Fantasy & Horror
Die Nacht des Jägers - Forumbattle 41

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"Hier war nun also die gebündelte Flammenwut, hier brannte sie schwarze Löcher in die Nacht (...)"
Veröffentlicht am 19. Juni 2015, 24 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
© Umschlag Bildmaterial: annaluu
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Über den Autor:

Ich habe mich noch nicht selbst gefunden, möchte die Welt bereisen, entdecken, möchte ganz frei und ungezwungen schreiben und zeichnen und meiner Wanderlust nachgehen.
Hier war nun also die gebündelte Flammenwut, hier brannte sie schwarze Löcher in die Nacht (...)

Die Nacht des Jägers - Forumbattle 41

In dieser Nacht wandelten sich die Gejagten, ihre Augen leuchteten,  quollen blutrünstig hervor, der  Mund hechelweit geöffnet, triefende Sabberspuren, die ihnen die Hälse herunterlief.  

Ich beobachtete sie von meinem Fenster aus, mein Kopf versteckt unter einer dicken Wolldecke und  nur meine Augen hinter den dicken Brillengläsern lugten gerade so über das kühle Fensterbrett.  

Die Gejagten huschten mit ihren spindeldürren Körpern über die Straße, beschienen von der blauen  Neonschrift einer heruntergekommenen Pizzeria, die schon lange anstatt italienischer  Köstlichkeiten Gras in kleinen Plastikbeuteln verkaufte.  

Es nieselte leicht, ich sah die feinen Regenfäden im Schein der einzigen Straßenlaterne, diagonal  vor meiner Wohnung. Eine der Gejagten war nackt bis auf einen zu große Büstenhalter, der einen  tiefen Blick auf

die knochige Brust freigab; sie tanzte in ekstasischen Zuckungen, die Arme über  dem Kopf verschränkt, den Blick zu Boden gesenkt. Ihr Becken wackelte vor und zurück, seitwärts  und ich sah Gänsehautnoppen überall auf ihrem Körper. Es waren mindestens zehn Gejagte, alle ausgezehrt und klebrigfeucht von Regen und Speichel, alle  mager, aber so voller vibrierendem Hass, alle auf Rache aus.  Ich wusste, dass heute die richtige Nacht für sie gekommen war.

 

Seit gut einem Jahr beobachtete ich nun schon die Frauen. Meine Wohnung liegt in einem der  verfallensten, bitterlich ärmsten Vierteln der Stadt, dort wo die Hausfassaden mit Graffitiflüchen,  Kot und Straßenstaub beschmutzt sind, wo die Leute, denen noch etwas an ihrem Leben liegt, nur  bei hellstem Sonnenschein vor die Türe gehen. Und dann meist auch nur in einen der  Discounterläden,

die zwar eigentlich überall gleich aussehen, aber in meinem Viertel staubiger,  ranziger sind, die Neonröhren flackernder, die Joghurtbecher alle seit Tagen abgelaufen.  

Im Allgemeinen kümmert sich hier niemand um die Armut und den Verfall. Die Leute schlurfen  resigniert durch die Gassen, reagieren nicht auf Fahrradklingeln und verrotten auf ihren speckigen  Ledersofas. Hier gibt es kein einziges Fleckchen Gras, nur ausgedörrte, knorrige Bäume, die  Stämme von eingeritzten Namen vernarbt.  

Ich gestehe Ihnen jedoch, dass ich hier sehr gerne wohne. Niemand hat je verstanden, warum ich  immer in der Nähe des Elends seien wollte. Früher war meine häufigste Antwort "Na, um  Hilfsbereitschaft zu zeigen, sozial zu sein und all das." Aber der wahre Grund ist, dass ich ein  sensationsgeiles Arschloch bin, ein Typ, der sich hinter seiner Nickelbrille versteckt, unter der  Decke schwitzt, einfach um

einen gierigen Blick auf Geschehnisse werfen zu können. Ich verzehre  mich nach dieser Spannung, der Angst, der verlotterten Kraftlosigkeit eines Beraubten, des  gehetzten Schrittes eines Diebes oder Mörders und dabei sitze ich in meiner Wohnung im zweiten  Stock, starre durch die getrockneten Regentropfen auf der Fensterscheibe und bin einfach froh, dass  es mir nicht so ergeht.  

