Fantasy & Horror
Der Keller

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"Der Keller"
Veröffentlicht am 08. Mai 2015, 18 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Was soll man über sich selbst erzählen? Ich schreibe sehr gerne und sehr viel. Meist Texte und Kurzgeschichten aus dem Horror, Fantasy oder Thriller-Bereich.
Der Keller

Der Keller

„Hans? Geh mal in den Keller und hol mir ein Bier!“ Worte die mir allein schon durch ihren Klang einen Schauer nackter Angst über den Rücken jagten. Wir hatten einen großen Keller. Vollgestellt mit allerlei Dingen, die man eigentlich niemand mehr benötigte, von denen sich meine Eltern aber trotzdem nicht trennen konnten. Dutzende Holzregale standen dort unten. Gefüllt mit allerlei Tand. Leeren Einmachgläsern, unzähligen Werkzeugen, alten Spielsachen und jeder Menger nutzlosem Schrott den mein Vater jedoch, so liebevoll wie übertrieben, als *wichtige Ersatzteile für später* bezeichnete.


Unsere Waschmaschine befand sich ebenfalls dort unten. Daneben körbeweise Schmutzwäsche. Gartengeräte natürlich auch und ein paar kaputte Möbel. Am meisten fürchtete ich mich vor einem alten Schlafzimmerschrank. Er war noch aus richtigem Holz gezimmert. Dunkel gebeizter Eiche, mit großen verzierten Türen. Jemand hatte mit viel Talent einige kunstvolle Ornamente in sie hineingeschnitzt. Mutter liebte sie, obwohl sie kein bestimmtes Bild darstellten, sondern einfach nur ein zusammenhängendes Muster bildeten. „Durch diese Schnitzereien wird der

Schrank erst richtig wertvoll!“, sagte sie immer. „Wer weiß? Vielleicht verkaufen wir ihn irgendwann und schenken dir von dem Geld ein neues Fahrrad. Würde dir das gefallen?“ Das beruhigte mich einige Zeit. Bis ich verstand, dass der schreckliche Schrank uns niemals verlassen würde. Er gehörte in den Keller, war Teil davon und er beherrschte ihn. Für immer! Man erkannte es daran, dass er vollkommen alleine dastand. Nichts wagte sich in seine Nähe. Keine anderes Möbelstück, keines der Ersatzteile für später und selbst Mutters Wäschekörbe

schienen sich still zu fürchten und sorgsam Abstand zu halten. Aber das alleine war es noch nicht, denn wenn man den Schrank ansah, besonders nachts wenn nur eine einzelne nackt da hängende Glühbirne die Dunkelheit vertrieb, dann sahen die Schnitzereien auf seiner Front aus wie ein finster dreinschauendes Gesicht. Mit grimmigem Blick und einem hinterlistig boshaftem Grinsen. Immer wenn ich in den Keller ging, selbst bei Tag, fürchtete ich mich vor diesem Schrank. Bedrohlich stand er da. Durch sein Alter und der feuchten Luft im Keller hatte er sich leicht verzogen. Dadurch ließen sich seine Türen nicht

mehr richtig schließen. Stets standen sie einen Spalt breit offen und ließen eine Ahnung der Schrecken erkennen, die sich in seinem Inneren verbargen. Natürlich wollte ich die Türen schließen. Verriegeln am besten oder besser noch verbarrikadieren. Allein jedoch wagte ich es nicht und wenn mich meine Eltern begleiteten, ließen sie mich nicht in seine Nähe. „Weil er sehr wertvoll ist und nicht beschädigt werden darf!“, sagten sie. „Damit mich das Monster in seinem Inneren nicht kriegt!“, wusste ich. Mir war klar, dass ich ein Opfer meiner eigenen Ängste wurde. Mit zehn war man bereits alt genug, um einigermaßen

zwischen Wahrheit und Vorstellung zu unterscheiden. Sobald ich mich jedoch dem Schrank näherte, sein dunkles Holz sah und die Türen, die sich nie richtig schließen ließen, war jedes Selbstvertrauen dahin und aus meinen Ängsten wurde Gewissheit. Jetzt gleich würde die Tür auffliegen, dass Monster, schwarz, haarig und mit blutunterlaufenen Augen, würde sich auf mich stürzen und mich zerreißen.








