Simon Belfare war einst einer der mächtigsten Zauberer im gesamten Reich und als Herr des Sangius-Ordens selbst vom Kaiser und all jenen gefürchtet, die sich ihm in den Weg stellten. Doch als er sich einiger Dörfler entledigen will, die ihm beim Bau seiner neuen Burg im Weg stehen, werden ihm seine Kräfte geraubt. Verwundbar und von seinen eigenen Leuten verraten befindet er sich alsbald auf der Flucht, mit nur einem Ziel: Zurückzuerlangen was ihm genommen wurde. Sein Weg führt ihn dabei durch Armut, Finsternis und
letztendlich auch die Folgen seines eigenen Handelns…bis er im Norden des Kontinents schließlich sein Schicksal findet. Zum Guten oder zum Bösen.
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Der Thronsaal im Herzen der fliegenden Stadt bot selbst nach ihrem Weg durch die von Palästen und Prunkbauten gesäumten Straßen einen beeindruckenden Anblick. Gewaltige Säulen, so groß, dass es vier Männer gebraucht hätte, sie zu umfassen, stützten die Decke. Das lebensechte Gemälde des Abendhimmels darauf, erzeugte tatsächlich fast den Eindruck, sich im freien zu befinden und das fein abgestimmte Licht tausender leuchtender
Kristalle, die sorgfältig im Raum angebracht worden waren, verstärkte diesen Eindruck noch. Genau in der Mitte des Saals, erhob sich ein Sitz aus honigfarbenem, durchscheinendem Stein, dessen hohe Lehne eine Aussparung besaß, die genau um den Kopf des Mannes auf dem Thron lag. Das Licht, das sich in einem weiteren Juwel brach, das direkt im Zentrum der Öffnung schwebte, erzeugte einen seltsamen Lichtschein um die Züge von Tiberius Ordeal. Erik wusste nicht, was er erwartet hatte, vielleicht einen jüngeren Mann, dachte er, aber der Kaiser war alt geworden, wie sie alle. Graue Haare rahmten ein hartes Gesicht
ein, das kaum einen Gedanken oder eine Gefühlsregung verriet. Das goldene Ornat, dass er trug, wirkte an ihm etwas zu groß und auf seiner Stirn saß ein, inmitten all des Prunks, beinahe unscheinbar wirkender Goldreif, in dem ein einziger, geschliffener Diamant eingelassen war. Die Krone Cantons stammte noch aus der Zeit vor der fliegenden Stadt, als die ersten Menschen ihren Weg aus dem Norden in die grünen Ebenen und Täler der Herzlande fanden. Und vielleicht aus der Zeit, in der grade die letzten Zauberer des alten Volkes verschwanden. Was von ihrer einstmals blühenden Kultur übrig geblieben war, hatte sich mit der der
Menschen vereint und nirgendwo sah man das deutlicher als an diesem Ort. Und, dachte Erik, wenn man einem Zaubrer gegenüberstand. Der ganze Prunk und die Schönheit um ihn herum ließen ihn kalt, während er eine sorgsam einstudierte Verbeugung vollführte. Erst, als er sich wieder erhob, schien Tiberius Ordeal ihn überhaupt wahrzunehmen. „Ihr habt um ein Treffen mit mir gebeten, Magier?“, fragte der Kaiser. Trotz des Alters war seine Stimme erstaunlich kräftig und strafte Eriks ersten Eindruck lügen. Tiberius Augen verengten sich misstrauisch, während er auf eine Antwort wartete. Der
Ordensoberste spürte, wie die Prätorianer, die an den Seiten des Saals Aufstellung genommen hatten, sich anspannten, bereit, ihn auf einen Fingerzeig ihres Herrn zu töten. „Das habe ich tatsächlich… Herr.“ , antwortete Erik schließlich. „Wie euch vielleicht zu Ohren gekommen ist, ist Simon Belfare nach wie vor auf der Flucht.“ „Das habe ich tatsächlich gehört.“, meinte Tiberius. Der herablassende Ton in der Stimme des Kaisers entging ihm nicht. Tiberius wusste mehr, als er zugab… und das war gefährlich. Wenn er nicht wenigstens über einige Dinge im Unklaren war,
könnte sein ganzer Plan scheitern. Wüsste der Kaiser alles, was er wusste, würde er nicht mehr gebraucht. Wenn er überhaupt am Leben bleiben würde. Aber er brauchte die Macht über die Tiberius verfügte… vor allem die Militärische. „Es ist mir gelungen, ihn aufzuspüren.“, erklärte er schließlich. Besser, er gab nur Stück für Stück Preis, um was es hier eigentlich ging. „Euch soll also gelungen sein, woran all meine Spione und jeder einzelne meiner Soldaten bisher gescheitert sind?“ Jetzt war es nicht mehr nur Herablassung, Tiberius wirkte geradezu amüsiert über diese Vorstellung. Aber er
würde sich noch wundern. Vielleicht war der Mann der Welt tatsächlich so fremd geworden, dass er davon überzeugt war, alles und jeden bereits zu kontrollieren, der ihm gefährlich werden könnte. Nun, bis vor einer Weile hätte das wohl auch der Wahrheit entsprochen. „Das ist es mir in der Tat. Besser, ich weiß wohin er gehen wird. Und wir werden dort auf ihn warten oder ihm den Rückweg abschneiden. Seht ihr, Simon sucht etwas, etwas ganz Bestimmtes. Euch ist sicher schon zu Ohren gekommen, dass er den Großteil seiner Kräfte eingebüßt hat?“ „Das habe ich in der Tat gehört. Sprecht weiter.“
„Geschehen ist dies durch einen Gegenstand, der Euch nicht ganz unvertraut sein dürfte. Eine Träne Falamirs.“ „Völlig unmöglich !“ Das war Robert, der Prätorianer-Hauptmann, der ihn hierher begleitet hatte. Der Mann hatte seinen Posten verlassen und trat, nach einer respektvollen Verbeugung vor den Thron. „Die Tränen sind seit Jahrhunderten verschollen, abgesehen von den wenigen, die wir retten konnten. Und die sind sicher verwahrt.“ „Offenbar, ist Euch mindestens eine entgangen.“, meinte Erik. Er hatte langsam genug davon, dass jeder hier es für nötig hielt, ihn herablassend zu
behandeln, oder schon als potenzielles nächstes Opfer für die Sicherheit des Kaisers zu sehen… das war ja schlimmer als an Simons schlechtesten Tagen. Der Mann hatte wenigstens so etwas wie einen Sinn für Respekt gehabt, zumindest, was andere Magier anging… „und diese Träne befindet sich im Besitz der Seher. Weit im Norden.“ Es hatte ihn Monate gekostet, das Puzzle zusammenzusetzen und herauszufinden, welche Schriften Volero bei seinem Fluchtversuch vernichtet hatte. Und mit den neuen Ressourcen war es leicht gewesen, Ersatz für das meiste zu finden. Doch jetzt wusste er, was Simon wusste. Und vielleicht etwas
mehr. Er wusste, wo die Seher sich befanden…. „Und verratet Ihr mir auch, wieso ich Euch trauen sollte und wer weiß wie viele Männer in die Eisebenen schicke, um einer Legende nachzujagen?“ „Weil ich persönlich jede Streitmacht führen werde, die Ihr aussendet, das Artefakt zu gewinnen.“ Erik wusste, dass er gewonnen hatte, als der Kaiser Robert ein Zeichen gab, beiseitezutreten. Bald schon würde er nicht nur Simon endlich ausschalten können, sondern auch einen Gegenstand in Händen halten, dessen Macht beinahe grenzenlos
war. Die Kälte war bereits jetzt schneidend, dabei hatten sie grade einmal die Berge erreicht. Selbst im Sommer taute hier nie ganz der Schnee und jetzt im Herbst waren die Pässe bereits tief gefroren und teilweise unpassierbar. Ordt versuchte, so gut es ging auf dem rutschigen Untergrund Schritt zu halten. Zu seiner linken erhob sich eine glatt geschmirgelte, abweisende Bergflanke, die sich bis hoch in den Himmel erstreckte. Und zu ihrer linken ging es fast senkrecht bergab. Der einzige Halt
wurde durch einen schmalen Felsgrat gebildet, grade groß genug, dass sie mit beiden Füßen darauf stehen konnten. Es hätte einfacherer Wege über das Felsmassiv gegeben, dachte Ordt, aber die hätten sie zu nah an die Ordensburg herangeführt und im Augenblick, war das der letzte Ort, an den er zurückkehren wollte. Von Simon ganz zu schweigen. Den Zauberer schienen weder die Kälte noch der gefährliche Aufstieg zu kümmern und abends musste der Wolf ihn schon mehr als einmal zum Anhalten zwingen. Wussten die Ahnen, woher der Mann die Energie dafür nahm. Ordt fürchtete die Antwort jedenfalls….
Eine Windböe trieb Schnee von den Felshängen über ihnen herab und der Wolf zog den Mantel enger um sich. Selbst sein Pelz bot kaum Schutz vor der Kälte, die Simon nicht einmal zu spüren schien… „Jetzt werdet doch wenigstens einmal langsamer.“, rief er dem Mann nach, während er nach wie vor versuchte, ihn wieder einzuholen. Wenn das so weiterging, käme noch der Moment, in dem Simon einfach ins Leere trat… und dann wäre alles vorbei. Erleichtert, stellte Ordt fest, dass der Zauberer tatsächlich etwas langsamer ging, allerdings, ohne sich auch nur nach ihm umzudrehen. Wenigstens, dachte der
Wolf, hörte er ihn noch. Simon schien nur noch mit ihm zu sprechen, wenn es nötig war und manchmal selbst dann nicht. „Wenn Ihr sterbt, bringt das Kiris auch nicht zurück.“, erklärte Ordt wütend. Langsam hatte er genug davon. Er würde diesem Mann bis ans Ende der Welt folgen, sollte es nötig sein, aber es sollte sich wenigstens lohnen. Wenn Simon nur hier draußen war, um den Tod zu suchen, konnte er das auch ohne ihn, den offenbar konnte er ihn auch nicht davon abhalten… Die Schärfe in Ordts Stimme schien endlich durchzudringen, denn der Magier blieb stehen und warf einen Moment
einen Blick zurück über die Täler und Gipfel, die bereits hinter ihnen lagen. „Ich denke, wir sind weit genug.“, erklärte er… und begann ohne Vorwarnung zu lachen. In diesem Moment befürchtete der Wolf endgültig, dass sein Freund den Verstand verloren hatte. Und doch klang es irgendwie ernsthaft… fröhlich, nicht hysterisch oder verzweifelt, sondern erleichtert. Simon schien irgendwann einfach keine Luft mehr zu bekommen und sank gegen die Felswand zurück, ein breites Grinsen auf dem Gesicht. Das schien so absolut gar nicht zu dem schweigsamen, düster gelaunten Mann zu passen, den er die letzten Tage begleitet hatte.
„Warum lacht Ihr?“ , wollte Ordt wissen. „Weil sie lebt.“ Simons Stimme war nach dem Lachanfall kaum mehr als ein Flüstern, als die Anspannung von Wochen von ihm abzufallen schien…. Ihr meint…“, setzte Ordt an. Er war sich nach wie vor nicht sicher, ob das Wahnsinn war oder der Wahrheit entsprach. Aber er wusste, von wem der Zauberer sprach… so unmöglich es klang, ein Teil von ihm wollte Simon glauben. „Kiris lebt. Ich durfte es selbst Euch nicht sagen, bevor wir weit genug weg waren, es… hätte alles ruinieren können. Ich musste sie erst endgültig in
Sicherheit wissen.“ Einen Moment stand Ordt nur wortlos da, während Simon, nach wie vor ein Lächeln auf den Lippen, sich in den Schnee sinken ließ. Ahnen, waren die letzten Tage wirklich nur ein Schauspiel gewesen um jeden zu täuschen, selbst ihn? Wenn ja, dann hatte es offenbar funktioniert, denn selbst jetzt war er sich nicht sicher, ob er den Worten des Mannes Glauben schenken sollte. „Wie?“ „Maen ist neben mir die Einzige, die es weiß, Ordt. Das heißt bis jetzt. Sie lebt. Kiris ist immer noch verletzt und bewusstlos, aber ich weiß, dass Maen sie wieder auf die Beine bringt. Da vertraue
ich ihr einfach. Und bei Eurem Clan ist sie in jedem Fall besser aufgehoben… als hier draußen. Bis ich das alles beenden kann zumindest.“ „Aber wozu dieses Spiel, das Boot…“ Ordt schüttelte den Kopf. Und selbst Maen hatte dichtgehalten, dachte er. Bis auf den kleinen Hinweis, dem sie ihn gegeben hatte… und den er erst jetzt verstand. „Das auf dem Boot war Fadrin.“, erklärte Simon. „Zugegeben, das hat es leichter gemacht… überzeugend zu sein. Einen Moment dachte ich wirklich, ich hätte sie verloren… und ich glaube, mehr war auch gar nicht nötig. Trotzdem wollte ich kein Risiko eingehen. Ich
kann sie nicht verlieren Ordt. Die Möglichkeit alleine ist… erschreckend, schätze ich.“ Mehr als das, dachte Ordt. Dem Zauberer fehlten vielleicht die Worte, aber er brauchte nur darüber nachzudenken, was er ohne Maen tun würde… grade jetzt, wo er sie endlich wiedergefunden hatte. „Und ich muss mich wohl bei Euch entschuldigen.“, fuhr Simon derweil fort. „Die letzten Tage habt Ihr vermutlich mehr durchgemacht als ich. Aber….“ „Vergesst es einfach.“, erklärte der Wolf und streckte dem Mann eine Hand hin. Der Zauberer griff ohne zu zögern zu und ließ sich von dem Gejarn wieder
auf die Füße ziehen. „Beenden wir das?“ , fragte er. „Worauf ihr Euch verlassen könnt.“, erklärte Ordt, bevor sie ihren Weg fortsetzten. Die Wahrheit hatte etwas Befreiendes und plötzlich verstand er auch, was Simon vorangetrieben hatte. Nicht Trauer, nicht Wahnsinn, sondern schlicht der Wunsch, so schnell wie möglich wieder zurück zu sein. Nun, er hatte genauso einen Grund, dachte er, während sie weiter den Bergpfad hinauf stiegen. Schnee knirschte bei jedem Schritt unter ihren Füßen und der Wind nahm noch einmal zu. Doch das alles würde sie ganz sicher nicht mehr ausbremsen….
Und dann hatten sie endlich den Gipfel erreicht und blickten über eine endlos erscheinende, gefrorene Ebene. Nur einzelne Tannenwälder leuchteten als unscheinbare Farbflecken aus der Landschaft, ansonsten, gab es von Horizont zu Horizont nur Schnee. Die Sonne spiegelte sich auf gefrorenen Flüssen und lange erstarrten Seen. Sie hatten es geschafft, dachte Ordt, während er das Land vor ihnen nach einer Spur von Leben absuchte. Irgendwie hatte die Weite etwas Faszinierendes, als zöge sie die beiden Reisenden geradezu an. Und vielleicht stimmte das auch, dachte Ordt. Sie hatten die Berge hinter sich.
Allerdings, könnte das nach wie vor der kleinste Teil ihrer Prüfungen gewesen sein. Etwas hatte sie hierhergeführt. Und jetzt könnte es bald soweit sein, dem gegenüberzutreten.
Terazuma Hi Eagle! Das ist wirklich eine Überraschung. Damit habe ich nicht gerechnet. Da hast du mich wirklich hinters Licht geführt. Und sicherlich nicht nur mich. XDDD Ein kluger Schachzug. Doch so ganz kommt nicht heraus warum Simon und Maen dieses Komplott geschmiedet haben. Ich kann es mir nur so erklären, dass Simon Kiris auf diese Weise vor jeder weiteren Verfolgung schützen wollte. Erwähnt hast du es nicht, aber es wäre logisch. ^^ LG Tera |
EagleWriter So war es gedacht ^^. Mal sehen, das müsste ich gegebenenfalls auch nochmal deutlicher machen. lg E:W |