Das ist es. Ich bin eingentlich einer von euch. Ein stinknormaler Mensch, der in seinem eigenen  gutgeschützten Heim sitzt und freudig  quietscht, wenn es draußen gewittert, aber er drinnen im  Warmen bei einem beißendsüßen Drink sitzen kann, das Grollen belauschen.

Diese Sensationsgeilheit, die Lüsternheit nach Dingen, die nicht mich betreffen, die ich jedoch  beobachte und verfolge, wie einen Actionfilm mit verwirrend schnellen Bilderfolgen, diese Geilheit  hat mich hierher gebracht. In ein Viertel das nur nachts erblüht,

in den finsteresten Farben des  Lebens, den Schattierungen des Todes und des fauligen Atems vom Abschaum der Welt.

 

Grundsätzlich habe ich nichts gegen Frauen, aber ich verstehe sie nicht.  Als ich zum ersten Mal beobachtete, wie eine Gruppe dünner Frauen in kniehohen Lackstiefeletten  durch die Tür gegenüber von meiner Wohnung verschwand, war mein erster Gedanke: "Das sind  waschechte Prostituierte, ein Klischeebild von billigem Modeschmuck und falschen Pelzmänteln."  

Und erst Tage später kamen die Frauen -drei Stück waren es am Anfang und ich bemerke gerade,  wie treffend der Begriff Stück ist, denn genauso wurden sie behandelt- aus dem Haus heraus. (Im  Übrigen ein besonders ekliges Steingebäude, mit pissedurchtränkten Ecken und verrammelten  

Türen und Fenstern) Ihr Erscheinungsbild war

getrübt, verblasst, das Makeup in Schlieren  verwischt. Sie sahen todeserschöpft aus, blinzelten verkrampft in die Sonne. Ich bin ehrlich zu Ihnen, ich habe mir nicht gedacht "Ich muss die Polizei anrufen und Hilfe  holen!"; nie hat mich Panik gepackt, wenn ich die Frauen in Gruppen zu Tür reingehen sah und sie  wenige Tage später gebrochen herausgewankt waren. Zerstört.  

Abwarten war meine Devise. Ich ließ mich auf dem Elend dieser Frauen nieder, wie eine fette Hummel auf einem mickirgen Blütenhaupt. Etwas Größeres, Dramatischeres würde geschehen und  ich würde dabei sein. Aber irgendwann, nach ein paar Monaten, knickte diese Blume ein- nicht unter meinem Gewicht,  aber unter einer Last, die in dem Haus herrschte.

 

Eines nachts, es war eine klebrige Sommernacht, Mücken und Fliegen surrten träge

gegen meine  Fensterscheibe, die Hitze floss noch immer zäh wie Kerzenwachs durch den Raum, eines nachts sah  ich das Grauen.  Ich wischte mir unaufhörlich, gespanntnervös über den Schweißfilm auf meiner Oberlippe und  starrte nach draußen auf die Straße. Es waren nun schon einige Tage vergangen, seit vier Frauen das Drecksloch, die Katakombe betreten hatten und ich wartete in meiner voyeurischen Haltung auf ihre  Entlassung aus der Hölle. Als die Erste von ihnen heraustorkelte ahnte ich noch nicht, welch  grausame Szene sich gleich vor mir abspielen würde.  

Ganz deutlich sah ich den fetten Armwulst, der sich aus dem Türspalt schob, dunkle Behaarung und  grapschende Wurstfinger. Erst als ich ein paar mal ungläubig meine Augen zusammengekniffen  hatte, und genau in dem Moment, in dem die Hand die geflüchtete Frau um die Taille packte, wurde  mir klar, wie riesig der Arm und die Hand waren. In einer

monströsen Geste drückten die Finger  sich um die Frau, umfassten ihre komplette Mitte mit einem Griff. Der Handteller allein hatte den  Durchmesser eines Klodeckels.  

Mit angehaltenem Atem beobachtete ich das angstverzerrte Gesicht des Mädchens, ihre stierenden  Augen auf die dunkle Gasse, in die sie hatte flüchten wollen, ihre strampelnden Knochenbeine, als  das Monstrum sie hochhob und wieder durch die Tür zog.

Ihr blondzerzauster Schopf stieß dabei  dumpf gegen den Türrahmen, aber viel lauter hallten ihre Schreie nach.