„Das Bier, Junge! Mach schon!“, hörte ich meinen Vater rufen. Ich schluckte schwer und spürte wie mir das Herz bis zum Hals schlug. Heute war die Nacht, in der mich der Schrank holen würde. Trotz meiner Angst ging ich den Flur entlang zum Keller. Schwer atmend blieb ich vor seinem Eingang stehen. Allen Mut nahm ich zusammen. Ich ergriff die Klinke, drückte sie hinab und ließ die Tür nach innen schwingen. Vor mir tat sich ein schwarzes Loch auf. Die ersten Treppenstufen waren zu erkennen, ein paar Meter Wand links und rechts. Doch dahinter befand sich nichts als Dunkelheit.

Ich drückte den Lichtschalter. Das vertrieb die Schatten. Zitternd vor Angst ging ich hinab, redete mir ein dass ich schon hundert Mal hier hinunter gegangen war. Nie war etwas geschehen. Mir nicht und meinen Eltern auch nicht. Warum sollte es ausgerechnet heute soweit sein? Ich musste nur vorsichtig sein. Leise und unauffällig. Die Augen aufhalten war noch wichtiger, sorgsam lauschen und in jeder Sekunde bereits sein zu flüchten. Als ich unten angekommen war und die Treppe damit hinter mir gelassen hatte, warf ich einen Blick zurück. Die Kellertür war noch immer weit geöffnet. Mein Fluchtweg war frei, alles war gut.

Ich ging weiter. Nicht zum ersten Mal fand ich mich plötzlich in einer Zwickmühle wieder. Einerseits wollte ich achtsam bleiben. Aufmerksam und vorbereitet. Andererseits fürchtete ich mich so sehr vor den Schatten und den unzähligen Monsterverstecken, dass ich am liebsten die Augen geschlossen und blind weiter gegangen wäre. Alles hier unten im Keller schien auf mich zu lauern. Es war, als hätte der Schrank sich Verbündete gesucht die sich zusammen mit ihm gegen mich verschworen hatten. Ich erreichte die Stelle an der sich mein hölzerner Todfeind befand. Wie immer stand er alleine dort. Groß, dunkel und

bedrohlich. Die Türen leicht geöffnet, einen Spalt nur… Erkannte ich darin nicht ein paar schwach rot leuchtende Augen? Den Umriss eines deformierten Gesichts? Ich war nicht sicher, trotzdem wurde ich mit einem Male starr vor Angst. Etwas war dort, daran gab es keinen Zweifel. Ich wagte kaum zu atmen. Am liebsten wäre ich davon gerannt, doch meine Beine versagten ihren Dienst. Stocksteif blieben sie. Außerdem… Wenn ich ohne Bier nach oben kam, würde mich Vater sofort wieder hinabschicken. Ich würde Ärger bekommen und wenn erst alle wussten dass ich mich fürchtete, würde ich nur

noch öfter hier herunter müssen. Flehentlich sah ich zur Bierkiste hinüber. Nur noch fünf Meter. Vielleicht sogar etwas weniger. So nah! Und doch unerreichbar! In meiner Fantasie, ich hoffte so sehr das es nur ein Hirngespinst war, öffnete sich die rechte Schranktür plötzlich ein wenig. Nur einen Zentimeter, vielleicht auch zwei? Machte sich das Monster auf diese Weise bereit zum Sprung? Oder spielten mir meine Sinne tatsächlich einen Streich. Ich hörte ein Rascheln. Urplötzlich. Es kam aus der Dunkelheit inmitten des Schrankes. Das war keine Einbildung! Es war real! Dort im

