Kurzgeschichte
Vater und Sohn

0
"Im Alter kommt die Weisheit. Söhne können bessere Väter sein, als ihre Väter."
Veröffentlicht am 05. Mai 2015, 10 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Tatiana Navrotskaya - Fotolia.com
http://www.mystorys.de
Im Alter kommt die Weisheit. Söhne können bessere Väter sein, als ihre Väter.

Vater und Sohn

Titel

Unzählige Gespräche hatten wir gehabt. Immer wieder hatte ich ihn dazu überredet, das wir uns treffen und miteinander reden. Das er dies tat, habe ich seiner Frau zu verdanken. Sie hatte ihn dazu gedrängt, da sie ähnliche Erfahrungen gemacht hatte und nicht wollte, das mein Sohn, wie sie, es bereute, nicht mit seinem Vater gesprochen und die Wahrheit erfahren zu haben. Bis heute tut es mir leid, wie alles kam. Aber allein meine Schuld war es nicht gewesen. Dazu kam noch seine Mutter und ihre Freunde. Meine Mutter leistete

auch ihren Beitrag dazu. Sie war nie einverstanden gewesen, das ich mit jener Frau eine Beziehung einging und mit ihr Kinder zeugte und hetzte das Jugendamt gegen uns auf. Andererseits hatte sie gegen jeden etwas. Im Prinzip konnte man sie nicht zufriedenstellen. Sie lästerte über jeden. Ihr Exmann, der mein Erzeuger ist, stellt sich stets als der Supervater hin. In Wirklichkeit ist er eine Null. Jedes Wochenende verbrachten wir Kinder bei den Großeltern. Sonntags wurden wir von ihnen nach Hause gebracht. Das heißt, in de Kneipe. Denn dort waren meine Eltern. Keine schöne Erinnerung. Wenn meine Oma dies nicht des Öfteren

erwähnt hätte, dann wäre es schon längst aus meinen Gedanken verbannt worden. In den tiefsten Dunkeln meines Hirns weggesperrt. Aber so... Am Anfang war ich mehr als stinksauer gewesen, das uns die Kinder weggenommen wurden. Aber jetzt, nach vielen Jahren, finde ich, das es wahrscheinlich besser so war. Sie wuchsen behütet auf, weit weg von all den Idioten, die uns das Leben schwer machten. Die kein eigenes Leben hatten und deshalb sich in unseres reinhingen. Es war kostspielig gewesen, meine Kinder besuchen zu gehen. Aber das war mir egal. Ich hing an meinen Kindern. Wollte sehen, das es ihnen gut ging. Und

ich wollte mit ihnen Kontakt haben. Den Kontakt zu ihnen nie verlieren. Sie waren nicht wie ich und ihre Mutter. Meine Kinder waren Wunschkinder und keine Unfälle. Wir konnten es nur nie so zeigen, wie wir es gern wollten, da wir nie gelernt hatten, Gefühle zu zeigen. Haben nie erfahren, wie es ist, von den Eltern liebevoll in den Arm genommen zu werden. Von ihnen gelobt zu werden. Stattdessen bekamen wir den Ausklopfer zu spüren. Jedes mal, wenn wir etwas Falsch gemacht hatten. Selten wurden wir darauf hingewiesen, was genau wir falsch gemacht hatten. Weder meine Frau, noch ich. Die Hand rutschte schnell aus und wir mussten selber

wissen, warum wir eine Backpfeife, oder einen Arschtritt, bekommen hatten. Das hatten wir gemeinsam. Wahrscheinlich verstanden wir uns deshalb so gut. Weil uns die gleiche Vergangenheit verband. Wir wollten anders sein, als unsere Eltern und verursachten doch die gleichen Fehler. Ich bereue es bis heute. Bereue es, das ich nicht erkannte, das mein Kind mit mir gemeinsam malen wollte und nicht alleine. - So vieles erkannte ich nicht, was mein Kind von mir wollte. Ich war blind und taub dafür gewesen. Anders kann ich es mir nicht erklären. In den ersten Jahren habe ich viel gemeckert und geschimpft. War, wie

meine Erzeuger. Doch irgendwann kam die Einsicht. Dachte darüber nach, wie ich mich dabei gefühlt habe. Woher soll ein Kind wissen, was richtig und was falsch ist, wenn man es ihm nicht erklärt? Deshalb hatte ich es mir angewöhnt, ruhig zu bleiben. Erstmal tief durchatmen und dann erklären. Nicht, wie unsere Eltern; schreien und verkloppen. Das bringt absolut nichts. Knapp vier Jahre hatte es gebraucht, bis ich zum ersten mal seine Wohnung betreten durfte. Seine Frau war einzigartig. Nicht so, wie seine Mutter. Jene war meist abweisend gewesen, gegenüber Fremden. Die Frau, meines Sohnes, war sehr offen. Dank ihr hatte

ich auch Kontakt zu ihm und seinen Kindern. Als ich das erste mal bei ihnen war, flossen mir die Tränen. Das Gefühl, das erste mal meine Enkel und meine Schwiegertochter zu sehen, ist unbeschreiblich. Obwohl sie mich nicht kannten, umarmten sie mich. Niagarafälle sind ein Scheißdreck dagegen. So viele Tränen flossen.Es fehlte nur noch seine Mutter. Sie hätte das Glück perfekt gemacht. Als Eltern hatten wir versagt. Ich weiß es. Um so mehr freute es mich, meinen Sohn zu sehen, wie er und seine Frau sich um ihre Kinder kümmerten. Es war ein Traum. Warum konnte ich nicht so

sein? Wieso hatte ich meine Kinder so sehr vernachlässigt? Ich liebte sie doch. Wollte doch nur das Beste für sie. Weshalb konnte ich nicht aus mich heraus und ihnen zeigen, was und wie viel sie mir bedeuteten? Bin ich wirklich nicht besser, als meine Eltern? Wie gern wäre ich besser, als sie. Ob mir mein Sohn wirklich verziehen hat, weiß ich nicht. Wir sehen uns öfter. In seinem Beisein darf ich auch meine Enkel sehen. Mit ihnen spielen. Aber er hält auch gebührenden Abstand. Ich beuge mich. Schließlich sind es seine Kinder. Seine Familie. Und ich war Jahre lang nicht wirklich da gewesen. Wirke immer noch wie ein Fremder, der

sich in diese Familie einschleichen will. Vielleicht wird sich eines Tages alles ändern und wir werden eine Familie. Es wäre schön. Mich würde es freuen, ein Mitglied dieser Familie zu sein. Im Moment bin ich aber nur irgendein Bekannter. Mehr nicht. Zumindest fühle ich mich so.

0

Hörbuch

Über den Autor

Superlehrling

Leser-Statistik
3

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
Zeige mehr Kommentare
10
0
0
Senden

128958
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung