Simon Belfare war einst einer der mächtigsten Zauberer im gesamten Reich und als Herr des Sangius-Ordens selbst vom Kaiser und all jenen gefürchtet, die sich ihm in den Weg stellten. Doch als er sich einiger Dörfler entledigen will, die ihm beim Bau seiner neuen Burg im Weg stehen, werden ihm seine Kräfte geraubt. Verwundbar und von seinen eigenen Leuten verraten befindet er sich alsbald auf der Flucht, mit nur einem Ziel: Zurückzuerlangen was ihm genommen wurde. Sein Weg führt ihn dabei durch Armut, Finsternis und
letztendlich auch die Folgen seines eigenen Handelns…bis er im Norden des Kontinents schließlich sein Schicksal findet. Zum Guten oder zum Bösen.
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Ohne die Stimme, die ihn leitete, hätte Simon sich längst hoffnungslos verirrt. Und auch so hatte er das Gefühl, seit einer Ewigkeit unterwegs zu sein. Es gab nichts, womit er abschätzen könnte, wie viel Zeit vergangen war. Das Drachenpech an der Fackel, die er trug, schien nicht herunterzubrennen oder zumindest so langsam, das er es kaum merkte…. Hier unten sah alles gleich aus. Mit schwach leuchtenden Kristallen besetzte Gänge wechselten sich mit Kammern und Hallen ab, von denen nur
noch mehr Wege abzweigten. Und nach wie vor wich das Gefühl der Bedrohung nicht von ihm. Er konnte nicht sagen, woran er es feststellte, aber sie schien langsam näher zu kommen. Vielleicht, dachte er, wurde es ja auch nur kälter, aber Simon hatte das Gefühl, als strichen Eisfinger über sein Rückgrat. Er legte eine Hand an den Schwertgriff. Das Gewicht der Waffe hatte etwas Beruhigendes, auch wenn er wusste, dass es ihm gegen das Wesen hier unten kaum etwas helfen würde. Wenn ein Drache Angst davor hatte… was sollte er dann ausrichten? „Ihr sollt es auch nicht bekämpfen, Mensch. Es sei denn ihr habt
Todessehnsucht.“ Von wegen, er las seine Gedanken nicht, dachte Simon. Und war sich sofort im Klaren darüber, dass der Drache auch das mitbekommen haben musste. Diesmal jedoch schwieg das Wesen, während der Gang vor Simon sich zum ersten Mal deutlich veränderte. Zuerst wurde der Weg unmerklich breiter und die Kristalle spärlicher. Statt dem sanften, bläulichen Licht drang ein waberndes, fast lebendig wirkendes Violett von irgendwo weiter vorne, das gespenstische Schatten und Muster auf die Wände zeichnete. Simon wusste, was er vor sich hatte, auch wenn ihm noch nicht klar war, was das Licht genau erzeugte. Mit jedem Schritt
veränderte sich das Farbenspiel an den Wänden, wurde dunkler, bis es sich kaum mehr von der nun fast vollständigen Dunkelheit abhob…. Simon musste sich zwingen weiterzugehen, während der Gang vor ihm sich zu einer weiteren, großen, Kammer weitete. Im Zentrum befand sich eine Art überdachter Altar, der von einem Säulenrund gestützt wurde. Ineinander geflochtene Adern aus schwarzem und weißem Marmor durchzogen das Gestein um den Altar herum und schienen im unwirtlichen Licht beinahe flüssig, ein beständiger Strom, der sich vor den Säulen aufteilte und sich über die Stufen zu einem
Sockel im Zentrum des Altars zog. Darauf schließlich ruhte die Quelle des Lichts. Eingeschlagen in ein dunkles Tuch, drang das seltsame Licht von einem Gegenstand darunter. Simon konnte nicht erkennen, worum es sich dabei handelte, aber er konnte es sich denken. Nach allem, was ihm der Drache erzählt hatte und seiner eigenen Erfahrung gab es nur eine Möglichkeit. Ein aus Schatten wiedergeborenes Juwel…. Er trat, sich nach allen Seiten umsehend, auf den Altar zu. Der Raum, in dem er sich befand war riesig. Decken und Seitenwände verloren sich in der Finsternis und das, was er vom Boden