Schrank war etwas… Ganz sicher! Oder nicht? „Hans!“, die Stimme meiner Mutter. Hier unten im Keller war sie nur dumpf zu verstehen. „Wie oft habe ich dir gesagt du sollst die Tür schließen und das Licht ausmachen?“ NEIN! Noch bevor ich das leise klickende Geräusch des Schalters vernahm, wurde es mit einem Mal völlig schwarz um mich herum. Ich hörte, wie die Kellertür ins Schloss fiel. Damit war ich allein. Abgeschnitten von der Welt und nur mir selbst überlassen. Panik überwältigte mich. Ich wollte schreien, so laut und so schrill ich nur konnte doch ich wusste,

dass mein Schrei das Monster nur noch schneller auf mich hetzen würde. Weg! Ich wollte rennen, wirklich. Nichts mehr wollte ich als einfach nur fliehen. Aber das Entsetzen in meinem Herzen war so groß so einschüchternd gewaltig, dass ich zu keiner Regung fähig war. Ein leises Knarren erklang. Die Schranktür, sie öffnete sich! Ganz sicher, das war keine Einbildung. Etwas kam auf mich zu. Langsam und mit einem derart gehässigen Vergnügen, dass ich es selbst durch die Finsternis hindurch spüren konnte. Dann…



…spürte ich den heißen Atem des Monsters in meinem Gesicht. Und endlich konnte ich rennen. Blitzartig stürmte ich los. In der Dunkelheit jedoch hatte ich die Orientierung verloren. Keine drei Schritte kam ich weit, als ich mir an irgendetwas Hartem das Bein anschlug. Keuchend vor Schmerz stürzte ich zu Boden. Ein Korb mit schmutziger Wäsche fing meinen Sturz ab, verhinderte aber auch, dass ich gleich wieder auf die Beine kam. Ich gab auf! Ähnlich einer Maus die im Maul der Katze den nahenden Tod akzeptiert und jegliche Gegenwehr einfach fallen lässt.

Ich lag inmitten der Wäsche und wartete auf den nahenden Tod. Etwas strich über mein Bein…














„Hans?“ Urplötzlich wurde es wieder hell. Das Licht blendete meine Augen. Einen Moment nur, doch es reichte dem Monster um ungesehen zu entkommen. Hatte ich seine Füße über den Boden trippeln hören? Ich war mir nicht sicher. „Hans? Bist du hier unten?“ „Ja, Mama!“, antwortete ich mit Tränen erstickter Stimme. Meine Mutter war sofort bei mir. Sie entschuldigte sich einige dutzende Mal, dass sie das Licht ausgeschaltet und mich hier unten allein gelassen hatte.

Die Nähe zu meiner Mutter beruhigte mich. Sie nahm mich auf den Arm, drückte mich fest an sich und ging mit

mir zusammen die Treppe hinauf. Ängstlich sah ich ein letztes Mal zum Schrank hinüber. Gerade noch rechtzeitig um zu sehen, wie sich die Tür des Schrankes schloss. Es war nicht gut zu erkennen, trotzdem war ich sicher.







Dieses Mal war ich entkommen. Aber ich war erst zehn und mein Vater trank abends gerne mal ein Bier…

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Ich schreibe sehr gerne und sehr viel. Meist Texte und Kurzgeschichten aus dem Horror, Fantasy oder Thriller-Bereich.

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Alcatras Als ich Kind war, befand sich unser Keller in der Scheune. Bei mir und meinen Schwestern galt es als Höchststrafe, wenn wir dort hinunter mussten. Um Abends etwas zu trinken zu holen oder irgendeine Zutat für die Küche... Der gesamte Gebäudeteil durch den wir hindurch mussten, wurde nur durch eine einige Glühbirne erhellt. Wenn es in der Scheune etwas gab, dann waren es Schatten! :)
Vielen Dank für eure Kommentare!
Vor langer Zeit - Antworten
LeopoldF Hallo,

dein Gedicht erinnert mich, als mein Sohn damals im Keller sich selbst das Licht ausgeschaltet hat. Na der hat geschrien.

lg.Leopold
Vor langer Zeit - Antworten
FeinGeist ach ja, wie viel Panik diese Keller der Welt den Kindern schon eingejagt haben ...
Vor langer Zeit - Antworten
Oconoger Sehr schön geschrieben.

Gruß
dein Oco
Vor langer Zeit - Antworten
AnniSorglos Da werden Kindheitserinnerungen wach...
Ich bin immer pfeifend in den Keller gelaufen und wieder hinauf.
Die Angst wurde sehr gut von dir beschrieben!
Lieben Gruß
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