Romane & Erzählungen
Wunder gibt es!

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"Aus den spirituellen Erfahrungen eines bekennenden Zweiflers"
Veröffentlicht am 08. Juni 2015, 18 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

Was soll man über sich selbst erzählen? Ich schreibe sehr gerne und sehr viel. Meist Texte und Kurzgeschichten aus dem Horror, Fantasy oder Thriller-Bereich.
Aus den spirituellen Erfahrungen eines bekennenden Zweiflers

Wunder gibt es!

Nach einigen für mich sehr schweren Monaten entschloss ich mich im Jahr 2008 entlang des viel gerühmten Jakobsweges zu wandern. In meinem Fall geschah das nicht aus Gründen der Spiritualität oder des Glaubens, sondern eher als eine Art Befreiungsschlag. Ein Versuch mal alle Sorgen für eine Zeit zu vergessen und mir selbst darüber klar zu werden, wie es für mich im Leben weitergehen sollte.







Ich habe einen stark ausgeprägten Hang zum Abenteuer, daher schnürte ich am vierzehnten August mein Päckchen und fuhr ziemlich unvermittelt mit dem Zug nach Bayonne in Frankreich. Von hier aus fährt eine beschauliche kleine Bergbahn nach Saint Jean Pied de Port, dem allgemein anerkannten Startpunkt des Camino Frances, des Jakobsweges. Ich war, wie gesagt, nur sehr unzulänglich vorbereitet. Bücher hatte ich keine gelesen, auch das des Herrn Kerkeling nicht. Einzig einen kleinen Reiseführer hatte ich mir zugelegt, damit ich mich grob über die zu laufende Strecke informieren konnte. Allem anderen hatte ich mich absichtlich

verwehrt, da ich die ganze Geschichte vollkommen unvoreingenommen angehen wollte. So etwas hört sich toll an, besonders für jemanden wie mich, aber es ist nicht immer die beste Idee… Als ich spät nachmittags in Saint Jean Pied de Port ankam, musste ich feststellen, dass dort ein fröhlicher Feiertag im Gange war. Also nicht nur ein Tag an dem nicht gearbeitet werden musste, sondern an dem auch tatsächlich in allen Straßen und Gassen gefeiert und getanzt wurde. Ich fühlte mich gleich willkommen und nahm es als gutes Zeichen, als eine Art fröhliches Willkommen. Gut gelaunt steuerte ich

auf das erst beste Pilgerbüro zu, um mich dort für den anstehenden Weg anzumelden. Knapp 850 Km zu Fuß durch den Norden Spaniens bis zur legendären Stadt Santiago de Compostela. Ich war sehr aufgeregt und voller Vorfreude! Nach dem der Papierkram erledigt war und man mich nun auch offiziell als Pilger eingetragen hatte, berichtete man mir das in der gesamten Stadt keine Betten mehr frei waren. Dank des Feiertages waren alle Hotels und Herbergen ausgebucht. Der freundliche Herr der Anmeldung aber tätigte einige Anrufe und konnte mir ein Bett etwas

weiter außerhalb des Ortes organisieren. Knapp fünf Kilometer die Pyrenäen hinauf… Da ich keine Wahl hatte, nahm ich das Angebot an, ließ mir kurz den Weg erklären und machte mich auf. Ich hatte ja bereits eine sehr lange Reise hinter mir und war dementsprechend geschlaucht. Dass es während der gesamten Strecke fast ausnahmslos steil bergauf ging, machte die Sache nicht besser. Etwas mehr als zwei Stunden brauchte ich bis ich mein Ziel erreicht hatte. Mein Bett befand sich in einem Stall, den der Besitzer zu einem recht ordentlichen Schlafsaal umgebaut hatte.

Außer mir waren noch gut zwanzig andere Wanderer dort. Neben etlichen anderen erkannte ich ein paar Amerikaner, einen Japaner und eine sehr freundliche Dänin, die noch mehr unter den ersten Kilometern gelitten zu haben schien, als ich. Ich traf sie beim Abendessen und wir unterhielten uns eine ganze Zeit. Die Nacht selbst war extrem unruhig! Draußen tobte ein gewaltiger Sturm und meine neue Bekanntschaft musste sich die ganze Nacht übergeben. Aus Erschöpfung nehme ich an, denn das Essen in der Herberge war ausgezeichnet.

Ich stand ihr so gut es ging bei, was nicht so einfach ist bei einem fremden Menschen des anderen Geschlechts. Besonders wenn es diesem wirklich dreckig geht und am liebsten allein gelassen werden möchte, gleichzeitig aber dringend Hilfe benötigt… Die Nacht verging, ohne dass ich viel hatte schlafen können. Früh morgens nahm ich ein reichhaltiges Frühstück vor einer mehr als nur atemberaubenden Aussicht zu mir, verabschiedete mich von der Dänin die sich noch einige Stunden ausruhen wollte und machte mich auf den Weg über die Pyrenäen. Mir standen noch knapp fünfundzwanzig

Kilometer bevor. Eigentlich keine sonderlich große Entfernung für jemanden der den Jakobsweg gehen will. Aber stetig ansteigend und nach wie vor bei stark böigem Wind. Der einem natürlich gut gezielt ins Gesicht blies und nicht, wie man vielleicht hätte hoffen können, von hinten das Laufen erleichterte. Einige Windstöße waren dabei so stark, dass ich gezwungen war zwei oder drei Schritte zurückzumachen bis es mit gelang mich gegen den Druck des Sturmes zu stemmen. Das verlangte einen Großteil meiner Kraft und, wie ich unschwer erkennen konnte, auch die der meisten anderen. Ich kämpfte und biss mich also vorwärts.