erkennen konnte, bestand rund um die Altar-Konstruktion aus Steinplatten, die leicht so groß wie ein kleines Gebäude waren. Simon kam sich beinahe wie ein Zwerg vor. Erneut fragte er sich, ob das alles einen praktischen Nutzen hatte oder nur rituellen Zwecken diente…. „Dies war die letzte Kammer, die ein Anwärter auf den Rang eines Erzmagiers nach einem Weg durch das Labyrinth erreichte, Mensch.“,erklärte der Drache unaufgefordert. „Jeder vorangegangene Erzmagier hinterließ bei seiner Ankunft hier etwas, das sein Nachfolger mit sich zurückbringen sollte, einen persönlichen Gegenstand, ein Geschenk, das den Anwärter leiten sollte oder vielleicht
auch nur einige Worte. Nur dies hier… kam nie jemand holen. Bis heute.“ Simon war derweil bis ganz an den Altar herangetreten. Zögerlich streckte er eine Hand nach dem Tuch über dem Stein aus. Wie lange das schon hier liegen musste, dachte er. Und hielt inne. „Ich kann es einfach so nehmen?“, fragte er gedämpft. Er wagte es nicht, laut zu sprechen. Auch nach all der Zeit, nach all der Zerstörung und den Schrecken, die hier geschehen sein mochten, strahlte dieser Ort etwas Sakrales aus…. „Ihr braucht die Magie dieses Ortes nicht zu fürchten.“ ,kam die Antwort. Das war zwar nicht, was er gefragt
hatte, dachte Simon, aber eine bessere Antwort würde er wohl nicht bekommen. Bevor er noch lange darüber nachdenken konnte, griff er beherzt zu und zog das Tuch weg. Das eben noch gedämpfte Licht, das von dem Juwel ausging, brach nun vollends hervor und enthüllte zum ersten Mal vollständig Simons Umgebung. Dieser jedoch achtete kaum darauf. Der Stein wirkte beinahe unscheinbar, sah man über die Tatsache hinweg, dass er im Dunkeln glühte, wie eine Miniatursonne in den falschen Farben. Das war es also, dachte er. Der letzte Schritt, der letzte Gegenstand auf einer Liste… irgendwie hatte er wohl mehr erwartet.
Simon nahm den violetten, ovalen Kristall vorsichtig in eine Hand. Bevor er jedoch dazu kam, das Tuch erneut darum zu schlagen, nahm er aus den Augenwinkeln, eine Bewegung war. Am äußersten Rand der Halle erhob sich träge eine Gestalt, die wohl dort gelegen haben musste. Die Entfernung war zu groß, als das Simon zu viele Details erkennen konnte, doch auf den ersten Blick wirkte sie durchaus menschlich, wenn auch fast bis auf die Knochen abgemagert. Eine zerrissene schwarze Robe hing mehr an dem Körper, als das sie noch durch viel getragen wurde… Die großen Löcher und Risse in der Kleidung offenbarten, was
an dem Wesen nicht menschlich war. Schwarze Wucherungen bedeckten fast den kompletten Körper, verwuchsen an einer Schulter beinahe zu, so etwas wie grotesken Schuppen, und liefen als dunkle Linien den Arm hinab. An der Hand wiederum fächerten die Wucherungen über Finger und Handfläche aus und verliehen der ganzen Gestalt etwas beunruhigend Asymmetrisches, bis sie an den Fingerspitzen zu dünnen, nadelartigen Krallen ausliefen. Und trotz allem konnte Simon sich des Eindrucks nicht erwehren, einen Menschen vor sich zu haben…. schrecklich entstellt, kaum mehr erkennbar, aber doch nicht zu leugnen…
Träge hob es den Kopf und sah in seine Richtung… sah genau auf den Stein in Simons Händen. „Lauft, Mensch, wenn ihr das Tageslicht je wiedersehen wollt. Rennt…“, donnerte die Stimme des Drachen in seinem Kopf und Simons starrer Körper setzte sich wieder in Bewegung. Mit einem Satz war er vom Altar weg und hechtete auf den Ausgang der Halle zu. Ein Blick über die Schulter zeigte ihm, dass das Wesen keinen Versuch unternahm, ihm zu folgen. Es legte lediglich den Kopf schief… und verschwand plötzlich. Simon erfuhr sofort wohin, als er wieder nach vorne sah und fast in es hineingelaufen wäre.
