, nachdem er sein Bündel abgelegt hatte. Die Elfe hieß ihn sich zu entkleiden. Friedgald zögerte erst, doch als sie ihn mit Nachdruck anschaute, folgte er ihrer Bitte nicht ungern.

Er stieg in den hölzernen Trog und ließ sich von ihr mit Brunnenwasser begießen. Nach der Waschung rieb sie ihn mit grünem, nach Wiese duftendem Heu ab. Die Mutter erschien mit neuer Gewandung. Friedgald schlüpfte hinein und bewunderte die Güte der gut sitzenden Stoffe. Ein schmaler Gürtel hielt das lose fallende Ende des Überwurfs oberhalb der Hüfte in Bann. „Hier kannst du schlafen.“, sagte die Elfe ihm zuzwinkernd und zeigte auf eine Ecke am Rande des Heuhaufens.





Friedgald’s Lehrzeit begann. Zuerst musste er mit dem Gehilfen des Meisters, der mit den strähnigen Haaren, die Tiere ausweiden, ihre Gedärme waschen und deren Lebenssaft auffangen. Die Arbeit ward schwer und schmutzig, doch Friedgald meisterte sie mit Energie und Schneid. Die Elfe, also, die Tochter des Meisters – Friedgald nannte sie schon bald „meine kleine Elfe“ – kam öfters zu ihm ins Heu, um beim Einschlafen behilflich zu sein. So wehten die Nächte, so wälzten die Tage. Und schon war ein Jahr herum. Friedgald durfte die Kunst des Meisters lernen. Der strähnige Geselle musste Friedgald’s bisherige Arbeit wieder allein bewerkstelligen.

Der erste Lohn ward gezahlt, den Friedgald auf die Seite legte. Taler benötigte er nicht wirklich. Speisen gab es umsonst, die Arbeit machte Spaß, die Nächte waren kurzweilig. Wozu also Geld? Doch Friedgald murrte nicht. Vielmehr erfreute er sich daran, zu bemerken, wie die harte Schale um das weiche Wesen seines Meisters von Monat zu Monat zu bröckeln begann. Die Mutter seiner Elfe wusste gar bald um die Herzangelegenheit ihrer Tochter, hütete sich aber vorerst, ihrem Manne einen Wink zu geben. Die Zeit würde es schon richten. Friedgald bekam seinen ersten Freitag. Einmal die Woche durfte er hinaus. Sein Elfchen erwartete ihn meistens schon.

Sie schlenderten über Wiesen und Felder, brachen hier und da Halme und gaben sich unbeschwert, wie man es vom jungen Volke her kennt. Ab und an verweilten sie etwas länger an einem Orte – man konnte es an eingedrückten Stellen der Halme besehen. Dann zog ein fahrendes Lichtspieltheater durch die Landen. Die ganze Meisterschaft zog los, um die Wunder der Leinwand zu beschauen. Doch der Besitzer klagte bald darauf sein Leid – die Kundschaft würde immer weniger, und er müsse sein Werk aufgeben, wenn nicht bald Besserung am Himmel erschiene. Friedgald hatte eine Idee! Er erwarb das sich sicher lohnende Geschäft mit seinem Ersparten.


Der Meister schalt ihn ob seiner unnützen Ausgabe und murrte etwas von wegen seinem Geld. Aber der Elfe Mutter wies ihn zurecht – das Geld wäre des Friedgald’s rechter Lohn – und er könne damit anstellen, was sein Herz ihm begehre. Nun gut – Friedgald baute eigenhändig ein kleines Lichtspieltheater direkt neben dem Laden des Meisters auf, den er kurz vorher um Rat befragt hatte, ob er ihm, Friedgald. dies Stück Land denn zur Verfügung stellen täte. Der Meister ließ sich Friedgald’s Idee erst erklären. Es war was dran … und konnte seinem Geschäft nicht abhold sein. So entstand das kleine Lichtspieltheater direkt neben dem Geschäft, in dem es Köstlichkeiten aus fleischlichen Produkten zu

erwerben galt. Diese konnten nun direkt und ohne Verzug bei der Beschau der Leinwandbilder verzehrt werden, sodass oftmals mehr gekauft wurde, als notwendig war. Langsam wurde die Schlachterei ob dieser Neuerung im Lande berühmt, und so blieb es nicht aus, dass immer mehr Kunden dem Geschäft zuströmten. Nach dem Abschluss seiner Lehrzeit hatte Friedgald den Meister um die Hand seiner Tochter angehalten, der sein Wohlwollen zustimmend gab. Mit diesem Jungen schien die Zukunft des Geschäfts gesichert zu sein. Und damit die Zukunft seiner Tochter. Geschichtenerzähler erschienen. Fragen über Fragen. Und der Meister erzählte.