Von da an packte mich eine Mischung aus Neugier und verkrampfter Angst. Wer -oder besser was-  wohnte mir gegenüber? Was spielte sich dort drüben genau ab und warum kamen und gingen die  Frauen? Wussten sie nichts von der Gefahr und dem Monster im Inneren des Hauses? War es ihnen  egal und sie

waren auf Geld angewiesen?

Ich blieb nach dieser Nacht noch fünf weitere Tage beinahe bewegungslos am Fenster sitzen, ohne  zu essen, zu trinken. Nur einmal ging ich in mein schimmelbefallenes Bad und würgte zittrig  schleimige Galle ins Waschbecken.  

Aber keine der vier Frauen kam je wieder aus der Hölle.  

    

Als der Sommer sich dem Ende neigte, musste ich eines nachmittags meinen Konservendosenvorrat  erneuern und nachdem ich einkaufen war, zog es mich rein intuitiv in eine kleine Bar. Im Inneren  roch es nach abgestandenem Zigarettenrauch, billiges Raumdeo versuchte dies zitronig zu  überdecken, was eine eklige Mischung ergab, die mich komischerweise an die Schulklos meiner  Collegezeit erinnerte. Ich setzte mich an die zerkratzte Bar, ließ unauffällig meinen schwerlidrigen  Blick durch den dunklen Raum

schweifen. In einer Ecke links neben den Klotüren sah ich ein  junges Mädchen mit kirschroten Haaren, die unordentlich zu zwei Zöpfen geflochten waren. Ihr  müdes Gesicht wirkte nicht mehr jugendlich sondern schlaff und fahl und dunkellila Augenringe  zeugten von Schlaflosigkeit. Sofort war ich mir sicher, dass sie eine von ihnen war. Eine  Geschändete, Vergewaltigte und Gebrochene.  

Ich hatte sie vor Wochen aus der Türe des Riesens gehen sehen, ihre kirschroten Haare wie eine flackernde Flamme im nächtlichen Wind. Als der Barkeeper (fetter Wanst, getrocknete, salzighelle Schweißfleckenränder, ein aufgedunsenes Gesicht und kahlgeschoren) meine Bestellung aufnahm, winkte ich in die Richtung des Mädchens und bestellte einen Scotch für sie. Der Dicke nickte und watschelte mit müden Plattfüßen, um die Drinks einzugießen. Aus den Augenwinkeln, an dem

Rahmen meiner Brille vorbei, fixierte ich die Rothaarige, sah wie ihr der Drink gebracht wurde und der Dicke mit dem Kopf zu mir hinwies. Ich setzte mein freundlich, bedachtes Lächeln auf, formte mein Gesicht zu einer perfekten Maske aus Nächstenliebe. Sie starrte mich an, mit milchiggrauen Augen, und es war wie eine Erlaubnis, ich durfte zu ihr, in ihre geschützte dunkle Ecke. Was ich bisher aus meinem Leben gelernt hatte, war, dass Überraschungen den Menschen verletzlich machen und ihn dort erreichen, wo er am schwächsten ist. Du spannst deinen Pfeil, lässt ihn zischend los und er trifft direkt in den Knotenpunkt der Seele, krümmt deinen Gegenüber und lässt ihn in erschrockenstockenden Worten reden. Die Frau war wie ein Fisch, mit feuchtglasigen Augen und schnappendem, schmallippigen Mund, biss sie sofort an und ich zog ihren mageren Körper mit einem Zug aus dem trüben

Wasser ihrer Gedankensuppe. „Sie haben mir einen Drink ausgegeben.“ Ihre Stimme klang knarzig, knautschig, lange nicht mehr benutzt und doch so jung, noch nicht ausgereift. Ich setzte mich ihr gegenüber, die Hände auf den Tisch -Ich will dir nichts böses, ich habe keine Waffen bei mir. „Ich habe Sie gesehen. Es ist erst einige Wochen her. Die Pizzeria Emilio? Das Steinhaus daneben?“ Ihr Kopf zuckte kaum merklich zurück, die Augen aufgerissen, ihre Hände griffen zittrig nach dem Drink. „Ich habe Sie gesehen, wie sie in das Haus hinein gegangen sind und ich will wissen, was dort drinnen geschieht.“ Mit einer unerwartet groben Geste packte ich ihren bleistiftdünnen Arm und zog das Shirt zurück. Treffer. Dunkelgrünblaugelbe Flecken wie ein Blumenkranz um ihr Handgelenk. „Wer oder Was hat Ihnen das angetan? Ich bin hier, um

