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Auf dem Jakobsweg von der Alb bis nach Santiago

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"Auf dem Jakobsweg von der Alb bis nach Santiago"
Veröffentlicht am 13. Juli 2015, 2 Seiten
Kategorie Sonstiges
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Auf dem Jakobsweg von der Alb bis nach Santiago

Auf dem Jakobsweg von der Alb bis nach Santiago

  1.    Heimatdorf bis Konstanz (22 April- 25 April 2006)

Am 22 April starte ich in meinem Heimatort auf der Schwäbischen Alb, die Reise nach Santiago. Ich habe meine Reise um einen Tag verschoben da ich noch überhaupt keinen Reiseführer hatte und ich Bedenken hatte ohne einen zu recht zu kommen. Im nach hinein gesehen wäre es  auch  ohne gegangen.  Ich habe mir morgens vor der Reise noch im Buchgeschäft den bestellten Reiseführer abgeholt. Um 9 Uhr morgens kann es also losgehen. Mein Rucksack wiegt etwa 20 kg. Es ist schon etwas ungewohnt mit solch einer Last zu gehen. Zusammen mit dem Rucksack wiege ich über 100 kg. Meine Stimmung steigt mit jedem Kilometer den ich mich von meinem Zuhause entferne. Nach etwa 5 km stellt sich bei mir eine große Freude ein. Ich spüre eine große Freiheit in mir. Es gibt kein bestimmtes Datum an dem ich zurück sein muss. Ich kann mir für meine Reise also soviel Zeit lassen wie ich will. Das steigert natürlich das Gefühl der Freiheit zusätzlich. Ich bin voll der Erwartungshaltung was ich alles erleben werde.

Die Route gestaltet sich etwas beschwerlich. Es gibt hier noch keinen Jakobsweg. Ich gehe nach Karte. Die ersten Kilometer brauche ich noch keine Karte, hier kenne ich mich noch aus wie in meiner Westentasche. Eine längere Strecke gehe ich auch auf einer ziemlich verkehrsreichen Straße. Die Straße ist hier die einzige direkte Verbindung. Auf Feld- und Waldwegen müsste ich ansonsten einen ziemlichen Zickzackkurs gehen. Nachdem ich etwa 15 km zurückgelegt habe, ist es an der Zeit mir Wasser zu besorgen. Ich erinnere mich daran in dem Reiseführer steht als Tipp seine Wasserflasche bei Leuten, die am Weg wohnen, mit Leitungswasser auffüllen zu lassen. Das muss ich doch gleich mal ausprobieren. Ich sehe eine Frau in ihrem Garten und frage sie ob sie mir meine Flasche auffüllt. Freundlich kommt sie mir diesem Wunsch nach und erkennt mich zu meinem Erstaunen sofort als Jakobspilger. Sie bemängelt nur, dass ich noch keine Muschel am Rucksack trage, so dass man mich direkt als Jakobspilger erkennt. Das mit dem Wasser hat zu meiner Freude hervorragend geklappt. Ich habe mir auf dem Jakobsweg immer wieder die Wasserflasche auffüllen lassen und nie ist jemand nicht meiner Bitte nachgekommen. Das Wetter ist an diesem Tag etwas durchwachsen. Es hat mit Sonne begonnen und zwischendurch ab spätem Nachmittag hatte es einige Schauer. Ich komme ziemlich gut voran. Bin am ersten Tag natürlich auch sehr motiviert. Doch gegen Abend spüre ich dann doch, dass meine Füße schwer werden. Kein Wunder, so an die 40 km hab ich heute wohl zurückgelegt. Es gilt nun einen Schlafplatz zu finden. Ich habe die Option in einem Gasthaus zu übernachten oder draußen in meinem Zelt. Ich entscheide mich für die billigere und abenteuerlichere Variante. Obgleich es mir etwas mulmig dabei ist.  Nach einer kleinen Stadt, genauer gesagt das mir bekannte Krauchenwies, sehe ich einen Mann mit einem Fahrrad wie er zu einem Grundstück fährt wo sich eine Wiese befindet und zwei Hühnerställe. Ich frage den Mann ob ich hier mein Zelt aufstellen kann. Er ist damit einverstanden. Ich unterhalte mich mit ihm etwas. Er hält hier einige Hühner, kommt ursprünglich aus Kasachstan und hat sehr viele Kinder, wenn ich mich richtig erinnere 9. Er erzählt mir noch die Geschichte wie ein Marder bei dem Entenstall nebenan alle Enten nacheinander aufgegessen hat. Ich kann hier mit dem Schlafplatz auch das versprechen, dass mir meine Oma abgerungen hat teilweise einhalten. Sie wollte, dass ich mein Zelt nur auf den Grundstücken von Leuten aufschlage und nicht irgendwo außerhalb allein im Wald. Aber meine Oma hat wohl mehr gemeint direkt bei deren Wohnhäusern, und hier bin ich fernab von jeglichem Wohnhaus. Ich habe es heute wohl übertrieben. Es sind einige Blasen auf meinen Füßen.  Es ist mir schon etwas mulmig so alleine im Zelt fernab jeglicher menschlicher Behausung, zumal ich das erste Mal alleine in einem Zelt übernachte. Doch ich kann recht gut schlafen.

Am nächsten morgen stehe ich schon so um 6 Uhr auf. Es ist ziemlich kalt. Ich will deshalb gar nicht so recht aus meinem Schlafsack raus. Meine Füße schmerzen wegen der Blasen ziemlich heftig beim gehen. Ich versuche zuerst mit meinen leichten Halbschuhen zu gehen. Doch das bringt keine Linderung, im Gegenteil es verschlimmert es eher. Mit dem Gepäck bin ich zu schwer für die Schuhe. Ich habe keinen richtigen halt in Ihnen. Ich versuche barfuß in einer Wiese zu gehen, was auch nichts bringt. Ich komme heute nur schleppend voran. Ich mache ganz kurze und langsame Schritte. Jeder Schritt ist mit heftigen Schmerzen verbunden. Alle 2 Kilometer muss ich eine Pause machen. Das kann ja heiter werden wenn das die nächsten 2000 Kilometer so weitergeht. Es ist heute sonnig doch es weht ein eiskalter Wind was noch erschwerend dazukommt. Um die Mittagszeit erreiche ich Pfullendorf. Hier mache ich erstmal eine längere Mittagspause. In Pfullendorf stoße ich nun auf den Markierten Jakobsweg. Ein Schild zeigt an 1987 km bis Santiago. Ich freue mich, dass ich schon unter der 2000 km Marke bin. Doch das Schild sollte sich als falsch erweisen, es sind wohl eher über 2300 km. Ich will mich bei dem dortigen Pfarrer über den Jakobsweg erkundigen und frage ihn wo man denn einen Pilgerpass und eine Jakobsmuschel bekommen kann. Er kann es mir auch nicht sagen, doch er gibt mir den Tipp bei dem Bruder Jakobus vorbeizuschauen. Es handelt sich hier um einen Mönch in einer Einsiedelei am Jakobsweg.  Nach der Mittagspause geht es noch schleppender voran. Was sich als sehr gut erweist sind die Wegmarkierungen mit der Jakobsmuschel, ich brauche nun überhaupt keine Karte mehr. Streckenweise gehe ich rückwärts, was tatsächlich etwas Linderung bringt. Auch bade ich meine Füße in Bächen. Ich versuche alles um wenigsten etwas voranzukommen.

Gegen Abend stellt sich mir nun die Option den Umweg von 2 km zu dem besagten Bruder Jakobus zugehen oder mir den Umweg mit meinen maladen Füßen zu sparen. Zu meiner Überraschung verspüre ich trotz der ganzen Qualen am heutigen Tag noch die Kraft den Umweg zu gehen. Unterwegs frage ich an einem abgelegenen Wohnhaus nach Wasser. Die Frau bietet mir sogar noch etwas zum Essen an. Ich verneine natürlich nicht. Nach der Stärkung geht es weiter Richtung Bruder Jakobus. Bei der Einsiedelei treffe ich ihn dann tatsächlich an. Als Vorwand lasse ich von ihm erneut meine Wasserflasche auffüllen. Er hat Besuch von einem Mann und einer Frau mittleren Alters. Ich spreche meine geschundenen Füße an. Sie meinen ich muss unbedingt Gepäck reduzieren vor allem mein Zelt solle ich zurücklassen. Als der Gast meinen Rucksack hochhebt mein er, dass er keine hundert Meter mit der Last gehen würde. Als Bruder Jakobus ihn hochhebt sagt er so schwer ist der Rucksack auch nicht. Ich zeige ihnen dann meine Füße. Bruder Jakobus meint die Füße sind gut es kann gehen. Sie verarzten dann meine Füße, das heißt sie machen Blasenpflaster drauf. Ich frage dann noch wo ich mein Zelt aufstellen könnte. Bruder Jakobus meint auf dem gegenüberliegenden Hügel ist es schön. Auf meine Frage wo ich denn eine Jakobsmuschel herbekomme schenkt er mir seine welche er um den Hals trägt. Sehr großzügig von ihm. Er berichtet mir noch von einem älteren Mann der bereits so ca. 2 Wochen vor mir gestartet ist. Er wohnt keine 7  Kilometer von meinem Wohnort entfernt. Es hatte zu der Zeit noch kräftig geschneit was ihm natürlich große Mühe bereitet hat. Bruder Jakobus meint ich würde noch öfters von dem Mann hören, was aber nicht der Fall war. Vermutlich musste er aufgeben. Ich verabschiede mich also. Die Gäste begleiten mich noch ein Stück in Richtung meinem Nachtlager. Ich stelle mein Zelt mitten im Wald zwischen Bäumen auf.  Ich habe von meinem Nachtlager aus eine herrliche Aussicht. Man kann von hier den Bodensee sehen und im Hintergrund die Alpen. Es ist wirklich wunderschön dort. So sitze ich nun einige Zeit  am Waldrand und genieße die herrliche Aussicht. Ich versuche noch den Aufkleber mit einer Jakobsmuschel drauf auf meinen Rucksack zu kleben. Doch der Aufkleber will einfach nicht halten. Ich klebe ihn dann schließlich außen auf mein Zelt wo er zumindest ein bisschen hält. Obgleich es ziemlich kühl in der Nacht ist, schlafe ich gut.

Am nächsten morgen stehe ich wieder früh auf. Ich bemerke, dass der Aufkleber mit der Jakobsmuschel den ich gestern außen auf mein Zelt geklebt hatte nun an meiner Schlafanzughose klebt und zwar richtig fest. Wie in aller Welt kommt der Aufkleber auf meinen Schlafanzug? Jedenfalls, wohl aus Aberglauben, lasse ich den Aufkleber während der ganzen Zeit auf dem Jakobsweg an meiner Schlafanzughose kleben. Die Blasenbehandlung gestern hat wahre Wunder bewirkt. Ich kann heute schon viel besser gehen und meine Schmerzen sind auch erträglich. Ich muss halt alle paar Kilometer eine kurze Pause einlegen. Die Beschilderung ist heute nicht mehr so gut. Ich verlaufe mich deshalb heute einige male ein bisschen. Unterwegs treffe ich einen kleinen Jungen. Er stellt mir einige Fragen und als ich weitergehe meint er bis morgen. Da müsste ich mich schon sehr verlaufen wenn ich morgen wieder da sein sollte. Ein Autofahrer hält an und fragt mich ob ich ein Stück mitfahren möchte weil er meint, dass ich mich doch so sehr abmühen muss. Ich lehne natürlich ab, da es gegen meine Pilgerehre geht.  In Überlingen setze ich mit der Fähre auf die andere Seite des Bodensees über. Auf der anderen Seite ist die Beschilderung noch schlechter. Irgendwie komme ich aber doch zurecht. Landschaftlich ist die Strecke sehr schön. An einigen Stellen hat man eine herrliche Aussicht auf die Alpen und den Bodensee. In einer Wohnsiedlung rollt plötzlich ein führerloses Auto wenige Meter vor mir in die Büsche.  Es hat hier wohl jemand vergessen die Handbremse anzuziehen. Was man nicht alles auf dem Jakobsweg erlebt.

Es ist bereits 8 Uhr als ich bei meinem Kumpel Sutono aus Indonesien in Konstanz ankomme. Ich werde hier bei ihm im Studentenwohnheim die nächsten zwei Nächte schlafen. Am nächsten Tag werde ich wegen meiner Blasen einen Ruhetag einlegen. Sutono kann es überhaupt nicht begreifen, dass ich so eine weite Strecke zu Fuß gehen möchte. Er hält mich wohl für verrückt. Trotz allem hat er sich während meiner Reise per   Handy immer wieder nach meinem Befinden und wo ich gerade bin erkundigt.

  1.   Konstanz bis Brienz (26 April-2 Mai)

Nach dem Ruhetag habe ich kaum noch Schmerzen in den Füßen. Wirklich stark habe ich das Gewicht meines Rucksacks entgegen dem Rat bei dem Mönch wirklich nicht reduziert. Vielleicht gerade Mal um ein gutes Kilogramm. Ich gehe heute relativ spät los so gegen 9 Uhr. Ich habe mich während des Frühstücks noch mit einer netten und gut aussehenden Studentin unterhalten. Nach wenigen Kilometern erreiche ich die Schweizer Grenze. Der Weg ist in der Schweiz sehr gut beschildert. Karte oder Reiseführer sind völlig unnötig. Es gibt hier so viele Brunnen am Weg, dass ich gar keine Wasserflasche benötige. Ich treffe unterwegs zwei ältere Pilgerinnen. Sie sind nur ein paar wenige Tage auf dem Jakobsweg unterwegs. Sie wollen den Jakobsweg in Etappen gehen, das heißt sie gehen immer wieder mal ein Stück auf dem Jakobsweg und setzen den Jakobsweg dann beim nächsten Mal dort fort wo sie das letzte mal aufgehört haben. Es gibt einige die das so machen. Für mich wäre das nichts. Ich bin sehr froh, dass ich die Möglichkeit habe alles am Stück zu gehen. Das Wetter ist heute trocken und bewölkt.

Ich möchte heute das Schlafen im Stroh ausprobieren, was hier öfters in der Schweiz angeboten wird. Die Pilger früher habe sicher des öfteren auf einem Bauernhof in einer Scheune übernachtet. Nur damals war es umsonst heute kostet es 20- 30 Franken, aber es ist immerhin ein Frühstück dabei. Was soll es ausprobieren kann man es ja. Als ich jedoch bei solch einem Bauernhof anrufe, sagt man mir, dass sie es erst ab Mai anbieten. Ich frage sie ob ich dort dann zumindest mein Zelt aufstelle können, die Frau meint das würde das gleiche kosten. Dann stelle ich lieber mein Zelt irgendwo im Wald auf wo es umsonst ist. Ich frage noch eine Frau ob ich bei der ihrem Wohnhaus nahe gelegenen Wiese mein Zelt aufstellen dürfe. Sie meint darauf "lieber nöt". Sehr enttäuscht gehe ich weiter. Es wäre ja nicht einmal direkt bei dem Wohnhaus gewesen. Ich komme mir vor wie ein Schwerverbrecher. Sehe ich denn so gefährlich aus. Jedenfalls war es wohl das letzte Mal, dass ich jemand Frage ob ich mein Zelt auf seinem Grundstück aufstellen darf. Das versprechen welches mir meine Oma abgerungen hat werde ich dann wohl nicht einhalten können, aber es ist ja auch nicht möglich wenn die Leute so ängstlich sind.

Die Suche nach einem Schlafplatz gestaltet sich heute nicht ganz einfach. Ich sehe verschiedene Plätze wo ich mein Zelt aufstellen könnte, doch keiner erscheint mir gut genug. Ein Platz wäre Ideal wo noch eine Bank zum sitzen wäre. Tatsächlich finde ich einen solchen Platz mit Bank auf einem kleinen Hügel. Es ist schon bereits 20.30 Uhr. Ich schlage mein Zelt hinter Büschen auf damit man es nicht sieht. Ich hab von dort oben wieder eine schöne Aussicht. Ich sehe einige Dörfchen in einigen Kilometern Entfernung. Mir ist es etwas mulmig zumute bei dem Gedanken, dass Leute mich von ihren Häusern sehen könnten. Wer weiß wer in den Häusern alles wohnt. Auf der anderen Seite des Hügels befindet sich eine Kuhherde. Ich schlafe also mit Kuhglockengeläute ein.

Als ich morgens aus meinem Zelt gehe geht eine hübsche Frau mit ihrem Hund an mir vorbei. Das Wetter ist heute wieder trocken es beginnt gegen Abend etwas zu regnen. Es ist recht kühl. Unterwegs hält ein Autofahrer plötzlich an und ruft mir etwas wie buen Camino zu. Ich verstehe überhaupt nicht richtig was er damit meint. Es ist der spanische Pilgergruß. In Spanien hört man das ständig. Heute steht der erste etwas höhere Berg an der Hörnli mit etwa 1100 Metern.  Ich komme heute recht gut voran. Unterwegs begegnet mir eine ältere Frau, sie ist auch am wandern mit einer Freundin. Sie bietet mir an, dass ich bei ihr und ihrem Mann übernachten kann. Ich soll ihrem Mann sagen, dass sie mich schickt und sie würde dann gegen Abend wieder da sein. Es ist zwar noch ziemlich früh am Nachmittag und es ist mir auch etwas peinlich bei fremden Leuten zu übernachten. Aber wenn man schon mal so ein nettes Angebot bekommt sollte man es annehmen. Sie haben einen kleinen Bauernhof am Fuße des Hörnlis, fernab jeglicher Zivilisation mitten im Wald. Ihr Mann nimmt mich dann auch freundlich auf. Es ist schön warm bei ihnen in der Stube. Die Frau bereitet ein Abendessen für uns zu. Unter anderem Bohnen mit Nudeln etwas was zu meiner Leibspeise gehört. Die Frau erzählt mir dann noch, dass sie von ihrem ersten Mann vier Kinder hat, der dann aber recht früh gestorben ist. Sie hat dann ihren jetzigen Mann geheiratet mit dem sie eine Tochter hat. So verbringe ich dann noch einen recht gemütlichen und netten Abend bei den beiden. Sie haben extra Schlafräume für Gäste. Es nächtigen hier wohl öfters Gäste. Sie wollen jedoch kein Geld von mir für die Unterkunft.

Am nächsten Tag ist das Wetter sehr regnerisch. Auf dem Hörnli mit seinen über 1100 Höhenmetern beträgt die Temperatur kaum über 0 Grad. Es ist heute nicht angenehm zu wandern. Als ich wegen starken Regens unter einem Dach sitze fragt mich eine junge Frau ob sie mich ein Stück mitnehmen kann, was ich ablehne. Das geht natürlich wieder gegen meine Pilgerehre. Alle meine Sachen werden von dem Dauerregen nass  und mein Rucksack wird deshalb immer schwerer. Ziemlich abgekämpft komme ich dann gegen Abend in der Jugendherberge in Rapperswil an. Mein Zimmergenosse ist dort ein deutscher Bauarbeiter. Er hat Frau und Kinder in Ostdeutschland und arbeitet hier in der Schweiz. Er bietet mir dann noch eine Rote Wurst an welche er in einem elektrischen Kocher zubereitet. Zum Glück hat die Jugendherberge einen Trockenraum mit einem Luftentfeuchter in welchem ich den kompletten Inhalt meines Rucksackes zum trocknen aufhänge.

Am nächsten Tag begleitet mich zuerst mein Zimmergenosse ein Stückchen bis in die Stadt hinein. Er macht dann noch eine für mich ziemlich überraschende Aussage, dass er vielleicht auch mal den Jakobsweg gehen möchte. Er scheint mir gar nicht so religiös zu sein. Doch wie ich im Laufe meines Weges noch feststellen werde sind längst nicht alle welche auf dem Jakobsweg wandern religiös motiviert. Der Jakobsweg hat nun mal sehr viel zu bieten. Wunderbare Landschaften, eine für einen Fernwanderweg wohl weltweit nicht vergleichbare Infrastruktur und man begegnet hier vielen netten und interessanten Menschen.

Nach Rapperswil führt der Weg über eine lange Fußgängerbrücke über den Zürcher See. Es handelt sich hier um eine Holzbrücke auf zahlreichen Eichenpfählen, welche fast einen Kilometerlang ist. Es ist ein tolles Gefühl  auf so einer  schönen Brücke zu gehen. Nach Rapperswil folgt ein langer Anstieg. Es ist zuerst regnerisch später geht der Regen dann in Schnee über. Unterwegs befindet sich unter anderem die Kapelle vom Heiligen Meinrad welcher ein Mönch, Priester und Lehrer war und später dann hier seine erste Einsiedelei hatte. Die Gegend hier mit ihren Zahlreichen Schluchten, Wäldern, Hügeln und Seen ist nicht nur landschaftlich schön sondern auch Sagenumwoben. Wo jetzt das Kloster Einsiedeln steht hatte früher der Heilige Meinrad seine zweite Einsiedelei, welche sich früher tief im Wald befunden hat. Heute steht das Kloster umgeben von Häusern in einem kleinen Städtchen mit einem Bahnhof.

Schon recht früh am Nachmittag komme ich beim Kloster in Einsiedeln an. Ich scheue mich etwas davor hier im Kloster nach einer Unterkunft zu fragen. Es ist das erste Mal, dass ich in einem Kloster übernachte. Schließlich klingele ich dann doch an der Pforte. Ich werde freundlich empfangen und bekomme für günstige 25 Franken eine Übernachtung mit Abendessen und Frühstück plus Getränke. Mein Bett befindet sich in einem großen Schlafsaal indem ich aber alleine bin. Ich habe von hier einen Blick auf den Hauptplatz vor dem Kloster wo sich der Marienbrunnen befindet, welchem Heilwirkung nachgesagt wird. Beim Abendessen lerne ich dann einen Mönch kennen welcher auch wie ich Rafael heißt. Er ist sehr nett und interessiert mir gegenüber. Er meint hoffentlich schaffe ich das, dass ich in Santiago ankomme. Es ist auch eine Schauspielerin anwesend welche hier in dem Kloster wohnhaft ist. Sie und der Mönch wollen noch einen kurzen Ausflug mit dem Auto machen. Sie laden mich dazu ein. Ich lehne ab. Irgendwie habe ich momentan keine Lust auf Autofahren. Ich bin so auf das gehen fixiert. Es schneit draußen. Es ist herrlich hinter den dicken Mauern im warmen dem Schneetreiben zuzuschauen obgleich der Schnee auch nicht liegen bleibt. Die Kälte und das Schneetreiben draußen passen perfekt zu der Klosteratmosphäre. Ich fühle mich sehr wohl in dem Kloster.

Gut erholt und voller Elan starte ich am frühen Morgen. Es hat Frost und die Sonne scheint. Ich komme sehr gut voran. So mancher Jogger hätte wohl Probleme mir zu folgen. Normal gehe ich wesentlich langsamer. So etwas im 4 km/h Tempo. Heute freu ich mich einfach sehr auf die Bergetappe und die Nacht im Kloster war auch sehr erholsam. Die Zeitvorgaben auf der Wegbeschilderung unterschreite ich um bei weitem. Ansonsten bin ich eher langsamer als die Zeitvorgaben. Es geht heute auf über 1400 m hoch. Ich freue mich schon auf den Schnee oben auf dem Pass. Ich kann es gar nicht fassen wie schnell und mit wie wenig Mühe ich die über 500 Höhenmeter bewältige. Oben auf dem Pass liegen 10 cm Neuschnee plus die Altschneedecke. Zusammen macht das über einen halben Meter. Es bereitet mir große Freude bei herrlichem Wetter und einer wunderschönen  Landschaft durch den Schnee zu stapfen. Bevor es wieder bergabwärts geht setze ich mich noch auf die Terrasse eines Restaurants und trinke ein Radler. Von dort oben habe ich eine herrliche Aussicht auf den Vierwaldstättersee. Es sind von hier oben über 1000 Höhenmeter bis zum See. So sitze ich dort eine gute Stunde und begebe mich danach an den Abstieg. Ich versuche zuerst auf meiner Isomatte auf dem Schnee herunterzurutschen. Das klappt aber nicht so gut. Vergnügt renne dann den Berg herunter, wobei der Schnee meine Schritte dämpft. Der Abstieg zieht sich ganz schön. Unten im Tal schmerzen mir etwas meine Beine.

So gegen die Mittagszeit bin ich dann unten im Tal. Heute nehme ich mein Mittagsmahl in einem Fastfoodrestaurant zu mir. Ich bestelle Schnitzel mit Pommes. Mir gegenüber sitzen 3 junge Frauen vermutlich kroatischer Herkunft. Die hübscheste von ihnen spricht mich an und fragt mich nach der Jakobsmuschel die ich um meinen Hals trage. Ich erkläre ihr was es damit auf sich hat. Sie meint dann schließlich noch, dass ich schöne Augen hätte mit der Anfügung oder ob ich Kontaktlinsen tragen würde. Wie sie das mit den Kontaktlinsen gemeint hat verwirrt mich anfangs total. Ich sage darauf nur, dass ich keine Kontaktlinsen trage, ob denn sie Kontaktlinsen tragen würde. Später fällt mir dann ein, dass sie solche Kontaktlinsen gemeint hat mit denen man das Aussehen seiner Augen verändern kann. Ich war wohl sehr ungeschickt mit den Damen. Aber was soll es ich habe ja sowieso eine Freundin. Es überrascht mich, dass man schlecht rasiert und schlecht gekleidet so gute Chancen bei Frauen hat. Die Zufriedenheit und Freiheit welche ich ausstrahle scheint wohl anziehend zu wirken.

Es geht dann mit der Fähre auf die andere Seite des Vierwaldstättersees. Die Landschaft um den Vierwaldstättersee zählt wohl zu den schönsten am Jakobsweg. Unterwegs begegnet mir noch ein kleines Mädchen. Sie läuft in einem größeren Abstand zu ihren Eltern. Mir fällt auf das ihre Eltern englisch miteinander reden obwohl das Mädchen offensichtlich deutsch ist. Ich frage sie warum ihre Eltern sich auf englisch unterhalten und sie meint das kommt daher, dass es der englische Freund ihrer Mutter ist. Die beiden fragen sie besorgt was der Mann, also ich, sie denn gefragt hätte. Das Mädchen beschwichtigt die beiden und erklärt ihnen was ich sie gefragt habe. Nach einem langen Marsch komme ich gegen Abend bei meiner Unterkunft an. Es ist ein Massenlager. Es ist schon etwas unheimlich so ganz alleine in dem Massenlager mit um die 100 Betten.

Am nächsten Tag ist es ziemlich heiß. Ich komme trotz des langen Marsches vom Vortag gut  voran.

Gegen Abend begegnet mir in einem Dörfchen ein großer, freilaufender Hund. Er kommt mir ziemlich Nahe und bellt mich bedrohlich an. Ich sage nur freundlich Grüetsi. Dann kommt noch ein zweiter und noch ein dritter Hund und alle bellen mich an. Alles in allem eine ziemlich bedrohliche Situation Ich zücke mein großes Messer, welches ich extra für solche Zwecke dabei habe, und halte es in der Hand. Ich lasse mir nichts anmerken und gehe ruhig weiter. Gott sei Dank tun mir die Hunde dann auch nichts außer zu bellen. Ich hab so den Eindruck wenn man nach 18 Uhr in der Schweiz unterwegs ist, dass einem dann viel mehr freilaufende Hunde begegnen

Heute durchwandere ich die Gegend wo früher der Heilige Klaus von Flüeli gewohnt hat. Er hatte im Alter von bereits fünfzig Jahren Frau und Kinder verlassen. Wobei das jüngste Kind erst ein Jahr alt war, der älteste Sohn jedoch bereits 20. Er hat sich dann in einer Einsiedelei niedergelassen um sich so einem intensiven Gebetsleben widmen zu können.

Mein Nachtlager befindet sich auf einer kleinen Wiese in der Nähe eines kleinen Städtchens. Hier schlage ich mein Zelt auf. Das Zelten so alleine im Zelt hat schon etwas unheimliches, doch irgendwie ist es auch schön.

Am nächsten Tag geht es über den Brüningpass. Es ist drückend heiß. Es überrascht mich, dass mir die Tour heute doch etwas Mühe bereitet, zumal der Brüningpass nur knapp über 1000 Meter geht. Im vergleich zu den 1400 Metern von Vorgestern ist das doch gar nichts. Ich verlaufe mich etwas auf den schmalen Pfaden im Wald. Mittlerweile gehe ich zeitweise mit einem Stock. Doch ich vergesse meinen Stock immer wieder irgendwo. So dass es dann immer wieder eine Zeit dauert bis ich einen neuen gefunden habe. Laut meinem Reiseführer sollte so ein Stock ziemlich lang sein, und da meiner Meinung nach der Stock auch dick genug sein sollte um einem bissigen Hund kräftig eins  überbraten zu können, sind es dann doch ganz stattlich Prügel. Ich übernachte  in einer  Jugendherberge am Brienzersee. Ich bin der einzige Gast in der Jugendherberge.

  1.   Brienz bis Genf (3 Mai - 11 Mai)

Der Weg führt heut am Brienzer See entlang. Landschaftlich ist die Strecke heute wieder sehr schön. Ich komme nur schleppend voran obwohl die Strecke heute relativ flach ist. Für heiße Temperaturen sind meine Schuhe nicht gut geeignet da sie ziemlich schwer und dick sind und man dann in ihnen ziemlich stark schwitzt.

Ich grüße die Leute die mir der Schweiz begegnen in der Regel mit einem Grüetsi, doch in dieser Gegend sagen die Leute Grües ach oder so ähnlich. Jedenfalls versuch ich diesen Gruß so gut es geht zu imitieren.  Als ich auf einem Felsen direkt am See raste höre ich ein seltsames rascheln. Ich erkenne eine Blindschleiche zwischen den Felsen.

Als Nachtlager dient mir ein Campingplatz in der Nähe von Interlaken. Von dem Campingplatz aus habe ich eine herrliche Aussicht auf die Alpen. Man kann von dort einige Viertausender sehen.  Unter anderem die drei berühmten Berge Eiger, Jungfrau und Mönch.

Die Besitzerin vom Campingplatz ist auch schon auf dem Jakobweg gepilgert. Sie gibt mir den Tipp, dass ich in der nahe gelegenen Stadt mir auf einem Amt einen Pilgerpass besorgen könnte. Um dort hinzugelangen leiht sie mir ihr Fahrrad. Es macht Spaß nach so langer Zeit mal wieder ein etwas schnelleres Verkehrsmittel zu benutzen. Auf dem Amt wissen sie dann aber nix von einem Pilgerpass. Man gibt mir jedoch eine Mappe mit einigen Unterlagen zum Jakobsweg mit. Ich sage dann der Frau auf dem Campingplatz, dass ich keinen Pilgerpass sondern nur einige Unterlagen bekommen habe. Sie schmunzelt und meint die sind ja doof unter den Unterlagen befindet sich der Pilgerpass. Toll endlich habe ich einen Pilgerpass und kann nun Stempel sammeln. Auf dem Campingplatz hole ich mir dann gleich den ersten Stempel und es kann wieder losgehen mit meiner Lieblingsbeschäftigung - Wandern.

Es ist wieder ziemlich heiß. Die Strecke ist heute wieder besonders schön und führt am Thunersee entlang. Thun erweist sich als ausgesprochen schöne Stadt. Als ich dann an meinem Nachtlager ankomme habe ich doch wieder ziemliche Fußschmerzen. Ich kann es daher kaum abwarten bis mein Zelt aufgestellt ist und meine Füße sich endlich erholen können. In der Nähe des Campingplatzes stoße ich bei einem kleinen Spaziergang auf einen sehr beeindruckenden Baum die Bettlereiche. Sie ist die größte Stieleiche im Kanton Bern und hat den größten Stammumfang in der Schweiz. Sie heißt so, da unter ihr früher Fahrende und Bettler Schutz fanden. Ihr Alter wird auf 600 bis 700 Jahre geschätzt. 

Am nächsten Tag ist das Wetter ziemlich durchwachsen mit einigen längeren Schauern. Als ich unter einem Vordach während eines Schauers unterstehe kommt ein älterer Herr und bringt mir Kaffee und Kuchen. Er  hat hier ein schönes Anwesen. Er scheint ziemlich reich zu sein. Früher hat er als Architekt gearbeitet. Es scheint für ihn ein willkommener Zeitvertreib zu sein wenn hier Pilger vorbeikommen ihnen einen Kaffee zu bringen und sich mit ihnen zu unterhalten. Sein Angebot mich mit seinem Porsche Cayenne ein Stück zu fahren lehne ich natürlich wie er schon geahnt hatte ab.

Gegen Abend such ich nach einem geeigneten Platz für mein Zelt. Doch ich finde überhaupt nichts Geeignetes. Entweder die Flächen sind nicht eben oder sie sind eingezäunt. Es ist schon nach 8 Uhr und ich habe noch nichts gefunden. Von fern ertönt bedrohliches Hundegebell und mir wird es langsam mulmig zumute. In einem Dörfchen klingele ich dann im meiner Not einfach bei einem Haus auf dessen Grundstück ein geeigneter Zeltplatz wäre. Es öffnet eine ältere, nette Dame. Zuerst frage ich sie wo man denn hier Übernachten könnte. Um vertrauen zu schaffen unterhalte ich mich mit ihr zuerst etwas. Dann Frage ich sie ob ich denn mein Zelt bei ihnen auf dem Grundstück aufstellen könnte. Sie fragt ihren Mann und der meint, dass ich mein Zelt auch bei ihnen in der Scheune aufstellen könnte. In einer Scheune ist es natürlich besser als im Freien. Das Zelt brauche ich in der Scheune natürlich nicht mehr aufzustellen. Ich Rolle in der Scheune mein Isomatte aus und fertig ist das Nachtquartier. Ich bin froh, dass ich doch noch so ein komfortables Nachtquartier gefunden habe.

Um sieben Uhr in der früh weckt mich dann die Frau und bietet mir an bei ihnen zu Frühstücken. Gerne nehme ich an. Sie und ihr Mann wohnen alleine in dem Haus. Der Mann hat früher als Förster gearbeitet. Sie trinken heiße Milch mit einem Schuss Kaffee. In der Form habe ich das auch noch nicht getrunken, aber es ist bestimmt gesund.

Heut habe ich mal wieder Lust auf Fleisch, nachdem ich mich sonst hauptsächlich von Brot und Käse ernähre. In einer Metzgerei gibt es eine riesige, warme Bratwurst. Ich frage ob sie denn nichts Kleineres haben. Sie meinen dort die Wurst ist zwar groß aber die schmeckt so lecker, dass sie fast wieder zu klein ist. Tatsächlich die Wurst erweist sich als so lecker, dass ich noch eine größere hätte essen können. Meinen Stock habe ich natürlich wieder vor der Metzgerei vergessen. Egal dann such ich mir halt wieder einen neuen.

Ich verlaufe mich ziemlich heftig und versuche dann einen ziemlich steilen Abhang herunterzugehen. Auf halber Strecke kehre ich dann wieder um, weil ich Angst bekomme, dass ich dort vielleicht doch nicht weiterkomme. Das kostet alles ziemlich viel Kraft. Ich komme heute in die französische Schweiz. Kaum dort angekommen werde ich von einer Frau sehr freundlich gegrüßt und angesprochen. Sie sagt mir dann noch einige Nettigkeiten. Die Leute hier scheinen viel offener fremden gegenüber zu sein. Das gefällt mir.

Ich übernachte in der Jugendherberge in Fribourg. Fribourg ist eine sehr schöne und markante Stadt. Eine Brücke führt hier über eine tiefe Schlucht. In dieser Schlucht befinden sich auch Häuser. Wobei der Hauptteil der Stadt liegt oberhalb der Schlucht. Das ist sehr interessant anzuschauen.

Am nächsten Tag komme ich endlich mal wieder richtig gut voran. Es ist ideales Wanderwetter. Das heißt nicht zu warm und kein Regen. Unterwegs werde ich von einem Mann angehalten. Er bringt mir einen Kaffee und erzählt mir von seinen Erfahrungen als Pilger. Er ist mit seiner Frau schon auf dem Jakobsweg gewandert und freut sich daher mich zu treffen. Er meint, dass der Weg in Frankreich besser ist als in Spanien. Die Herbergen in Frankreich sind viel besser und auch billiger. Das mit dem besser stimmt wohl, aber die Herbergen in Spanien sind billiger. Das mit den freundlichen und offenen Menschen scheint sich hier wohl fortzusetzen.

Plötzlich sehe ich vor mir in größerer Entfernung einen Pilger. Der erste richtige Pilger nach 16 Tagen Jakobsweg. Ich freue mich riesig darüber. Meine Schritte beschleunigen sich um ihn einzuholen. Es ist ein älterer Franzose mit einem kleinen Hund. Ich schließe mich ihm an. Wir unterhalten uns so gut es mit meinem doch eher dürftigen französisch miteinander. Er möchte auch bis nach Santiago gehen und ist am Bodensee gestartet. Wohnen tut er jedoch in Clermont Ferand. da er Rentner ist kann er sich dafür viel Zeit nehmen. Einen kleinen noch ziemlich jungen Hund hat er als Begleiter. Doch er gibt zu, dass es mit dem Hund ziemlich beschwerlich ist. Manchmal muss er den Hund ziehen damit er weitergeht, außerdem muss er sein Futter mitschleppen und sonst noch ein paar  Dinge wo er für den Hund benötigt. Wenn er in Le Puy ist holt seine Frau den Hund wieder ab. Früher hat er als Psychologe gearbeitet. Er ist nicht mehr ganz gesund, da er unter anderem mit dem Herz Probleme hat. Er meint, dass man in Spanien wegen der Hitze schon um fünf Uhr losgehen muss. Ich kann vorwegnehmen so früh war ich auch in Spanien nicht unterwegs. So gehen wir dann zusammen bis nach Romont einer schönen kleinen Stadt. Er hat ein Büchlein wo sämtliche Unterkünfte entlang des Jakobsweges verzeichnet sind. Ich bin verblüfft was für Unterkünfte bei ihm für Romont verzeichnet sind. In meinem Reiseführer sind die überhaupt nicht verzeichnet. Zuerst fragt er bei einem Kloster. Die haben jedoch keinen Platz für uns. Wir kommen dann schließlich in einem Sportheim mit Tennishalle unter. Die Übernachtung dort ist überraschend günstig. Da es Sonntag ist konnte ich mir gar nichts mehr zum Essen kaufen. Der Franzose gibt mir etwas von seinem Speck ab.

Der Franzose verlässt schon vor 7 Uhr das Sportheim. Ich bleibe noch etwas liegen. Als ich dann die Unterkunft verlassen will steh ich vor verschlossenen Türen. Wie um alles in der Welt ist denn der Franzose raus gekommen. Ich schaue ob vielleicht einer der Notausgänge von der Tennishalle offen ist. Tatsächlich eine Tür lässt sich öffnen. Ich klettere noch über einen Zaun und schon bin ich wieder in der Freiheit. Ich glaube nicht, dass der Franzose über dieselbe Route raus gekommen ist.

Unterwegs treffe ich wieder zwei Pilger einen älteren und einen in meinem alter. Anfangs unterhalten wir uns umständlich auf französisch. Als sie mir dann auf französisch erzählen, dass sie aus der Nähe von Stuttgart sind meine ich: "No kennat mr jo au schwäbisch schwetza". Es sind Onkel und Neffe. Die beiden unternehmen öfters zusammen Reisen. Sie sind wie ich zu Hause gestartet und wollen bis nach Le Puy gehen.  Bekannte von ihnen sind dieselbe Strecke bereits schon gegangen. Sie orientieren sich daran wie sie die Strecke gegangen sind. Da der jüngere ziemlich heftige Blasenprobleme und Knieprobleme hatte sind sie auch schon ein Stück mit dem Zug gefahren. Sie erzählen mir, dass sie heute auch schon den Franzosen getroffen haben, doch er war ihnen zu langsam also haben sie ihn wieder verlassen. Die beiden wollen wie ich in der Jugendherberge in Lausanne übernachten. Die Strecke von Lausanne nach Genf wollen die beiden mit dem Schiff zurücklegen. Im Mittelalter haben das wohl auch viele Pilger so gemacht.

Das letzte Stück nach Lausanne legen die beiden mit dem Bus zurück. Ich gehe dann also alleine weiter. Es ist für mich heute eine ziemlich lange Etappe nach meinen Berechnungen über 40 km. So gegen 20 Uhr treffe ich in Lausanne ein und den Genfersee kann ich auch bereits erblicken. So in einer halben Stunde müsste ich in der Jugendherberge sein. Doch weit gefehlt. Es geht von nun an nur noch bergab. Es will irgendwie gar nicht aufhören mit bergab zu gehen, der Genfersee will einfach nicht näher kommen. Es ist bereits 21:30 Uhr als ich das Ufer des Genfersees erreiche. Nun setzt auch noch ein ziemlich heftiger Regen und Sturm ein. Ich binde meine Isomatte um den Rucksack damit meine Sachen nicht alle nass werden. Jetzt müsste die Jugendherberge doch bald kommen. Doch ich gehe nochmals eine halbe Stunde und von Jugendherberge keine Spur. Unterwegs frage ich jemand wo die Jugendherberge sich befindet er meint noch hundert Meter. Nach einigen hundert Metern frage ich nochmals  an einer Tankstelle einen Mann wo die Jugendherberge ist. Er gibt die Adresse in sein Navigerät ein und fährt mich wenige hundert Meter bis zu der Jugendherberge. In der Jugendherberge bekomme ich dann noch das allerletzte Bett. Es ist bereit 22 Uhr. Statt den 40 Kilometern waren es heute wohl über 50 Kilometer.

Heute starte ich erst ziemlich spät. Die beiden Schwaben hab ich nicht mehr gesehen. Sie sind wohl schon vor mir aufgebrochen. Ich gehe zuerst die Strecke zur Tankstelle zurück wo mich der Mann gestern mitgenommen hat, damit ich ja alles zu Fuß gegangen bin. Doch auf halber Strecke begegnet mir mein Zimmergenosse, mit dem ich mich gestern ganz nett unterhalten habe und meint ich gehe die falsche Richtung. Es ist wohl ein Wink, dass es unnötig ist. Eigentlich ist es ja auch Blödsinn wegen den paar Metern. Also gehe ich die richtige Richtung weiter.

Anfangs verläuft der Weg schön am Ufer entlang. Doch schon bald sollte sich das ändern. Das Ufer am Genfersee ist ziemlich verbaut, großteils von den Villen der Reichen mit ihren großen Grundstücken drum herum. Das Wetter ist heute wieder ziemlich durchwachsen, gegen Abend wird es jedoch schöner. Der Jakobsweg verläuft heute im Zickzackkurs in größerer Entfernung zum Ufer. Doch ich will das nicht so recht wahrhaben, also gehe ich auf einem schmalen Pfad in Ufernähe. Irgendwann stoße ich auf einen reißenden Fluss. Ich müsste eigentlich auf die andere Seite. Ich folge weiterhin dem schmalen Pfad. Irgendwann muss ja eine Brücke kommen. Der Pfad wird immer schmäler und undurchdringlicher. Nach fast einer Stunde ist halt doch keine Brücke gekommen und ich befinde mich bereits an der Flussmündung. Außer mir vor Wut muss ich dann schließlich den ganzen Weg von einer Stunde zurückgehen.

Nach einer abermals Nerven und Kraftraubenden Tour komme ich dann an meinem Nachtlager einem Campingplatz an. Ein Franzose mittleren Alters versucht mir bei der Suche meines Platzes zu helfen. Er macht einen sehr einsamen Eindruck auf mich. Es ist ein Herzzerreißender Anblick wie er so alleine in seinem uralten Campingbus sitzt.

Nachdem die letzten Tage doch ziemlich anstrengend waren soll es heute eine etwas kürzere Etappe werden. Ich gehe weitestgehend an der Straße entlang um Weg und Kraft zu sparen. Der Jakobsweg macht hier einen Zickzackkurs und im Gegensatz zu der Straße muss man hier auch einige Höhenmeter zurücklegen.

Als ich dann an meinem Etappenziel einem Campingplatz in Coppet angekommen bin finde ich diesen abgebrannt vor. Er muss wohl wenige Tage vorher abgebrannt sein. Das erinnert mich an das Lied von Deep Purple „Smoke on the water“ welches von einem abgebrannten Tonstudio auf dem Genfer See handelt. Kurzerhand entscheide ich mich die restliche Strecke vollends nach Genf zu gehen. Da es bereits 18 Uhr ist und es noch 15 Kilometer nach Genf sind muss ich mich sputen. Ich rechne wieder mit einer sehr späten Ankunftszeit. Doch es gibt hier bis nach Genf einen Topf ebenen Fußgängerweg direkt an der Straße. Ich komme sehr schnell voran. Bereits nach zwei Stunden komme ich in Genf an. Ich checke in der dortigen Jugendherberge ein. Ich erinnere mich, dass ich vor einigen Jahren schon einmal in dieser Jugendherberge war. Damals war die Jugendherberge voller Japaner. Diesmal ist es etwas anders. Es ist wohl noch nicht Hauptsaison bei den Japanern. Die Jugendherberge gefällt mir eigentlich gar nicht aber sie ist halt preislich ziemlich günstig. Ich unterhalte mich noch etwas mit meinen Zimmergenossen.

Der heutige Tag soll wieder ein Ruhetag werden. Nach einem gemütlichen Frühstück möchte ich erneut in der Jugendherberge für die nächste Nacht einchecken und das Geld dafür entrichten. Als ich dann meine Frühstückbesteck abgebe ruft mir ein Mitarbeiter nach und schreit mich an weil ich mein Geschirr wohl nicht richtig einsortiert habe. So was habe ich nicht nötig. Kurzerhand verlasse ich die Jugendherberge und suche mir eine neue Bleibe in Genf. Es gibt hier tatsächlich eine Herberge wo eine Nacht genau soviel kostet als in der Jugendherberge nur halt ohne Frühstück. Aber die Herberge öffnet erst gegen 16 Uhr. Also kann ich bis dahin noch einige Dinge erledigen. Ich möchte mir noch einen Reiseführer für Frankreich zu legen. Zuerst frage ich einen Mann wo es hier einen Bücherladen gibt. Er ist sehr freundlich zu mir. Er meint, dass ich der erste Jakobspilger bin den er getroffen hat, und dass er froh ist dass ich ihm begegnet bin. Danach frage ich noch eine Frau nach einem Bücherladen. Sie ist wieder überfreundlich zu mir. Ich bin ebenfalls der erste Jakobspilger der ihr begegnet ist und sie ist ebenfalls glücklich mir begegnet zu sein. Es überrascht mich doch ziemlich, dass beide noch keinen Pilger gesehen haben, ist doch der Genf der Startpunkt etlicher Pilger. Ich finde letztendlich in einem Buchladen einen geeigneten Reiseführer. Danach verbringe ich lange Zeit auf einer Treppe sitzend vor einer Kirche. Es ist schön bei herrlichem Wetter von hier die Menschen auch hübsche Frauen zu beobachten.

Die Herberge befindet sich in der Altstadt erweist sich dann als sehr gut sprich viel besser als die Jugendherberge. Ich bin hier alleine in einem großen Schlafsaal untergebracht. Die Altstadt erweist sich als viel schöner als der andere Teil von Genf. Genf ist insgesamt eine ausgesprochen schöne Stadt. Neben der schönen Altstadt hat man hier natürlich den schönen Genfersee und eine herrliche Sicht auf die Alpen. Man kann von Genf aus sogar, bei guter Sicht, den höchsten Berg Europas den Mont Blanc sehen. Es gilt heute meine restlichen Franken auszugeben da es morgen nach Frankreich geht. Hierzu kaufe ich mir allerlei Speisen, um mal wieder meinen Energietank so richtig aufzutanken. Am Abend setze ich mich auf eine Bank vor meiner Herberge in der Nähe der Kathedrale St Pierre. Ich sehe eine atemberaubend schöne, sehr junge Frau in flottem Tempo an mir vorbeigehen. Sie scheint Sport zu machen, sprich dieses Walking. Sie hat langes blondes Haar und ihr T-Shirt liegt eng an ihren vollen Brüsten an. Ein Anblick bei dem einem der Atem stockt. Nach einiger Zeit rennt sie sehr schnell mit lauten, trampelnden Schritten an mir vorbei. Das schaut jetzt weniger nach Sport aus eher nach Panik. Sie scheint vor irgendjemand abzuhauen. Ich beobachte Aufmerksam ob jemand hinter ihr her rennt um gegebenenfalls einschreiten zu könne. Doch es kommt niemand. Sie scheint Gott sei Dank ihre Verfolger abgehängt zu haben.

Insgesamt gesehen habe ich doch, trotz des negativen Erlebnisses in der Jugendherberge einen schönen, gemütlichen Tag in Genf verbracht. Ich bin schon sehr gespannt auf Frankreich.

  1.   Genf - Le Puy (12 Mai - 23 Mai)

Es sind nur noch wenige Kilometer von Genf nach Frankreich. An der Grenze gibt es lediglich eine Schranke welche man als Fußgänger umgehen kann. Es gibt also zu meiner Verwunderung keinerlei Grenzkontrollen. So nun bin ich also in Frankreich. Ich bin schon früher immer gerne und oft nach Frankreich gereist, fast jedes Jahr. Ich mag das Land irgendwie sehr. Ab Frankreich gibt es Pilgerherbergen, welche sich hier Gites nennen. Man kann hier recht günstig übernachten, so 10-12 Euro. Außerdem gibt es dort in der Regel eine Kochgelegenheit. Ich treffe heute noch keinen Pilger. Die erste Gite muss ich passieren, da es noch zu früh am Tage ist und ich noch weiter gehen will.

Ich möchte heute wieder im Zelt übernachten. Am Abend klingele ich noch an einem Haus um nach Wasser zu fragen. Der Mann der öffnet, schreit richtig auf vor Schreck als er mich sieht. Wahrscheinlich hat ihn mein großer Wanderstock erschreckt. Er gibt mir dann aber doch Wasser. Mein Zelt schlage ich mitten im Wald in einer Lichtung auf. Ich habe lediglich noch etwas Brot mit Senf zum Essen. Eine Kombination die gar nicht so schlecht schmeckt.

Als ich am Morgen aufwache befinden sich zwei frische Motorradspuren in der Wiese neben meinem Zelt. Seltsam ich habe die beiden gar nicht bemerkt. Als Frühstück gibt es heute lediglich frischen Löwenzahn da ich nichts mehr zum Essen habe. Es ist mir zwar nicht ganz wohl bei dem Gedanken, dass möglicherweise irgendwelche Tiere Krankheitserreger an dem Löwenzahn hinterlassen haben könnten. Erst gegen Mittag erreiche ich das nächste Dorf in dem ich etwas zum Essen kaufen kann.

Momentan bin ich in einer körperlich ziemlich guten Verfassung. Ich gehe so gut wie schmerzfrei. Ab und zu bekomme ich mal eine Blase. Die wird dann ausgestochen. Die ersten Meter schmerzen dann etwas, aber dann ist es auch wieder gut.

Die Gegend hier in Frankreich durch welche der Jakobsweg führt ist sehr ländlich und natürlich auch ziemlich schön. Heute werde ich zum ersten Mal in einer Gite übernachten. Ich bin der einzige Gast dort. Diese Gites sind auf jeden Fall eine tolle Sache. Endlich kann ich mir mal Spaghetti kochen

Am nächsten Tag ist wieder schönes Wetter. Als ich losgehe befinden sich in dem Flusstal unter mir kleine Wolken. Ein wunderbarer Anblick, da man es hauptsächlich kennt, dass Wolken über einem sind. Die tief hängenden Wolken und das schöne Flusstal bilden eine sagenhafte Kombination. Der Weg führt teilweise über Hügelland, Waldgebiete und an der Rhone entlang.

Als Übernachtungsmöglichkeit ist heute eine Gite in meinem Reiseführer vermerkt. Als ich jedoch dort ankomme meint der Mann welcher die Herberge leitet, dass die Gite heute geschlossen ist, da Sonntag ist. Er gibt mir jedoch eine Adresse zwei Kilometer von dort. Als ich bei der Adresse klingele öffnet mir eine ältere, kleine Frau. Ich frage sie ob sie noch ein Bett für mich frei wäre. Und schon folgt ein lauter Wortschwall. Sie redet so schnell und viel, dass mein französisch nicht ausreicht um auch nur ein Wort zu verstehen. Aber was ich verstehe ist, dass sie schimpft. Als ich dann gerade gehen will sagt sie mir ich soll kommen. Die Frau ist Italienerin, das erklärt auch ihr Temperament. Früher hat sie wohl öfters Pilger aufgenommen, aber da sie alt und krank ist, ist ihr das nun zu viel. Über den Mann von der Gite meint sie, dass er immer dann die Gite geschlossen hat wenn es ihm gerade passt und dass sie ihm schon tausendmal gesagt hat, dass er keine Pilger mehr zu ihr schicken soll. Sie meint sie hätte es nicht über das Herz gebracht mich weiterzuschicken. Es wäre für mich kein großes Problem gewesen weiterzugehen. Ich kann ja mein Zelt überall aufstellen. Wie auch immer bin ich doch froh, dass ich dort eine Unterkunft bekommen habe. Ich bekomme dort ein schönes Zimmer und ein gegrilltes Steak als Abendessen noch dazu. Als Preis für die Übernachtung kann ich geben was ich für richtig halte. Ich gebe 20 Euro schließlich habe ich ja auch Abendessen und Frühstück erhalten. Die Herberge befindet sich in einem kleinen Dörfchen an der Rhone. Die Rhone ist hier längst noch nicht der große Fluss als der man sie kennt.

Die nächste Etappe  führt hauptsächlich an der Rhone entlang. Unterwegs fragt mich ein Mann ob er ein Foto von mir machen dürfe. Er macht Fotos für das dortige Touristenbüro. Er lichtet mich während ich gehe ab. Unterwegs habe ich noch eine Begegnung mit der Tierwelt. Der Weg ist an einer Stelle fast komplett durch einen Tümpel versperrt. Auf der rechten Seite wo man gehen könnte befindet sich eine Schlange die vor dem Tümpel wohl auf Frösche lauert. Es handelt sich um eine etwa 1 Meter lange, dünne und grünliche Schlange. Um passieren zu können möchte ich sie mit meinem Stock vertreiben. Doch sie züngelt nur mit ihrer Zunge und macht keinerlei anstallten den Weg zu räumen. Ich glaube zwar nicht, dass es sich um eine Giftschlange handelt, doch möchte ich auch vorsichtshalber nicht über sie drüber gehen. Also bleibt mir nichts anderes übrig als mich links zwischen Gebüsch und Teich hindurchzukämpfen.

Unterwegs treffe ich noch einen Professor aus Lausanne. Er geht ebenfalls auf dem Jakobsweg. Ich erzähle ihm von meinem Erlebnis in Lausanne. Er hat die beiden Schwaben, welche ich bei der Etappe von Romont nach Lausanne kennen gelernt habe, in einer Herberge getroffen. Sie sind jetzt nicht mehr allzu weit vor mir. Es wäre schön wenn ich sie einholen würde.

Ich schlage heute mein Zelt wieder auf einem Campingplatz auf. Die Frau vom Campingplatz bereitet mir meine Spaghetti zu und gibt mir sogar noch ein Steak dazu. In der Nacht regnet es ein bisschen, doch mein Zelt ist ja zum Glück wasserdicht.

Ich dachte eigentlich, dass ab Genf viel mehr Pilger unterwegs sind, doch irgendwie bin ich seither noch kaum einem Pilger begegnet. Doch das sollte sich schnell ändern. Zuerst treffe ich heute einen Franzosen. Er ist so um die 50 Jahre alt. Er möchte bis nach Santiago gehen. Doch möchte er zwischendurch um sich zu erholen mal für einen Monat nach Hause fahren. Ich schließe mich ihm an. Als wir gerade im Gras sitzen treffen wir eine weitere Pilgerin. Es ist eine junge Frau. Sie kommt aus der Schweiz und heißt Claudia. Sie will bis zur spanischen Grenze gehen. Ich fordere sie auf sie soll sich doch zu uns setzen. Zuerst meint sie, dass sie erst gerade eine Pause gemacht hat, doch schließlich setzt sie sich dann doch zu uns. Nach der Pause geht es dann also zu dritt weiter. Der Franzose verlässt uns dann irgendwann da er sein Etappenziel erreicht hat. Ich unterhalte mich angeregt mit Claudia, so dass ich gar nicht merke wie die Kilometer dahinfliegen und keinerlei Mühe verspüre. Es ist schön nicht alleine zu gehen.  Claudia lädt mich dann noch zu in einer Bar zu einem Panage (Radler) ein. Wir sind so in unsere Unterhaltung vertieft, dass wir gar nicht merken wie wir an dem Schild welches zu unserer Herberge weist vorbeigehen. Wir wollen jedoch die zwei Kilometer nicht mehr zurücklaufen. Also rufen wir in der Herberge an und lassen uns abholen.

Die Herberge ist schön an einem See gelegen. Ich bekomme ein tolles Einzelzimmer. Außer uns sind noch zwei Gäste dort Aldo und Ernst. Sie sind aus der Schweiz. Ernst ist Anfang 60 und Pensionär. Aldo ist Ingenieur und ist vor kurzem im Alter von 58 von seiner Firma entlassen worden was ihn ziemlich mitgenommen hat. In der Herberge gibt es dann ein hervorragendes Abendessen mit Nachschlag. Die Herbergseltern sind sehr nett. Die Frau wäscht sogar meine Wäsche für mich was im Preis für die Übernachtung mit inbegriffen ist.

Claudia macht am nächsten Tag einen Ruhetag. Sie möchte mit dem Herbergsvater fischen gehen. Ich bekomme meine Wäsche zusammengelegt und sogar gebügelt zurück. Als es ums bezahlen geht bekomme ich von der Frau fünf Euro zuviel zurück. Ich will sie darauf aufmerksam machen doch sie hält ihren Zeigefinger vor den Mund, so dass die anderen es nicht mitbekommen.

Heute gehe ich mit Ernst und Aldo weiter. Aldo besitzt ein Navigationssystem extra für Wanderer. Ernst legt ein mächtiges Tempo vor. Aldos Computer zeigt ein Tempo von 5,8 km/h an. Es ist lustig mit den beiden Haudegen. Ich muss darüber Schmunzeln wie sie die Leute grüßen und mit ihnen reden. Ernst erzählt mir viel unter anderem auch von seiner Arbeit. Er war früher für die Kirche tätig. Gegen die Mittagszeit fragen die beiden zwei junge, hübsche Französinnen nach dem Weg zu einem kleinen Lebensmittelladen. Ich bedanke mich bei den beiden für die Auskunft und lächle ihnen zu. Als wir dann in dem Laden sind kommen die beiden Französinnen hinzu. Sie kaufen dort irgendeine Kleinigkeit und es scheint mir, dass es nur ein Vorwand war um dorthin zu kommen. Ich hab so den Eindruck, dass sie nur wegen mir dorthin gekommen sind. Aber da es mir vor Aldo und Ernst peinlich ist mit den beiden anzubandeln und ich ja außerdem eine Freundin habe lasse ich es sein. Man begegnet ja eigentlich nur wenigen Frauen in diesen ländlichen Gegenden. Trotzdem hatte ich bisher durchaus ein paar Interessante Begegnungen.

Obwohl wir eigentlich ein sehr hohes Anfangstempo hatten kommen wir zu meiner Verwunderung erst nach 18 Uhr in der Herberge an. Berg hoch ließen es die beiden auch immer etwas langsamer angehen. In der Herberge sind außer uns noch zwei weitere Pilger: Otto aus Österreich, Anfang 60 und David aus der Schweiz ende 20. Otto ist Vater von 5 Töchtern und ist letztes Jahr bereits von Le Puy bis Santiago gegangen. Dieses Jahr möchte er lediglich von Genf bis Le Puy wandern. David ist in Genf gestartet und möchte bis nach Santiago gehen. Seine Stelle als Koch hat er für die Reise aufgegeben.

Am nächsten Tag gehe ich zuerst mit den beiden Schweizer Haudegen im Supermarkt einkaufen. Da die beiden aber noch einige Sachen in der Stadt erledigen wollen gehe ich ohne sie weiter. Unterwegs treffe ich Otto. Da er heute wegen Knieproblemen nur wenige Kilometer und langsam  gehen möchte verabschiede ich mich von ihm. Von David hatte er sich auch bereits verabschiedet. Ich treffe heute auf eine Augsburger Pilgergruppe welche mir die letzten Tage schon mehrmals begegnet ist. Sie lassen ihr Gepäck von einem Begleitfahrzeug transportieren. Sie machen gerade Mittagspause und laden mich dazu ein mit ihnen zu essen. Hierzu geben sie mir reichlich von ihrem Proviant ab: Käse, Wurst, Brot und Müsliriegel. Otto kommt dann schließlich auch noch hinzu.

Obwohl Otto eigentlich nicht so weit gehen wollte begleitet er mich den Rest vom Tag. Als er dann in der Herberge angekommen ist gehe ich noch weiter. Ich möchte heute in meinem Zelt übernachten. Da es aber ziemlich stürmisch ist kehre ich nach wenigen Metern zu der Herberge um.  Der Mann der Herberge meint, dass noch ein Bett in einem Doppelzimmer frei wäre. Doch in dem Zimmer wäre bereits jemand und er müsste ihn fragen ob er damit einverstanden wäre, dass ich das andere Bett in dem Zimmer belege. In dem Zimmer befindet sich David, als der Wirt ihn fragt ob er damit einverstanden ist, dass ich das Bett belege meint David zum Spaß lieber nicht. Der Professor aus Lausanne welchen ich bereits vor wenigen Etappen getroffen habe befindet sich auch in der Herberge. Er ist ein Stück mit dem Auto gefahren. Außerdem ist dort noch eine Schweizerin so um die 50, welche mit Otto das Zimmer teilt. Die Schweizerin ist sehr flott unterwegs. Sie geht pro Tag zwischen 40 und 50 Kilometer. Für den normalen Pilger ist das eigentlich zu viel. Doch von ihrem Körperbau und ihrer Genetik her ist sie wie geschaffen für das gehen, so dass ihr auch so große Strecken keine sonderliche Mühe bereiten.

Nach einer geruhsamen Nacht geht es mit Otto und David weiter. Mittlerweile sind wir am Zentralmassiv, einem französischen Mittelgebirge, angelangt. Otto möchte heute erneut nur eine kurze Strecke gehen und es wieder gemächlich angehen lassen. Er lässt sich zwar immer wieder zurückwerfen doch irgendwie hält er mit uns mit.  Nach einer längeren Pause verabschieden wir uns endgültig von ihm. Mit hohem Tempo überholen wir dann noch eine größere Pilgergruppe. Doch in unserem Elan haben wir an einer Kreuzung ein Schild übersehen und verlaufen uns. Als wir wieder auf dem richtigen Weg sind sehen wir erneut die gerade überholte Reisegruppe vor uns und natürlich auch Otto. Nicht das wir was gegen Otto hätten, im Gegenteil, aber wir haben uns jetzt schon so oft von ihm verabschiedet und er hat so tief gestapelt wie langsam er es angehen lassen will. Otto kommt uns spaßhaft ausgedrückt vor wie ein Phantom, das uns verfolgt. Es ist uns schon peinlich ihn wieder überholen zu müssen. Es setzt sich heute so fort, wir setzen uns immer wieder von Otto ab. Doch sobald wir eine Pause machen taucht er wieder auf, unaufhaltsam mit seinen beiden Stöcken- klack, klack, klack. Als Otto dann bei seiner Herberge anbelangt ist, sind wir schon um die 25 Kilometer gewandert. Da ich mich noch voller Energie fühle möchte ich noch weitergehen. Für David stellt sich nun die Wahl mit Otto in der Herberge zu bleiben oder mit mir weiterzugehen. Er entscheidet sich letztendlich für Zweiteres.

Als wir dann nach einem Tagesmarsch von fast 40 Kilometern bei der Gite anbelangt sind finden wir dort niemand vor. Doch eine Tür lässt sich öffnen. Ich rufe dann die Nummer von der Gite an um zu fragen ob wir dort übernachten dürfen. Da meine Französischkenntnisse zu schlecht sind und ich die andere Seite nicht richtig verstehe übergebe ich den Hörer an David. Letztendlich dürfen wir in der Gite übernachten und das Geld für die Übernachtung schmeißen wir in den Briefkasten.

Die folgenden Tage gehe ich mit David weiter. Er ist ein lustiger Kerl, der wohl einige Flausen im Kopf hat aber letztendlich ganz nett ist. Er hat mit Heuschnupfen zu kämpfen und schnäuzt deshalb ziemlich häufig. Wenn er schnäuzt entsteht ein Geräusch von 180 Dezibel Lautstärke. Zu zweit gehen ist durchaus schön. Man fühlt sich ziemlich sicher. Es geht aber deshalb auch etwas das abenteuerliche verloren. Am Anfang begegnet uns die Schweizerin wieder die immer so weite Strecken läuft. Sie meint, dass wir mit dem Bus gefahren sind, da sie es nicht fassen kann, dass wir schon so weit wie sie sind. Sie läuft eine Zeit lang mit uns. Doch da wir ihr zu langsam sind verabschiedet sie sich wieder von uns.  Wir übernachten in Gites in Orten die Namen haben wie St Saveur en Rue, Montfancon und St Jeures. Also ziemlich kleine und unbekannte Orte. Die Strecke ist dort landschaftlich sehr reizvoll. In manchen Dörfern glaubt man, man ist im Mittelalter: Alte Häuser gepflasterte Straßen, nur die Autos die dort rum stehen erinnern einen, dass man sich doch in der Neuzeit befindet. Der Wanderweg führ über Höhen von bis zu 1300 Metern. Es gilt hier im Zentralmassiv etliche Höhenmeter zu überwinden.

In einer Herberge treffen wir eine Schweizerin welche mit dem Fahrrad unterwegs ist. Sie möchte die Strecke nicht auf Straßen oder Radwegen zurücklegen sondern komplett auf dem Jakobsweg. Was teilweise sehr beschwerlich ist, da der Jakobsweg eigentlich nicht für Radfahrer sondern für Wanderer gemacht ist und man teilweise ziemlich heftige Steigungen hat. Teilweise zieht sie mit dem Fahrradschloss um die Hüften ihr Fahrrad hinter sich her. Das hört sich ziemlich beschwerlich an. In derselben Herberge möchte mich mein Kumpel Thomas anrufen, da die Herberge ein Telefon besitzt. Er will mich ab Le Puy für ungefähr zwei Wochen begleiten. Thomas möchte noch die Vorwahl von Frankreich wissen. David ist felsenfest davon überzeugt dass es die 0047 ist, was sich jedoch als falsch erweist. Schließlich erreicht mich Thomas dann doch.

Die letzte Etappe nach Le Puy beginnt in St Jeures. Es ist heute wieder ein längerer Marsch. Von weitem schon ist die Kirche auf einem Vulkankegel von Le Puy zu erkennen. Ein fantastischer Anblick. Die Kirche befindet sich praktisch auf der Spitze eines erloschenen Vulkanes und bedeckt die Fläche des gesamten Berges.

In Le Puy werden wir erstmal in ein Gebäude der Jakobusfreunde herein gewunken. Hier sitzen schon einige andere Pilger mit denen man sich austauschen kann. Einer von ihnen ist Ivan, welchem ich auf dem Jakobsweg noch öfters begegnen werde. Er ist Koch, etwa 30 Jahre alt und möchte bis nach Santiago gehen.  Man bekommt hier noch eine Art von Likör. Schmeckt sehr lecker. Am liebsten hätte ich noch ein Gläschen getrunken. Doch auf einmal spüre ich wie es mir von dem Likör schwindelig wird. Nachdem wir uns mit den anderen Pilgern ausgetauscht haben, verlasse ich ziemlich benommen das Gebäude. Ein Bett haben wir jetzt immer noch nicht. Wir gehen also zu der Jugendherberge, doch die haben keinen Platz mehr frei. Sie haben in der Jugendherberge über 100 Betten und trotzdem ist dort kein Platz mehr frei. Wir können es kaum fassen. Nach der langen Etappe sind wir ziemlich müde und haben keine große Lust mehr auf Herbergssuche zu gehen. Also ruft David bei einigen Pilgerunterkünften an. Er fragt mich ob er denn die 0047  für Frankreich vorwählen muss. Der Kerl macht mich noch verrückt. Jedenfalls haben auch die Pilgerherbergen keinen Platz mehr frei. Wir finden dann aber schließlich doch eine Bleibe. Ein Ehepaar vermietet ein Zimmer ihrer Villa an Pilger. Mit 30 Euro pro Person ist es die teuerste Unterkunft die ich bisher hatte. Zudem sind wir noch zu dritt in einem Zimmer. Aber der Vorteil ist, dass uns der Mann bei der Jugendherberge mit dem Auto abholt und dann schließlich am Abend auch Thomas am Bahnhof abholt. Thomas hat etwas Verspätung, da die Züge bestreikt wurden. Diese Franzosen sind auch nur am streiken. Bin ja mal gespannt wie das mit Thomas so wird und ob er mithalten kann.

  1.   Le Puy - Figeac  (24 Mai - 2 Juni)

Zuerst lassen wir drei uns in die Stadt von Le Puy fahren. Ich und Thomas wollen noch etwas Zeit in der Stadt verbringen um noch einen Hut zu kaufen, da ich meinen Hut wenige Etappen vorher verloren habe, und um uns die Sehenswürdigkeiten dort anzuschauen. David will weitergehen, also trennen wir uns wieder nachdem wir bereits fünf Etappen miteinander gewandert sind. Aber vielleicht hole ich ihn ja wieder ein. Die Leute in Le Puy scheinen etwas arrogant zu sein. Einige ignorieren mich schlichtweg als ich sie danach fragen will wo ich denn hier einen Hut kaufen kann. So etwas ist  mir doch selten passiert. Schließlich finden wir dann auf dem Markt einen Stand mit Hüten. Ich und Thomas kaufen uns dann schließlich einen Strohhut. Ich war schon einmal vor fast 10 Jahren mit dem Fahrrad in Le Puy. Doch ich war damals wohl so auf meine Radtour fixiert, dass ich von den Sehenswürdigkeiten, welche es in Le Puy viele gibt nichts gesehen habe. Ich habe nicht einmal die Kirche auf dem Vulkankegel gesehen und habe auch gar nichts von den Jakobspilgern mitbekommen, geschweige den gewusst, dass hier der Jakobsweg durchführt. Irgendwie seltsam, dass ich zu einer Zeit schon in Le Puy war als ich noch gar nichts vom Jakobsweg gewusst habe. Es war auch damals meine erste längere Reise die ich alleine gemacht habe.

Nachdem wir uns die Sehenswürdigkeiten kurz angeschaut haben und in der Kathedrale für Thomas einen Pilgerpass besorgt haben, kann es nun losgehen zur nächsten Etappe. Le Puy ist der Startpunkt vieler Jakobspilger. Von daher sind ab jetzt mehr Pilger unterwegs.  Doch es ist noch überschaubar. Wir befinden uns jetzt mitten im Zentralmassiv. Die 200 km lange  Strecke von  Le Puy bis Conques gehört zu den schönsten wenn nicht der schönsten Strecke auf dem Jakobsweg. Die erste Etappe ab Le Puy führt aus dem Becken des Velay heraus, in dem Le Puy liegt.  Der Weg führt über Tallode und Montbonnet auf asphaltierten Straßen nach St.-Privat-d´Allier, unserem ersten Etappenziel auf der Via Podensis. Wir stellen hier auf einem kleinen Campingplatz unser Zelt auf. Es ist recht kühl. Thomas kocht uns mit seinem Kocher Nudeln. Das Ergebnis seiner Kochkunst schaut dann aber weniger nach Nudeln sondern nach Brei aus. Ich bin ziemlich sauer auf Thomas was er mir da als Mahl serviert. Aber es hat wohl mehr an den Nudeln gelegen als an Thomas, weil ich dasselbe Ergebnis mit den Nudeln hatte. Mit etwas Ketschup bekommen wir das Mahl dann doch herunter.

Ich bin doch überrascht wie viel Platz man in meinem Zelt zu zweit hat. Es wiegt zwar an die drei Kilo doch bietet es auch einen guten Komfort. Ich habe die Nacht über ausgesprochen gut geschlafen. Nur einmal bin ich durch das sehr laute Schreien irgendeines Tieres aufgeweckt worden. Das war schon direkt etwas unheimlich. Thomas konnte nicht ganz so gut schlafen.

Von der Vulkanlandschaft kommen wir nun in eine von Granit bestimmte Gegend. Angeblich trieb hier im 18. Jahrhundert ein Untier sein Unwesen, das „Biest von Gevaudan". Vielleicht war das Schreien letzte Nacht von einem Opfer des Untiers. Zum Glück sind wir jedoch nicht von ihm gefressen worden. Die heutige Strecke hat ein ziemlich heftiges Profil mit vielen zu überwindenden Höhenmetern. Nach Monistrol gibt es einen steilen Abstieg gefolgt von einem ziemlich steilen Aufstieg. Hier bekommt Thomas bereits seine ersten Probleme mit seinen Füßen. Ich gebe ihm deshalb meinen Pilgerstock. Thomas hat leider das Pech das er in einer landschaftlich zwar sehr schönen Gegend auf dem Jakobsweg einsteigt, aber  einer vom Profil her sehr anspruchsvollen Strecke.

Schließlich erreichen wir dann doch gegen 18.30 Uhr die Pilgerherberge. Wir bekommen dort nur deshalb einen Platz weil wir so spät dran sind. Weil sie dort die Pilger wo spät ankommen nicht mehr zur nächsten Pilgerherberge, welche sich in einigen Kilometern Entfernung befindet weiterschicken wollen. Wir verbringen dort mit den anderen Pilgern zusammen an einem Tisch einen recht netten und gemütlichen Abend. Unter anderem befindet sich unter den Pilgern ein Schweizer Diplomatenpärchen. Er ist ursprünglich Südamerikaner sie Schweizerin. Außerdem ist dort noch ein lustiges wenn auch ein bisschen ein verrücktes französisches Pärchen. Da der Jakobsweg zurzeit ziemlich voll ist und sie noch keine Übernachtungsmöglichkeit für den nächsten Tag haben, fragen sie mich zu meiner Belustigung ob ich denn noch für morgen für sie einen Platz in meinem Zelt frei hätte. Ich antworte ihnen, dass mein Zelt für 4 Personen nun doch zu klein ist. Die Nacht verbringen wir in Mehrbettzimmern.

Am nächsten morgen frühstücken wir dann gemütlich mit den anderen Pilgern zusammen. Eine Pilgerin eine hübsche, junge Französin mit dem Namen Estelle, sie hat ihre eigenen Sachen zum Frühstück dabei: Reiswaffeln, Maiswaffeln oder ähnliches, da sie eine Mehlallergie hat. Das ist sicher eine zusätzliche Schwierigkeit bei dem eh schon harten Pilgeralltag.

Thomas kommt heute nur sehr schleppend voran. Doch auf einmal begegnen wir Estelle. Ich fange eine Unterhaltung mit ihr an und so kommt es das wir dann mit ihr zusammen gehen. Ich lasse Thomas den Vortritt sich mit Estelle zu unterhalten, da ich hoffe, dass sie ihm Flügel verleiht. Und tatsächlich es wirkt er kommt plötzlich viel besser voran. In der Herberge war Estelle eigentlich ziemlich reserviert. Deshalb hatte ich sie als eher Arrogant eingeschätzt. Doch ich hatte mich wohl geirrt. Sie erweist sich als sehr nett und offen. Ein besonders schönes Erlebnis war auch als sie uns das Jakobuspilgerlied welches in meinem Reiseführer steht, vorsingt. Da wir die Melodie nicht kennen singt sie es mit der Melodie von Frere Jacques. Auf der Passhöhe Col de l´Hospitalet auf gut 1.300 m machen wir eine länger Rast. Hier oben hat sich ein zu den Templern gehörendes Hospital befunden welches aber schon vor langer Zeit zerstört wurde. Es gibt hier eine Quelle welche über heilende Kräfte verfügen soll. Vor allem bei Augenleiden soll das Wasser helfen.

Gegen späten Nachmittag lässt bei Thomas die positive Wirkung von Estelle nach. Er wird immer langsamer. Als dann Estelle bei ihrer Herberge anbelangt ist, verabschieden wir uns von ihr. Sie erklärt mir, dass man sich in Frankreich mit einem Küsschen auf die linke und rechte Wange verabschiedet. Ich tue so als ob mir das völlig neu wäre. So verabschieden wir uns also mit der von ihr beschriebenen Methode. Nach einer kurzen Strecke, da Thomas nicht mehr kann, machen wir halt an einem Campingplatz und stellen hier unser Zelt auf. Als Abendessen gibt es heute wieder unter anderem Nudelbrei.

Am nächsten Morgen geht bei Thomas fast gar nichts mehr. Ich trage ihm seinen Rucksack bis zur nächsten Bushaltestelle. Ein Pilger gibt uns den Tipp wir sollen es doch mit Autostopp versuchen. So hält Thomas also den Daumen raus. Ich setze mich in eine gewisse Entfernung von ihm, so dass man mich nicht erkennt, da ich ja gehen möchte und die Leute vor zwei Pilgern sicher eine größere Scheu haben als vor einem. Und tatsächlich nach einer Weile hält ein kleines Auto an. Es ist ein älterer Mann. Da Thomas kein französisch kann kläre ich mit dem Mann wohin er will. Der Mann nimmt ihn also bereitwillig mit.

Ich gehe heute also wieder alleine die Strecke welche Thomas mit dem Auto zurücklegt. Die Strecke beträgt heute lediglich 15 km. Das gehen heute ist für mich Genuss pur. Zum einen liegt es wohl an der herrlichen Landschaft, am herrlichen Wetter, aber ich genieße es auch wieder alleine zu gehen in meinem eigenen Tempo. So vergehen die 15 Kilometer wie im Fluge ohne jegliche Anstrengung. Als ich in dem heutigen Etappenziel Aumont Aubrac ankomme sitzt Thomas draußen vor einem Restaurant mit dem netten Schweizer Diplomatenpärchen. Die beiden laden uns zu einem Happen ein. Thomas ist nicht ganz bis hierher von dem Mann gebracht worden, da es nicht auf seinem Weg gelegen hat. Als der Mann dann eine andere Richtung einschlagen musste hat er einfach das Auto hinter ihm angehalten und Thomas da hinein verfrachtet.

Heute kommen wir in einer einfachen Herberge beim Pfarrhaus unter. Es gibt hier keine Betten sondern es gibt hier halt Matratzen welche man einfach auf den Boden legt. Ist eigentlich genau so bequem wie ein Bett. Gegen Abend kommt ein beeindruckend großer Franzose mit einem beeindruckend großen Rucksack in die Herberge. Ich unterhalte mich etwas mit ihm. Er ist etwa so alt wie ich, heißt Sebastien und kommt aus Le Mans. Er ist in Le Puy gestartet und möchte bis nach Santiago gehen. Beim Abendessen sitzen dann alle Pilger gemütlich zusammen. Ich und Thomas kochen uns Spaghetti mit Gemüse. Während ich dann esse, schaut Sebastien, zu meiner Verwunderung immer wieder zu mir herüber. Was hat er denn nur. Später hat er mir dann erklärt warum. Er konnte es einfach nicht fassen was für eine große Menge ich verspeist habe. Doch später auf seiner Pilgerreise sollte er genau soviel essen. Das abends mit den anderen Pilgern Zusammensitzen und sich zu Unterhalten gehört zu den schönen Dingen des Pilgerns.

Thomas beschließt seine Pilgerreise abzubrechen. Er möchte wegen seiner Fußbeschwerden wieder nach Hause fahren. Am nächsten Tag fragt mich Sebastien ob wir gemeinsam den Weg gehen wollen. Natürlich bin ich damit einverstanden. Es geht etwas später los da Sebastien noch seine Wäsche waschen muss. Thomas begleitet uns noch ein Stück. Gleich am Anfang unseres Weges sehen wir unmittelbar vor uns den Anfang eines Regensbogens. Ich dachte immer, dass man den niemals zu Gesicht bekommen kann. Kurz darauf verlässt uns Thomas in Richtung Bushaltestelle. Nun bin ich also mit meinem neuen Begleiter Sebastien unterwegs. Er hat eine Auszeit von seinem Beruf als Hotelrezeptionist genommen um genug Zeit für seine Pilgerreise zu haben. Er besitzt einen kleinen Wanderstock. Hierzu hat er die Putzbürste seiner Mutter zweckentfremdet und kurzerhand als Wanderstock umfunktioniert. Er erinnert mich mit dem Stock an einen Broadwaytänzer der 50er welche mit einem ähnlichen Stock und Zylinder getanzt haben und den Stock ab und an in die Luft geworfen haben um ihn dann wieder aufzufangen. Mein französischer Freund isst sehr gerne Sauerkraut (Chucrut) und Linsen was eine Spezialität der Gegend hier ist. Von daher hat er immer eine große Dose Linsen (Lentilles) und Sauerkraut in seinem Rucksack. Den zusätzlichen Ballast begründet er damit: "I feel save if I have Chucrut and Lentilles with me". Ein lustiger Kerl aber auch durchaus Intelligent und der auch nicht nur wegen seiner großen Statur Respekt einflößend sein kann. Mit Proviant habe ich meinen Rucksack immer noch nicht wesentlich unter die 20 kg Marke geschraubt. Sein Rucksack ist nur ein wenig leichter. Ein älterer Pilger hat einmal unsere Rucksäcke hochgehoben. Sebastiens Rucksack hat er mit einem oh mit Mühe eine wenig hochgehoben meinen konnte er erst gar nicht hochheben sondern konnte nur ein oh, oh, oh ausstoßen.

Die Strecke heute führt durch eine ziemlich karge Gegend. Es gibt hier viele Weiden auf denen die berühmten Aubracrinder grasen. Es sind schöne Tiere. Statt Weidezäunen halten hier Steinhäufen rings um die Weiden die Tiere vom flüchten ab. Unterwegs kommt uns noch ein französisches Paar entgegen welches uns freundlich grüßt. Zu unserer Verwunderung sagt der Mann noch "A Demain". Sie gehen doch in die andere Richtung wie können wir ihnen da morgen wieder begegnen?  Als Unterkunft dient uns heute eine Gite in welcher wir in dem großen Schlafraum die einzigen sind. Sebastien möchte in einer Bar in dem Ort einen Stempel abholen. Der Wirt will ihm zuerst keinen geben. Sebastien wird darauf ziemlich sauer und sagt dem Wirt ein paar deutlich Worte, so dass er uns dann doch einen Stempel gibt. Sebastien hat halt doch etwas ziemlich Respekt einflössendes.

Am nächsten Tag steht wieder eine etwas längere Etappe an. Tatsächlich begegnet uns das Paar von gestern wieder und der Mann sagt wieder "A Demain". Diesmal frage ich wie denn das sein kann das wir ihnen wieder begegnen. Um die Antwort zu verstehen genügt mein französisch nicht. Doch Sebastien übersetzt es mir. Sie sind mit einem Auto und einem Wohnmobil unterwegs. Mit dem Wohnmobil fahren sie morgens jeweils eine Etappe weiter in die richtige Richtung und gehen dann in entgegen gesetzter Richtung zu ihrem Auto und fahren dann abends mit ihrem Auto zum Wohnmobil. Ziemlich schlau ausgetüftelt. Sie sparen so vier Fahrten.

In der Ortschaft wo wir zu Mittag essen wollen hat der Laden schon geschlossen. Wir haben aber keine Vorräte mehr. Zum Glück können wir die Ladenbesitzerin noch dazu überreden uns 2 Dosen Linsen zu verkaufen. Von 2 Touristen bekommen wir noch netterweise 2 Dosen Thunfisch geschenkt. Die Kombination aus Linsen und Thunfisch schmeckt gar nicht so schlecht und macht zudem satt. Wir verlassen heute das Zentralmassiv. Es geht bis auf 400 Höhenmeter runter. Ich werde das wunderschöne Zentralmassiv schon etwas vermissen. Unterwegs besorgen wir Sebastien noch einen vernünftigen Stock und werfen seinen Tanzstock in die Büsche. Einige Kilometer vor dem Etappenziel begegnet uns noch eine Amerikanische Pilgerin, welche so um die 50 Jahre alt ist.  Sie ist etwas besorgt darüber, dass sie sich verlaufen haben könnte. So gehen wir dann zusammen weiter. Die Amerikanerin ist schon zum wiederholten male auf dem Jakobsweg unterwegs. Immer zwischen Le Puy und St. J. P.P. Der spanische Weg gefällt ihr nicht so daher ist sie immer in Frankreich unterwegs. Kurz vor dem Etappenziel treffen wir noch Ivan, welchen ich bereits in Le Puy bei dem Pilgertreffen kennen gelernt habe. Die Amerikanerin hat bereits den Weg zu ihrem Hotel eingeschlagen. Gemeinsam mit Ivan gehen wir zur Gite. Sie haben dort aber nur noch einen Platz. Wir überlassen Ivan den Vortritt. Wir sind etwas angekratzt, dass wir nach einer so langen Etappe auf eine volle Unterkunft treffen. Doch andere Pilger verweisen uns auf ein Kloster. Und tatsächlich ist dort noch Platz frei. Wir müssen von Glück sprechen das die Gite voll war. Was wir hier vorfinden kann mit einem 5 Sterne Hotel fast mithalten. Wir bekommen ein schönes Doppelzimmer mit Bad und WC. Ein leckeres Abendessen mit Nachschlag gibt es außerdem auch noch. Und das alles auf Spendenbasis. Man kann also geben soviel man will. Die ist in Frankreich und Spanien vor allem in religiösen Einrichtungen üblich.

Heute ist eine relativ kurze Etappe eingeplant, sprich knappe 20 Kilometer. Wir bewegen uns nun größtenteils auf einer Höhe von unter 400 Höhenmetern. Unsere Wanderung beginnt morgens immer mit dem gleichen Ritual Sebastiens. Der erste Schluck Wasser aus seinem Trinksystem wird ausgespuckt, zwecks Keime. Wir haben Glück das wir das Zentralmassiv inzwischen verlassen haben. Es soll eisig kalt da oben sein mit Schnee- und Graupelschauern. Bisher hatte ich viel Glück mit dem Wetter in Frankreich wenn es geregnet hat dann nur nachts.

Heute kommen wir wieder in einer Art von Kloster in Estaing unter. Estaing ist ein Dorf mit um die 600 Einwohnern, indem sich eine Mächtige Burg befindet und zählt zu den schönsten Dörfern in Frankreich. Das Abendessen schmeckt ganz OK. Nur ist es etwas wenig. Es ist zwar noch einiges übrig doch die Frau der Herberge scheint das Essen zurückzuhalten. Sie meint wohl, dass wir genug gegessen haben. Ein Pilger braucht durch das Wandern eigentlich mehr Energie. Von daher ist es nicht notwendig, dass er fastet. Die Frau scheint das nicht einzusehen. Was positiv zu vermerken ist, hier wird den Pilgern die bis nach Santiago gehen wollen die Wäsche gewaschen. Sebastien sagt zwar nichts, aber er ist ziemlich sauer darüber und spendet deshalb auch weniger für die Unterkunft. Der Abwasch erfolgt gemeinsam. Wobei ein Pilger  aus dem Elsass, ein sehr lustiger Kerl, das spülen übernimmt und die anderen abtrocknen. Jedes Mal wenn er mir ein Geschirrteil zum abtrocknen gibt bedanke ich mich "merci" worauf er immer "de rien" antwortet.  Es wird dann noch eine Art von Wortgottesdienst mit den Pilgern gefeiert. Es erscheint mir hier alles als überfromm.

Die Nacht haben wir in einem Schlafsaal mit anderen Pilgern zusammen verbracht. Es war wohl ein ziemliches geschnarche. Doch ich konnte trotzdem gut schlafen.

Nach dem Aufwachen frage ich den Elsässer auf französisch ob er gut geschlafen hat in etwas so: "Tu bien dormir"? Er verbessert mich es heißt richtig: "Vous avez bien dormie"? Als dann sein kanadischer Freund aus Quebec aufwacht muss ich gleich meine neu erworbenen Französischkenntnisse an ihm ausprobieren: "Vous avez bien dormie"? Er muss Lachen. Der Pilgerstock des Elsässers ist auch erwähnenswert. Er ist so krumm, dass er in etwa aussieht wie eine Sichel. Das passt exakt zu seinem lustigen Charakter.

Da die Herberge an unserem Etappenziel Conques bereits voll ist machen wir schon in der Herberge 10 km vor Conques halt. Ich koche heute Spaghetti mit Sauerkraut. Sowie es eigentlich immer wenn ich koche Spaghetti mit irgendwas gibt. Mein französischer Freund lobt diese Kombination. Es schmeckt ihm ausgezeichnet. Es sind nicht viele Pilger in der Herberge. Die meisten übernachten wohl in Conques. Ich und Sebastien lassen dann den Tag noch schön ausklingen. Wir spielen noch eine Partie Schach. Sebastien gewinnt.

Kurz nach dem aufwachen, hören wir von draußen plötzlich den lauten Schrei einer Frau. Ich schaue aus dem Fenster heraus, um zu schauen ob ihr was zugestoßen ist. Ich erblicke draußen die Frau, einen Mann und einen kleinen Hund. Der Mann ruft nach oben zu mir "pas du problem". Die Frau hat wohl nur eine Art von Frühlingsschrei losgelassen. Sebastien meint daraufhin, dass die beiden meine Geschwister sind, weil ich auch ziemlich oft "pas du problem" sage, was eigentlich grammatikalisch falsch ist.

Nach einigen Kilometern erreichen wir dann Conques. Im Touristenbüro holen wir dort erst einmal einen von den von Sebastien heiß verehrten Stempeln ab. Conques hat kaum 300 Einwohner, es hat dort aber sehr viele Touristen. Die Gemeinde Conques mutet sehr mittelalterlich an. Es gibt hier nur sehr alte Gebäude. Besonders Sehenswert sind hier das Kloster und die prächtige Kirche. In Conques begegnen wir einem kleinen, dicken Franzosen, der an seinem Fahrrad einen riesigen Anhänger hat. Der Anhänger ist etwa so groß wie ein kleiner Autoanhänger. Der Anhänger ist voll geladen mit Allerlei Gegenständen, die man zum Pilgern braucht, oder vor allem nicht braucht. Ich schätze, dass der Anhänger so um die 150 kg wiegt. Er möchte mit dem ganzen Ballast bis nach Santiago pilgern. Das kann man auf dem Jakobsweg auch lernen sich zu beschränken. Immerhin ist es respektabel, dass er diese Last bewegen kann.

Nach Conques folgt dann ein steiler Aufstieg. Hier gebe ich richtig Gas um zu sehen ob Sebastien mithält. Er hält ziemlich gut mit. Unterwegs begegnen uns der Mann und die Frau mit dem Hündchen dann noch einmal. Sie kommen uns entgegen, weil sie glauben, dass sie falsch gegangen sind, was aber nicht der Fall ist. So gehen wir ein Stück mit den Dreien. Der Mann und die Frau sind ein Paar und kommen aus Süddeutschland. Sie haben einen ganz kleinen Hund dabei den sie ab und zu tragen. Sebastien zu liebe unterhalten wir uns hauptsächlich auf französisch miteinander.

Die heutige Herberge wird von einem Mann namens Serge geführt, der bereits unglaubliche 8000 Kilometer auf dem Jakobsweg zurückgelegt hat. Er ist eine Art von Aussteiger, der wenn ich es richtig verstanden habe nach bestimmten Ordensregeln lebt. Er hat also die 8000 Kilometer ohne Geld zurückgelegt. Er hat von dem gelebt was ihm die Leute gegeben haben. Oft musste er auch bei Kälte draußen übernachten. Serge ist Ende Dreißig. Und dieses harte Leben hat bei ihm schon seine Spuren hinterlassen. Aufgrund einer Mangelernährung hat er etliche Zähne verloren. In Lourdes hat er dann jedoch wieder neue Zähne bekommen. Er hat jetzt jedoch genug vom Jakobsweg und möchte als nächstes mit einem Esel nach Medjugorje pilgern.                                              Ich habe heute sogar in dem Supermarkt Spätzle bekommen, was es in Frankreich eher selten zum kaufen gibt. Da Sebastien so gerne Linsen  ist habe ich ihm erzählt, dass wir Schwaben gerne Linsen mit Spätzle essen und dass ich das mal gerne für ihn kochen würde. Tatsächlich wurde mir dieser Wunsch dann doch ziemlich schnell erfüllt. Nach dem wir dann Linsen mit Spätzle gegessen haben meint Sebastien zu meiner Enttäuschung, dass er Spaghetti lieber als Spätzle mag. Na ja er ist halt auch kein Schwabe.                                                                                                                                               Als ich nach einem Toilettengang in der Nacht wieder zurück zu meinem Zimmer will geht die Tür plötzlich nicht mehr auf. Ich versuche einige Male die Tür zu öffnen doch es geht nicht. Plötzlich ertönt eine ängstliche Frauenstimme von drinnen und fragt mich was ich will. Ich habe mich an der Tür geirrt. Da mir die Sache ziemlich peinlich ist, schleiche ich mich ohne ein Wort zu sagen davon.

Heute ist wieder eine etwas längere Strecke von knapp über 30 Kilometern angesagt mit gar nicht so wenigen Höhenmetern natürlich aber nicht vergleichbar mit dem Zentralmassiv. Sebastien legt ein enormes Tempo vor manchmal habe ich schon etwas Mühe ihm zu folgen. Ich bevorzuge doch ein eher gemächliches Tempo. Lieber gehe ich langsamer und bin dann etwas länger unterwegs. So werden auch die Beine und Füße mehr geschont.

Sebastien erzählt mir von einem Mädchen, eine Holländerin, das zu Hause gestartet ist. Sie soll ziemlich hübsch sein. Andere Pilger haben ihm von ihr erzählt. Er meint es wäre schön sie einzuholen, aber es ist vielleicht nur ein Traum.

Irgendwann gegen Abend muss ich dann wohl meine Jakobsmuschel, welche ich von dem Mönch geschenkt bekommen habe, beim Kleidung wechseln verloren haben. Erst wenig Tage vorher habe ich zu Sebastien gesagt wie viel mir an der Muschel liegt und ich womöglich ohne diesen Glücksbringer mein Ziel Santiago nicht erreichen werde. Mir ist es nun schon etwas mulmig zumute. Werde ich jetzt vom Pech verfolgt werden?

Als wir in der Herberge ankommen erzählt uns die Frau, die die Herberge betreut, dass ein junger Schweizer bei ihnen übernachtet. Er habe heute einen Ruhetag gemacht, da er ziemlich müde und etwas krank sei. Ich komme überhaupt nicht darauf wer das wohl sein könnte. Als wir dann in unseren Schlafsaal gehen erblicke ich dann David. Mit ihm hätte ich überhaupt nicht gerechnet. Dann hab ich ihn nun also wieder eingeholt. David meint als er Sebastien gesehen hat habe er gedacht jetzt kommt Rambo und ihm geht es jetzt an den Kragen. Später fragt mich dann David wo ich den denn ihn aufgegabelt hätte. Er möchte nicht so gern mit Sebastien wandern da er zu gut aussieht und ihm womöglich die ganzen Frauen wegnimmt. Ein wichtiger Punkt für David für den Jakobsweg waren Liebesabenteuer. Er hat sich so vorgestellt, dass er dort ziemlich viele Frauengeschichten hat doch bisher war dahingehend bei ihm überhaupt nichts dergleichen. Aber ich bin mir sicher es gefällt ihm trotzdem auf dem Jakobsweg. Man erlebt so viele schöne Dinge dort auch ohne Liebesabenteuer. Die Frau von der Herberge erzählt uns auch von Walter einem 81 jährigen Pilger. Er ist am Anfang ziemlich große Strecken gegangen. Die Frau war deshalb so besorgt um ihn, dass sie gesagt hat er soll doch noch einen Tag dort bleiben er müsse dann auch nichts für die Unterkunft bezahlen. Entgegen seiner Ankündigung möchte Sebastien nun doch keinen Ruhetag machen und mit uns morgen weitergehen. Ich wollte keinen Ruhetag machen, da ich mit Thomas nicht sonderlich viel gewandert bin.

David erzählt mir noch von seinen Erlebnissen die er in der Zeit ohne mich hatte. Als er sein Geschäft im Wald verrichtete ist ein Teil von seinem Geschäft, da er zu wenig Rücklage hatte, auf seine Unterhose geraten und aus Schreck ist dann auch noch der Pinkelstrahl auf die Unterhose geraten. Ich erkläre ihm damit so etwas nicht mehr passiert solle er sich, dass er genug Rücklage bekommt, beim nächsten Mal an einem Baum festhalten.  So mache ich es immer. Außerdem berichtet er mir noch von einem Kampf mit einer Katze. Die Katze hat mit ihm um sein Brot gekämpft. Es ist ihr tatsächlich gelungen ihm sein Brot wegzunehmen und es aufzuessen. Schließlich hat er dann Wasser über sie gegossen und sie ist dann abgehauen. Er kommentiert die Geschichte: " Letztendlich hat dann doch Intelligenz gegen Kraft gesiegt". Mir fällt zu seinen Erzählungen nur das Wort "Greenhorn" ein.

  1.   Figeac - Auvillar (2 Juni - 9 Juni)

Es geht nun also zu dritt weiter. Der Weg führt heut über Feldwege und kleine Asphaltstraßen. Hochweiden und mehr Schafe als Bäume bestimmen die Landschaft. Die Gegend bleibt wie durch ganz Frankreich sehr ländlich und auch sehr schön.

Als wir dann in der Herberge zusammen mit anderen Pilgern auf die Mitarbeiterin warten, fällt mir eine Pilgerin ganz besonders auf. Ich denke mir die ganze Zeit wer ist denn  nur dieses hübsche Mädchen. Die Antwort kommt sogleich. Ivan, der sich auch unter den Pilgern befindet weist auf sie und sagt dass sie auch aus Deutschland kommt. Ich spreche sie dann an und sie kommt zu mir herüber um sich mit mir zu unterhalten. Sie ist ebenfalls in Deutschland gestartet, genauer gesagt in Freiburg, der Stadt in der meine Freundin wohnt. Gerade einmal 23 Jahre ist sie alt und ganz alleine unterwegs. In der Schweiz hat sie hauptsächlich in Pfarrhäusern und privat übernachtet. Wenn sie kein Pfarrhaus dort gefunden hat, hat sie die Leute immer gefragt wo sie denn übernachten könnte, sie bräuchte auch nur ein Dach über dem Kopf, mit dem Hintergedanken, dass die Leute sie zu sich einladen. Es hat auch auf diese Weise immer ganz gut funktioniert und sie hat immer eine Übernachtungsmöglichkeit gefunden. Ich bin beeindruck, dass man sich als junge, hübsche Frau dieser Gefahr des Alleingehens stellt. Vielleicht ist es auch etwas zu leichtsinnige. Sie erzählt mir, dass sie anfangs gar nicht daran gedacht hätte, dass es gefährlich sein könnte. Aber in der Schweiz hat ihr tatsächlich ein Radfahrer nachgestellt. Den sie aber abgeschüttelt hat indem sie sich ein Stück mit dem Auto fahren ließ. Es ist genau das Mädchen von dem mir Sebastien erzählt hat. Ich habe ihn nur falsch verstanden, was die Holländerin betrifft. Ich habe dutch verstanden, er hat aber deutsche gemeint.  So schnell haben wir sie also eingeholt. Außerdem lerne ich hier noch den 81 Jährigen Walter kennen. Vor wenigen Jahren ist er bereits mit seinem Sohn von SJPP nach Santiago gegangen. Nachdem er sich letztes Jahr schon versucht hat von Le Puy nach SJPP zu gehen, aber sich ständig übelst verlaufen hat, versucht er es dieses Jahr noch einmal. Bisher kommt er ganz gut zurecht.

Da die Herberge aber schon voll ist kommen wir auf dem nahe gelegenen Campingplatz unter. Wir haben hier ein Wohnzelt mit Herd zur Verfügung. David bringt Sebastien etwas Deutsch bei. Und zwar folgenden Satz: "Ich habe gepupst". Von Sebastien: "Isch abe gebuzzzt" ausgesprochen wobei er das st besonders zu betonen versucht. Das ist ja mal wieder klar einen vernünftigen Satz kann ihm David nicht beibringen. Jedenfalls müssen wir über die Aussprache des Franzosen lachen. Zu dritt ist es schon irgendwie lustiger als zu zweit.

Der nächste Tag beginnt schon wieder mit einem saudummen Gespräch: "Guys what shall we do today"?  "What about walking?" "What a great idea". "You know walking putting one feet after the other". "That doesn´t sound too difficult". Neben sinnlosen Gesprächen singen wir außerdem während dem Wandern Lieder - wie folgendes Kinderlied:

Un kilomètre à pied ça use, ça use,

Un kilomètre à pied ça use les souliers.

Deux kilomètres à pied ça use, ça use,

Deux kilomètres à pied ça use les souliers… etc.

Am Abend in der Gite treffen wir wieder auf Walter und Nina. Außerdem lernen wir dort auch Fabian kennen. Er ist in München gestartet und möchte bis nach Santiago wandern. Er muss zu einem bestimmten Termin wieder zurück in Deutschland sein. Er geht täglich um die 40 Kilometer. Wir kochen heute wieder Spagetti mit einer Soße. Wir essen es mit Nina zusammen. Obwohl ich für uns vier ein Kilo Spagetti gekocht habe, ist das Mahl ruck zuck verspeist und ich habe sogar den Eindruck  eher wenig gegessen zu haben. Nina isst zu meiner Überraschung fast genau soviel wie wir. Pilgern macht hungrig. Meine Freundin kündigt mir an, dass sie mich bald in Frankreich besuchen will.

Mit ungefähr 33 Kilometern ist heute wieder eine längere Etappe angesagt. Wir sind alle drei mit großen selbst gefundenen Pilgerstöcken unterwegs. Da die anderen beiden ständig ihren Stock vergessen ereignet sich immer wieder folgender Dialog: Ich: "Do you have everything"? Andere: "Yes"". Ich : "Are you sure"? Andere:"Yes". Ich: "What about your stick"? Andere: "Oh yes". Es kommt auch öfters vor, dass wenn der Weg abzweigt die anderen einfach geradeaus weitergehen. Worauf ich ihnen immer zurufe: " Where do you want to go? Don´t you want to go to Santiago?".

Am Abend treffen wir dann in Cahors eine, wo wir in der Jugendherberge nächtigen.  Als wir die mittelalterliche Brücke von Cahors erblicken sagen wir zum Spaß, dass wir jetzt an unserem Ziel Santiago angekommen sind, da auf dem Titelbild unseres Reisführers die Brücke abgebildet ist. Walter und Nina sind auch schon in der Jugendherberge. Der nächste Tag soll ein Ruhetag sein. Wir essen heute wieder zusammen mit Nina zu Abend. Fabian sitzt auch mit uns am Tisch. Sebastien verkündet uns stolz, dass er jetzt auch deutsch kann. Er sagt wieder den Satz den er von David gelernt hat: "Isch abe gebuzzzt". Ich lobe ihn, dass er das sehr gut gesagt hat ohne Akzent. Ich und David wir können nicht mehr vor lachen. Wir lachen Tränen. Der arme Sebastien muss von uns schon was einstecken. Die anderen verstehen nicht ganz warum wir so lachen müssen. Aber das ist egal.

Am nächsten Tag können wir endlich mal wieder ausschlafen. Cahors ist die größte Stadt die wir in Frankreich auf dem Jakobsweg durchqueren. Trotzdem ist sie mit 20000 Einwohnern nicht sonderlich groß. Cahors ist durchaus sehenswert. Vor allem wie bereits erwähnt die Brücke Pont Valentré mit ihren drei befestigten Türmen, den sechs Bögen und den mit spitzen Bastionen  bewehrten Pfeilern. Außerdem ist die Kathedrale Saint-Étienne ganz interessant.

In einem Sportgeschäft besorgen wir uns noch einige Dinge. Unter anderem tausche ich meine Jeanshose, welche ich nach Hause schicke, gegen eine wesentlich leichtere Sporthose ein. Wir treffen auch wieder den Franzosen mit dem riesigen Fahrradanhänger. Er kauft sich wieder einige Dinge. Unglaublich sein Anhänger ist ihm wohl noch nicht schwer genug. Irgendwie fehlt mir heute das Wandern. Ich bin schon fast etwas depressiv deswegen. Sebastien der wie David mit Beginn des Jakobsweges das Rauchen aufgegeben hat, hat heute auch wegen des Ruhetages ständig das Bedürfnis nach Rauchen.

Bereits vor 6 Uhr weckt uns David mit seinem lauten Schnäuzen. Andere Pilger klopfen gegen die Wand weil sie ebenfalls von dem Schnäuzen aufgewacht. Beim Frühstück berichtet ein französisches Paar David, dass jemand schon ganz früh sie mit lautem Schnäuzen aufgeweckt hat. David tut völlig ahnungslos und antwortet ihnen, als ob er es fast nicht glauben könnte, dass jemand so etwas macht, mit einem: "Ah oui, ah oui".

Heute starten wir zu fünft. Außer mir David und Sebastien sind heute außerdem noch Nina und Francoise bei unserer Gruppe. Francoise ist ein 18 jähriger Francokanadier aus Montreal. Er ist in Le Puy gestartet und möchte bis nach Santiago gehen. Ich finde es schon beeindruckend, dass man in so jungen Jahren sich schon wagt alleine so eine Reise zu machen. Wenn ich an meine erste Reise alleine mit dem Fahrrad durch Frankreich denke mit 19 Jahren. Ich hatte schon nach 10 Tagen dermaßen Heimweh. Er ist ein sympathischer, intelligenter Bursche. Er möchte in Pamplona gerne bei dem Stiertreiben mitmachen. Wo Stiere hinter rennenden Menschen hinterher gejagt werden. Wir machen mittags immer eine längere Siesta. Nach dem Mittagsmahl legen wir uns immer noch eine Weile auf unseren Isomatten in den Schatten. Nina geht das zu lange, sie verlässt uns deshalb wieder. Sebastien eilt uns heute voraus. An Büschen hinterlässt er uns immer wieder Zettelchen. Mit Sprüchen wie zum Beispiel seinem Standardspruch: "It´s not finished yet guys". Als wir drei dann, nach einer wieder etwas längeren Etappe, in der heutigen Gite ankommen sind Nina und Sebastien längst dort.  

Für den nächsten Tag ist eine ziemlich lange Etappe geplant. Heute starten wir wieder zu fünft mit der gleichen Gruppe wie gestern. David entledigt sich erst einmal seines Pilgerstockes, da er Wegen dem Stock Schmerzen in der Schulter hat.  Er wirft ihn wütend ins Gebüsch. Ich musste mich meines Stockes auch entledigen da er um über einen halben Meter kürzer geworden ist. Ich stütze mich wohl mit zuviel Kraft ab. Ich habe es dann noch mit einem Bambusstock versucht doch der ist innerhalb weniger Stunden um einen halben Meter kürzer geworden. Nach den schlechten Erfahrungen mit Bambus bin ich nun auch wieder ohne Pilgerstock unterwegs. In einer Pause gibt Nina gibt uns allen etwas von ihrer Wurst ab. Sie schmeckt so schlecht, dass ich sie sofort wieder ausspucken muss. Ich entschuldige mich bei ihr dafür. Unglaublich sie hat bereits über die Hälfte der Wurst gegessen. Gegen Mittag verlässt uns Nina dann. Sie will die lange Etappe nicht mitmachen. Ich versuche sie noch dazu zu überreden mit uns weiterzugehen mit dem Argument wer denn nun für uns kocht und putzt.  Aber es hilft nichts so verabschieden wir uns dann also wieder von Nina.

Dann sind wir Männer jetzt wieder unter uns. Immer wieder geht es Hügel hinauf und hinunter und dabei über etliche Bäche hinweg. Es ist heute ziemlich heiß und die Strecke ist ziemlich beschwerlich. Als ich dann einige Kilometer vor dem Etappenziel Moissac meine Schuhe ausziehe sind meine Füße vom Schwitzen völlig aufgeweicht. Das verheißt nichts Gutes. Meine Füße schmerzen so sehr, dass die letzten Kilometer für mich zur Qual werden. Sebastien lässt sich nichts anmerken. Er eilt nach wie vor voraus. Ich und Francoise wir quälen uns nur mit Mühe hinterher. Als wir dann endlich in der Herberge angekommen sind findet in unserem Zimmer ein einziges Gejammere statt, vor allem meinerseits. Wir haben uns heute wohl doch mit knapp 40 Kilometern etwas zuviel vorgenommen. Ich habe mir etliche Blasen an den Füssen zugezogen. Ivan befindet sich auch in der Herberge. Er hat dort einen Ruhetag eingelegt.

Humpelnd geht der Tag bei mir los. Francoise spricht mich darauf an, dass ich humple. Verärgert sage ich ihm, dass alles in Ordnung ist. Ich kann es nicht recht wahrhaben, dass ausgerechnet ich der bisher keine Schwächen gezeigt hat und immer längere Etappen gehen wollte, jetzt so schwächelt. Noch in Moissac treffen wir das Paar aus Süddeutschland mit dem kleinen Hund wieder. Für sie ist die Reise nun zu Ende. Sie sind auf dem Weg zum Bahnhof. Der Mann erzählt uns, dass er zum Schluss mit ziemlichen Fußproblemen zu kämpfen hat und ein Stück mit einem Zaunpfahl als Stock gegangen ist.

Anfangs gehen wir für einige Kilometer auf einem Treidelpfad entlang eines Seitenkanals der Garonne. Zumindest ist er hier schön eben was meinen geschundenen Füssen entgegen kommt. Ich kann mit meinen Kameraden trotzdem nicht mithalten. Es bedeutet für mich eine zusätzliche Qual mit ihnen mithalten zu wollen. Sie gehen immer in einem größeren Abstand vor mir. Jeder Schritt tut mir heute weh. In der ersten Pause verzehren wir die übrig gebliebenen Spaghetti mit Chucrut vom Vortag. Danach sage ich den anderen sie sollen ohne mich weitergehen ich kann heute nicht mit ihnen mithalten. Alleine mit meinem eigenen Tempo und mit vielen Pausen sind die Schmerzen dann erträglich. Nachdem der Tag so schmerzhaft angefangen hat wird er trotzdem noch einigermaßen angenehm und gemütlich.

Nach einer kurzen Etappe von etwa 20 Kilometern auf relativ ebener Strecke ist für mich heute Endstation. Meine Gite befindet sich in Auvillar, welches auf einem Hügel liegt. Von hier oben hat man eine herrliche Aussicht auf die Garonne. In der Gite habe ich zum ersten Mal seit langen ein Zimmer für mich alleine. Das hat auch mal was für sich.  Die anderen machen heute erst 10 Kilometer nach mir halt. Ob ich sie wohl wieder einholen werde? Wahrscheinlich eher nicht so schnell. Es wird wohl schon noch ein paar Tage dauern bis es meinem Fuß wieder gut geht.

  1.   Auvillar - St. Jean Pied Port (10 Juni - 20 Juni)

Komischerweise habe ich heute so gut wie keine Schmerzen mehr an meinen Füßen. Ich komme wieder richtig gut voran. Zu Beginn sehe ich eine tote Schlange auf dem Weg liegen.  Mein Rucksack fühlt sich heute irgendwie so leicht an. Nach einer halben Stunde Stelle ich fest, dass ich einige Kleidungsstücke an der Wäscheleine der Gite hängen ließ. Ich schmeiße meinen Rucksack ins Gebüsch und hole die Sachen. Wieder eine Stunde verschwendet. Trotz des Ärgernisses geht es nach wie vor prächtig voran. Das Marschieren macht heute so richtig Spaß. Neben meine Freunde heute wieder zu sehen, motiviert mich heute zusätzlich im Etappenziel Lectoure das WM Spiel der Deutschen gegen Costa Rica anzuschauen. Da die Orte davor kleiner sind, bin ich mir nicht sicher ob ich dort auch das WM Spiel anschauen kann.

Schließlich komme ich dann tatsächlich gegen Abend in Lectoure an. Als ich in der Herberge eintreffe sind meine Freunde gerade unterwegs. Ich sage zu dem Herbergsvater, dass ich das Spiel Deutschland gegen Costa Rica anschauen möchte. Worauf er mir antwortet: "4 zu 2". Sie haben gestern schon gespielt. David hatte mir versichert, dass sie heute spielen und ich hatte mich fest darauf verlassen das es stimmt. Na ja Hauptsache sie haben gewonnen.

Schließlich gehe ich dann mit meinen Freunden zu einem Gottesdienst in der Kathedrale mit einer Tanzaufführung. David muss wieder schnäuzen, deshalb ist der Gottesdienst für ihn schon gelaufen. Er verlässt die Kathedrale, da sein überlautes Schnäuzen den ganzen Gottesdienst stören würde. Als Abendessen gibt es heute Hähnchenschlegel. Erst wenige Tage vorher habe ich Sebastien gesagt, dass ich das mal gerne wieder essen würde. Man bekommt auf dem Jakobsweg irgendwie viele seiner Wünsche erfüllt. Es findet ein gemeinsames Abendessen mit allen Pilgern der Herberge statt. Jeder stellt sich auf französisch vor und sagt wo er gestartet ist und bis wohin er gehen möchte. Sebastien lobt mich für mein Französisch. Ein Pilger sagt mir irgendetwas lustiges auf französisch. Da ich es nicht verstanden habe soll David es für mich übersetzen. Er hat jedoch auch nichts verstanden also sagt er mir, dass er es auch nicht kapiert hat ich solle einfach lachen. Ich bin froh, dass ich meine Kameraden wieder eingeholt habe. Meine Kameraden finden das auch. Von der Herbergsmutter bekomme ich außerdem noch eine Behandlung meiner Füße, obgleich es ihnen wieder relativ gut geht. Sie zog die restliche Flüssigkeit der Blasen an den Füßen mit einer Spritze heraus und desinfizierte sie. Jetzt kann ja für morgen nichts mehr schief gehen.

Es geht nun also wieder zu viert weiter. Meine Fußprobleme sind so gut wie verschwunden. Unser Etappenziel heute ist Condom. Wir kommen in einer schönen Gite unter. Die Gite war einmal ein Brennhaus. Der Schlafsaal befindet sich in einem sehr großen vor allem hohen Raum. Wie üblich koche ich heute wieder das Abendessen für uns. Komischerweise obwohl ein Koch unter uns ist bin ich meistens derjenige der kocht.

Für den letzten Monat hatte ich vor allem durch die Gespräche mit meiner Freundin eine Handyrechnung von über 200 Euro. Deshalb rufe ich sie heute von einer Telefonzelle aus an. Obwohl sie sonst eigentlich immer viel redet, will sie heute gar nicht so richtig mit mir reden. Irgendwas stimmt da nicht. Vielleicht ist ihr die Zeit der Trennung zu lange. Und davon, dass sie mich besuchen will ist von ihr auch keine Rede mehr.

Zur Abwechslung eilt heute David uns allen voraus. Gestern hat er noch über Probleme geklagt und heute legt er so ein Tempo vor. Keine Ahnung was in ihn gefahren ist. Sebastien bezeichnet ihn als Simulant. Es gibt heute nur wenige Möglichkeiten seine Wasserflasche nachzufüllen. Wir fragen deshalb eine Frau die ziemlich abgelegen wohnt nach Wasser. Sie erzählt uns, dass sie ständig Pilgern ihre Wasserflasche auffüllt. Aber das sagt sie irgendwie in einer vergnügten Art und Weise. Es scheint ihr nichts auszumachen. Gestern sind wir auch an so einem abgelegenen Haus vorbeigekommen welches auch auf einer großen Strecke die einzige Möglichkeit ist nach Wasser zu fragen. Dort war ein Wasserhahn direkt vor dem Gartentor. Die ließen den Hahn dort sicher installieren, so dass sie nicht ständig Pilgern Wasser bringen müssen. Sebastien hat mir erzählt, dass wenn man an einem Haus in Frankreich jemand nach Wasser fragt ist derjenige gesetzlich verpflichtet einem Wasser zu bringen. Ansonsten kann man ihn bei der Polizei anzeigen.

Als wir dann an unserem Etappenziel Eauze ankommen wartet David dort bereits auf uns. Er berichtet uns, dass alle Gites schon voll sind. Er hat uns jedoch etwas außerhalb eine Übernachtungsmöglichkeit organisiert. Ein Mann holt uns dann schließlich mit dem Auto ab. Zu fünft pferchen wir uns dann in das Auto hinein. Als wir dann fahren meint Sebastien es ist so schnell. Er hat recht Autofahren kommt einem jetzt tatsächlich sehr schnell vor. Ich weiß schon gar nicht mehr wann ich das letzte Mal Autogefahren bin. Wir sind jetzt nun mal dieses 4km/h Wandertempo gewöhnt. Was uns als Herberge erwartet übertrifft alle Erwartungen. Es ist ein Wunderschönes Uraltes Haus das ganz verlassen irgendwo in der Landschaft steht. Die Frau dort ist Engländerin. Als die beiden das Haus gekauft haben war es schon ziemlich verfallen. Aber sie haben es ausgesprochen schön und liebevoll hergerichtet. Sie haben außerdem einen riesigen Garten. Mit einer großen Wiese und riesigen, uralten Eichen. Ich bekomme sogar ein Zimmer für mich alleine. Die Frau meditiert hier gerne, da das Zimmer eine ganz besondere Atmosphäre hat. Die anderen schauen mich ganz verwundert an, als ich sage dass ich auch ab und zu meditiere. In so einem schönen Haus da kann man ja nur gut schlafen. Wir bekommen hier keinen Stempel für unseren Pilgerpass, sondern die Frau malt uns ein Bildchen ihres Hauses in den Pass.

Am nächsten Tag werden wir dann wieder mit dem Auto abgesetzt. Aber wir werden nicht ganz bis nach Eauze gefahren sondern dazwischen irgendwo raus gelassen. Es führt von dort ein Weg zum Jakobsweg. Wir sparen so eine kurze Strecke. Sebastien eilt uns wieder voraus. Wir gehen ihm blindlings hinterher und verlaufen uns. Die Strecke wo wir gespart hätten haben wir nun wieder egalisiert. Plötzlich sehen wir unter einem Baum einen Hirschkäfer. Es ist der erste Hirschkäfer welchen ich in natura sehe. Ich stupse den Hirschkäfer leicht mit einem Stöckchen an. Dann passiert etwas mit dem ich nicht gerechnet hätte. Der Hirschkäfer fliegt senkrecht wie ein Hubschrauber nach oben. Hierbei steht der Körper nicht wie man es von anderen Insekten kennt waagrecht in der Luft sondern senkrecht. Seine Flügel machen hierbei ein relativ lautes Geräusch. Ich hätte nicht gedacht, dass diese schweren Insekten fliegen können. Das ist der Vorteil vom Wandern man sieht alles was sich in der Nähe vom Weg befindet. Ich hatte jetzt schon mehrere Interessante Begegnungen mit der Tierwelt auf dem Jakobsweg. Man sieht Dinge die man sonst nie sieht. Ich erinnere mich auch noch als mich in der Schweiz aus einem Fuchsbau unter einem alten Baum am Wegesrand kleine Fuchsaugen angestarrt haben. So gesehen war es ganz gut, dass wir uns verlaufen haben ansonsten hätten wir den Hirschkäfer gar nicht gesehen.

Nach einer kurzen Etappe von gerade mal 20 Kilometern erreichen wir schon ziemlich früh unser Etappenziel. Ein Pilger erleidet beim Duschen in unserer Herberge einen Kreislaufkollaps und wird mit dem Krankenwagen abgeholt. Es ist ein Mann bei dem ein Arm fast vollständig gelähmt ist. Wir treffen ihn seit Lectoure immer wieder. Walter ist auch in der gleichen Herberge. Zitat von Walter: "Ja ja ihr Jungen ihr lauft mir nicht davon". Es ist schon Beeindruckend seit nun schon 10 Tagen hält er mit uns mit und das mit 81 Jahren. Sebastien hat heute Geburtstag. Er wird 30. Sebastien und Francoise sind heute gemeinsam auf einem Zimmer und ich und David in einem anderen. David fragt mich wohin wir unsere stinkenden Schuhe hintun sollen. Dabei kommt ihm die Idee im Zimmer der beiden Franzosen (Sebastien und Francoise). Wir müssen beide lachen bei dem Gedanken. Jedenfalls stellen wir dann unsere Schuhe unbemerkt unter das Bett der beiden. Heute spielt Frankreich gegen die Schweiz. Es geht 0 zu 0 aus. Sebastien ist ziemlich sauer über dieses magere Ergebniss: „That was nothing of nothing“.

Als erstes spazieren wir am nächsten Tag ins Zimmer von Francoise und Sebastien während sie ihre Sachen zusammenpacken und holen unsere Wanderschuhe unter ihren Betten hervor. Sebastien ist ziemlich verärgert darüber. Er fragt uns warum wir das gemacht haben. Vielleicht sind wir mit unseren Scherz etwas zu weit gegangen.

Die Strecke heute ist wieder ziemlich flach und auch nicht zu weit. Der Pilger welcher gestern ins Krankenhaus eingeliefert wurde ist jetzt auch wieder unterwegs. Er hatte nur zu wenig gegessen gehabt. Walter stolpert unterwegs und stürzt dabei auf die Nase. Er trägt einen leichten Kratzer an der Nase davon ansonsten geht es ihm relativ gut. Wir begleiten ihn dann noch zur Herberge. Am Abend schauen wir uns noch das Spiel Deutschland gegen Polen in einer Bar an. 1:0 für Deutschland! Ich bin begeistert von dem Spiel.

Am nächsten Morgen bevor wir losgehen verkündet uns Walter, dass er aufgibt und mit dem nächsten Zug nach Hause fährt. Er hat Hitzebläschen an den Beinen und außerdem das zeigt auch sein Sturz gestern ist er ziemlich erschöpft. Nur fünf Tagesetappen vor seinem angestrebten Ziel muss er aufgeben. Schon ein bisschen schade. Auf jeden Fall ist es sehr respektabel, dass er in seinem hohen Alter überhaupt soweit gekommen ist. Er gibt uns noch seine Adresse, damit wir ihm eine Karte aus Santiago schicken können.

Als wir dann am Abend in der Herberge ankommen verkündet uns Sebastien zu unser aller Erstaunen, das er einen Tag Pause braucht. Mit der Begründung: "I have to listen to my body". Es hört sich für uns ziemlich harmlos an. Bisher ist er uns ja immer vorausgeeilt und hat nie eine Schwäche gezeigt und wenn dann nur von kleinen Problemen gesprochen. Vielleicht will er auch einfach wieder nur alleine gehen.

Als ich gerade meine Wäsche wasche ertönt es laut und vorwurfsvoll aus der Toilette - es ist Francoise: „Rafael I cannot shit it´s because of your pasta". Am nächsten Tag hat er dann trotzdem wieder Pasta gegessen. So gut wie immer habe ich wenn es eine Kochgelegenheit gab Spaghetti gekocht. Es geht schnell zum Zubereiten und gibt Kraft.

Eine Pilgerin erzählt mir, dass man unter den anderen Pilgern unsere Gruppe "les trois Musquetaire" (die drei Musketiere) nennt.

Als wir am nächsten Tag losgehen wollen hat es draußen erst einmal ein kräftiges Gewitter. Nachdem das Gewitter aufgehört hat verabschieden wir uns von Sebastien. Ich hoffe, dass wir Sebastien manchmal nicht zu sehr mit unseren Scherzen genervt haben. Sebastien ist durchaus lustig und wir haben viel mit ihm und auch über ihn gelacht,  doch ist er der ernsthaftere von uns. Einmal wurde er sogar für einen Priester gehalten. Ganz bestimmt holt er uns wieder ein.

Nun geht es also zu dritt weiter. Jetzt sind wir wirklich nur noch drei Musketiere.  Unterwegs unterhalte ich mich längere Zeit mit einer polnischen Pilgerin so mitte dreißig bis vierzig Jahre alt. Sie ist beruflich ziemlich erfolgreich. Sie ist bereits in Le Puy gestartet und ihr Ziel ist Santiago. Da sie Knieprobleme hatte trägt sie nur einen ganz kleinen Rucksack für Proviant. Den Großteil ihres Gepäckes lässt sie mit Transbagages transportieren. Ich bin überrascht wie gut ich mich mit ihr auf französisch unterhalten kann. Zumal mein französisch für eine gute Konversation normalerweise zu schwach ist.  

Am Abend in der Herberge in Arthez de Bearn begegnen wir einem  Pilger der die Strecke nicht geht sondern rennt. Er hat nun schon einige Hundert Kilometer auf dem Buckel. Er rennt täglich um die 70 Kilometer und hat bisher meist im Zelt übernachtet. Sein Alter beträft so um die 50 Jahre. Man merkt ihm die Anstrengung an. Er macht einen etwas verwirrten Eindruck was sicher von der Überanstrengung kommt. Die anderen Pilger wo mit ihm im Zimmer waren haben berichtet, dass er in der Nacht etliche Male aufgestanden und umhergelaufen ist. Ich weiß nicht was er sich von so einem verrückten Vorhaben erhofft oder welchen Rekord er brechen will. Durch solche Aktionen kann man sich auch seine Gesundheit ruinieren. Das ist eigentlich auch nicht der Sinn des Pilgerns.

Nachdem wir am frühen Morgen Arthez de Bearn verlassen haben wir einen guten Ausblick auf das von den Flüssen Gave de Pau und Gave d´Oloron durchflossene Tal und auf die dahinter liegenden Pyrenäen. Es ist jetzt nicht mehr allzu weit nach Spanien. Wir singen heute Selbstgedichtete Lieder, vor allem auf Englisch. Aber auch das selbst gedichtete Wanderlied:  "Hör auf zu jammern, denn das bringt nix". Ich peitsche David mit einem Grashalm. Er nimmt mir dann den Grashalm weg und steckt ihn an meinen Rucksack. Dies bringt ihn dann auf die Idee allerlei Äste und Blumen an meinen Rucksack zu stecken. Ich mache dann dasselbe mit seinem Rucksack und schließlich muss dann auch Francoise noch dran glauben. So kommt es dann, dass wir uns gegenseitig die Rucksäcke schmücken. Da es zu mühsam wäre immer den Rucksack abzusetzen um das Zeug wegzumachen lassen wir es einfach am Rucksack. Egal ob uns die anderen Pilger für verrückt halten.

Es begegnet uns ein deutsches Ehepaar. Sie versuchen vergeblich einen großen, weißen Hund der ihnen folgt wieder loszuwerden. Doch als wir sie dann überholen folgt der Hund uns und lässt sich auch durch gutes zureden nicht mehr vertreiben. Es handelt sich um einen Pyrenäenhund mit einem weißen, dichten und üppigen Fell. Wir bringen es nicht übers Herz diesen lieben Hund anzuschreien um ihn zu vertreiben. Um ihn loszuwerden gehen wir dann in eine Kirche. Als wir wieder herausgehen ist der Hund tatsächlich weg. Wahrscheinlich begleitet er jetzt wieder andere Pilger.

David hat an seinem Rucksack gut sichtbar eine Packung Riccolabonbons befestigt. Als wir dann an einem Cafe vorbeigehen rufen dann einige junge Leute wie in der Werbung: "Riiiiccoooolaaa". Ich muss darüber lachen. David findet es weniger witzig. Aber er ist ja selber Schuld wenn er aus seinem Schweizer Nationalstolz heraus die Packung extra so gut sichtbar anbringt. Wir kommen heute in einer Gite in Navarrenx unter. Ivan und die polnische Pilgerin, sind auch in der Gite.

Am nächsten morgen sind wir erst kurze Zeit unterwegs, da sagt uns Francoise wir sollen uns mal umdrehen. Oh nein es ist unser Freund der große weiße Hund. Wir mögen ihn ja schon aber wir können ihn beim besten Willen nicht bei unserer Pilgerreise gebrauchen. Wir wollen zwei andere Pilger, zwei ältere Männer ein Deutscher und ein Franzose, die gerade Rast machen fragen was wir denn mit dem Hund machen sollen. Doch als sie den Hund sehen ergreifen sie die Flucht. Sie haben wohl auch bereits Erfahrung mit ihm gemacht. Doch nun folgt der Hund den beiden. Der Franzose bewirft ihn dann aber mit Steinen, so dass der Hund wieder unsere Gesellschaft vorzieht. Mit der Querung des Flusses Le Saison haben wir das Baskenland erreicht. Die Gegend hier ist sehr grün und hügelig mit vielen Wäldern und Wiesen. An einer Stelle des Weges müssen wir durch ein Tor. Das ist unsere Chance den Hund abzuhängen. Wir gehen vor dem Hund durch Tor und schließen es vor ihm. Doch schon nach kurzer Zeit kommt er wieder angerannt er hat einen Weg gefunden um das Tor zu umgehen. Andere Hunde reagieren ziemlich aggressiv auf unseren Begleiter. Doch er reagiert überhaupt nicht darauf und bellt nicht einmal. Einige Meter vom Weg ist ein Ziegenbock an einer Stange angebunden. Der Hund zögert eine schöne Weile obwohl die Ziege angebunden ist an ihr vorüber zulaufen. So ein großer Hund und so ängstlich. Doch schließlich traut er sich dann doch an ihm vorüber zu rennen. Jedenfalls muss jetzt irgendeine Lösung her. Wir müssen den Hund wieder loswerden. Er begleitet uns jetzt schon mehr als den halben Tag und gestern auch schon eine Weile. Schließlich fragen wir bei einer Familie nach ob sie den Hund in Gewahrsam nehmen würden um den Besitzer ausfindig zu machen. Sie sind damit einverstanden. Sie wollen ihn zuerst in einen Raum sperren. Der Hund ist so doof und zutraulich das er direkt in den Raum hineingeht. Dieses Problem wäre gelöst.

Heute möchten wir bei einer Kapelle in meinem Zelt übernachten, da es keine Herberge an unserem Etappenziel gibt. Ich freue mich schon darauf endlich mal wieder in freier Natur zu übernachten. Obgleich die anderen beiden nicht ganz so begeistert davon sind. Francoise: "Where can we go to toilette? Where can we wash us"? Ich sage ja Greenhorns. Doch wir stoßen auf ein Schild wo auf eine Herberge verweist. Man müsste dazu zwar einen anderen Weg einschlagen, doch der ist auch noch kürzer. Nun damit sind jegliche Argumente für das im freien Schlafen im Keim erstickt. Also schlagen wir den Weg zu der Herberge ein.

Plötzlich wird Francoise von einem Hund angegriffen. Er kann ihn nur mit Mühe mit seinen Stöcken auf Distanz halten. Ich und David versuchen ihn durch schreien zu vertreiben. Doch es hilft nicht der Hund will nicht von Francoise ablassen. Ich entschließe mich dann auf dem Hund zuzugehen mit dem Gedanken Notfalls mit bloßen Händen, einen Stock habe ich ja keinen mehr, gegen den Hund zu kämpfen. Doch dies ist nicht notwendig den schon nach wenigen Schritten in Richtung Hund ergreift dieser die Flucht. Als wir dann weiter gehen, läuft der Hund wieder hinter Francoise her. Als ich mich dann Richtung Hund umdrehe ergreift er wieder die Flucht. Ich sage zu Francoise er soll gehen. Solange bis Francoise außer Reichweite ist behalte ich den Hund im Auge, so dass er auf keine dummen Gedanken mehr kommt.

Auf einem Kirschbaum hängen zahlreiche Kirschen. Ich klettere hoch um mich davon zu bedienen ab und zu werfe ich Kirschen für die beiden herunter. Während einer Pause sitzen wir am Wegesrand. David hat seine Schuhe zum trocknen auf der anderen Seite des Weges platziert. Auf einmal kommt ein Auto daher gefahren und fährt um Abstand von uns zu halten etwas über den Rand des Weges wo Davids Schuhe stehen. Über einen der Schuhe fährt das Auto voll drüber. Zum Glück sind die Schuhe nur leicht beschädigt er kann damit noch gehen. Sie bedürfen jedoch einer kleinen Reparatur. Schließlich erreichen wir dann unsere Herberge. Der Franzose den wir vor zwei Tagen getroffen haben welcher die Strecke rennt war auch bereits gestern in der Herberge. Er ist dort erst um 21.30 Uhr angekommen und um 5 Uhr schon wieder gegangen. Es war also schon wieder eine Etappe von 60 Kilometern bei ihm. Eine Etappe für welche wir zwei ganze Tage benötigen. Am Abend trinken wir dann noch Bierchen welches wir uns heute redlich verdient haben.

Es folgen nun die letzten Kilometer nach SJPP, wo für viele der Jakobsweg erst beginnt. Mittlerweile haben sich die drei klassischen Jakobswege von Paris, Vézelay, sowie von Le-Puy-en-Velay vereinigt.  Irgendwie ist es für uns etwas Besonderes hier im Baskenland zu sein. Die Dörfer und Städte und auch die Menschen sind hier irgendwie ganz anders wie im übrigen Frankreich; nicht schlechter aber halt anders. Jedenfalls finden wir das alles ziemlich interessant.

Nach einer nicht allzu beschwerlichen Etappe betreten wir durch das Jakobustor der Stadtmauer St Jean Pied de Port.  Wir kommen in einer Herberge unter welche von einer etwas temperamentvollen älteren Dame geführt wird. Die Herberge hat einen großen Schlafsaal wo so um die 20 Pilger übernachten können. In der Herberge treffen wir einen Spanier der uns unterwegs bei der heutigen Etappe schon sehr freundlich gegrüßt hatte. Er ist bereits in Rom gestartet. Er hat mittlerweile ziemliche Beschwerden mit dem Rücken doch macht er immer einen gutgelaunten Eindruck. Ivan ist auch in der gleichen Herberge. Die Katze der Herbergsmutter streunt bei uns im Schlafsaal herum. Sie legt sich auf das Bett des Spaniers. Als er es bemerkt trägt er sie wütend davon. Gegen Abend treffen in unserer Herberge noch zwei hübsche, junge Norwegerinnen ein. Sie scheinen völlig untrainiert zu sein, die eine hat einen zu schweren Rucksack mit völlig unnötigen Kosmetikartikeln darin. Außerdem haben sie ein ziemlich ungeeignetes Schuhwerk. Mir fällt da wieder der Begriff Greenhorns ein. Aber sie sind auf jeden Fall sehr nett. Für uns drei ist morgen ein Ruhetag in dem schönen SJPP angesagt um noch einmal Kraft für Spanien zu tanken.

Das erste was ich am Ruhetag mache ist mich meines Zeltes zu entledigen. Ich frage im Pilgerbüro auf französisch nach ob ich mein Zelt (tente)  bei ihnen lassen kann. Der Mann im Pilgerbüro fragt mich ob meine Tante denn nett ist. Tante und Zelt klingen auf französisch nämlich ähnlich. Da es sich nicht um meine Tante sondern mein Zelt handelt ist es kein Problem. Ich kann das Zelt wenn ich die Möglichkeit habe bei der Rückfahrt sogar wieder abholen. Außerdem kaufe ich mir heute neue Wanderschuhe. Meine alten sind hinten hoffnungslos abgelaufen. In letzter Zeit bin ich immer wieder damit umgeknickt. Dieses Mal kaufe ich mir wesentlich leichtere Wanderschuhe. Sie sind bestimmt um ein Kilo leichter als meine Alten. Zudem muss ich in den neuen Schuhen auch nicht so schwitzen, da sie zwar Wasserdicht sind aber kein Goretex besitzen. Am Nachmittag schauen wir uns noch das Spiel der Deutschen gegen Ecuador an. Es endete 3:0 für Deutschland.

SJPP ist eine durchaus schöne Stadt. Die Altstadt ist noch von einer Stadtmauer umgeben. Es hat hier viele alte Häuser, die ältesten sogar noch aus dem 16 Jahrhundert. In SJPP endet der französische Jakobsweg und es beginnt der Camino de Frances.  

Ansonsten helfe ich der Herbergsmutter noch beim tragen verschiedener Gegenstände. Sie will die Küche in einen anderen Raum verlagern, da sie dadurch aufgrund von Hüftproblemen nicht mehr so viele Stufen gehen muss. Meine Freundin habe ich auch angerufen. Sie wollte wieder kaum mit mir reden. Abends ist dann wieder gemeinsames Kochen angesagt. Zur Abwechslung gibt es heute einmal keine Spagetti sondern Bohnen mit Reis. Das schmeckt richtig lecker. Vor der morgigen Etappe haben wir schon einen ziemlichen Respekt. Es geht von 175 ü.M. auf 1430 m ü.M hoch, also über 1200 zu überwindende Höhenmeter. Es geht die ersten 20 Kilometer nur berghoch.

  1.   St Jean Pied de Port - Población de Campos (21 Juni - 2 Juli)

David weckt mich schon um 6 Uhr. Eigentlich wollte ich ja länger schlafen. Alle anderen im Schlafsaal sind noch am schlafen. Es ist stockdunkel im Schlafsaal. Beim verlassen des Schlafsaals ist dummerweise meine Tasche offen in der sich meine Münzen befinden. So fallen auf dem Weg aus dem Schlafsaal heraus sämtliche Münzen aus der Tasche. Es macht ständig bling, bling ,bling. Ich lasse die Münzen liegen. Wenn ich jetzt noch das Licht anmache dann ist auch vollends der Rest der Pilger wach die jetzt noch nicht aufgewacht sind. Ich bin schon ziemlich angefressen darüber und auch das mich David so früh aufgeweckt hat, denn ansonsten wäre das nicht passiert. So sind wir dann bereits um 7 Uhr auf dem Weg über den Pass. Es ist heute sehr neblig und auch recht kühl. Schon nach wenigen Metern können Francoise und David nicht mehr mithalten. Mein Rucksack ist auf einmal so leicht. Die drei Kilo weniger durch das Abgeben des Zeltes machen sich deutlich bemerkbar. Auch die leichteren Schuhe sind nicht zu vernachlässigen. Ich lege heute ein enormes Tempo vor ohne große Anstrengung. Ich fliege förmlich. Ich hätte mein Zelt schon längst abgeben sollen. Normalerweis ist mein Tempo eher gemächlich. Aber heute überhole ich einen Pilger nach dem anderen. Der Nebel wird auf dem Weg nach oben anfangs eher dichter.  Meine Kleidung wird etwas feucht von dem Nebel. Auf dem Weg nach oben kommt auf einmal die Sonne heraus. Ich bin praktisch aus dem Nebel herausgelaufen. Oben ist herrlicher Sonnenschein und unter mir befindet sich ein Meer aus Wolken. Das ist ein Anblick der so schön ist, dass man ihn mit Worten nicht beschreiben kann.

Es sind viel Pilger unterwegs. Ein Vielfaches mehr als noch in Frankreich. Auf dem Weg nach oben unterhalte ich mich eine Zeit lang mit einer hübschen, jungen Brasilianerin. Kurz vor erreichen des Gipfels passiere ich die spanische Grenze. Ich bin schon sehr zeitig oben. Es hat mir heute soviel Spaß gemacht hier hoch zu gehen dass ich sehr gerne noch einige Höhenmeter bewältigt hätte und vor dieser Strecke hatte ich soviel Respekt. Auf dem Gipfel warte ich dann über eine Stunde auf meine Freunde. So langsam waren sie auch nicht. Vielleicht habe ich sie durch mein Tempo etwas angespornt. Den Abstieg nach Roncesvalles bewältigen wir dann gemeinsam. Roncesvalles ist ein ziemlich markanter und sehr kleiner Ort. Das Augustinerkloster macht den größten Teil des Ortes aus. Man hat hier schon den Eindruck, dass man nicht mehr in Frankreich ist. Wir kommen in der Jugendherberge in Roncesvalles unter.  

Nach der ersten Nacht in Spanien geht es wieder weiter. Ich hab jetzt ohne dass ich es will, durch das leichtere Gepäck und die leichteren Schuhe automatisch ein wesentlich höheres Tempo drauf. Es ist so eine Art von Katapulteffekt. Die anderen können kaum mithalten.  Es macht mir richtig Spaß mit dem höheren Tempo ohne zusätzlichen Kraftaufwand zu gehen. Unterwegs treffen wir einen jungen Amerikaner. Wir unterhalten uns etwas mit ihm. Außerdem spreche ich noch zwei hübsche Spanierinnen mit hola und Que t´al? (wie geht´s?)an. Sie antworten darauf etwas was ich nicht verstehe. Damit ist mein spanisch auch schon am Ende und die beiden können leider kein Englisch.

Am Abend kommen wir dann in einer eher schlechten Herberge unter. Es gibt übereinander zwei Schlafsäle in welchen die Betten dicht an dicht stehen. Mehr als 20 Leute pro Schlafsaal. David rügt mich dafür, dass ich heute so schnell gegangen bin. David möchte morgen nur bis nach Pamplona gehen und am nächsten Tag möchte er dann einen Ruhetag machen. Das heißt wir werden uns von David trennen. Als wir uns dann ins Bett legen gibt es ein regelrechtes Schnarchkonzert. Auch David und Francoise schnarchen etwas. Wobei sie der Amerikaner dann immer wieder aufweckt. Die beiden hübschen Spanierinnen befinden sich auch in unserem Schlafsaal. Plötzlich fangen sie aufgrund des Schnarchens in ihren Betten an zu kichern. Ich denke mir was ist denn nur so lustig. Auf einmal packen sie ihre Sachen und gehen in den Schlafsaal nach oben. Sie haben wohl eher geweint als gekichert. Kurz nachdem sie nach oben gegangen sind geht es dort oben noch schlimmer als bei uns mit Schnarchen los. Mich lässt das alles unbeeindruckt ich kann zurzeit immer, egal wie laut geschnarcht wird, schlafen.

Nachdem wir einige Kilometer gegangen sind verkündet mir Francois, dass es ihm gerade nicht so gut geht. Er möchte möglichst schnell in Santiago ankommen und am liebsten Tag und Nacht gehen. Kurze Zeit später sagt er mir unter Tränen, dass er aufgeben möchte. Er fühlt sich psychisch und physisch sehr schlecht. Ich sage zu ihm, dass es auf jeden Fall ein sehr gute Leistung war bis hierher zu kommen.  Als ich 18 war hätte ich mich wahrscheinlich noch nicht einmal getraut alleine so eine Reise zu machen. Bei meiner ersten Reise alleine mit bereits 20 Jahren habe ich es nur 2 Wochen ausgehalten, weil ich so Heimweh hatte.  So verabschiede ich mich in Pamplona von Francois und David. David werde ich wohl noch einmal sehen, Francois wahrscheinlich nie mehr. Sie waren mir sehr gute Kameraden. Wir haben zusammengehalten wie die drei Musketiere.

Ich hole mir noch ein paar Informationen im Tourismusbüro in Pamplona ein. Ich frage sie dort zuerst ob sie englisch sprechen und erhalte keine Antwort. Danach versuche ich umständlich mit meinen wenigen Wörtern Spanisch die ich kann mich auszudrücken. Auf einmal sprechen sie dort doch englisch. Es ist hier in Spanien wohl ähnlich wie in Frankreich. Sie mögen es hier nicht wenn man sie auf englisch anspricht. Sie finden das unhöflich. Am besten man spricht sie in ihrer Landessprache an selbst wenn man nur wenige Wörter kann. Wenn sie englisch können dann fangen sie von selber an mit einem englisch zu sprechen. Ich habe mir daher einen kleinen spanischen Wortschatz angeeignet. Es reichen schon wenige Worte wie: "donde Albergue" oder "donde supermercado" um zurechtzukommen. Als ich dann mit einigen Pilgern im Zentrum von Pamplona auf einer Treppe sitze werden wir prompt von einem Ordnungshüter von dort vertrieben. Pamplona mag wohl durchaus eine sehenswerte Stadt sein aber als Pilger ist man hier wohl nicht so willkommen.

Ich komme nach wie vor sehr zügig voran. Die Strecke ist heute recht beschwerlich. Es gibt einen steilen Anstieg auf die Passhöhe des Puerto del Perdón zu überwinden, außerdem ist die der Weg ziemlich steinig. Ein junger Radfahrer hat daher mühe mit mir mitzuhalten. Als ich ihn auf einer Strecke von mehren Kilometern wiederholt überhole während er eine Pause macht stöhnt er. Selbst die schwierige Strecke bei brütender Hitze bereitet mir momentan kaum Mühe. Kurz vor dem Etappenziel sehe ich in einiger Entfernung zwei Frauen. Nach kurzer Zeit habe ich sie eingeholt. Es sind die beiden jungen Norwegerinnen welche ich bereits in  SJPP kennen gelernt habe. Ich begleite sie zur Herberge. Die blonde von ihnen macht an einem Wegkreuz das Kreuzzeichen. Sie scheint ziemlich religiös zu sein. In der Herberge unterhalte ich mich dann längere Zeit mit der Dunkelhaarigen. Die Unterhaltung mit ihr gefällt mir sehr. Irgendwie fühle ich mich zu ihr hingezogen.

In der Herberge ist auch ein Amerikaner mit seinem etwa 2 jährigen Sohn. Er trägt das Kind doch tatsächlich zusätzlich zu seinem Gepäck auf dem Rücken. Der Mann ist von der US Army. Er ist daher durchtrainiert und schafft das mit seinem Sohn tragen. Doch für das kleine Kind ist es sehr strapaziös bei der Hitze die ganze Zeit auf dem Rücken des Vaters zu sein. Wahrscheinlich muss er deshalb das ganze Abbrechen. Meiner Meinung nach ist so etwas auch unzumutbar für so ein kleines Kind.

Am nächsten Morgen bleibe ich lange im Bett liegen. Ich würde heute gerne wieder ein Stück mit den netten Norwegerinnen gehen. Als sie dann aber um 8.30 immer noch im Bett liegen verabschiede ich mich dann von ihnen.

Es ist ziemlich regnerisch mit Gewittern und teilweise starken Regenschauern. Ich habe Glück immer wenn ein Gewitter aufzieht kann ich mich irgendwo unterstellen.  Doch einmal kommt mir ein Gewitter bedrohlich nahe. Die Blitze kommen immer näher und der Donner wird immer lauter. Schließlich erreiche ich einen Ort jetzt muss ich dort nur noch einen Unterschlupf finden. Es beginnt schon zu regnen als ich schließlich eine Kirche erreiche in deren Eingangsbereich ich Unterschlupf finde. Als ich dort angekommen bin geht es richtig los mit Blitzen in unmittelbarer Nähe und starkem Regen. Als das Gewitter aufgehört hat gehe ich die letzten Kilometer zum Etappenziel Estella. Es wurde mir zwar von Pilgern gesagt, dass die Herberge in Estella geschlossen hat. Trotzdem finde ich dort auf an hieb eine Übernachtungsmöglichkeit in einer sehr einfachen Herberge. Der Schlafsaal ist voll gestopft mit Betten. Teilweise ist gar kein Abstand zwischen den Betten.

Estella ist eine schöne Stadt. Sie wird auch Estella "la bella" genannt. In einer Bar schaue ich mir das Spiel zwischen Deutschland und Schweden an. Die ersten zwei Tore für Deutschland habe ich bereits verpasst. Es schüttet draußen in Strömen. Zum Glück muss ich nicht mehr weiter gehen.

Von den anderen Pilgern in der Herberge sind die meisten mitten ins Gewitter hineingeraten. Ich hatte heute Glück. Ich bin überhaupt nicht richtig nass geworden. Ich unterhalte mich in der Herberge längere Zeit mit einem jungen Belgier der mit seinem Fahrrad bis nach Marokko fahren will. In Gibraltar möchte er dann ein Schiff finden welches ihn nach Marokko bringt. Er hat für sein Vorhaben lediglich 10 Euro pro Tag zur Verfügung. Später lerne ich noch Susi kennen. Sie kommt aus Amerika, ca. 25 Jahre alt, sehr groß und dünn. Es bereitet mir großes vergnügen mich mit diesem etwas verrückten und charmanten Mädchen zu unterhalten. Als dann die Lichter ausgehen verabschiede ich mich von ihr. Sie gibt mir noch einen Luftkuss. Sie scheint mich auch zu mögen.

In dem großen Schlafsaal mit vielen Pilgern findet dann wieder das übliche Theater statt. Einige Pilger schnarchen. Mädchen fangen an zu kichern. Es hört sich wahrscheinlich nur so an. In Wirklichkeit weinen sie wohl wegen den Schnarchern. Ein junger Pilger schnappt sich seine Matratze und legt sie draußen auf den Gang. Mich stört das Schnarchen nicht. Für mich hat das alles einen Gewissen Unterhaltungswert.

Am nächsten Morgen bereits um sechs Uhr werden wir mit einer schöner Gitarrenmusik und spanischem Gesang aufgeweckt. Wenn es auch sehr früh ist aber von so wunderbarer Musik lasse ich mich gerne wecken. Die Musik kommt von einigen Musikern welche sich mit ihren Gitarren vor der Herberge postiert haben.  

Zu Beginn der heutigen Etappe komme ich an einem Weinbrunnen vorbei. Hier können die Pilger sich umsonst mit Wein verköstigen. Die dortige Weinkellerei stellt den Pilgern jeden Tag 70 Liter Rotwein zur Verfügung. Obwohl um moderaten Genuss gebeten wird gehen die Pilger nachmittags oft leer aus. Ich nehme einen Schluck Wein. Ich bevorzuge jedoch das Wasser welches man direkt neben dem Wein zapfen kann. Unterwegs treffe ich einige junge Pilger von der Herberge welche teilweise müde neben dem Weg liegen. Sie konnten wohl bei dem Schnarchkonzert nicht so gut schlafen.  Hier in Spanien Grüße ich die Leute in der Regel mit Buenos dias. Als ich nachmittags einige spanische Kinder mit buenos dias grüße verbessern sie mich. Sie sagen, dass es richtig buenas tardes heißt da man ab 12 Uhr nicht mehr buenos dias sondern buenas tardes sagt.

Ich komme heute in einer privaten Herberge in Torres del Rio unter. Mein Zimmer teile ich mit einem Schweden und einem Juden. Bei dem Schweden entschuldige ich mich für die Niederlage die wir Deutschen gestern den Schweden beigebracht haben. Er meint das macht nicht die Deutschen waren einfach zu stark für die Schweden.

Am nächsten Morgen beobachte ich ein Australisches Paar, welches auch bei mir in der Herberge war wie es etwas das sich in einem Feld befindet verwundert anschaut und fotografiert. Ich denke mir, dass es etwas ganz besonderes sein muss. Als ich näher komme sehe ich, dass es sich lediglich um eine Nacktschnecke handelt. Wenn ich in Australien wäre würde es mir wahrscheinlich ähnlich gehen mit bestimmten Tieren wo für die Australier ganz normal sind.

Als ich eine Pause mache treffe ich auf einen Mann der ursprünglich aus Südamerika kommt aber in Deutschland lebt. Mit seinem Vollbart und seinem Kleidungsstil erinnert er mich an Che Guearra nur, dass er wesentlich sympathischer ist als sein prominenter Doppelgänger. Ein lustiger Kerl. Er ist mit einem Fahrrad unterwegs welches er sich selber zusammengebastelt hat. Er scheint von der Hand im Mund zu leben. Ab und zu arbeitet er mal und dann reist er wieder. Außerdem kommt noch ein junger Tscheche zu uns hinzu. Er heißt Lubesch. Er ist von Tschechien per Autostop nach SJPP gekommen. Da er nur wenig Geld hat übernachtet er in der Regel draußen. Auf meine Frage wie es ihm geht antwortet er, dass er heute ziemlich schlecht voran kommt weil er noch nichts gegessen hat. Er kann nur in Supermärkten einkaufen da normale Geschäfte für ihn zu teuer sind. Ich gebe ihm daher von mir etwas zu Essen was er gerne annimmt. Man muss als Pilger ja schon einiges durchstehen, aber mit kaum Geld unterwegs zu sein stelle ich mir ziemlich schwierig vor.

Ich komme nach wie vor gut voran. Heute bewältige ich wieder eine Strecke von etwa 35 Kilometer. Was mir keine großen Probleme bereitet. Momentan bin ich alleine unterwegs. Aber das macht nichts man trifft ja immer wieder Leute mit denen man sich unterhalten kann. Die heutige Etappe führt wieder durch eine größere Stadt namens Logrono. Da mich Städte nicht sonderlich interessieren halte ich mich dort nicht all zulange auf.

Meine Herberge befindet sich in Navarette. Ich lerne dort Peter einen jungen Tschechen kennen. Seine Kleidung und Ausrüstung hat er der eines Pilgers im Mittelalters nachgeahmt. Das heißt er trägt Kleidung aus Leinen. Selbstgefertigte Schuhe. Ein paar hat Stahlstollen. Sein Rucksack ist ein Stoffsack mit Riemen dran. Alles in allem sehr interessant anzuschauen. Der Nachteil der Ausrüstung ist, dass er damit natürlich nicht so gut voran kommt wie mit einer modernen. Ich lerne dort auch eine deutsche kennen so um die 50. Sie möchte sich eine Woche nur von Flüssigkeit ernähren. Ich halte dieses Vorhaben für ziemlich gewagt. Man braucht bei dem Wandern ja ziemlich viel Energie.         

Am nächsten Morgen werde ich von der deutschen zuerst einmal gerügt weil ich mein Hemd nicht richtig zugeknöpft habe. Sie ist bestimmt Lehrerin. Der Weg führt anfangs an einer viel befahrenen Straße entlang. Ich treffe den Südamerikaner wieder. Er steigt von seinem Fahrrad ab um mich ein Stück zu begleiten. Trotz seines etwas wilden Aussehen ein sehr netter Kerl. Wenig später treffe ich dann noch Peter. Da ich wissen will wie sich sein mittelalterlicher Rucksack so tragen lässt schlage ich ihm vor unsere Rucksäcke zu tauschen. So trage ich dann ein Stück seinen Rucksack und er meinen. Sein Rucksack ist ziemlich unpraktisch. Die Hauptlast befindet sich unten im Sack, was es ziemlich erschwert den Rucksack zu tragen. Er findet meine Rucksack sehr angenehm zum tragen.

Als ich dann wieder alleine unterwegs schießt mir der Gedanke in den Kopf, dass mir Gott noch gar keine positiven Zeichen geschickt hat was die Beziehung zu meiner Freundin betrifft. Ich habe den Gedanken noch gar nicht zu ende Gedacht da bekomme ich eine SMS von meiner Freundin. Normalerweise habe ich tagsüber mein Handy ausgeschaltet. Sie schreibt mir, dass es ihr Leid tut aber sie möchte Schluss mit mir machen da wir nicht zusammenpassen aber wir können ja die besten Freunde bleiben. Sobald ich wieder zu Hause bin können wir ja miteinander telefonieren. Die Antwort von Gott kam blitzschnell. Unfassbar noch im gleichen Augenblick. Zuerst bin ich ziemlich geschockt, dass meine Freundin mir Schluss gemacht hat. Doch nach einiger Zeit stellt sich bei mir seltsamerweise eine Freude ein. Ich freue mich darüber wieder frei zu sein. Das verdeutlicht mir, dass die Beziehung für mich auch irgendwo eine Last war obwohl wir auch schöne Zeiten hatten. Per SMS Schluss machen ist nicht so die feine Art. Das hätte ich nicht von ihr gedacht, dass sie nicht den Mut aufbringt es mir am Telefon zu sagen. Ansonsten hatte sie eigentlich keinerlei Menschenscheu. Jetzt kann ich zumindest ohne Zeitdruck den Jakobsweg gehen. Mir kommt der Gedanke den Weg vielleicht auch wieder zurückzugehen.

Ich hole einen älteren Pilger ein mit einer recht kräftigen Statur. Er hat einen großen Pilgerstock der schon recht große Abnutzungsspuren zeigt. Ich bin etwas besorgt um den Mann. Da ich glaube, dass so eine Wanderung bei der Hitze doch zuviel für so einen beleibten Mann sein muss. Ich frage ihn daher ob es ihm gut geht. Er meint alles in Ordnung. Er kommt aus Bayern und ist den Jakobsweg schon öfters gegangen. Nachdem ich ihn ein Stück begleitet habe verabschiede ich mich wieder. Mein heutiges Etappenziel ist Santo Domingo de Calzada. Ich komme dort in einer Herberge mit einem ziemlich großen Schlafsaal unter. Der Vorteil ist es gibt dort keine Hochbetten. In der Herberge treffe ich den Bayern wieder. Er hat es tatsächlich geschafft. Hätte ich nicht gedacht. Es war schon noch ein ganz schönes Stück von wo ich ihn getroffen habe. Im Schlafsaal liege direkt neben einer jungen Engländerin.

Am nächsten Morgen beginnt bereits um fünf Uhr ein Hahn zu krähen. Er hört überhaupt nicht mehr auf mit krähen. Als ich um 7 Uhr aufstehe ist er immer noch nicht ruhig. Ich habe noch nie erlebt, dass ein Hahn solange kräht. Normalerweise sind es höchstens fünf Minuten und dann ist wieder Schluß. Zu der jungen Engländerin die neben mir liegt sage ich: "I will kill the cock"! Später erfahre ich, dass sich hier in der Stadt im Mittelalter ein Hühnerwunder ereignet haben soll. In der Kathedrale dort werden deshalb ein weißer Hahn und eine weiße Henne gehalten.

Heute ergibt es sich irgendwie, dass ich mit einer Österreicherin zusammengehe. Sie heißt Gisela, ist 56 Jahre alt und kommt aus Wien. Ursprünglich stammt sie jedoch aus Ungarn. Sie hatte eine eigene Praxis als Psychologin, ist mittlerweile aber Pensioniert. Verheiratet war sie nie weil sie es nie lange mit einem Mann ausgehalten hat. Sie hat jedoch schon in ganz jungen Jahren einen Sohn bekommen. Gisela ist in Pamplona gestartet und hat insgesamt lediglich 28 Tage Zeit um bis nach Santiago zu kommen. Es kann reichen ist aber schon etwas knapp. Ein Ruhetag ist da wohl nicht drin. Beide haben wir eine ähnliche Einstellung was das Pilgern betrifft. Wir halten beide nichts davon bereits um 5 Uhr aufzustehen um dann um 12 Uhr bereits in der Herberge zu sein, damit man sicher ein Bett bekommt, wie es viele Pilger machen. Diese Art von Pilger nennen die Spanier etwas abwertend "Tourigrinos" (Touristenpilger). Man bekommt hier in Spanien auch so eine Unterkunft ohne zu hetzen. Es gibt hier genug Herbergen, außer vielleicht auf den letzten 100 Kilometern bis Santiago.

In der Gegend hier gibt es zahlreiche Höhlen welche die wichtigsten prähistorischen Fundstätten Europas darstellen. Wir kommen in einer netten christlichen Herberge unter. Es gibt hier auch einige Höhlen welche wir zu erkunden versuchen. Doch der Aufstieg dahin ist zu steil, so dass wir nicht dahin gelangen. Außerdem gibt es in dem Dorf eine sehenswerte in Fels gehauene Kapelle. Leider ist die Tür in die Kapelle hinein verschlossen. Die Herberge ist recht einfach. Es gibt hier keine Betten. Man nächtigt hier auf einer Matratze welche man auf den Fußboden legt. Es ist sehr gemütlich hier. Es wird hier gemeinsam zu Abend gegessen. Es gibt Paella und ich muss sagen sie schmeckt sehr lecker. Es geht am Tisch recht lustig zu. Leider verstehe ich nicht alles, da hauptsächlich französisch geredet wird. Einer der lustigen Franzosen ist Jean Luc. Nach dem Abendessen wird noch eine gemeinsame Andacht abgehalten.

Am nächsten Tag fragt mich Gisela ob wir wieder gemeinsam starten sollen. Die Situation ist für uns etwas peinlich, da ich ihre Frage nicht ganz überzeugend bejahe. Aber warum eigentlich auch nicht wir harmonieren ganz gut miteinander. Schon recht früh überholt uns eine Gruppe von Ungarn welche ich bereits in St Domingo in der Herberge getroffen habe. Eigentlich sind wir gestern einige Kilometer weitergegangen als sie. Irgendwie kommt es einem seltsam vor wenn Leute einen einholen obwohl man am Tag vorher eigentlich schon einige Kilometer weiter als sie war. Die Ungarn wirken auf mich irgendwie wie gehetzte. Sie machen kaum eine Pause um möglichst bald in der Herberge zu sein. Damit sie auch sicher einen Platz bekommen. Hier und da schießen sie schnell ein Foto. Viele Pilger sind ähnlich gehetzt unterwegs. Es kann natürlich auch sein, dass sie die Hitze fürchten und deshalb vor Nachmittag in der Herberge sein wollen.

Es geht heute hoch bis auf 1150 Meter. Es hat Nebel dort oben. Es begegnet uns unterwegs eine lustige Gruppe von drei jungen Männern. Sie singen gemeinsam Lieder. Einer von ihnen ist Nicola ein Italiener, ein anderer Franzose und der dritte ist Schweizer. Der Schweizer ist bereits in der Schweiz gestartet. Er kennt auch Nina und hat auch per SMS noch Kontakt zu ihr. Irgendwie kennen alle jungen Männer Nina. So gehen wir ein Stück gemeinsam mit den Dreien. Wir lachen und Scherzen viel miteinander.

In San Juan de Ortega machen wir Mittagspause. Die Ungarn beziehen hier bereits ihr Quartier. Wir treffen Jean Luc wieder. Ich rufe ihm Jean Luc Piccard zu in Anlehnung an den Captain des Raumschiff Enterprise. Er setzt sich ein Weilchen zu uns. Er hat ziemliche Schmerzen in seinen Füßen hat aber keine Ahnung woher die Schmerzen kommen. Aber für ihn ist der Weg  jetzt so oder so beendet.

Nach einigen Kilometern erreichen wir dann unsere Herberge in Atapuerca. Als ich mir dort in der Küche ein Mahl zubereiten will verstehe ich nicht wie der Herd funktioniert. Ich frage eine junge und sehr hübsche Dänin um Rat. Sie hilft mir bereitwillig. Ich unterhalte mich noch ein Weilchen mit ihr. Sie wirkt sehr interessiert darüber, dass ich bereits zu Hause gestartet bin. Ein ganz entzückendes Mädchen was auch Gisela findet. Leider ist sie mit ihrem Freund hier. Außerdem lerne ich in der Herberge einen älteren Franzosen kennen. Er ist bereits 71 Jahre alt sieht aber aus wie 55 Jahre. Ich unterhalte mich auf französisch mit ihm. Ein lustiger Kerl. Er ist allein stehend und war wohl auch nie verheiratet.

Es ist interessant wie Gisela die Leute beurteilt: Magersüchtig, Alkoholproblem, in sich ruhend etc. Dinge die mir gar nicht aufgefallen wären.

Bei uns im Zimmer befinden sich der Franzose und eine ältere, kräftige und strenge Kanadierin. Der Franzose macht seine Scherze über sie weil sie so streng ist. Er meint wenn er in unserem Zimmer nicht brav ist erhält er ein Veilchen von ihr, da er auch direkt neben ihr liegt.

Bereits um 6 Uhr in der Früh stehen wir auf. Ich würde ja etwas länger schlafen aber Gisela startet gerne früher. Bereits nach wenigen Kilometern erblicken wir von der Ferne die Großstadt Burgos.  Einige Pilger haben mir geraten nach Burgos hinein mit dem Bus zu fahren. Irgendwie macht dieser Ratschlag bei den Pilgern die Runde, weil der Weg nach Burgos hinein so schlimm sein soll. Er soll durch ein großes Industriegebiet führen mit grässlich stinkenden Abgasen der Fabriken. Ich denke ja gar nicht daran den Bus zu nehmen. Für mich hört sich das alles sehr interessant an. Gisela schließt sich mir an. Sie möchte auch nicht den Bus nehmen. Wir gehen vor Burgos an der bekannten Brauerei San Miguel vorbei aber von stinkenden Abgasen keine Spur. Der Weg nach Burgos hinein erweist sich sogar als schön. Er führt durch einige Parkanlagen und entlang des Flusses Arlanzón. Entweder die Wegführung wurde geändert oder wir haben zufällig einen anderen Weg genommen.

In Burgos besichtigen wir die Kathedrale und erledigen einige Einkäufe. Da mir nicht viel an Großstädten liegt und Gisela wohl auch nicht beabsichtigen wir nicht in Burgos zu übernachten. Zumal die Herbergen dort teilweise auf unmenschliche Weise überfüllt sind. Nach Burgos verlaufen wir uns etwas. Bauarbeiter weisen uns dann wieder den richtigen Weg. In Tardason machen wir dann halt. Die Herberge wird von einem älteren Paar geleitet. Sie sind etwas streng. Sie fahren zwei Pilger an damit sie draußen warten sollen bis sie mir und Gisela das Zimmer zugewiesen haben. Die beiden sind dann von der Strenge so verärgert, dass sie gleich wieder weitergehen. Heute spielt Deutschland gegen Argentinien. Ich schaue mir das Spiel in einer Kneipe an in welcher sich nur ältere Spanier befinden. Ich habe einen Großteil des Spieles bereits verpasst. Doch zum interessantesten Teil der Verlängerung und dem Elfmeterschießen bin ich noch rechtzeitig da. Ich freu mich sehr darüber dass Deutschland das Elfmeterschießen gewinnt. Die Spanier schauen mich etwas komisch an weil ich darüber juble, aber egal. Wir sind gerade einmal zu viert in der Herberge. Die meisten Pilger übernachten wohl in Burgos um sich die Stadt anzuschauen. Wenn man auf eine leere Herberge treffen will muss man wohl eine Herberge direkt nach einer großen Stadt wählen. Ein junger Däne möchte auch noch in unserer Herberge übernachten da er aber keinen Pilgerpass hat wird ihm dies verwehrt.

Heute führt der Weg vorbei an zahlreichen Getreidefeldern nach Castrojeriz. Es gibt hier in der Gegend außergewöhnlich viele Störche. Auf manchen Kirchendächern kann man fünf Störchennester und mehr zählen. Außerdem säumen zahlreiche Schmetterlinge den Weg. Es scheint so als ob sie sich besonders gerne am Jakobsweg entlang aufhalten. Manche Pilger behaupten sogar, dass sie einem den Weg weisen und dass man wenn man sich verlaufen hat nur den Schmetterlingen folgen zu braucht. Ich wage das zu bezweifeln aber wer weiß vielleicht ist da wirklich etwas dran.

Interessant heute ist das Dorf Hontanas. Es liegt sehr versteckt in einer Senke. Man würde auf der Strecke weit und breit kein Dorf vermuten. Hontanas taucht dann plötzlich wie aus dem Nichts auf. Der Höhepunkt der heutigen Strecke sind die  eindrucksvollen Ruinen des Klosters San Antón, das im 12. Jahrhundert speziell für die Betreuung von leprakranken Pilgern gegründet wurde. Die Mauern der Kirche und der früher überdachte doppelte Spitzbogen, durch den heute wie früher der Jakobsweg  und die Straße nach Castrojeriz  führt, sind noch erhalten.  Besonders interessant hier sind zwei Nischen, welche sich gegenüber von dem Portal befinden, in denen die Mönche Verpflegung für zu spät kommende oder eilige Pilger bereitstellten. Wir befinden uns mittlerweile in der Meseta. Als Meseta wir das kastilische Hochland in Spanien bezeichnet. Der Weg hier ist in der Regel sehr Flach und befindet sich auf etwa 800 Meter Höhe. Man kann hier teilweise etwas übertrieben morgens wenn man in der Herberge losgeht schon den Zielpunkt sehen. So flach sind manche Wegabschnitte hier. Der Vorteil ist man kommt dadurch ziemlich schnell voran. Das Klima hier ist sehr trocken und heiß.

Gisela geht ein recht flottes Tempo. Wenn ich alleine gehen würde wäre ich nicht so schnell unterwegs. Doch abends wenn wir an einer Herberge halt machen könnte ich eigentlich immer noch ein  Stück weitergehen. Aber irgendwie will ich das dann doch nicht. Ich habe es ja auch nicht eilig. Wir möchten heute in Castrojriz übernachten. Gisela schaut in ihrem Pilgerführer nach. Es ist hier eine Pilgerherberge aufgelistet von der geschrieben steht, dass sie ganz gut ist aber die Herbergsleiter etwas streng sind. Gisela fragt ob wir uns das antun müssen. Ich verneine entschieden. Also machen wir einfach in der ersten Herbgerge in Castrojeriz halt. Wie sich später herausstellt war es doch noch nicht Castrojeriz sondern ein kleiner Ort kurz vorher.  Es ist zwar Sonntag doch gegen Abend haben noch einige Geschäfte offen. Man sieht nach 8 Uhr immer noch einige erschöpfte, teilweise humpelnde Pilger unterwegs.

Der Tag beginnt mit einem steilen Aufstieg kurz nach Castrojeriz und einem dann unmittelbar folgenden ebenso steilen Abstieg. Der Rest der heutigen Etappe ist sehr flach. Wir treffen zwei junge etwas verrückte Spanier die lauthals Lieder singen. Unmittelbar nach dem Tafelberg besichtigen  wir die wohl außergewöhnlichste Pilgerherberge des gesamten Camino, innerhalb deren Mauern sogar die mittelalterliche Tradition des Fußwaschens der Pilger noch aufrechterhalten wird. Die Herberge ist eigentlich eine Kirche namens San Nicolás. Zwei Italienerinnen im Alter von etwa Mitte dreißig wollen in der Herberge unbedingt, ein Foto mit mir zusammen machen. Sie beauftragen einen der singenden Spanier uns drei zu Fotografieren. Keine Ahnung warum sie unbedingt ein Foto mit mir zusammen machen wollen. Ich habe die beiden noch nie gesehen. Es kommt mir gerade vor als ob ich irgendeine Berühmtheit wäre. Vielleicht denken sie ich bin Brad Pitt mit Vollbart. Der junge Spanier vergisst seinen Pilgerpass in der Herberge. Als die Hospitalieros das bemerken ist er schon über alle Berge. Ich nehme den Pilgerpass mit. Ich gehe ziemlich schnell um ihn wieder einzuholen. Er ist schon einige Minuten vor mir gestartet. Nach wenigen Kilometern kommt er mir entgegen. Gerade im Moment hat er bemerkt, dass er seinen Pilgerpass vergessen hat. Ich strecke ihm seinen Pilgerpass entgegen. Er ist sehr froh und dankbar darüber, dass ich ihm seinen Pilgerpass hinterher getragen habe. Ansonsten hätte er den ganzen Weg wieder zurückgehen müssen, was für einen Pilger mit das ärgerlichste ist. Ein kleines Stück begleitet er uns. Ich schätze ihn schon als etwas frech ein. Doch seit der Begebenheit mag er mich und ist immer sehr freundlich zu mir bei unseren folgenden Begegnungen.

Ein Frau ende Dreißig überholt uns schnellen Schrittes. Wenn ich mich richtig erinnere ist sie eine Dänin. Sie geht mit zwei Walkingstöcken. Sie benutzt die Stöcke auf eine seltsame Art und Weise. Ich spreche sie darauf an, dass sie ihre Stöcke falsch hält. Sie entgegnet mir darauf, dass dieser Stockeinsatz ihr hilft sich aufrecht zu halten. Na gut wenn sie meint. Als wir in Fromista eintreffen haben die Geschäfte bereits geschlossen - Siesta. Es gilt nun mehrere Stunden dort zu warten. Nachdem wir ein Weilchen gewartet haben entscheiden wir uns dann doch dagegen solange zu warten. Wir gehen dort dann noch in ein Restaurant. Es gibt unter anderem Paella. Ich erinnere mich an die leckere Paella die ich wenige Tage zuvor in der Herberge gegessen habe. Auf dem Foto in der Speisekarte sieht die Paella auch lecker aus. Die Paella befindet sich auf dem Foto in einer wie es aussieht großen Pfanne. Es scheint eine große Portion zu sein. Kurzum ich sehe keinen Grund sie nicht zu bestellen also bestelle ich sie. Doch die Enttäuschung ist groß. Die scheinbar große Pfanne entpuppt sich als Minipfanne. Gut schmecken tut die Paella auch nicht. Womöglich handelt es sich um Tiefkühlkost welche im Supermarkt gekauft wurde. Und das für 8 Euro! Als Pilger wird man teilweise ganz schön abgezockt. Aber sie können sich das leisten, da man ja aller Wahrscheinlichkeit so oder so nicht mehr kommt.

Im nächsten Ort machen  wir dann Halt. In der Bar zu welcher die Herberge gehört erledigen wir die Einkäufe. In der Herberge treffe ich die beiden Italienerinnen von heute morgen wieder. Sie kommen aus Sizilien. Da sie nur italienisch sprechen und mein italienisch nur sehr bescheiden ist können wir uns nicht groß unterhalten. Als ich mein Mahl zu mir nehme setzt sich ein junger, vollbärtiger Mann zu mir. Dem dichten Vollbart zu Folge ist er schon länger unterwegs. Es ist Harald, ein junger Österreicher aus der Wiener Gegend. Von Beruf ist er Schlosser. Er ist bereits zu Hause gestartet und legt ein beeindruckendes Tempo vor. Täglich geht er zwischen 40 und 50 Kilometern. Seine langen Beine kommen ihm dabei wohl zu Hilfe. Er ist fast zwei Meter groß. Eine Zeit lang in der Schweiz und Frankreich war er mit einem gewissen Franco unterwegs. Er bestellt mir Grüsse von Claudia, welche einen Tag lang in Frankreich meine Begleiterin war. Das ist jetzt aber nett, dass sie an mich gedacht hat. Ich treffe ein junges schwäbisches Pärchen das n nach Neuseeland auswandern möchte. Sie meinen der Jakobsweg ist gut bevor man einen neuen Lebensabschnitt beginnt. Ich finde man sollte den Jakobsweg nicht in irgendeine Kategorie einteilen. Er kann gut sein um einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen muss aber nicht. Sicher man hat bevor man einen neuen Lebensabschnitt beginnt häufig die Zeit für so eine lange Pilgerreise. Von daher bietet es sich durchaus an das zu machen. Der Jakobsweg kann für alles gut sein aber man sollte ihn doch aus einem Herzenswunsch heraus machen.  Ich hoffe die beiden finden ihr Glück in Neuseeland oder die Zeit in Neuseeland bringt sie zumindest weiter in ihrem Leben. Außerdem treffe ich in der Herberge einen älteren Pilger der mir seit dem Beginn von Spanien immer wieder begegnet. Er geht in etwa dasselbe Tempo als ich. Er war schon öfters auf dem Jakobsweg und hat die Reise diesmal von seiner Familie geschenkt bekommen. Ich habe für morgen einen Ruhetag geplant. Harald hat gemeint statt einem Ruhetag kann man auch nur eine kurze Strecke gehen. Eine gute Idee. Genau das werde ich machen. So ein Ruhetag ist ansonsten zu langweilig. Das Leben spielt sich auf dem Weg ab. Das heißt ich werde mich morgen von Gisela verabschieden.

  1.   Población de Campos - Tricastella (3 Juli - 13 Juli)

Es geht nun also wieder alleine weiter. Ich bleibe lange im Bett liegen. Unterwegs begegnet mir eine langsame und humpelnde Pilgerin. Nanu es ist die schnelle Dänin oder mittlerweile langsame Dänin welche ich gestern auf ihre falsche Stocktechnik angesprochen habe. Obgleich sie wohl ziemliche Schmerzen haben muss amüsiert es mich schon etwas, dass sie so plötzlich ausgebremst wurde.  Unterwegs mache ich zahlreiche Pausen. Bei einer solchen Pause treffe ich einen Bekannten wieder. Er ist mir schon einige Male in Frankreich begegnet. Er hat damals zu der Pilgerfamilie gehört also zu den Pilgern die mir in Frankreich immer wieder begegnet sind. Es war ja damals noch eine überschaubare bzw. eben familiäre Zahl. Der Mann hat einen lahmen Arm den er gar nicht benutzen kann. Seine Schuhe sind mittlerweiletotal kaputt. Aber er kommt trotzdem gut voran. Das hätte ich ihm überhaupt nicht zugetraut. Er hatte damals in Frankreich mal einen Kreislaufkollaps von dem ich bereits berichtet habe.

Nach 11 Kilometern ist heute schon Schluss. Daher bin ich verständlicherweise schon sehr früh in der Herberge. Als ich mich gerade im Zimmer befinde betritt ein kleiner, knittriger Pilger die Herberge. Er ist so um die 60 Jahr alt. Mit seinem Hut sieht er ziemlich lustig aus. Zwei Pilgerinnen müssen lachen. Ich empfinde das als reichlich respektlos. Der Pilger erinnert mich mit seinem lustigen Hut und seiner kleinen Gestalt an Napoleon. Komischerweise ist er auch Korse. Vielleicht ist er ja ein Nachfahre von Napoleon.

In einem kleinen Laden kaufe ich mir Verpflegung für den Abend. Ich greife etwas Obst aus dem Regal. Daraufhin belehrt mich eine amerikanische Pilgerin man darf in Spanien in solchen Läden sich aus dem Obstregal nicht selbst bedienen. Sie meint das ist in Spanien sehr unhöflich. Doch die Verkäuferin gibt mir zu verstehen, dass ich das darf. Ich denke die Amerikanerin hat das sicher aus einem Reiseführer. Man sollte nicht alles glauben was die so schreiben.

Heute steht wieder eine Etappe knapp über dreißig Kilometer an. Da die Strecke Topf eben ist, ist das nicht allzu viel. Es gibt heute einen Abschnitt auf dem es auf einer Strecke von  17  km kein einziges Dorf gibt, nur einsames flaches Land mit keinerlei Abwechslung.  Das hört sich sehr eintönig an ist irgendwie aber auch schön.

Unterwegs begegnet mir wieder die Dänin sie ist nach wie vor ziemlich langsam und macht viele Pausen. Gegen Abend treffe ich dann in meinem heutigen Etappenziel, dem kleinen Dorf Terradillos de los Templarios, ein.  Die meisten Zimmer sind in der Herberge schon voll. Ich komme in einem kleineren Zimmer unter, welches ich nur mit einer Pilgerin teile. Manchmal ist es ganz gut wenn man später eintrifft ansonsten hätte ich mir einen Raum mit vielen anderen Pilgern teilen müssen.  Die Pilgerin mit der ich das Zimmer teile, wer mag das wohl anderes sein als natürlich die humpelnde Dänin. Sie hat eine Sehnenscheidentzündung. Das kommt vor allem dadurch wenn man zu schnell geht. Ich sage ihr daher, wenn sie langsam geht und viele Pausen macht wird die Sehnenscheidentzündung wieder verschwinden. Damit sollte ich Recht behalten, da wie ich gehört habe, hat sie einige Tage später wieder angefangen zu rennen. Ich lerne in der Herberge auch Ralf kennen. Er ist Schwabe und kommt aus einem kleinen Ort in der Stuttgarter Gegend. Er ist zu Hause gestartet. Hatte aber dann in Frankreich so große Probleme mit seinen Beinen und der Beschilderung, dass er den größten Teil in Frankreich mit dem Zug zurückgelegt hat. Ralf hat zu Hause Frau und Kinder. Er ist 50 Jahre alt, sieht aber bedeutend jünger aus wenn man sich seinen Vollbart wegdenkt würde er noch jünger aussehen. Er arbeitet in einem Altersheim und wird immer noch von manchen für einen Zivi gehalten. Wirklich ein sympathischer Kerl. Außerdem lerne ich noch Günther, Inge, Marc und Daniela kennen. Die 4 sind zusammen unterwegs. Wobei ich mir mit ihren Namen nicht mehr ganz so sicher bin. Aber ich nenne sie jetzt einfach mal so. Günther und Inge sind aus Nordrheinwestfalen. Ich begegne ihnen schon seit mehreren Etappen regelmäßig. Die beiden habe ich anfangs für ein Paar gehalten. Doch sie sind nur miteinander befreundet. Günther ist Anfang 60 und Inge Mitte 50. Marc ist 37 und aus Freiburg. Daniela ist Anfang 30 und aus Berlin. Sie haben sich unterwegs kennen gelernt. Beeindruckend, dass die vier trotz des Altersunterschiedes so gut miteinander harmonieren. Abends schauen wir zusammen das Spiel Deutschland gegen Italien an. Na ja besser ich hätte es nicht angeschaut. Ich bin schon etwas angefressen wegen der Niederlage der Deutschen. Nachdem Spiel unterhalte mich dann in unserem Zimmer mit der Dänin. Dummerweise gehen die Wände nicht ganz bis zur Decke und sind somit oben offen, so dass man uns im Nachbarzimmer hört. Prompt ertönt von einem Nachbarzimmer ein Psssssst. Na ja dafür sind die Herbergen ziemlich billig.

Zunächst führt der Weg heute nach Sahagun. Ab da entscheide ich mich für eine Nebenroute welche auf einer alten, aber gut in Stand gehaltenen Römerstraße verläuft. Bei der flachen Strecke kommt man ziemlich schnell voran. Man überwindet hier an einem Tag weniger als 50 Höhenmeter. Ich befinde mich mittlerweile mitten in der Meseta. Die Landschaft hier erinnert an die Afrikanische Savanne. Es gibt hier nur Gras, Gestrüpp und niedere Bäume. Das Klima hier ist heiß und sehr trocken. Meine Lippen sind von der trockenen Luft wund was bei mir normalerweise nur im Winter der Fall ist. Gegen die Mittagszeit lege ich mich unter einen niederen Baum in den Schatten. Seltsamerweise fröstelt es mich trotz der Hitze.  Die mag wohl an der sehr trockenen Luft liegen. Zum ersten Mal seit vielen Wochen ziehe ich meine dicke Jacke an.

Ich überlege mir ob ich heute draußen übernachten soll. Doch als ich an einer Herberge vorbeigehe sitzt dort Marc. Die anderen drei sind auch schon da. Also checke ich auch in der Herberge ein. Wir sind alleine in der Herberge, da es sich um eine Nebenroute handelt. Gegen Abend kommen dann noch zwei "Elfen", wie sie Inge wegen ihren langen weißen Gewändern nennt. Es sind zwei Spanierinnen mittleren Alters. Ich koche mit Marc, Daniela, Inge und Günther zusammen zu Abend. Es gibt Spaghetti mit einer Tomaten- Thunfischsoße. Es schmeckt sehr lecker. Inge und Günther erzählen, dass Hape Kerkeling ein Buch herausgebracht hat indem er seine Reise auf dem Jakobsweg beschreibt. Sie waren bei einer Lesung von ihm. Das Buch soll anscheinend ziemlich gut sein. Es wundert mich, dass er den Jakobsweg gegangen ist. Am Abend gehen wir dann noch gemeinsam in eine Bar. Es war heute ein rundum schöner und gemütlicher Tag mit einer netten Gesellschaft.

Am nächsten Tag führt der Weg zunächst 18 km lang durch die Einsamkeit. Es gibt hier keinerlei Häuser und keine Möglichkeit Wasser zu bekommen. Nur die eintönige und doch auch irgendwie schöne Savannenlandschaft. 18 km ohne irgendeine Abwechslung hören sich nach viel an. Doch man läuft dann automatisch schneller und somit bereitet mir das kaum Probleme. Ich genieße eher die Einsamkeit.

Mein heutiges Etappenziel ist Mansilla de las Mullas. Ein Ort mit dem schönen Fluss Eslas. Ich möchte in dem Fluss baden. Doch das Wasser ist mir zu kalt. Ich kann es nicht begreifen ich bin doch hier in dem heißen Spanien wieso ist denn das Wasser hier nur so kalt. In einem Laden treffe ich Ralf wieder und unterhalte mich etwas mit ihm. Er übernachtet heute auf einem Zeltplatz, so dass er auch mal das Zelt benutzen kann das er mit sich herumschleppt.  Am Abend bin ich dann wieder mit den Vieren von gestern unterwegs. Draußen vor einer Bar treffe ich dann den jungen Spanier wieder dem ich seinen Pilgerpass nachgetragen habe. Er begrüßt mich sehr freundlich und gibt mir seine Hand. Wir führen noch einen kurzen Small Talk. Daniela ist sehr verwundert, dass ich so gut mit ihm auskomme. Sie ist schon heftig mit ihm wegen seiner frechen Art aneinander geraten.

Zunächst führt mich der Weg am andern Tag nach Leon. Hier mache ich eine längere Pause in einem Park. An den Städten mag ich die Parks eigentlich am Liebsten. Sonstige Sehenswürdigkeiten wie Kirchen und sonstige besondere Gebäude interessieren mich nicht sonderlich. In Leon verlaufe ich mich etwas, so dass ich nicht Mal die dortige Kathedrale, welche als schönste Spaniens gilt, sehe.

Günther, Inge, Marc und Daniela bleiben in Leon zurück. Daher werde ich sie wohl nicht mehr sehen. Sie sagen mir, dass ich nicht zu schnell gehen soll, dass sie mich vielleicht wieder einholen können. Da mir an großen Städten eh nix liegt gehe ich weiter. Irgendwie bin ich heute nicht so gut gelaunt. Die Einsamkeit scheint mir etwas zu schaffen zu machen. Ich bin zurzeit immer alleine unterwegs. Wobei abends in den Herbergen habe ich dann ja immer Gesellschaft. In einem Dorf frage ich einen älteren Mann nach einem Brunnen. Er begleitet mich mehrere Hundert Meter weit bis zu dem Brunnen, dass ich ihn auch finde. Ich bin gerührt von so viel Freundlichkeit. Heute ist es wieder eine lange Etappe von 40 km. Ich komme erst gegen 8 Uhr in der Herberge an. Die Herberge hat einen riesigen Schlafsaal. Ich bin jetzt mittlerweile bereits 77 Tage auf dem Jakobsweg unterwegs.

Der Weg führt heute nach Astorga. In Hospital del Orbigo führt der Jakobsweg über eine ca. 200 Meter lange Brücke über ehemaliges Sumpfland und kleine Seitenarme des Río Órbigo. Die Brücke ist sehr imposant. Sie stammt noch aus der Römerzeit und gilt als eine der ältesten Brücken Spaniens.

Ich nehme direkt die erste Herberge in Astorga. Eine schlechte Entscheidung. Die Herberge ist ziemlich schmuddelig und der Hospitalero ist ziemlich unfreundlich. Er lebt mit seiner asiatischen Frau in der Herberge. Die kleine Herberge scheint seine einzige Einkunftsquelle zu sein. Astorga ist eine sehr interessante Stadt mit den beeindruckenden Bauwerken: der Kathedrale, dem Bischofspalast und der Stadtmauer.

Abends schaue ich mir dann noch in einer Bar das Spiel Deutschland gegen Portugal an  3:1 für Deutschland. Ich bin in der Bar der einzige Deutsche. Die anderen Gäste sind sichtlich enttäuscht über das Ergebnis. Ich natürlich nicht.

Heute werde ich das Cruz de Fero erreichen. Das Cruz de Ferro  ist ein kleines Eisenkreuz, welches sich auf einen Eichenbaumstamm befindet. Es befindet sich auf 1517 m Höhe. Der höchste Punkt den ich auf dem Jakobsweg bewältigt habe. Um das Kreuz herum befindet sich ein großer Steinhaufen. Bis zur Christianisierung des Ortes durch einen Eremiten, der den Vorläufer des oben erwähnten Kreuzes aufstellte, wurde an dieser Stelle einer römischen Weggottheit durch Ablegen eines Steines gehuldigt. Der Steinhaufen soll sich ursprünglich nicht an der Stelle befunden haben. Er ist hier besser mit Fahrzeugen erreichbar. Der Brauch des Steine ablegen hat also einen Nichtchristlichen Ursprung. Doch es ist Tradition, dass die Pilger einen Stein hier auf dem Haufen ablegen. Als Sinnbild dafür, dass man hier seine Sünden bzw. Probleme zurücklässt. Viele Pilger nutzen das Cruz de Ferro auch, um am Baumstamm des Kreuzes persönliche Dinge, Briefe oder gar Votivgaben anzubringen.

Kurz bevor der steile Teil des Anstieges nach Cruz de Fero beginnt mache ich in Rabanal de Camino eine Rast. Dort begegnen wir zwei junge Pärchen aus Tschechien, welche auch in unmittelbarer Nähe von mir Rast machen. Sie sind alle so etwa Mitte Zwanzig. Die beiden Männer sind Brüder. Die vier sind sehr sympathisch. Die Rucksäcke der beiden Brüder wiegen an die 30 kg. Da sie wenig Geld haben schleppen sie reichlich Verpflegung mit sich rum. Der Vorteil ist ihre Rucksäcke werden von Tag zu Tag leichter. Sie sind in Leon gestartet wohin sie per Autostop gekommen sind. Sie bieten mir etwas von ihrem Essen an welches sie mit einem Esbitkocher zubereiten. Ich gebe ihnen im Gegenzug etwas von meinen Keksen ab.  In Manjarin wollen sie ihr Nachtquartier aufschlagen. Das Mädchen erzählt mir hier wohnt ein Mann alleine mit seinen Schafen in einem verfallenen Dorf. Ich gehe dann alleine weiter. Der letzte etwas steile Aufstieg zum Cruz de Fero beginnt. Auf dem Cruz de Fero angekommen lege ich meine Steine auf dem Haufen ab. Schon faszinierend was die Pilger dort alles ablegen. Ich halte mich dort länger auf. Heute möchte ich draußen übernachten. Es ist nicht ganz einfach einen geeigneten Platz zu finden. Schließlich finde ich im Wald ein Plätzchen. Nach einer Zeit verlasse ich den Ort jedoch wieder da hier zu viele Mücken herumschwirren. Dann übernachte ich halt bei dem Mann mit den Schafen.

Dort angekommen werden mir noch die Reste des Abendessens serviert. Viel ist es nicht mehr aber immerhin. Der Mann mit den Schafen ist Thomas der letzte Templerritter. Otto hat mir bereits von ihm erzählt. Wir mussten damals über seine Erzählung von dem Ritter Thomas herzlich lachen. Thoma ist der Schutzengel der Pilger. Er hat schon so manchem Pilger in Not geholfen. So um die 50 Jahre ist er alt. Ein etwas jüngerer Mann wohnt dort auch noch wohl sein Knappe. Etliche Hunde und Katzen streunen um das Anwesen herum. Eine junge  völlig abgemagerte Frau scheint dort auch schon länger Zeit zu wohnen. Sie ist so abgemagert, dass sie wie eine Magersüchtige aussieht. Ich vermute Thomas hat sie hier aufgenommen da sie dringend Hilfe benötigte. Unter den Gästen befindet sich unter anderem eine sehr junge Deutsche aus Duisburg. Außer dem ein holländisches Paar mittleren Alters. Der Mann ist in Holland zu Fuß gestartet. Er hat jedoch in Frankreich so heftige Probleme mit den Füssen gehabt, dass er für mehrere Wochen ausgesetzt hat. Doch die Probleme sind immer noch nicht weg. Aber er möchte auch unter Schmerzen den Weg zu Ende bringen. Ich weiß nicht ob man in so einem Fall doch nicht besser ganz aufgeben sollte bevor man seine Gesundheit ruiniert. Seine Frau begleitet ihn mit dem Wohnmobil. Nach einiger Zeit tauchen auch meine tschechischen Freunde auf. Sie schlagen ihr Zelt in einer Wiese in der Nähe des Anwesens auf. Zuerst überlege ich mir in der spartanisch eingerichteten Herberge, welche ein besserer Schuppen ist zu übernachten. Doch dann entscheide ich mich draußen zu übernachten. Nach dem mir der Knappe davon vorgeschwärmt hatte wie schön es ist unter freiem Sternenhimmel zu schlafen. Ich rolle meine Isomatte in der Nähe der Zelte der Tschechen aus. Als ich gerade in meinen Schlafsack schlüpfen will kommt mir eine Katze zuvor und schlüpft in meinen Schlafsack. Das geht gar nicht. Ich mag ja Katzen wirklich gern. Aber den Schlafsack will ich nicht mit einer teilen. Also wird sie wieder herausbefördert. Doch sie schlüpft kurz darauf wieder zu mir in den Schlafsack. Worauf ich sie wieder herausbefördere. Dieses Spiel wiederholt sich einige Male bis die Katze schließlich aufgibt. Nachdem ich dieses Problem beseitigt habe platzieren sich zwei Hunde direkt neben mir. Dies gefällt mir ebenfalls nicht. Was wenn sie mich anfallen. Ich kann mich ja im Schlafsack nicht wehren. Ich glaube zwar nicht, dass sie das machen, da sie sehr friedlich zu sein scheinen. Sie wollen mich wahrscheinlich nur beschützen. Doch mir ist doch mulmig dabei. Als ich aufstehe merken sie schließlich, dass sie nicht erwünscht sind und verlassen mich. Die erste Viertelstunde belästigen mich noch ein paar Moskitos. Doch dann ist Ruhe. Nun steht einer geruhsamen Nacht nichts mehr im Wege. So schlafe ich dann auch schließlich ein.

Pünktlich zum Sonnenaufgang um 6.30 Uhr wache ich dann auf. Ich habe trotz allem recht gut geschlafen. Ein Weilchen bleibe ich noch liegen und genieße den Sonnenaufgang. Ich lasse es heute gemütlich angehen. Die Toilette hier ist ein Erlebnis. Sie besteht aus einer Holzhütte. Die Hütte ist etwas erhöht auf Stelzen gebaut. In der Mitte der Holzhütte befindet sich ein viereckiges Loch im Boden, hier wird die Notdurft hindurch verrichtet. Als Spülung dient eine Schaufel Kalk. Unter der Hütte stapelt sich der Kot. Aber durch den Kalk stinkt es gar nicht mal so.  Die Dusche hier ist auch sehr speziell. Sie besteht aus einer Gießkanne die aufgehängt ist. Durch das ziehen einer Schnur welche mit der Gießkanne verbunden ist betätigt man die Dusche. Es gibt hier oben nun mal keinen Wasser - und Stromanschluss. Das Frühstück nehme ich mit den jungen Tschechen  zusammen ein. Es besteht aus Keksen mit Marmelade. Es ist bereits 8.30 Uhr als ich die Herberge verlasse. Es sind jetzt nur noch 222 Kilometer nach Santiago.

Noch ein Weilchen wandere ich auf der wunderschönen Hochebene, auf einem Niveau von ca. 1500 Höhenmetern. Dann folgt ein längerer teilweise ziemlich steiler Abstieg auf steinigen Pfaden. In dem kleinen Dörfchen Molinaseca erblicke ich einen wunderbaren Platz zum baden. Bei einer alten Römerbrücke wird das Wasser eines Flusses aufgestaut. Das ist der schönste Badeplatz den ich je gesehen habe. Ich bin zwar heute nur 15 Kilometer gegangen. Doch dieser Ort lädt wahrlich zum verweilen ein. So gehe ich auf direktem Weg zur dortigen Herberge. Ich bekomme dort ein Bett welches sich draußen befindet. Unter dem großen Vordach der Herberge. Hier stehen zahlreiche Betten unter dem Vordach. So etwas hab ich bisher auch nicht gesehen. Es ist aber wie ich finde ein herrlicher Schlafplatz. Man ist draußen, aber man ist doch im trockenen falls es regnet. Der Papst, damals noch Kardinal Josef Ratzinger hat auch, als er auf dem Jakobsweg unterwegs war, in dieser Herberge übernachtet. Worauf sie hier besonders stolz sind. Jetzt aber nichts wie auf zu dem Badeplatz. Das erste Mal schwimmen auf dem Jakobsweg - herrlich. Mein Badevergnügen wird lediglich etwas durch das etwas kalte Wasser gestört. Das Wasser kommt nun mal direkt von den Bergen. Aber auf jeden Fall ist es schön sauber.

In der Herberge erblicke ich eine hübsche junge Frau. Ich komme nicht daran vorbei sie anzusprechen. Sie heißt Susanne und kommt aus Franken. Wohnt aber derzeit in Berlin wo sie im Bundestag arbeitet. Sie ist ausgesprochen nett und ich habe das Gefühl, dass sie sich gerne mit mir unterhält.

Abends begegnen mir wieder meine tschechischen Freunde. Sie überlegen sich ob sie bei meiner Herberge ihr Zelt aufschlagen wollen. Sie wollen den Hospitalero nach dem Preis für das aufschlagen ihres Zeltes fragen. Ich beauftrage hierzu eine junge Spanierin, welche ich hier in der Herberge kennen gelernt habe, als Übersetzerin. Der Preis ist den vieren zu teuer. Darauf macht der Hospitalero eine sehr unfreundliche Äußerung. Als ob die Tschechen etwas dafür könnten, dass sie nur wenig Geld haben. Ich bin ziemlich sauer auf die Arroganz des Hospitalero. Auch tut es mir Leid, dass ich die junge Übersetzerin da mit rein gezogen habe. Das schlafen unter dem Vordach erweist sich als ausgesprochen schön.

Die erste Stadt die ich am nächsten Tag erreiche nennt sich Ponferrada. Hier begegnen mir zwei Spanier, Vater und Sohn. Der Sohn ist 15 Jahre alt. Irgendwie kommt es, dass ich mit den beiden ins Gespräch komme. Sie haben heute ihren ersten Tag auf dem Jakobsweg.  Mit dem Vater ist die Verständigung etwas schwierig, doch der Sohn spricht englisch. Die beiden sind mir auf an hieb sehr sympathisch und so kommt es dann auch das wir zusammen gehen. Die Gegend hier scheint sehr fruchtbar zu sein. Ständig finden wir irgendwelche Früchte am Wegesrand  zum verspeisen. Ein Mann lädt uns sogar dazu ein von seinem Kirschenbaum zu essen. Wir kommen der Einladung natürlich nach. Ich komme mir heute aufgrund des reichhaltigen Obstangebots fast vor wie im Paradies. Die beiden scheinen mir irgendwie Glück zu bringen.

So gegen Nachmittag trennen sich dann wieder unsere Wege. Kurz vor meinem Etappenziel begegnen mir die beiden dann wieder. Die Herberge in der ich heute unterkomme ist sehr speziell. Sie besteht aus kleinen Holzhütten welche direkt hintereinander, ohne Abstand, angeordnet sind. Eine Hütte teilen sich jeweils zwei Personen. Die Herberge besitzt weit über Hundert Betten. An einzelnen Hütten stehen Nummern. Wer zuerst kommt bekommt die Hütte mit der Nummer eins, der zweite die Nummer zwei etc. Der erste Platz ist an Susanne gegangen. Sie ist bereits um 5 Uhr losgegangen. Das zweite Bett ist auch an eine deutsche gegangen, welche in der gleichen Herberge wie wir war. Meine Nummer befindet sich irgendwo im hinteren mittleren Bereich. Ich teile mir die Hütte mit einem jungen Mann. Er geht den Weg in die entgegen gesetzte Richtung. Das heißt er ist in Santiago gestartet. Er scheint auch irgendwie ein Einzelgänger zu sein. Seine Füße bereiten ihm schon erhebliche Probleme. Wie allgemein die Herberge einem Lazarett zu gleichen scheint. Man sieht hier viele humpelnde Menschen. Ich unterhalte mich noch etwas mit Susanne. Sie humpelt auch ein bisschen.

Heute führt der Weg häufig an verkehrsreichen Landstraßen entlang. Unterwegs treffe ich zwei hübsche Pilgerinnen. Ich spreche sie mit hola und que t´al? an. Die dunkelhaarige reagiert nicht auf meine Anrede. Die blonde antwortet mir freundlich.

In Vega de Valcare mache ich heute halt. In meinem Zimmer erblicke ich auf dem Bett eines Zimmergenossen ein deutsches Outdoorbuch. Ich frage daher den Pilger dem es gehört ob er aus Deutschland kommt. Daraufhin fragt er mich ob man ihm das ansieht. Es ist Günther aus Wangen im Allgäu. Günther ist bereits Rentner. Er ist vor Jahren zu Hause gestartet und ist jedes Jahr eine Etappe Richtung Santiago gegangen.  Auf seinem Weg hat er schon einiges erlebt. Auch hat er in seinem Pilgerpass viele Stempel gesammelt, welcher ihm daher besonders am Herzen gelegen ist. Leider ist ihm in einer Pilgerherberge sein Pilgerpass mit den ganzen Stempeln abhanden gekommen. Wahrscheinlich geklaut. Ich sage ihm vielleicht ist es ja ganz gut so und er soll es doch als eine Art Lehre sehen, dass man sein Herz nicht zu sehr auf solche materiellen Dinge hängen soll.

Wir essen dann auch gemeinsam zu Abend. Zu uns gesellt sich dann auch ein junger Pilger mit einem ziemlich langen Vollbart. Dem Bart zu Folge ist er wohl schon länger unterwegs. Tatsächlich ist er bereits in Rorschach in der Schweiz gestartet. Sein Name ist Franco. Harald, welchen ich schon vor etlichen Etappen getroffen habe, hat mir bereits von ihm erzählt. Er war längere Zeit mit ihm unterwegs. Franco ist ziemlich schnell unterwegs. Er ist einige Tage später als ich gestartet und hat mich bereits eingeholt. Außerdem sitzt bei uns am Tisch ein junger Japaner. Er wurde mir bereits von anderen Pilgern als Japaner mit einem sehr großen Rucksack beschrieben. Heute koche ich Spaghetti mit diesen sehr leckeren Bohnen mit Wurstscheiben aus der Dose. Da es zuviel für mich ist frage ich die anderen ob sie etwas abhaben möchten. Der Japaner hat sich zwar ein Reisgericht gekocht doch er ist gerne davon. Es schmeckt ihm dann schließlich so gut, dass er seinen Reis ganz stehen lässt und nur noch von meiner Speise isst.  Wir führen dann noch eine interessante Unterhaltung vor allem über religiöse und philosophische Themen. Mich überrascht es, dass Franco als Atheist aus der Bibel zitieren kann.

Als ich am nächsten Morgen das Frühstück in der Herberge zu mir nehme sind die meisten Pilger schon weg. Die zwei hübschen Frauen die mir gestern begegnet sind und mit denen ich kurz geredet habe sitzen bei mir am Tisch. Sie sind Französinnen aus Paris. Die blonde will zuerst mit mir spanisch reden, da ich ja gestern ein paar spanische Worte mit ihr ausgetauscht habe. Ich sage ihr, dass sie doch lieber französisch mit mir reden soll da ich das bedeutend besser kann. Sie erzählen mir, dass sie "professeur" sind. Ich kann es nicht fassen sie sind etwas jünger als ich und schon Professorinnen. Ich fühle mich ihnen gegenüber als Versager, ich bin ja lediglich Diplom Ingenieur. Ich muss lachen als sich dann herausstellt, dass sie lediglich Lehrerinnen sind. professeur heißt auf Deutsch Lehrer.

Günther hat mir erzählt dass er in der lediglich 7 km entfernten Herberge übernachten will. Es handelt sich hier nämlich um eine schwäbische Herberge. Wenn man hier als Schwabe ein schwäbisches Gedicht oder Lied vorträgt ist die Übernachtung gratis. Wenn ich das gewusst hätte wäre ich gestern noch bis dahin gegangen. 7 Kilometer sind mir für heute etwas zu kurz. Doch ich möchte mir die Herberge auf jeden Fall anschauen. Günther ist längst schon dort als ich eintreffe. Der Herbergsvater kommt auch zu uns hinzu. Er erzählt mir ein bisschen was über die Herberge. Die königliche Hoheit Herzogin Diana von Altshausen im Schwabenland ist auch an dieser Herberge beteiligt. Von ihr ist auch die Bronzestatue eines Jakobuspilgers vor der Herberge. Ab und zu soll Herzogin Diana hier vorbeischauen. Er erzählt mir auch, dass Susanne gestern in der Herberge auf mich gewartet hat. Sie hat immer gemeint, dass noch ein Schwabe, also ich, noch zum Gedicht vortragen kommt. Ich bin gerührt, dass sie auf mich gewartet hat. Hätte sie doch nur was gesagt, dass es diese Herberge gibt. Ich würde ja schon allzu gern in dieser ausgesprochen schönen Herberge bleiben und dabei sein wie Günther den Schwabenstreich von Ludwig Uhland vorträgt. Doch irgendwie zieht es mich weiter auch wegen der Sache mit Susanne.

Anfangs der heutigen Strecke ist ein größerer Anstieg zu bewältigen. Ich beobachte einen Raubvogel, ein Bussard oder womöglich sogar ein Adler. Er steht ganz still in der Luft ohne sich auch nur einen Zentimeter vom Fleck zu bewegen, wie angenagelt. Das unglaubliche dabei ist das er nicht einmal mit den Flügeln schlägt. Ich habe noch nie einen Vogel beobachtet der so etwas kann. Auf dem Gipfel setze ich mich auf eine Mauer und genieße die Aussicht. Unter mir befindet sich ein wunderbares Meer aus Wolken. Eine polnische Pilgerin fragt mich ob sie mich so auf der Mauer sitzend fotografieren darf.  Sie meint es wäre ein tolles Motiv. Ich stimme zu. Außerdem begegnen mir auf dem Gipfel noch der spanische Vater und der Sohn mit denen ich vor zwei Tagen ein Stück gegangen. bin. Der Vater lädt mich auf ein Getränk ein. Wie nett doch die beiden sind. Ich finde es auch schön, dass die beiden sich so gut verstehen und gemeinsam solche Reisen unternehmen.

Mittlerweile befinde ich mich nun in Galicien. Die Landschaft ist jetzt nicht mehr so karg. Galicien gilt als hügelig und grün. Die Wälder bestehen vor allem aus Eukalyptusbäumen, welche von den Seefahrern eingeführt wurden und sich hier sehr stark verbreitet haben.

Als ich an meinem heutigen Etappenziel, eigentlich recht früh ankomme ist bereits die erste Herberge wo ich hingehe voll. Ich bin ziemlich verärgert darüber. Aber es gibt dort ja noch weitere Herbergen. Die zweite ist auch schon voll. Aber ich kann dort eine Matratze auf den Flur legen. So langsam sind richtige Massen auf dem Weg. Um die Urkunde, die Compostella zu ergattern muss man mindestens 100 Kilometer gegangen sein. Diese Urkunde ist vor allem bei den Spaniern begehrt. Man hat damit sogar in Spanien bessere Karten bei Bewerbungen. Schließlich bekomme ich dann doch noch ein Bett in der Herberge. Abends gehe ich dann noch in den Ort. Ich setze mich dort zu Franco der vor einer Bar sitzt. Später gesellt sich dann noch Susanne ein wenig zu uns.

  1.   Tricastella - Santiago (14 Juli - 19 Juli)

So langsam wird es richtig voll auf dem Jakobsweg und die Plätze in den Herbergen werden knapp. Viele Pilger gehen daher früh los teilweise schon um 5 Uhr damit sie dann um 12 Uhr in der Herberge sind um sich noch einen Platz zu ergattern. Mir ist das ganze Gerenne um einen Herbergsplatz zuwider. Daher will ich es Gott anvertrauen wo ich übernachten werde. Ich gehe nun also absichtlich später los um dann auch umso später in der Herberge anzukommen. Sollte ich keinen Platz bekommen ist es mir auch recht. Ich wollte sowieso noch einmal draußen übernachten. Gegen Mittag  bin ich schon in Sarria. Hier sehe ich Susanne vor einer Herberge sitzen. Sie wartet mit über 100 anderen Pilgern bis die Herberge aufmacht. Die Herberge ist also bereits voll. Ich unterhalte mich noch etwas mit Susanne und schaue mir ihren Rucksack und ihre Wanderschuhe an. Irgendwie zieht es mich weiter. Obgleich ich schon gerne noch etwas Zeit mit Susanne verbringen würde.

Unterwegs treffe ich den Japaner wieder. Wir gehen ein Stück zusammen. Bis er in einer Herberge halt macht. Mein heutiges Etappenziel lautet Ferreiros. Als ich mich in der Nähe der Herberge befinde sagen mir zwei Pilgerinnen, die mir entgegenkommen, dass die Herberge voll ist. Ich kann darüber nur milde lächeln. Die Hospitalera bestätigt dies dann auch aber sie verweist mich auf den Aufenthaltsraum in dem ich entweder auf dem Boden oder auf den Sofas übernachten könnte. Im Aufenthaltsraum befindet sich zu meiner Überraschung bereits der Japaner. Er hat in der Herberge bei der ich ihn verlassen habe keinen Platz mehr bekommen und auch hier kein Bett mehr bekommen. Wir haben uns unterwegs irgendwie verfehlt, da ich mich ein Stück verlaufen habe. Außerdem befindet sich in dem Aufenthaltsraum noch eine nette, junge Koreanerin welche sich wie der Japaner auf Weltreise befindet. Sie hat auch kein Bett mehr bekommen. Ich koche mit dem Japaner zusammen. Danach unterhalte ich mich noch nett mit der Koreanerin. Ich entscheide mich dann doch schließlich dagegen mit der Koreanerin zusammen in dem Aufenthaltsraum zu übernachten. Da die Sofas zu kurz und der Boden zu hart ist. Ich lege mich draußen auf die Wiese. Es ist einfach nur herrlich dort unter freiem Sternenhimmel zu schlafen. Einige andere Pilger, wie der Japaner, nächtigen auch draußen.

Als ich am nächsten Morgen aufstehe, sind nur noch ich, die Koreanerin in der Herberge und noch eine junge Frau sehe ich noch im Bett liegen als ich durch den Schlafsaal zur Toilette gehe. Als ich im Aufenthaltsraum gerade meine Sachen zusammenpacke kommt die junge Frau hinzu und fragt mich nach Papiertaschentüchern. Sie heißt Monika und kommt aus Deutschland genauer gesagt aus NRW. Als ich ihr erzähle, dass ich in NRW sprich in Jülich studiert habe meint sie, dass sie auch aus Jülich kommt. Die Welt ist doch klein. Sie lädt mich dazu ein mit ihr zu frühstücken. Gerne komme ich dieser Einladung nach. Monika hat in Paris als Modedesignerin gearbeitet. Sie hat die Arbeit gekündigt da ihr der Stress dort zu viel war und ihr sogar auf die Gesundheit geschlagen hat. Daher versucht sie sich jetzt auf dem Jakobsweg zu erholen. Monika ist hübsch und für eine Frau außergewöhnlich groß. Wir starten den Weg heute gemeinsam. Es geht mit ihr zusammen recht gemächlich voran. Wir machen viele Pausen. Wir durchqueren einige mittelalterlich anmutende Dörfer mit gepflasterten Straßen, welche durch und durch mit Kuhfladen bedeckt sind. Man glaubt hier wirklich sich in einer anderen Zeit zu befinden. Wir quatschen ziemlich viel miteinander. Wir sind durch das reden so abgelenkt, dass wir uns etwas verlaufen. Um wieder auf den richtigen Weg zukommen müssen wir durch ein Grundstück gehen. Wir gehen also über die Veranda eines Hauses direkt am Wohnzimmer vorbei. Dummerweise ist das Tor vorne verschlossen. Also Kommando wieder zurück. Da kommt auch schon die Frau des Hauses aus dem Wohnzimmer heraus. So etwas verlegen versuchen wir ihr klarzumachen, dass wir glaubten, dass der Jakobsweg hier durchführt. Sie schüttelt nur mit dem Kopf. Lustigerweise habe ich die Nacht vorher davon geträumt, dass ich auf dem Jakobsweg durch ein Wohnzimmer gehe. Dass hat sich ja jetzt ziemlich bewahrheitet. Ich glaube ja nicht an prophetische Träume. Aber der Traum ist doch in diese Richtung gegangen. Danach schlagen wir einen Weg durch Brennnesseln ein. Mir machen die Brennnesseln ja nichts aus, da ich lange Hosen habe. Wobei es für Monika mit ihren kurzen Hosen sicherlich kein allzu großes Vergnügen ist. Als wir dann wieder einen richtigen Weg erreichen, sage ich zu ihr zum Spaß, dass der Weg  wieder durch ein Tor verschlossen ist. Es macht mir Freude mit Monika zusammen zu gehen  In Portomarin machen wir eine erneute Pause. Portomarin ist früher etwas tiefer gelegen. Das alte Portomarin ist mittlerweile von einem Stausee überflutet. Interessant ist hier auch die Kirche. Sie wurde Stück für Stück abgetragen und wieder an dem neuen Ort aufgebaut. Monika möchte in ein Internetkaffee. Sie weiß nicht wie lange es geht. Wir einigen uns darauf, dass wenn es zu lange geht ich alleine weitergehe. Ich kaufe mir noch etwas Proviant im Supermarkt. Die Verkäuferin dort unterhält sich mit mir noch etwas über das Wetter. Sie meint "mucho caldo". In Deutschland ist mir das bisher noch nicht passiert, dass sich eine Verkäuferin mit mir übers Wetter unterhalten hat. Aber ich finde das nett.

Ich warte dann noch eine Weile, als sie dann nicht kommt gehe ich alleine weiter. Gegen Nachmittag gibt es ein Gewitter. Ich verbringe daher länger Zeit, um nicht nass zu werden, in einer Bar. So etwa um 6 Uhr Abends habe ich noch gar keine Ahnung wo ich übernachten soll. Vielleicht wieder draußen. Vor einem Gebäude sehe ich einen Stand. Ich schaue nach was es dort gibt. Da spricht mich auch schon eine Frau an und fragt mich ob ich hier übernachten möchte. Ich bin etwas überrascht ich hätte das hier jetzt gar nicht für eine Herberge gehalten. Aber wenn ich so nett gefragt werde nehme ich das Angebot natürlich an. Ich bekomme dort das letzte Bett in dem großen Schlafsaal. Die Betten sind dort ohne Abstand direkt nebeneinander. Aber das schöne dort ist es gibt nur ein Doppelstockbett in welchem ich übernachte. Es ist ja eigentlich nicht gegen Doppelstockbetten einzuwenden. Aber wenn ein Schlafsaal voll davon ist, ist es alles andere als schön. Manche Doppelstockbetten haben oben nicht einmal ein Geländer. Es soll hier in Spanien auf dem Jakobsweg sogar Dreistockbetten geben. In der Garage dort läuft auf einer großen Leinwand ein Jesusfilm. Ich schau mir ihn zusammen mit anderen Pilgern an. Die Herberge ist eine christliche Herberge welche von Amerikanern geleitet wird. Wobei sie ist nicht katholisch. Welcher Konfession die Leute die, die Herberge leiten, angehören kann ich jedoch nicht sagen. Auf jeden Fall sind sie dort sehr nett. Der Japaner ist übrigens auch in der kleinen Herberge. Irgendwie kreuzen sich momentan immer wieder unsere Wege. Das Abendessen nehmen wir alle gemeinsam ein. Es gibt Kartoffelpüree mit Würstchen. Ich sitze bei einer Amerikanerin welche zu den Hospetaleros gehört. Sie ist so um die 40 und äußerst attraktiv. Ich unterhalte mich sehr angeregt mit ihr. Sie ist mir äußerst sympathisch und ich fühle mich etwas zu ihr hingezogen. Natürlich ist sie etwas zu alt für mich. Als ich ihr einige spanische Phrasen sage wie donde supermercado oder donde albergue um ihr zu verdeutlichen mit wie wenig Spanischkenntnissen man hier durchkommt, schauen einige Spanier zu uns etwas verärgert herüber. Sie beschwichtigt sie und erklärt ihnen was ich mit den Phrasen sagen wollte. Es war ein sehr schöner Abend den ich in der Herberge verbracht habe und in dem Schlafsaal ist es auch gemütlich.  

Am nächsten Morgen wird dann noch gemeinsam gefrühstückt. Ich verabschiede mich dann noch von meiner sympathischen Gesprächspartnerin vom Vorabend. Sie fragt mich ob Sie mich umarmen darf. Ich habe selten jemand lieber umarmt als sie.

Ich bin gerade erst losgelaufen als mich ein Pilger anspricht. Es ist Gregor aus Österreich. Er ist so Mitte dreißig und mit seiner Freundin unterwegs. Man merkt bei ihm, dass er gerne die Menschen die ihm auf dem Jakobsweg begegnen anspricht. Das entspricht auch dem eigentlichen Geist des Jakobsweges. Die Pilger sind hier wie eine große Familie. Da ist es selbstverständlich, dass man sich für den anderen interessiert und mit ihm redet. Ich denke die erfahrenen Jakobspilger haben das verstanden. Gregor ist auch schon ein erfahrener Pilger. Er ist bereits am Stück von der Wiener Gegend bis nach Moissac gegangen. In Moissac musste er dann wegen Fußproblemen, nach dem es nach einer einwöchigen Pause nicht besser geworden ist, aufgeben. Aber das schöne ist für ihn, dass er das letzte Stück mit seiner Freundin gehen kann. Nach kurzer Zeit kommt auch schon der nächste Pilger der von Gregor angesprochen wird. Es ist Rudi aus Bayern. Irgendwie ergibt es sich dann, dass ich mit Rudi weitergehe. Er ist Ingenieur und hat sich nun eine längere Auszeit von seinem Beruf, ebenfalls Stress bedingt, auf dem Jakobsweg gegönnt. Nach einer Zeit trennen sich dann unsere Wege.

Es ist heute sehr heiß. Bisher hat mir die Hitze kaum zu schaffen gemacht. Heute macht sie mir schon etwas zu schaffen. Hier in Galicien gibt es zahlreiche lang gestreckte, Maisspeicher aus Granit. Sie sind ganz interessant anzuschauen. Sie sehen aus wie kleinere Scheunen auf Steinsäulen gebaut. Mittlerweile bin ich wieder mit einem Stock unterwegs. Ein älterer Mann hat ihn mir vor kurzem für einen Euro aufgeschwatzt. Irgendwie bekomme ich von dem mit einem Stock gehen leichte Hüftschmerzen. Daher befestige ich den Stock meistens an meinem Rucksack.

Heute möchte ich draußen übernachten. Irgendwo mitten in der Landschaft. Ich wollte das jetzt schon so lange machen. Jetzt wird es Zeit, da ich schon bald in Santiago sein werde. Am Abend spricht mich eine Frau bei einer Kirche an, vermutlich die Pfarrhauserin. Sie fragt mich ob ich einen Stempel will. Sie führt mich in die Kirche wo sich auch der Pfarrer befindet. Er unterhält sich etwas mit mir und zeigt mir die Kirche. Sie ist klein aber schön. Ich setze mich auf eine Kirchenbank und er segnet mich. Ich empfinde es als eine sehr schöne Geste, dass er mich segnet. Danach unterhalten wir uns noch etwas. Er sagt zu mir einige Male: "Buen Peregrino". Was für eine nette Begegnung. Der Pfarrer scheint die Pilger sehr zu mögen.

Die Suche nach einem geeigneten Schlafplatz gestaltet sich ziemlich schwierig. Kein Schlafplatz erscheint mir schön genug. Ich hoffe immer noch was Schöneres zu finden. Es ist bereit schon ca. 21 Uhr als mir ein junger Pilger in meinem Alter entgegen kommt. Er fragt mich welches der richtige Weg ist. In seiner Hand trägt er eine Gitarre in einem Gitarrenkoffer. Ich frag ihn ob sie denn nicht zu schwer ist. Darauf zeigt er auf meinen Stock. Er meint statt eines Stocks trägt er eine Gitarre. Er schlägt mir dann vor das wir uns in eine Bar setzen. Was wir dann auch machen. So unterhalten wir uns dann miteinander. Er heißt Daniel und kommt aus Tschechien.  Daniel ist in Santiago gestartet und geht in entgegengesetzter Richtung. Er meint Gott habe ihm gesagt, dass er das machen soll. Man begegnet hier nur sehr wenigen Pilgern die in die andere Richtung gehen. Es war auf dem Spanischen Weg beim mir bisher nicht einmal eine handvoll. Daniel führt ein Art Aussteigerleben. Er ist viel auf Reisen und hat keine feste Arbeit. Seine Gitarre benötigt er um sich als Straßenmusikant etwas Geld zu verdienen. Zum Abschied verabschieden wir uns nicht mit einem Normalen Händedruck sondern wir halten uns gegenseitig mit den Händen am Unterarm.  Mir war diese Art des Verabschiedens bisher unbekannt. So verabschieden sich gute Freunde, meint Daniel.

Einen Schlafplatz habe ich nun immer noch nicht.  Doch schon bald komme ich an einer schönen Wiese vorbei. Das lange warten hat sich gelohnt. Es ist schon nach 22 Uhr. Doch es ist noch hell. Hier in Spanien ist es wegen der Zeitverschiebung um die Zeit bis 23 Uhr hell. Ich suche mir etwas Heu zusammen und lege mein Isomatte darauf. Gerade als ich es mir auf meiner Isomatte bequem gemacht habe taucht ein Mann am anderen Ende der Wiese hinter einer Kuppe auf. Als er näher kommt sehe ich, dass es Rudi ist. Was für ein Zufall, dass wir uns unabhängig voneinander die gleiche Wiese ausgesucht haben. Er ist kurz nach mir hier eingetroffen und hat sein Zelt auf der anderen Seite der Wiese aufgeschlagen, welches ich wegen einer Kuppe innerhalb der Wiese von meinem Schlafplatz aus nicht erkennen kann. So sitzen wir dann noch eine Weile zusammen und genießen den Sonnenuntergang und anschließend den Sternenhimmel. Ich kann mir kaum einen schöneren Schlafplatz als hier vorstellen. In keinem Hotel der Welt kann es schöner sein. Als es schon Stockdunkel ist sehen wir noch einen Pilger mit einer Stirnlampe auf dem Kopf an uns vorübergehen. Es gibt schon verrückte Leute.

Als ich nach einer schönen Nacht unter freiem Sternenhimmel aufwache gehen schon etliche Pilger an mir vorbei. Die meisten sehen mich gar nicht obwohl sich mein Schlafplatz ganz in der Nähe des Weges befindet. Karin und Gregor sehen mich als sie an mir vorbeigehen und halten ein kurzes Schwätzchen mit mir. Wahrscheinlich hat ihnen Rudi gesagt, dass da unten auch noch einer liegt. Rudi geht nach einer Zeit auch an mir vorbei. Er hatte gedacht, dass ich auch schon weg bin, weil er mich wegen der Kuppe in der Wiese nicht gesehen hat. So gehen wir dann getrennt los.

Es sind jetzt noch etwa 42 km nach Santiago. Wenn ich es drauf anlegen würde könnte ich heute schon Santiago erreichen. Aber ich habe es ja nicht eilig. Als ich eine Pause mache gesellt sich Rudi wieder zu mir. Wir gehen dann den Rest des Tages gemeinsam.

Wir möchten heute beide wieder draußen übernachten. In einer Wiese in der Nähe des Flughafens von Santiago schlagen wir unser Lager auf. Doch nach kurzer Zeit beginnt es zu regnen und zu blitzen. Also gehen wir dann in eine nahe gelegene Bar um zu warten bis das Gewitter aufgehört hat. Doch es will nicht aufhören. So gegen 22 Uhr hat es immer noch nicht ganz aufgehört. Gegenüber von der Bar gibt es einen Rohbau. Wir beschließen dort zu übernachten. Doch irgendwann geht bei den Nachbarn das Licht an. Sie haben wohl bemerkt, dass wir uns in dem Rohbau befinden. Nix wie weg von hier. Rudi wirft seinen Rucksack von etwa 3 Metern Höhe herunter und springt hinterher. Ich hätte zwar eher die Treppe genommen. Aber wenn der das kann dann kann ich das auch. Also mache ich dasselbe. So entkommen wir dann ohne gesehen zu werden. Das ist noch einmal gut gegangen. Doch wo übernachten wir jetzt. Sollen wir etwa noch bis Santiago gehen? Jetzt um 23 Uhr noch eine Herberge zu finden dürfte ziemlich schwer sein. So gehen wir dann durch die Finsternis. Bei meiner Taschenlampe sind die Batterien leer und seine funktioniert auch nicht so gut. Wir überlegen uns ob wir in der Bushaltestelle des nächsten Ortes übernachten sollen. Doch sie ist etwas klein für uns beide. Das Wetter scheint sich jetzt doch noch beruhigt zu haben. Also trennen wir uns und suchen nach einem geeigneten Schlafplatz in einer Wiese. Hinter einem Parkplatz finde ich dann tatsächlich auch was. Rudi schlägt dort sein Zelt auf und ich lege meine Isomatte neben seinem Zelt aus. Falls es doch noch regnen sollte könnte ich dann Notfalls bei Rudi im Zelt schlafen, wobei es dort in seinem kleinen Zelt sehr eng werden würde. Aber das Wetter hält. Man sieht zwar ringsum immer wieder Blitze doch sie sind weit weg. So wird dann die Nacht doch noch geruhsam. An das draußen schlafen könnte ich mich irgendwie gewöhnen. Der Schlafplatz befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Flugplatz.

Um 6.30 Uhr wache ich bereits auf. Man kann von meinem Schlafplatz aus den Flugzeugen beim Start zuschauen. Wir begeben uns erst Mal in eine in unmittelbarer Nähe gelegene Bar um zu Frühstücken. Gregor und Karin sind auch schon dort. Es sind heute nur noch etwa 10 Kilometer bis Santiago. Heute Morgen sind sehr viele Pilger unterwegs. Wir überwinden den letzten Hügel vor Santiago den Monte de Gozo. Von hier hat man eine gute Sicht auf Santiago. Heute ist die Sicht leider nicht so gut, da das Wetter ziemlich trüb ist. Hier oben befindet sich ein riesiges Hotel- und Herbergsareal. Es sind jetzt lediglich noch 5 Kilometer nach Santiago. Je näher ich nach Santiago komme will sich bei mir nicht so recht ein Glücksgefühl einstellen. Ich bin eher traurig, dass sich nun eine lange und wunderschöne Reise dem Ende nähert. Der Ortsanfang von Santiago mutet gar nicht sonderlich schön an. Ich habe Santiago bisher nie auf einem Foto gesehen. Ich habe es mir immer ein bisschen märchenhaft vorgestellt. Doch bis jetzt kommt es mir vor wie eine ganz normale und moderne Stadt. Ungefähr um 10 Uhr treffen wir bei der Kathedrale von Santiago ein. Vor der Kathedrale befindet sich ein riesiger Platz auf dem sich zahlreiche Pilger befinden. Der Bereich um die Kathedrale hat durchaus etwas Märchenhaftes.

Eine gewisse Freude und staunen, dass ich es geschafft hab stellt sich nun doch bei mir ein. Mir begegnen einige bekannte Gesichter wie der Japaner, Franco, welcher auch erst heute angekommen ist, Harald, der bereits bis nach Finisterre gelaufen ist und noch einige andere bekannte Gesichter. Wir begeben uns dann zusammen zum Gottesdienst in der Kathedrale. Die Kathedrale ist bis auf den letzten Platz besetzt. Ich nehme hinten auf dem Boden platz. Heute wird der große Weihrauchkessel geschwenkt. Wie ich später erfahre geschieht das nur zu besonderen Anlässen. Der Kessel wiegt 50 kg und hängt an einem 30 m langen Seil. Er wird von 6 Männern geschwenkt. Der Kessel wird fast bis zur Decke hoch geschwenkt. Ein wirklich phantastischer Anblick.  Es ist eines der wenigen Male, dass ich auf dem Jakobswege einen Gottesdienst besucht habe. Doch dieser hier war wirklich schön.

Den nächsten Tag verbringe ich auch noch in Santiago. In der Herberge ist mir kurz Gisela begegnet als ich gerade telefoniert habe. Sie hat mich an die Nase gefasst. Aber irgendwie habe ich sie dann in der riesigen Herberge nicht mehr gefunden. Das hat mich schon etwas geärgert. Außerdem sind mir die beiden hübschen Lehrerinnen aus Paris wieder begegnet. Vor allem die blonde ist besonders nett zu mir. Sie scheint mich irgendwie zu mögen. Ansonsten ereignet sich nichts besonderes während meinem Aufenthalt in Santiago.

  1.   Santiago - Finisterre (20 Juli - 23 Juli)

Ich habe heute irgendwie keine gute Laune. Es geht heute relativ spät erst los. Ich suche in Santiago noch nach einer Post um Postkarten zu verschicken doch ich finde irgendwie selbst nach mehrmaligen nachfragen keine. Seltsam und das in einer doch eher größeren Stadt. Es sind auf den 90 Kilometern nach Finisterre bei weitem nicht mehr so viele Pilger unterwegs. Zur Zeit gibt es hier in der Gegend zahlreiche Waldbrände. An einigen Stellen im Wald sind noch kleine Feuerchen. Einige davon lösche ich unter anderem indem ich darauf Pinkle.

Auf dem Weg nach Finisterre gibt es nur wenige Herbergen. Nach 25 km erreiche ich die erste Herberge bereits um die Mittagszeit. Die Herberge ist bereits voll. Doch man hätte hier noch die Möglichkeit eine Matratze drinnen oder draußen zu platzieren. Gregor und Karin sind auch bereits in der Herberge. Eigentlich bin ich nur in die Herberge gegangen um meine Wasserflaschen aufzufüllen. Nach weiteren 10 km gibt es nämlich noch eine so genannte Notunterkunft. Als ich dann gegen Abend das kleine Dorf erreiche in dem sich die Herberge befindet, frage ich einen älteren Bauern auf einem Traktor nach dem Weg. Zu meiner Verblüffung beschreibt er mir in perfektem Englisch den Weg: „On the right hand you will see the building“. Die meisten Spanier selbst die Jungen können oft kein oder kaum Englisch und dann redet dieser ältere Bauer in perfektem Englisch mit mir. Später erfahre ich dann, dass es sich wohl um einen Engländer handelt der hier eingeheiratet hat.

Vor der Notunterkunft sitzt ein junger Franzose. Wir sind derzeit die einzigen Gäste. Es handelt sich um ein ehemaliges Schulhaus. Wobei als Notunterkunft würde ich es nicht bezeichnen. Alles ist hier picco bello  sauber. Die Herberge wird täglich geputzt. Man hat hier Duschen mit warmem Wasser. Es gibt halt keine Betten. Aber man hat hier zahlreiche Matratzen welche man auf dem Boden platzieren kann. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es keinen großen Komfortunterschied macht ob die Matratze auf dem Boden oder auf einem Bettgestell ist. Die Übernachtung ist hier komplett umsonst. Es gibt hier nicht mal Donativo. Nach einer Weile kommt noch eine Französin hinzu. Sie ist Fotografin und so um die 40 Jahre alt. Wir sind heut die einzigen Gäste hier. Ich habe gar nichts mehr zum Essen. Vor der Herberge befindet sich eine Feuerstelle. Der Franzose organisiert in dem Dorf ein paar Sachen zum Essen. Bei einem Bauern bekommt er Kartoffeln und in der hiesigen Bar bekommt er Hähnchenschenkel. Zum Schluss will er noch etwas Alufolie organisieren. Als er dann mit einem Aluminiumbalken statt der Alufolie zurückkommt, können wir nicht mehr vor lachen. Er spricht zwar ziemlich gut spanisch, doch er wusste halt nicht genau was Alufolie auf spanisch heißt. Er hat es mit einem Stück Aluminium umschrieben. Der andere hat dann gedacht er will wohl einen Balken. Wir können damit natürlich nix anfangen, also bringt er es wieder zurück. Aber man muss trotzdem sagen er hat ein gutes Organisationstalent. Er hat auch etwas in der Richtung studiert, ist aber momentan arbeitslos. Immerhin haben wir jetzt was zum essen. Doch die erworbenen Sachen auf dem Feuer zuzubereiten erweist sich als nicht ganz einfach. Die Kartoffeln legen wir einfach in die Glut. Die Hähnchenschenkel halten wir mit einem Stock ins Feuer. Was sich als nicht ganz einfach erweist, da die Hähnchenschenkel nur schlecht an dem Stock halten. Es ist dann schon längst dunkel als die Schenkel endlich einiger maßen gar sind. Leider sind sie innen immer noch etwas blutig. Na ja man kann es zumindest essen. Die Kartoffeln sind ganz gut geworden. Trotz des nicht ganz so guten Essens war es ein sehr schöner, lustiger und unterhaltsamer Abend mit den beiden. Irgendwie haben wir drei eine ähnlich Einstellung und eine ähnliche Art des Pilgerns. Wir platzieren unsere Matratzen nebeneinander in dem großen Klassenzimmer. Ich habe selten so gut geschlafen.

Am nächsten Morgen stehen wir erst so gegen 8 Uhr auf. Als wir zusammen draußen vor der Herberge frühstücken gehen schon die ersten Pilger von der über 13 Kilometer zurückliegenden Herberge an uns vorbei. Unter ihnen sind auch Karin und Gregor. Jedenfalls lassen wir drei es gemütlich angehen. Wir starten dann getrennt voneinander.

Mein Etappenziel liegt heute in Cee einer Stadt 15 Kilometer von Finisterre entfernt. Der Weg führt heute durch eine wie üblich recht ländliche Gegend. So um 15.30 Uhr treffe ich in der Herberge ein wo die meisten Pilger übernachten, da es nur sehr wenige Herbergen auf der Strecke von Santiago nach Finisterre gibt. Es sind auch schon fast alle Pilger dort wo dort übernachten werden und warten vor der Herberge bis sie einchecken können. Ich mache dort nur etwas Rast und fülle meine Wasserflaschen auf. Einige Pilger sind überrascht, dass ich noch weitergehe.

Auf einer großen Verkehrsinsel steht mit sehr großen Buchstaben, nicht zu übersehen, aus weißen Steinen zusammengesetzt der Name Nina. Damit kann doch nur die Nina aus Freiburg gemeint sein.  Jemand hat sich wohl in sie verliebt. Wen überrascht es. So 25 Kilometer von Finisterre entfernt sehe ich zum ersten mal das Meer. Es ist ein herrlicher Anblick nach 2500 km Wanderschaft zum ersten Mal das Meer zu erblicken. Schon seltsam seit über 1000 km bin ich kaum mehr als 100 km weg vom Meer gewesen und jetzt erst erblicke ich das Meer. So gegen Abend ist kein Pilger mehr unterwegs. Sie sind wohl alle längst in einer Herberge. Es ist bereits 18.30 Uhr und ich habe noch etwa eine Stunde zum gehen bis zu meiner Herberge. Ich gehe jetzt schon eine längere Strecke mit einem Stein im Schuh. Er stört mich nicht sonderlich. Ich befinde mich gerade mitten in einem Wald. Auf einmal schmerzt mich mein Fuß wegen des Steines so sehr, dass ich nicht mehr weiter gehen kann. Als ich den Stein aus meinem Schuh entfernt habe und gerade weitergehen will, sehe ich auf einmal eine sehr hübsche junge Frau. Ich sage zu ihr auf deutsch, dass ich gerade einen Stein aus meinem Schuh entfernt habe. Sie versteht natürlich nichts. Wäre ja auch Zufall wenn sie eine Deutsche wäre. Aber für mich war es irgendwie selbstverständlich, dass sie aus Deutschland kommt. Tatsächlich kommt sie aus England genauer gesagt von einer Kanalinsel. Welche ihren Angaben zu Folge näher an Frankreich als an England liegt. Sie heißt Alice und ist 28 Jahre alt. In SJPP ist sie gestartet. Verrückt um diese Uhrzeit noch so eine reizende Person zu treffen. Sie hat schon 13 Kilometer mehr als ich auf dem Buckel. So gehen wir nun gemeinsam. Es ist für uns beide so wundervoll von Ferne das Meer zu erblicken und ihm immer näher zu kommen. Seltsam sie müsste doch als Inselbewohnerin das Meer gewöhnt sein. Jedenfalls ist das Wandern mit ihr Genuss pur. Ich kann mir nichts schöneres vorstellen. Ich verspüre keinerlei Anstrengung obwohl ich heute schon eine sehr weite Strecke hinter mir habe. Ein junger Spanier begrüßt uns von seinem Garten aus in deutscher und Englischer Sprache. Um 21.30 Uhr kommen wir dann an einer Herberge an. Doch anstatt dort unser Nachtlager zu beziehen, füllen wir lediglich unsere Wasserflaschen auf und holen uns einen Stempel ab und gehen wie selbstverständlich weiter. Wir müssen herzlich darüber lachen, dass wir einfach so weitergegangen sind obwohl es doch schon so spät ist. Es ist so wundervoll mit Alice zusammen. Ich denke ich bin etwas in sie verliebt. Ich necke sie ein bisschen und sie schlägt mir deswegen mit ihrem Stock sanft auf meinen Hut. Ich wünschte mir das Wandern mit ihr würde nie zu Ende gehen. Schließlich erreichen wir dann den Strand von Finisterre. Es ist so wunderschön dort. Und wir sind beide überglücklich dort zu sein. Die Herberge kommt nun leider immer näher. Es ist längst dunkel. Die letzten Kilometer gehen wir am Strand entlang. Es ist ein endlos langer Sandstrand. Um 23.30 Uhr kommen wir an der Herberge an. Alice wird von einem südländisch aussehenden Mann mit einem Kuss auf den Mund empfangen. Ist das etwa ihr Freund? Ich bin deswegen etwas geknickt. Die Herberge ist übervoll. Eigentlich dürfte ich um die Uhrzeit gar nicht mehr dort einchecken. Ein Mann der wohl zu der Herberge gehört sagt er hätte nichts gesehen. Ich lege eine Matratze irgendwo auf den Gang. Na ja ich hätte wohl besser am Strand übernachtet. Alice möchte noch mit Freunden in die Stadt. Ich möchte nicht mitgehen. Sie verabschiedet sich von mir mit einem Luftkuss. Ich bin nun doch ziemlich erschöpft. Ich bin heute etwa 52 Kilometer gegangen, Alice sogar 65 km.

Am nächsten morgen beim Frühstück treffe ich Alice wieder. Sie hat mit dem Südländer in einem Zelt am Strand übernachtet.

Ich befinde mich erst in dem Dorf Finisterre. Zum eigentlichen Kap Finisterre sind es noch 2 km. Meinen Rucksack lasse ich in der Herberge zurück. Und mach mich zum Kap Finisterre auf. Unterwegs treffe ich auf der Suche nach dem richtigen Weg einen Deutschen Pilger. So kommt es dann, dass wir uns zusammen auf den Weg machen. Er heißt Josef, ist Anfang 60 und kommt aus Bayern. Josef war früher einmal Seemann. Er ist dann jedoch vor der Wahl gestanden Alkoholiker zu werden oder sich eine andere Arbeit zu suchen, was er dann auch gemacht hat.  Alice kommt mir mit dem Südländer entgegen. Sie war bereits am Kap. Wir scherzen noch ein bisschen miteinander. Ich treffe auch auf dem dortigen Campingplatz den Holländer der zu Hause gestartet ist und von seiner Frau mit dem Wohnmobil begleitet wird wieder. Die junge Deutsche aus Duisburg ist auch bei ihnen. Sie sind mit dem Wohnmobil zusammen von Santiago nach Finisterre gefahren.

Schließlich kommen wir am Kap an. Das Kap befindet sich an der Spitze einer Halbinsel. Man befindet sich auf einem 140 m hohen, steilen Felsen. Finisterre bedeutet Ende der Welt. Dieser Name passt zu diesem Ort. Das kühle und neblige Wetter heute verstärkt noch zusätzlich den Eindruck sich am Ende der Welt zu sein. Man hat ringsum nur noch die raue See vor einem. Ein beeindruckender und zugleich wunderbarer Anblick. Ich sitze mit Josef in einem Restaurant von wo aus wir das Meer beobachten können. Josef meint das Leben kann so schön sein. Ich empfinde das gleiche bei dieser herrlichen Ende der Welt Stimmung. Es stimmt einfach in diesem Moment alles. Ich hab keinen Zweifel, dass ich mich am Ende der Welt befinde. Wir schreiben heute den 22 Juli.

Später treffe ich dann noch Rudi und Franco. Außerdem begegnet mir Alice kurz wieder, diesmal alleine. Sie sagt mir, dass verrückt bin. Sie meint es wohl im positiven Sinne.  Ich verstehe rückblickend nicht warum ich sie nicht einfach zu einem Getränk eingeladen habe. Heute versuche ich noch mal in der Herberge einzuchecken. Eigentlich darf man dort nur eine Nacht übernachten. Die Frau dort fragt mich auch ob ich nicht schon gestern dort übernachtet habe. Ich bin ehrlich und sage ja. Das heißt ich muss mich jetzt erst mal auf Unterkunftssuche begeben. Es ist schon nach 18 Uhr. Von daher gestaltet sich die Unterkunftssuche als ziemlich schwierig. Wo ich auch nachfrage alles ist schon voll. Ich brauche dringend eine Unterkunft, da es etwas nieselt und kalt ist. Wenn ich draußen übernachte werde ich total nass. Eine junge Pilgerin aus Norwegen schlägt mir vor am Strand zu übernachten. Sie hat das auch gemacht und gute Erfahrungen damit gehabt. Na ja gut es hilft ja alles nichts dann schlafe ich halt trotz schlechtem Wetter am Strand. Ich halte noch ein kurzes Schwätzchen mit Franco. Ich erzähle ihm von dem Brauch in Finisterre sich seinen Bart abzurasieren. Er fragt mich meinst du wirklich, dass man das machen soll. Rudi begleitet mich zu dem Strand. Der Strand befindet sich auf der anderen Seite der Insel, wo ich bisher noch nicht war. Ich bin überrascht welch hohe Wellen es dort hat. Auf der Seite wo ich bisher war gibt es kaum Wellen. Es ist hier halt Atlantik pur. Es nieselt immer noch und es scheint heute nicht aufzuhören. Welch Überraschung ich treffe dort meine vier jungen tschechischen Freunde wieder. Sie haben an dem Strand ihr Zelt aufgeschlagen. Gestern haben sie mich vom Bus aus zusammen mit Alice wandern gesehen. Zur Not falls der Regen nicht aufhören  sollte kann ich bei ihnen im Zelt übernachten. Na ja zu dritt in einem kleinen Zelt ist wohl etwas zu eng. Der nächste Schritt ist jetzt jedenfalls meinen drei Monate lang gewachsenen Bart abzurasieren. Ich rasiere mich mit Meerwasser. Meine Rasierklinge haut nicht mehr so gut. Der Tscheche leiht mir noch seine. Auch damit geht es nicht so gut. Es dauert mehrere Stunden bis mein Bart ab ist. Es ist bereits dunkel als ich damit fertig bin. Es hat in der Zwischenzeit auch aufgehört zu Regnen. Was für ein Glück. Ich schlage meine Isomatte in der Nähe von den Zelten der Tschechen auf. Es ist ein wirklich schöner Strand hier und dazu noch das Rauschen des Meeres. Einfach ein herrlicher Schlafplatz. So schlafe ich dann auch ausgezeichnet.  

Heute möchte ich an dem langen Sandstrand auf der anderen Seite eine Muschel suchen. Seltsamerweise ist heute im Gegensatz zu gestern wieder herrlicher Sonnenschein. Ich treffe Franco rasiert wieder. Wobei so ganz konnte er sich von seinem Bart doch nicht trennen. Ein Stück am Kinn hat er sich doch noch stehen lassen. Er versucht nach einer Jakobsmuschel zu tauchen. Meine eigene Suche nach einer Muschel bleibt erfolglos. Obwohl ich den ganzen langen Strand auf und abgegangen bin. Ich hab nur eine jämmerlich kleine Jakobsmuschel gefunden. Außerdem habe ich vom gehen an dem schrägen Strand ziemliche Knieschmerzen bekommen. Irgendwie seltsam den ganzen Weg bis nach Finisterre hatte ich so gut wie keine Knieschmerzen und jetzt plötzlich am Ziel habe ich Knieschmerzen. Aber ich will ja noch zurückgehen. Oder doch nicht?

Ich treffe die beiden hübschen Französinnen aus Paris wieder. Die blonde fragt mich ob ich am Abend auch den Sonnenuntergang beim Leuchtturm beobachte. War das nun eine Einladung? Ich kann es jedenfalls kaum glauben vor allem bei der hübschen Frau.

Ich vergnüge mich noch mit den Tschechen beim baden im Meer. Es macht großen Spaß auf den hohen Wellen zu schwimmen wenn sie einen mit großer Wucht wieder an den Strand spülen. Die Wellens brechen sich in unmittelbarer nähe des Strandes. Von daher ist es relativ ungefährlich.  Auch die Ungarn wo ich bereits am Anfang des spanischen Jakobswegs  getroffen habe scheinen sichtlich Spaß daran zu haben. Ich bin etwas verwundert darüber. Ich habe sie sonst nur gesehen wie sie möglichst schnell zur nächsten Herberge gehetzt sind. Es scheint mir, dass sie zum ersten Mal auf ihrer Reise richtig Spaß haben.

Die Tschechen wollen wieder auf der anderen Seite der Insel übernachten. Ich bleibe hier. Am Abend denke ich darüber nach zu dem Leuchtturm zu gehen wo die Französinnen sind. Doch ich weiß nicht wohin mit meinem Rucksack. Außerdem habe ich ziemliche Knieschmerzen. Ich suche nach einem Nachtlager wo ich meine Isomatte aufschlagen kann. Ein junger Mann fragt mich wo man die Jakobsmuscheln findet. Die frage scheint nur ein Vorwand gewesen zu sein. Er will dann nämlich noch wissen ob ich hier am Strand übernachten will und ob er neben mir seine Isomatte aufschlagen darf. Ich bin natürlich damit einverstanden. Er ist erst 18 Jahre alt und in Le Puy gestartet. Er hat irgendeine Nierenerkrankung und muss sich wohl operieren lassen. Er hatte die Erkrankung bereits vor dem Jakobsweg.  Wegen der Krankheit hat er sich dann auf den Weg gemacht. Verrückt, dass er es trotzdem geschafft hat und vor allem in dem Alter. Mein kanadischer Freund Francoise im gleichen Alter hat es nicht geschafft. Auch schön mit ihm den Abend zu verbringen statt mit den Französinnen. Die Sterne und das Rauschen des Meeres wiegen mich in den Schlaf- einfach wunderbar.

  1.   Finisterre - Deutschland ( 24 Juli - ...)

Am nächsten Morgen packt der junge Franzose schon früh seine Sachen zusammen. Er reist wieder zurück nach Frankreich. Netterweise lässt er mir zwei Brötchen und etwas Milch da. Ich döse noch ein bisschen. Ich möchte heute wieder meinen Rückmarsch nach Deutschland antreten. Ich bin nicht mehr ganz so entschlossen wie auf der Hinreise. Ob das noch Sinn macht alles wieder zurückzugehen. Bei der Pilgerherberge fülle ich noch meine Wasserflaschen. Nach wenigen Hundert Metern zurück Richtung Deutschland kaufe ich mir erst noch in einem Supermarkt etwas Proviant. Danach kann es weitergehen. Irgendwie lande ich seltsamerweise direkt wieder bei der Pilgerherberge von der ich gerade losgegangen bin. Wie kann es sein, dass ich mich schon am Anfang so dumm verlaufe? Bin ich so auf Richtung Westen gehen programmiert?

Die Tschechen haben ihre Zelte am Strand stehen. Es ist zwar schon 9 Uhr doch sie scheinen noch zu schlafen. Also klopfe ich an ihr Zelt. Ich verabschiede mich von ihnen. Wir tauschen die E-Mailadressen aus und sie schenken mir noch eine Muschel.

Das gehen in die andere Richtung erweist sich als nicht ganz so einfach. Die Wegmarkierungen sind nur in die andere Richtung ausgelegt. Ich muss öfters nach dem Weg fragen. Eine zusätzliche Erschwernis ist es, dass ich den Leuten noch klar machen muss, dass ich in die andere Richtung gehen will.

Am Abend kurz vor erreichen der Herberge sehe ich ein freilaufendes Pferd welches sich ganz kompliziert im Kniebereich mit einem Stock verfangen hat. Es kann deswegen kaum gehen. Ich weiß nicht so recht was ich machen soll. Es lässt mich ja nicht an sich heran. Ich überlege mir Hilfe zu holen.   Doch ich beobachte dann später von einer gewissen Entfernung, dass ein Jeep auf das Pferd aufmerksam geworden ist. Mir begegnet außerdem noch eine größere Gruppe junger Franzosen. Sie sind verzweifelt darüber, dass sie in der Herberge keine Unterkunft bekommen haben. Es ist auch naiv anzunehmen, dass die kleine Herberge eine so große Gruppe aufnehmen kann. Sie fragen mich ob in der nächsten Ortschaft eine Kirche ist auf der sie auf dem Boden schlafen könnten. Ich kann ihnen da nicht weiterhelfen. Ich schlage ihnen vor einfach auf einer Wiese zu übernachten. In der Herberge begegnet mir ein junger Amerikaner er ist mir bereits zu Beginn des spanischen Weges begegnet. Er ist nun mit seinem Bruder unterwegs. Sie sind beide sehr sympathisch.

Am nächsten morgen beginnen die Pilger wie gehabt schon früh ihre Sachen zu packen. Die Geräusche die sie dabei machen stören mich nicht sonderlich. Doch als dann auch noch welche mit reden anfangen obwohl noch Pilger im Bett sind wird es mir zu bunt. Ich fordere sie mit einem lauten psst dazu auf ruhig zu sein. Die Amerikaner welche auch noch im Bett liegen stimmen mir bei.

Ich habe heute ein Treffen mit David vereinbart. Er ist auf dem Weg nach Finisterre. Wir wollen beide in der Unterkunft übernachten in der ich auf dem Hinweg bereits übernachtet habe. Ich habe dort auf dem Hinweg die zwei Franzosen getroffen und wir haben zusammen gegrillt. Ich muss noch Brot für uns beide organisieren. Was nicht ganz einfach ist. Da es auf dem Weg keine größere Siedlung gibt. Ich frage in einer Kneipe nach Brot. Sie verweisen mich auf ein Haus welches gar nicht nach einem Geschäft aussieht in dem man Brot kaufen kann. Und tatsächlich dort bekomme ich ein ganz besonders leckeres Brot. Die Strecke ist heute ziemlich kurz. Daher treffe ich bereits früh am Nachmittag in der Herberge ein. David ist bereits seit zwei Stunden dort. Er hatte heute eine noch kürzere Strecke zu bewältigen. Es ist schön ihn wieder zu treffen. Was nicht unbedingt zu erwarten war dach ich fünf Tage Vorsprung hatte. Aber durch das, dass ich zurückgehe werde ich wohl noch mehrere Bekanntschaften treffen. David erzählt mir, dass er zu beginn des spanisches Weges für kurze Zeit ein österreichische Freundin hatte. Danach hatte er einige Tage ziemliche Kreislaufprobleme. Er konnte nur morgens gehen. Teilweise war er so fertig, dass er Schlangenlinie gegangen ist. Irgendwann hat sich das aber wieder eingerenkt. Er hat auch von Sebastien gehört. Schweizerische Pilger haben ihm berichtet, dass sie ihn in der Herberge getroffen haben in der er uns verlassen hat. Er war bereits eine Woche mit einer heftigen Sehnenscheidentzündung dort. Er hat vermutlich aufgegeben.

Mein rechtes Knie macht mir ziemlich sorgen. Nach einer längeren Pause kann ich die ersten Meter kaum auftreten. Wobei es dann nach einigen Metern kaum noch schmerzt. Seltsam, dass jetzt plötzlich diese Probleme auftreten. Auf dem Hinweg hatte ich außer Blasen kaum Probleme.

Wir kaufen uns in der Kneippe noch Würstchen und grillen sie vor der Herberge. Dazu essen wir das leckere Brot.  Ein richtiges Festmahl.

Heute werde ich wieder in Santiago ankommen. Es begegnen mir einige Bekannte.  Schon am frühen morgen begegnet mir Nina aus Freiburg. Sie umarmt mich zur Begrüßung. Wir entschließen uns in einer Bar gemeinsam zu frühstücken.  Sie hat es ohne größere Probleme bis hierher geschafft. Sie hat in der Herberge in Frankreich in  der wir Sebastien verließen ihn wieder getroffen. Sie hat auf einem Bett ein Dose Sauerkraut und eine Dose Linsen liegen gesehen. Da wusste sie schon das kann nur Sebastien sein der hier liegt. Sie erzählt mir auch wer ihren Namen in großen Buchstaben mit Steinen auf eine Verkehrsinsel geschrieben hat. Es ist ein griechischer Pilger der sich in sie verliebt hat. Er ist einen Tag bevor ich in Finisterre angekommen bin, betrunken beim baden verunglückt. Bei den Felsen ganz am Kap ist er ins Wasser gesprungen und die Strömung hat ihn dann gegen die Felsen geschleudert. Per Hubschrauber musste er aus dem Meer gerettet werden. Er hat sich dabei seine Hüfte gebrochen. Nina wird ihn in zwei Tagen im Krankenhaus besuchen.  Während wir zusammensitzen ruft er ihr an. Sie ist etwas genervt von ihm. Ich bin schon etwas erstaunt wie mühelos sie die Reise geschafft hat. Sie findet es lustig mich jetzt ohne Bart zu sehen. Zum Abschied umarmen wir uns wieder.

Am frühen Nachmittag begegnet mir wieder ein alter Bekannter es ist Günther aus Wangen. Wir unterhalten uns etwas und tauschen unsere Adressen aus. Tatsächlich sollte ich ihn zwei Jahre später besuchen.

Am späten Abend so gegen 7 Uhr komme ich  etwas erschöpft in Santiago an. Santiago sieht von ferne von Richtung Finisterre sehr viel interessanter aus. Man kann von hier die Altstadt und die Kathedrale erkennen. Von der anderen bzw. üblichen  Richtung kann man dies nicht. In Santiago kommt plötzlich ein Mann aus einer Kneippe heraus gerannt - es ist Marc. Günther, Inge und Daniela sind auch in der Kneippe. Wir unterhalten uns noch etwas. Schon seltsam vor allem Günther und Inge sind mir auf dem Jakobsweg ständig begegnet. Klar man begegnet sich auf dem Jakobsweg immer wieder. Aber den beiden bin ich besonders oft begegnet.

Sie sollten mir zwei Jahre später sogar ganz zufällig, während einer Fernwanderung über die Alpen, wieder begegnen. Ich bin über den Gotthard Pass nach Italien gewandert. Während 5 Tagen war ich auf meiner Route auf dem Jakobsweg. In der Zeit habe ich einen Ruhetag in Bregenz eingelegt. Als ich gerade auf einer Bank in der Stadt saß hat mich dort eine junge südländisch aussehende Frau angesprochen. Sie hat mir die schauerlichsten Dinge erzählt, dass sie vergewaltigt wurde, ihr Mann gestorben ist, sie zwei kleine Kinder hat und sie die Miete nicht mehr bezahlen kann, dass sie rausfliegt wenn sie die Miete heute nicht bezahlt und noch mehr. Sie hat mich darum gebeten, dass ich ihr die Miete für einen Monat bezahle, über 350 Euro. Ich hab ihr gesagt, dass ich ihr nicht so recht glauben kann. Irgendwie hab ich auch eine Abneigung ihr gegenüber verspürt. Sie hat mir vorgeschlagen, dass wir zusammen in eine Kirche gehen könnten und darüber zu beten ob sie die Wahrheit sagt. Ich war damit einverstanden. Also haben wir in einer Kirche ein Vater Unser gebetet. Danach sind wir bei einem Supermarkt gestanden sie hat mich dann noch etwas bearbeitet. Ich war schon kurz davor zur Bank zu gehen und ihr das ganze Geld zu geben. Obwohl ich selber zu der Zeit auch nicht gut bei Kasse war. Auf einmal schaut mich eine Frau an. Irgendwie kam sie mir bekannt vor. Es war Inge. Günther und deren beide Ehepartner waren auch dabei. Sie waren  auch einige Tage auf dem Jakobsweg in Österreich unterwegs. Wir unterhielten uns noch etwas. Ich konnte leider wegen der Bettlerin mit ihnen keinen Kaffee trinken weil ich das zuerst abklären wollte und ich wegen dem ganzen auch etwas betrübt war.  Die Bettlerin war währenddessen etwas zur Seite getreten. Als sie wieder weg waren ist sie wieder zu mir gekommen. Ich war wieder kurz davor  ihr das Geld zu geben. Wieder schaut mich eine Frau an, schüttelt den Kopf und sagt nein. Ich frage sie was sie meint. Sie sagt dass sie das Dorf kennt wo sie her ist, irgendwo in Bosnien Herzegowina, und dass sie eine Betrügerin ist. Sie sagt der Bettlerin etwas in deren Landessprache die Bettlerin sagt etwas zurück. Es muss irgendein böses Schimpfwort gewesen sein. Die Frau sagt mir wenn ich schlau bin gehe ich. Was ich dann auch mache. Die Bettlerin läuft mir nach. Ich gebe ihr dann 20 Euro, dass sie mich endlich in Ruhe lässt. Immerhin bedeutend weniger als 350 Euro. Ohne es zu wissen haben mich Inge und Günther aus einer brenzlichen Situation gerettet.

Günther, Inge und Marc fliegen am nächsten Tag zurück nach Deutschland. Daniela bleibt noch etwas. Ich verabrede mich mit ihr für den nächsten Tag zum Essen. Dann suche ich mein Nachtlager bei den Franziskanern auf. Es ist eine sehr einfache Herberge. Die Pilger schlafen in einem großen Saal, auf Matratzen, die auf dem Boden ausgelegt sind. Nach 10 Uhr kann man die Herberge nur noch durch ein Loch im Zaun verlassen und wieder zurück in die Herberge gehen. Vor allem die jungen Pilger nehmen dieses Loch im Zaun gerne in Anspruch.  Wobei das natürlich von den Franziskanern nicht so gern gesehen wird. Obwohl sie es wohl billigen, sonst würden sie das Loch zumachen. Aber ich werde es wohl nicht in Anspruch nehmen.

Am nächsten Tag treffe ich mich mit Daniela vor einem speziellen Pilgerrestaurant mit extra großen Portionen. Da zu viele Leute dort sind beschließen wir ein anderes Restaurant aufzusuchen. Daniela ist ziemlich verheult. Der Abschied von ihren drei Freunden scheint ihr ziemlich schwer gefallen zu sein. Unterwegs treffen wir die beiden jungen Amerikaner welche mir erst vor drei Tagen begegnet sind. Sie schließen sich uns an. Wir finden dann schließlich ein Restaurant. Es ist recht amüsant mit den drei. Einer der Amerikaner erzählt mir, dass ich als ich ihm das erste mal, es war nicht weit nach Roncesvalles am Anfang des spanischen Weges, begegnet bin ihm erzählt habe, dass Salat für Kaninchen ist und Stretching für Frauen. Das passt zwar zu mir, aber ich bin doch überrascht, dass ich ihm sowas gesagt habe. Wir Männer ärgern uns ziemlich über die kleinen Portionen in dem Restaurant. Meine Erfahrungen in spanischen Restaurants sind auf dem Jakobsweg ziemlich schlecht, vor allem was viel zu kleine Portionen betrifft. Man hat so das Gefühl, dass sie die Pilger gerne Abzocken. Danielas Portion war größer obwohl es bei ihr wesentlich billiger war. Sie schafft die Portion gar nicht und gibt mir den Rest.

Meinem Knie tut der Ruhetag sichtlich gut. Wobei ich immer noch etwas Hinke. Daniela meint entsetzt so kann ich doch nicht weitergehen.

In der Herberge der Franziskaner gibt es dann abends einen Gottesdienst. Es ist alles ziemlich meditativ. Aber durchaus schön. In der Herberge begegnet mir auch ein junger Moslem. Ich bin ziemlich überrascht, dass auch Moslems den Weg gehen. Er ist sehr nett.

Ich setze meinen Weg in die andere Richtung fort. Die erste Nacht in Santiago hatte ich wieder den Traum den ich so oft auf dem Weg hatte, dass ich den Weg unterbrechen muss aufgrund irgendeiner Begebenheit ich das aber auf keinen Fall will. Letzte Nacht habe ich geträumt, dass ich besser direkt wieder nach Hause reisen sollte aber diesmal nicht aufgrund einer speziellen Begebenheit sonder aufgrund einer allgemeinen Sache etwas was ich für mein Leben machen muss. Im Gegensatz zu den Träumen die ich sonst immer hatte habe ich mich in diesem Traum nicht dagegen gesträubt sonder es als unbedingt notwendig angesehen. Ich bin zwar niemand der jetzt übermäßig auf seine Träume hört oder daraus gar übersinnliche Botschaften oder Vorraussagen herleitet. Doch zeigt mir der Traum, dass ich nicht mehr so ganz davon überzeugt bin den Weg wieder zurückzugehen. Es begegnen einem unterwegs so viele Menschen. Irgendwie ist man aber trotzdem einsam, da sie ja alle die andere Richtung gehen. Man sieht also fast alle Leute die an diesem Tag auf dem Jakobweg gehen. Außer einem buen camino oder hola kann man nichts mit den anderen Pilgern reden.

Eine junge wunderhübsche Spanierin spricht mich wegen der Wasserflasche welche ich außen an meinem Rucksack befestigt habe, an. Sie scheint halb am Verdursten zu sein. Selten habe ich jemandem so gerne Wasser gegeben. Mein Knie macht mir nach wie vor etwas zu schaffen.  Aber sobald ich ein Stückchen gegangen bin lässt der Schmerz wieder nach. Es ist mir eine Rätsel auf der Hinreise hatte ich gar keine Knieprobleme. Erst seit Finisterre habe ich welche. Die Hitze macht mir jedoch wenig aus.

Ich beziehe das Nachtlager heute auf einer schönen Wiese. Ich kann dort gut schlafen.

Es gestaltet sich nach wie vor als ziemlich schwierig die andere Richtung zu gehen. Teilweise warte ich an Weggabelungen eine halbe Stunde bis Pilger kommen. So schlage ich dann den Weg ein von dem sie kommen, da es dann logischerweise der richtige Weg sein muss.

Heute übernachte ich wieder auf einer Wiese. Aber irgendwie kann ich heute nicht so richtig einschlafen. Es raschelt ständig im Gebüsch. Und dann kommt auch noch Regen hinzu. Bei Regen ohne Zelt übernachten das geht gar nicht. Also packe ich mitten in der Nacht meine Sachen und gehe weiter. Um vier Uhr morgens begegnen mir bereits die ersten Pilger. Ich möchte heute wieder in der christlichen Herberge in Ligonde übernachten. Ich habe hier bereits bei der Hinreise übernachtet. Es hatte mir dort sehr gut gefallen. Doch als ich dort eintreffe haben sie geschlossen, weil heute Sonntag ist. Aber es gibt in dem Ort zum Glück noch eine Herberge. Es ist auch ganz nett dort. Ich unterhalte mich dort mit einem kleinen italienischen Mädchen mit den paar italienischen Brocken die ich kann. Sie ist mit ihren Eltern und Geschwistern unterwegs. Ihr kleiner Bruder ist erst zwei Jahre alt. Er stolpert ziemlich unsicher herum. Er ist wohl von den Strapazen ziemlich müde. Plötzlich fällt er in meiner Nähe nach vorne um. Kurz bevor er mit seinem Gesicht voraus auf dem harten, gefliesten Boden aufschlägt strecke ich meinen Arm aus und fange sein Gesicht mit meiner flachen Hand im letzten Moment auf. Das Mädchen berichtet ihren Eltern ganz beeindruckt von meiner Rettungstat. Sie mag mich sehr dafür.

Irgendwie habe ich heut nicht so viel Appetit. Muss wohl an der durchgemachten Nacht liegen. Aber eine Portion Spaghetti geht immer.

Kurz bevor ich am nächsten Morgen aufbreche begegnet mir in der Herberge eine junge hübsche Spanierin. Ich unterhalte mich mit ihr etwas auf Englisch. Ich habe das Gefühl als ob sie gerne mit mir losgehen würde. Das hätte ich zu gerne gemacht. Es ist wieder ein Problem von dem in die andere Richtung gehen. Man kann sich niemandem anschließen. Heute läuft es gar nicht gut. Es geht mir irgendwie nicht so gut. Ich hab Kopfschmerzen und meine Knieschmerzen lassen auch nach längerem gehen nicht mehr nach. Selbst wenn ich eine Pause mache schmerzen sie noch etwas. Von daher geh ich heute nur wenige Kilometer.

Ich übernachte heute in einer riesigen Herberge in Porto Marin. Es ist eine etwas seltsame Herberge. Die Herberge ist an einem steilen Hang gebaut. Auf der Herberge befindet sich eine Villa, welche wohl dem Besitzer der Herberge gehört. Ab und an fährt er mit seinem dicken Mercedes von dort oben, das heißt von seiner Villa zur Herberge runter. Er erinnert mich irgendwie an einen Mafiaboss.

Am nächsten Tag ist an wandern überhaupt nicht zu denken ich fühle mich sehr schlecht.  Ich hab Durchfall, Übelkeit und kann kaum was essen. Also bleibe ich noch einen Tag in der Herberge. Sollte meine Übelkeit daher kommen weil ich vor zwei Tagen versehentlich anstatt Milch Sahne gekauft habe und diese dann trotzdem ausgetrunken habe? Meine einzige lange Hose ist heute auch völlig kaputtgegangen. Sie ist fast in zwei Teile gerissen. Irgendwie läuft grad alles gegen mich. Ich bin mir nun sicher, dass ein fortsetzen der Reise keinen Sinn macht. Aber zuerst muss ich wieder zu Kräften kommen, da mir in meiner jetzigen Situation sogar eine Zugreise zu anstrengend wäre. Nachts nach zehn Uhr sitze ich noch im Aufenthaltsraum der Herberge. Ich fühl mich so schlecht, dass an einschlafen nicht zu denken ist. Der Herbergsbesitzer fragt mich warum ich mich nicht schlafen lege. Ich sage ihm mit meinen paar Brocken spanisch, dass ich Magenprobleme habe. Daraufhin gibt er mir ein Medikament gegen meine Übelkeit. Er scheint doch ganz nett zu sein obwohl ich ihn mit der Mafia in Verbindung bringe. Das Medikament hilft sogar etwas. Ich kann mich nun schlafen legen.

Am nächsten Tag suche ich mir  in dem Ort eine andere Herberge in der ich ein Einzelzimmer habe. Ich bekomme ein kleines Zimmer im Dachgeschoss. Hier habe ich mehr Ruhe. Ich bleibe in der Herberge für 2 Nächte. Es geht mir nach wie vor sehr schlecht. Ich glaube fast, so schlecht ist es mir noch nie in meinem Leben gegangen. Mich befallen sogar ernsthaft Zweifel ob ich das überlebe. Aber einen Arzt möchte ich doch nicht aufsuchen. Außer ein bisschen Zwieback kann ich nichts essen. Nachdem ich drei Tage kaum etwas gegessen habe, esse ich nun in einem Restaurant abends wieder eine Portion Spaghetti mit einer Tomaten-Thunfischsoße. Ich habe nun wieder genug Kraft um mit dem Bus am nächsten Tag die 20 Kilometer nach Sarria zurückzulegen.

Hier in Sarria gibt es einen Bahnhof. Von dort kann ich weiterreisen. Ich plane mit dem  Zug zu meinen Eltern zu fahren. Sie machen gerade Urlaub an der Costa Brava in der Nähe von Denia. Ich kann dann mit ihnen mit dem Auto nach Deutschland mitfahren. Ich muss zwei  Tage in Sarria verbringen bis ein Nachtzug nach Denia fährt. So langsam komme ich immer mehr zu Kräften. Der Zug fährt erst um 23 Uhr ab. Am Abend der Abfahrt findet in Sarria ein Konzert auf einem eigens für solche Veranstaltungen geschaffenen Platz statt. Der Eintritt ist frei. Es ist spanische Musik. Es gefällt mir ausgesprochen gut. Das Konzert ist ein schöner Abschluss vom Jakobsweg. Irgendwie passt das zu meinem Jakobsweg. Es kommt mir fast vor als ob das Konzert eigens für mich wäre, so als Abschied vom Jakobsweg. Ich muss das Konzert verlassen bevor es zu Ende ist, da mein Zug Richtung Denia abfährt. Eine Woche später fahre ich mit meinen Eltern und meiner Schwester im Auto zurück nach Deutschland. Auf der Rückfahrt begegnet mir weitab vom Jakobsweg auf einem Autobahnparkplatz, in der Nähe der französisch spanischen Grenze, eine junge, hübsche Jakobspilgerin. Es ist Giulia aus Rom. Sie ist trampend auf dem Rückweg nach Rom. Leider können wir sie nicht ein Stück mitnehmen da unser Auto voll ist.

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RafaelGR

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