Wie es zur Begegnung zwischen ihm und Friedgald gekommen war. Er schloss seine Geschichte mit den Worten: „Und so bin ich auf“, und er schaute Friedgald zwinkernd an, „ … den Hund gekommen …“




Friedgald stand daneben. Er grinste in sich hinein. Er wusste, dass es sein Schwiegervater gar nicht mehr so meinte, wie er es sagte.

Doch diese Narretei verstanden nur sie beide …

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Hörbuch

Über den Autor

Andyhank
Der Alltagslyriker Andyhank (sprich: Ändihänk), mit bürgerlichen Namen "Andreas Hanke", zeichnet und schreibt, musiziert und komponiert, bastelt, kreiert, kocht und gärtnert.

Humor ist sein liebstes Steckenpferd, was nicht immer bedeutet, dass alles, was hervorgebracht wird, auch lustig sein muss.
Lassen wir Leser uns bezaubern von einer Denkweise der Dichtkunst, die nicht allzu oft anzutreffen ist, lassen wir Betrachter uns anstecken von der Phantasie und Kreativität, von den unendlichen Weiten, aus den unerschöpflichen Vorräten der Andyhankologie.
Weitere Informationen gibt es auf: www.andyhank.de und auf Instagram @knahydna

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Sylke Das war ein schönes Leseerlebnis, mal ganz was anderes. Geduld zahlt sich eben doch aus.
LG von Sylke
Vor langer Zeit - Antworten
Sylke Das war ein schönes Leseerlebnis, mal ganz was anderes. Geduld zahlt sich eben doch aus.
LG von Sylke
Vor langer Zeit - Antworten
Andyhank Geduld und ne Portion Hartnäckigkeit. :)
Vor langer Zeit - Antworten
NORIS Eine reizende Geschichte ... ein bisschen vor unserer Zeit angesiedelt ... als man(n) auf der Walz noch Lehre und Arbeit fand und sein Glück machen konnte ... mit Vergnügen gelesen!
LG Heidemarie
Vor langer Zeit - Antworten
NORIS Eine reizende Geschichte ... ein bisschen vor unserer Zeit angesiedelt ... als man(n) auf der Walz noch Lehre und Arbeit fand und sein Glück machen konnte ... mit Vergnügen gelesen!
LG Heidemarie
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Andyhank Du hast es erkannt - nicht in der Heutzeit angesiedelt. Freut mich, wenn's dir gefällt. :)
Vor langer Zeit - Antworten
Frettschen Ja - damals ist Mann noch durchs Land gezogen, um den Erfolg und vor allem das große Glück zu finden ...
Ein feines Stück - ein Stückchen zurück in Richtung unserer Wurzeln - märchenhaft erzählt - nicht der gewohnte - aber ein sehr gelungener "Andyhank" =))
Vor langer Zeit - Antworten
Andyhank Stell dir mal vor, es wäre noch heute so. Ob es dann mehr Bequemlichkeit gäbe, oder nicht? Der Frage müsste man sich mal stellen, zumindest rein theoretisch. :)
Vor langer Zeit - Antworten
welpenweste Hans, verzeihung Friedgald im Glück. So mag er denn sich längst vergessener Sprache befleißigen, als er sich behenden Fußes auf die Walz begab und so sein elfengleiches Glück fand. Warum waren denn Hälmchen geknickt? Waren Sie eingenickt? Was mich aber wirklich bedrückt, was wurde denn im Lichtspieltheater gezeigt, welches Stück?
Lg
Günter .
Vor langer Zeit - Antworten
Andyhank Vermutlich wurden appetitanregende Wurstzipfel gezeigt, die tänzelnd in aufgerissene Mäuler wanderten, um darauf mit schnurpsender Geräuschkulisse verspeist zu werden. Stimmt, da hätte ich drauf eingehen können, doch - wo bleibt deine Phantasie, das kannst du dir doch selbst ausdenken. :)
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