Ihnen und den anderen Frauen zu helfen, verstehen Sie?“ Was für eine Lüge. Ich wollte es rein aus selbstloser Neugier wissen. „I-ich kann das nicht. Darf nicht darüber reden. Es hat es uns verboten. Oh Gott ogottogott.“ Ich spürte den aufmerksamen Blick des Dicken in meinem Nacken und ließ das Handgelenk der Rothaarigen los. „Reden Sie.“ Und ihre Augen blinzelten kein einziges Mal, während sie mit stierender Konzentration auf die Tischplatte sah und erzählte. In dem Steingebäude, der Katakombe, wie ich sie noch immer nannte, lebte ein Wesen, was kein bisschen mehr der Spezies Homo Sapiens zugeordent werden konnte. Sie beschrieb es als einen riesenhaften Fleischklumpen, groß wie ein Auto, mit gespannter Haut über dem fetten Bauch. Extremitäten behaart, nur der Wanst und das Gesicht nackt und rosaglänzend. In meinem Kopf formte sich das Bild eines

Babys, ein pudriggemästetes Säugling, mit grotesk bepelzten Armen und Beinen, einem aufgedunsenen Polsterbackengesicht und herausquellenden, gierigen Augen. "Was hat es mit Ihnen gemacht?" "Wir... wir mussten es einölen." Das Wort kam aus ihrem Mund wie ein zittriger Würgereiz. Sie trank, die Schlucke hüpften ihren Hals hinunter, jeder Wirbel stach dabei hervor, wie eine Perlenkette. „Ich war nur einmal dort, mir war das einfach zu krass, aber manche Mädchen kamen öfter und sie erzählten, dass sie dieses Wesen pflegen mussten, es mit breiigen Futter fütterten und wuschen. Manche fanden es nicht schlimm -für das Geld taten sie grundsätzlich weitaus mehr. Aber ich war nach den zwei oder drei Tagen, die ich in diesem Haus war, so fertig, dass ich mir schwor, dort nie wieder hinzugehen. Dort drinnen“, sie senkte die Stimme zu einem erschöpften Seuftzen. „Dort drinnen gibt es keine frische

Luft. Es riecht obszön nach angebrannter Milch und Lavendelölen, aber in einer so eindringlichen Mischung, dass man es schmecken kann. Und die Luft ist dick und schwer vom Schweiß dieses Wesens, ganz eklig süß. Und man bekommt so Kopfweh davon. Man wird krank. Und ja ich war nur zwei, drei Tage in diesem Loch.“ Ihre Worte wurden kräftiger, mutiger sprach sie die Wahrheit aus -ich spürte ihre unterdrückte Wut. Begraben unter der Last des Schweigens hatte sich eine hitzige Aggression in ihr aufgestaut, und sie  musste raus. Nicht nur mit Worten, sondern Taten mussten folgen.  

Wir tranken unsere Drinks schweigend aus, ich verabschiedete mich und ging -mit auf den Asphalt  gerichteten Blick und tief in die Hosentaschen vegrabenen Fäusten- nach Hause. Es dämmerte, Zeit  in die sichere Wohnung zu flüchten, weg von dem brutalen Wahnsinn der Nacht. Mein Hut schützte  mich schon jetzt vor

schmierig-gierigen Blicken der zwielichtigen Diebe, die mit schmutzigen  Fingernägeln an meinem Geld zupfen wollten. Auf einer der wenigen Brücken, direkt neben einer  erloschenen, ausgebrannten Straßenlaterne, blieb ich kurz stehen, starrte in die schlammig- vermüllte Brühe des Flusses, auf den verbogenen Fahrradreifen, der an die Böschung getrieben  worden war.

Diese Stadt, dieses Viertel war so hässlich. Die Brut einer Wirtschaftskrise und der stillen  Resignation der Menschen. Sie gaben noch auf, bevor sie versuchten dem Elend zu entkommen. Mit schnellen Schritten ging ich weiter.