Das Wesen stand wie aus dem Boden gewachsen keinem halben Schritt von ihm entfernt. Wahnsinnige, gelbe Augen starrten ihn aus dem entstellten Gesicht heraus an und so zerstört die Züge des Wesens… des Mannes, auch wenn er sich da wohl nicht mehr sicher sein konnte, auch waren, sie kamen ihm vertraut vor. Die Statuen in der Eingangshalle, dachte Simon. Was er vor sich hatte, war nicht etwa einmal ein Mensch gewesen… sondern ein Mitglied des alten Volkes. Irgendwie erregte der Gedanke weniger Abscheu in ihm als ein fernes, schwer greifbares Mitleid. Das war alles, dachte er. Das war, was von ihnen geblieben war. Dieses Monster, diese eine Abscheulichkeit….
Angst, Hass und Mitgefühl kämpften in seinem Kopf einen Moment miteinander um die Oberhand, bis sein Überlebensinstinkt gewann. Er musste immer noch hier weg und zwar schnell…. „Seid äußerst vorsichtig.“, warnte der Drache ihn. „Auch wenn er weit von seiner ursprünglichen Form und Macht entfernt ist, kann er Euch nach wie vor vernichten. Und seht es Euch gut an. Das ist, was aus dem alten Volk wurde. Eine Kreatur, die sich der Dunkelheit verschrieben hat. “ „Ihr meint, sie wurden alle zu diesen… Dingern?“
„Nicht alle. Aber genug davon, Unwissenheit kann ein Segen sein, Mensch. Und Ihr müsst hier weg. Jetzt“ Das braucht Ihr mir nicht erst zu sagen, dachte Simon. Er setzte an der Kreatur vorbei, in dem Wissen, das diese nur den Arm heben bräuchte, um ihn aufzuhalten. Aber nichts dergleichen geschah. Es sah ihm lediglich nach, wie er an ihr vorüberlief und auf den plötzlich freien Ausgang zu… bis es erneut in einem Wimpernschlag verschwand und direkt vor Simon auftauchte. Diesmal jedoch, blieb es nicht tatenlos. Bevor er mit der Kreatur zusammenstieß, hatte diese bereits die entstellte Pranke gehoben. Eine Welle
aus verdichteter Luft schlug Simon vor die Brust und riss ihn von den Füßen. Der Kristall, den er zuvor noch umklammert gehalten hatte, entglitt seinem Griff und schlitterte über den Boden davon. Der Aufprall, als Simons kurzer Flug endete, war heftiger als erwartet und er fürchtete, das Bewusstsein zu verlieren. Die Luft wurde ihm aus den Lungen gepresst und für einen Moment verdunkelte sich sein Blickfeld. Er wappnete sich bereits für das, was folgen musste. Aber alles blieb ruhig. Das Wesen schien sich bereits nicht mehr für ihn zu interessieren, sondern starrte in Richtung des verlorenen Steins…was sollte das denn?
„Wie gesagt Mensch. Ihr verfügt nicht über Magie, Ihr seid für es völlig… uninteressant. Vielleicht hält es euch auch für harmlos. Wäre dem nicht so, wärt ihr schon tot.“ „Na danke…“ Simon richtete sich schwerfällig auf, Blut tropfte aus seinem Mundwinkel auf den Boden. Aber vielleicht war das auch seine einzige Chance, dachte er. Eine Chance, die ein anderer nie bekommen würde. Sollte das Schicksal entscheiden…. Er schätze die Entfernung zwischen sich und dem verlorenen Kristall ab. Wenn das Ding so dahinter her war, sollte er vielleicht etwas dagegen tun. Simons Hand wanderte zum Schwertgriff.