Schritt für Schritt, Meter für Meter. Wie bereits erwähnt hatte ich mich auf den Weg nur schlecht vorbereitet. Etwas das nicht nur für meine Ausrüstung galt, sondern auch für meinen Trainingszustand. Der, gepaart mit den Problemen der Nacht, zerrte extrem an meinen Kräften. Nach knapp drei Stunden war ich vollkommen erledigt. Zwischenzeitlich war ich sogar fest davon überzeugt der erste Pilger zu sein, den man schon auf der ersten Etappe tot in irgendeinem Graben wiederfinden würde. Der Weg über die Pyrenäen hält eine Vielzahl von kleinen Attraktionen bereit,

von denen ich die meisten jedoch übersah. So, nur zum Beispiel, habe ich nicht einmal mitbekommen, dass ich über die französisch/ spanische Grenze gegangen war. Zu sehr war ich damit beschäftigt mich irgendwie gegen den Wind und meine schwindenden Kräfte zu stemmen. Kurz hinter dem höchsten Punkt des Gebirgszuges gibt es einen Brunnen an dem man sich frisches Wasser holen kann. Aufgrund der Anstrengungen zuvor, hatte ich meine Vorräte längst aufgebraucht und ich freute mich sehr auf etwas Frisches zu trinken. Ich setzte meinen Rucksack ab und zog meine

Flasche heraus um sie erneut mit Wasser zu füllen. Wieder gab es einen heftigen Windstoß. So stark, dass mir die Flaschen aus den Händen gerissen wurde und in einem hohen Bogen davon flog. Uneinholbar! Glücklicherweise hatte ich noch einen kleinen Plastikbecher dabei, so dass ich wenigstens meinen Durst stillen konnte. Nur mitnehmen ging halt nicht… Der Weg bergab war leichter. Endlich hatte ich Zeit ein wenig die Aussicht zu genießen und mich umzusehen. Nur meine nicht mehr zu ignorierende Erschöpfung machte mir immer stärker zu schaffen.

Knapp drei Kilometer vor meinem Zielort kam ich an einen Wald. Der eigentliche Weg führte direkt durch ihn hindurch, aber ein Warnschild riet davon ab. Durch den Sturm waren die Wege im Wald vollkommen aufgeweicht und auch mögliche noch nicht entdeckte Baumschäden konnten durch herabfallende Äste zur Gefahr werden. Natürlich weiß ich dass es unvernünftig war. Aber der Weg um den Wald herum hätte einen zusätzlichen Umweg bedeutet. Von mindestens zwei zusätzlichen Kilometern. Lachhaft, ich weiß, aber ich war vollkommen fertig und wollte keinen Schritt mehr machen

als unbedingt notwendig. Also ging ich in den Wald hinein. Als einziger Der Weg war in einem wesentlich besseren Zustand als angekündigt. Ich genoss die Ruhe und die warme Sonne auf der Nasenspitze. Erstaunt sah ich auf?



Sonne? Seit wann war die denn da? Ohne dass ich es bemerkt hätte, war der Himmel aufgeklart. Er war strahlend blau, vollkommen wolkenfrei und es war

angenehm warm. Ich ging noch einige Zeit und freute mich über die Einsamkeit und die Schönheit des Waldes als ich auf eine kleine Lichtung aufmerksam wurde. Ich weiß, ich bediene hier jedes nur erdenkliche Klischee, aber der Wald selbst schien mich dorthin einzuladen. Ein Finger aus Licht brach durch das Blätterdach hindurch und deutete unübersehbar auf eine Stelle die dicht mit Klee bewachsen war. Ich verließ also den Weg und begab mich dorthin. Müde nahm ich meinen Rucksack ab, nutzte ihn als Kopfkissen und machte ich mir auf dem Waldboden gemütlich. Innerhalb einer Sekunde war ich eingeschlafen. Wie lange, kann ich

heute nicht mehr sagen. Länger als eine Stunde kann ich dort aber nicht gelegen haben. Wahrscheinlich eher weniger. Als ich jedoch erwachte, war ich vollkommen ausgeruht, ich strotzte sogar vor neuer Energie. Noch immer strahlte mir die warme Sonne ins Gesicht und ich fühlte mich in einer Weise geborgen die ich nur schwer beschreiben kann. Noch heute, fast sieben Jahre später, würde ich dieses Erlebnis als eindeutig spirituell bezeichnen. Wenn es in meinem Leben ein Ereignis gegeben hat, bei dem ich mich ‚göttlich‘ berührt gefühlt habe, dann in diesem einen

Moment. Ich habe leider keine anderen Worte für das, was in diesem Augenblick in mir vorging. Es war ein tiefes Gefühl des Friedens, der absoluten Sicherheit und der klaren Gewissheit genau das Richtige zu tun. Trotz aller Anstrengungen zuvor oder vielleicht auch genau deswegen… Noch heute sehe ich den üblichen Glauben sehr kritisch. Egal welcher Art, ob Christlich, Islamisch, Jüdisch oder welchem Ursprung auch immer. ABER! 




Ich bin zutiefst überzeugt, dass in der uns umgebenden Natur ein deutlich zu erkennendes spirituelles Wirken verborgen liegt. Man muss nur hinsehen und es auf sich wirken lassen. Und manchmal, in ganz seltenen Fällen, scheint es die Natur zu sein, die von sich aus auf sich aufmerksam macht…

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Ich schreibe sehr gerne und sehr viel. Meist Texte und Kurzgeschichten aus dem Horror, Fantasy oder Thriller-Bereich.

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Gast Sehr schööööön. Ich glaube auch, dass es etwas gibt zwischen Himmel und Erde, außer dem "normalen" Glauben. :-)
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AnniSorglos Von so einem Erlebnis träumt wohl jeder.... und manche erleben es wirklich. Schön geschrieben!
LG
Vor langer Zeit - Antworten
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