Ich weiß nicht, ob es vielleicht sogar die Rothaarige war, die die Mädchen anschürte, ihre Wut und  auf das fette Ungeheuer bündelte. Unser kurzes Gespräch war der Funken, es entzündete sich eine  Flamme und

mit ihr wuchs der Durst nach Rache.  Fast kann einem das Wesen leidtun, wenn man bedenkt, dass es nur von schönen Frauen gepflegt  werden wollte, wie jeder einfach gestrickte Mann auch. Aber sein absonderliches Aussehen und die  Unberechtenbarkeit, die daraus hervorging, machte es zu einer ekligen Gefahr, provozierte Wut und  Ängste. Ich vermute, dass dabei auch die allgemeine Enttäuschung der Frauen mitwirkte, sie  wurden täglich von Armut, assozialen Verhältnissen und Hunger aufgefressen und dieses Wesen,  was ihnen zwar Geld bot, aber sie wie Abschaum behandelte, angrapschte und zwang, verkörperte  insgeheim ihre schleimigtriefende Machtlosigkeit. Das Riesenwesen war genauso auf die Frauen  angewiesen, wie sie auf sein Geld.

 

Während ich heute hinunter auf die Straße blicke, verflechten sich Zweifel in meine

Gedanken:  Das, was ich hier tue, dieses Beobachten, ist auch eine Form von Ausnutzung, ich beklaue den  Menschen ihre Intimsphäre und werde unweigerlich Teil von ihr. Ich bin genauso ein fettes,  schwitzendes Wesen, versteckt unter einer kratzenden Decke und hinter dicken Brillengläsern.  

Aber nun der letzte Akt der Geschichte.  Hier war nun also die gebündelte Flammenwut, hier brannte sie schwarze Löcher in die Nacht, in  die Seelen der Frauen. In dieser Nacht wandelten sich die Gejagten in Jäger. Sie ergriffen die Macht, schöpften aus ihren  ausgezehrten Körpern das letzte bisschen Kraft und Energie. Ich weiß nicht warum, aber der Begriff  "Gejagte" passte so gut: Gejagte von dem alltäglichen Albtraum des Lebens, Gejagte, hin- und  hergerissen zwischen Niederknien und sich für Geld opfern oder sich aufbäumen gegen den Druck.  Gejagte, die auf ihrer Flucht so viele Abzweigungen hätten

nehmen können.  Die letztendlich den Weg der Rache einschlugen und dadurch zu Jägern wurden.  Vielleicht brandeten Drogenwellen in ihrem hohlen Inneren, vielleicht hatte aber auch der Wahnsinn  der Situation sie zu diesen aufgescheuchten Irren gemacht.  

Aus der Gasse links vom Steinhaus des Riesen kam schreiend wie  quietschende Reifen auf nassem  Asphalt die Rothaarige, das grelle Kirschrot als einzige Farbe in dem Grau der regenübertünchten  Nacht.  Mit hetzenden Wortlauten scheuchten sich die Frauen zusammen, kurz wurde es ganz still, dann  knisterten ihre Sätze wieder in dem Straßenschacht und sie bewegten sich wie ein Schwarm zittriger  Silberfische zu der Tür des Steinhauses.  

Ich sah die Frauen nie wieder.

 

Wäre ich nicht so fett und faul geworden und hätte ich mir nicht geschworen, mich nicht mehr

in  fremde Angelegenheiten einzumischen, dann hätte mich der Neugierdrang unvorsichtig in die Höhle  des Riesen gesogen, hinein zu dem menschlichen Abgrund, den unmenschlichen Geschehnissen.  Der hilflosen Gewalt eines Riesen.  

Mir fehlt die aufgeplusterte, aufkeimende Natur, mir fehlt das saftigsatte Grün und die stacheligen  Grashalme von weiten Wiesenteppichen. Mir fehlt die keimfreie, staublose Lunge, mir fehlt das  unbeschwerte Einatmen, der Geruch der wässrigen Frische nach einem Regenschauer über  wogenden Maisfeldern. Mir fehlt das Vogelgezwitscher und das dumpfe, tiefe Grollen von  Gewitterstürmen. Mir fehlen die Jahreszeiten, der Wechsel der Farben, rotorangegelbgrüne  Baumkronen. Mir fehlen spiegelglatte Seeoberflächen im Winter und die rauen Knoten von Rinden.  Mir fehlt der natürliche Schmutz und Dreck der Natur und ich ersticke

in meiner Wohnung.  

Mein Bauch wächst jeden Tag, während ich auf ihm meine Styroporteller mit fettiger Fastfood- Substanz abstelle und aus dem staubigen Fenster sehe. Das einst so locker sitzende Brillengestell  wird nun von meinen fetten, aufgedunsenen Backen nach oben und hinein in die Augenhöhlen  gedrückt. Bin ich ein Querulant? Mir kann man es einfach nicht recht machen und meine täglich  gemurmelten Beschwerden und Schimpfgesänge bringe ich zum schweigen, indem ich mir mein  Maul vollstopfe.