„Was habt Ihr vor?“ , fragte die Stimme des Drachen. „Vermutlich etwas, das ich bereuen werde. Ihr habt gemeint, der Stein wäre alles, was diese Kreatur nährt. Wenn ich ihn nicht mitnehmen kann, zerstöre ich ihn eben… mit einem habt ihr recht. Das Ding darf nicht von hier entkommen.“ Simon sprang vor und zog das Schwert. Das Wesen, das einstmals ein Mitglied des alten Volkes gewesen sein mochte, merkte offenbar, was er vorhatte, denn mit einem kaum wahrnehmbaren flackern, verschwand es erneut und erschien direkt über dem Stein. Simon konnte das Blut in seinen Venen hören, jeden Atemzug, während er
die restliche Entfernung zwischen sich und seinem Gegner überbrückte. Das Wesen hatte derweil die Hand nach dem Stein ausgestreckt und hob das Juwel vorsichtig auf. Den anderen Arm hob es derweil wie beiläufig in Simons Richtung. Grün-blaues Feuer schlug daraus hervor und jagte als Wolke auf ihn zu. Simon konnte die Hitze der Flammen selbst auf die Entfernung spüren. Reflexartig ließ er sich zu Boden fallen und schlitterte über die Steinfliesen. Die Feuerwolke jagte weniger als einen Fingerbreit über ihn hinweg und fächerte mit einer weiteren Geste des entstellten Zauberers zu einem breiten Teppich aus, der auf den Boden
herabsank. Die Hitze versenkte bereits Simons Haut, als er endlich darunter hindurch war. Das Schwert hielt er nach wie vor umklammert, während er auf die Füße sprang. Er hatte diese eine Gelegenheit. Eine Zweite würde er nicht bekommen. Diesmal war er es, der überraschend vor seinem Gegner auftauchte. Simon schlug zu, ohne nachzudenken. Er wusste nicht, was er tun würde, falls eine einfache Klinge dieses… Ding nicht verletzen würde. Er hatte alles auf eine Karte gesetzt…. Das Wesen war offenbar zu überrascht um noch zu reagieren, als das Schwert auf die Hand niederfuhr, die den Kristall
hielt. Das Geräusch, als die Waffe Knochen und Fleisch durchtrennte, sollte Simon noch Tage später verfolgen, genauso wie der heulende Laut, den der entstellte Magier ausstieß, als seine Hand sauber abgetrennt wurde… und das Juwel ungebremst zu Boden fiel. Beim Aufprall gab es einen gewaltigen Lichtblitz, der Simon einen Moment blind machte. Er spürte lediglich, wie er erneut den Boden unter den Füßen verlor und durch den Raum geschleudert wurde. Das Wesen jedoch, blieb wo es war, eingeschlossen in der gleißenden Lichtsäule, die einen Moment die Schatten aus der Halle vertrieb... Tausende, lange erloschener magischer
Lichtquellen speigelten das Leuchten wieder und ließen die toten Hallen so einen letzten Augenblick lang in alten Glanz erstrahlen.
Simon seinerseits krachte ungebremst gegen den Altar. Schmerz strahlte durch seinen ganzen Körper, als der Stein selbst etwas unter der Wucht des Aufpralls nachzugeben schien, dann verlor er das Bewusstsein.
Terazuma Hi Eagle! Und wieder einmal hörst du genau dann auf, wenn ich mir gerade die Fingernägel vor Spannung abkaue! XDDD Zuerst dachte ich schon, dass Simon Ismail getroffen hätte. Also gab es doch noch mehr Überlebende des alten Volkes. Wenn man diese Kreatur überhaupt noch als 'überlebend' bezeichnen kann! ^^ Lass uns mit der Fortsetzung nicht zu lange warten! LG Tera |
EagleWriter Nächstes Kapitel ist für Morgen angepeilt. Und ja, als Überlebenden kann man das wohl wirklich nur schwer bezeichnen.^^ Das Ding war nur noch sehr geringfügig wirklich altes Volk. Was Ismaiel angeht, so , kleiner Spoiler, war er derjenige, der den Drachen überhaupt auf Posten gesetzt hat. lg E:W |
abschuetze Daumen hoch und einen Pfiff der Anerkennung. Wieder einmal ein schön spannendes Kapitel. LG von Antje |
EagleWriter Danke :D lg E:W |