Ich wachse jeden Tag. Nicht nur in die Breite, nein, auch meine Knochen schieben sich in  wehklagend-dumpfen Ziehen auseinander, alles wird größer und größer.  

Unter jedem meiner Atemzüge knarzt der Boden. Jeder Telefonanruf, um mir Futter zu bestellen,  wird mühsamer. Meine Lunge rasselt nach jedem Satz.  

Ich glaube ich brauche Hilfe.  

Jemand der mich einölt und meine schwieligen Füße massiert.  


Nur ein kleiner Scherz.

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annaluu
Ich habe mich noch nicht selbst gefunden, möchte die Welt bereisen, entdecken, möchte ganz frei und ungezwungen schreiben und zeichnen und meiner Wanderlust nachgehen.

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PamolaGrey Eine sehr schöne unterhaltsame Horror-Geschichte. Toll.
Vor langer Zeit - Antworten
pepe50 Eine unterhaltsame Horror-Gruselgeschichte, über etwas, was man selbst nicht erleben muss. Gut hat mir gefallen, die detailierte Beobachtung und einige Metapher an der richtigen Stelle, die das Ganze noch nachvollziehbarer machen. - LG Alfred
Vor langer Zeit - Antworten
Andyhank Erstmal: Eine tolle Geschichte hast du dir da ausgedacht! Hochachtung!
Allerdings hättest du die Beschreibung (Beschreibung Bild 2) weglassen können, denn das Bild soll jeweils aus dem Text hervorgehen, also man soll herauslesen können, welches Bild du in etwa beschrieben hast. An deiner Kommasetzung müsstest du auch noch feilen, hier und da fehlen welche.
Was die Optik angeht, werden manche Zeilen um eine Leerstelle nach rechts versetzt angezeigt. Flüchtigkeitsfehler, oder hat das etwas mit dem Reinkopieren zu tun? Zumindest fällt es auf. Da du eh über die 20 Seiten hinaus bist, hättest du in der Hinsicht auch etwas mehr Sorgfalt walten lassen können, meine Meinung. Aber nicht falsch verstehen. ;)
So, nun genug davon!
Ich bin jedenfalls froh, mal deine Version gelesen zu haben. Nichts ist schöner, als farbenfrohe Vielfalt. ;)
Vor langer Zeit - Antworten
annaluu Hi Andyhank, vielen Dank für deine ehrliche Meinung und Kritik! Das mit den Komma-Fehlern ist definitiv meine Schwäche, aber ich werde in Zukunft mehr darauf achten :)
Ganz genau: auf die Vielfalt kommt es an. Und nun wünsche ich dir noch eine sonnig-sommerliche Woche und sende liebe Grüße!
Vor langer Zeit - Antworten
NORIS Sorry ... mir fehlen die Worte ...
LG Heidemarie
Vor langer Zeit - Antworten
annaluu In diesem Falle wohl hoffentlich eine positive Reaktion...? :) Das macht mich nämlich auch sprachlos, so etwas zu hören. Vielen Dank und liebe Grüße!
Vor langer Zeit - Antworten
Tintoletto Dieses Thema und das, was Du daraus gemacht hast, ist einfach toll!
GlG Tinto
Vor langer Zeit - Antworten
annaluu Wow, vielen Dank Tinto! Und ganz liebe Grüße zurück!
Vor langer Zeit - Antworten
Caliope  Ich schließe mich den Vorrednern an, gestehe aber dass es ir persönlich zuviel Beschreibung ist, doch die sprachlich so erstaunlich, dass es mir weniger ausmacht als sonst..
Viel Erfolg,der Sieg sei dem Text gegönnt!!
lG
Cali
Vor langer Zeit - Antworten
annaluu Oh ja die vielen Beschreibungen... Ich persönlich liebe so kleine Details und die bildliche Sprache, da fällt es mir echt schwer mich kurzzufassen. Aber dann feut es mich umso mehr, wenn mein sprachlicher Stil dir die Sache schmackhafter machen konnte!
Danke für deine ehrliche Meinung und die lieben Worte!
Liebe Grüße,
Anna
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