Kurzgeschichte
Wolf

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"Wolf"
Veröffentlicht am 02. April 2015, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: giulianocoman - Fotolia.com
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ein angehender Schreiber, der seine ersten, zaghaften Versuche macht, selbst geschriebene Geschichten einem größeren Publikum zugänglich zu machen und auf Feedback zu hoffen, um sich stetig zu verbessern.
Wolf

Wolf


Wolf

Es war dunkel. Wo war ich? Wer war ich? Ich wusste es nicht. Ich öffnete die Augen und die Schwärze wurde durch das helle Licht des Mondes und der Sterne über mir ersetzt. Ich betrachtete den dunkelblauen Himmel und die Wolken die über ihn hinweg zogen, getrieben von einem rastlosen Wind der wehte und an mir zerrte wie mit eisigen Fingern. Ich versuchte mich aufzurichten und merkte dabei, dass ich offenbar schon sehr lange auf dem Boden gekniet hatte, denn meine Muskeln und Sehnen in den Knien und Beinen knackten und heißer Schmerz schoss mir durch die

Nerven. Wenn der Baumstumpf neben mir nicht gewesen wäre, auf den ich mich stützen konnte, wäre ich vermutlich wieder zu Boden gestürzt. Und als ich aufsah, immer noch halb auf das Holz gestützt, sah ich ihn. Er stand etwa fünf Meter von mir enfernt, vielleicht auch sechs, durch die Schatten der Bäume dazwischen war es schwer abzuschätzen. Sein Fell leuchtete weiß wie Schnee, während seine Augen von einem hypnotisierenden Gelb waren, sie wirkten wie Splitter eines gelben Saphirs. Ich wagte nicht, mich zu bewegen, zum einen weil ich den Wolf nicht verscheuchen wollte, zum anderen weil ich befürchtete, dass wenn ich nur

einen Schritt tun würde, ich kraftlos zu Boden stürzen würde. So standen der Wolf und ich uns gegenüber, sahen uns direkt in die Augen und rührten keinen Muskel. Mein Herz pochte mir bis in den Hals und als der Wolf sich in Bewegung setzte, war es einerseits unglaublich faszinierend, mit welcher Geschmeidigkeit und Eleganz er sich über den Waldboden bewegte, so lautlos als wäre er ein Geist und kein lebendiges, atmendes Wesen. Wenn ich den weißen Dampf nicht gesehen hätte, der ihm regelmäßig aus dem Maul aufstieg und rasch auseinander geweht wurde in der Kälte, hätte man meinen können dort würde sich ein Geist auf

mich zubewegen. Ich konnte keinen Muskel rühren, ich war wie gebannt von diesem durchdringenden, animalischen Blick. Der Wolf ließ sich Zeit, er bewegte sich keinesfalls hastig oder übermäßig schnell und gerade diese Ruhe, diese Kraft die er ausstrahlte, hatte etwas bedrohliches, etwas das dafür sorgte, dass sich mir die Nackenhaare aufstellten. Am liebsten wäre ich jetzt aufgesprungen und davon gerannt, doch ich wusste, ich würde keine fünf Meter weit kommen, bevor mir diese 90 Kilogramm mit der Wucht eines Rammbocks in den Rücken krachen und sich die kräftigen Kiefer um meinen Hals schließen würden. Darum blieb ich

sitzen, spürte das But durch meine Ohren rauschen und konnte nichts anders tun, als schreckensstarr das näher kommende Raubtier anzusehen. Der Wolf kam näher, doch seine Haltung wirkte keineswegs aggressiv oder gar feindselig, er schien neugierig zu sein. Schließlich konnte ich seinen Atem auf meinem Gesicht spüren und ich schloss die Augen, obwohl alles in mir schrie, dieses wilde Wesen unter keinen Umständen aus den Augen zu lassen. Doch entgegen meiner schlimmsten Befürchtungen, spürte ich keinen todbringenden Biss an meiner Kehle. Ich spürte nur den Atem und hörte, wie der Wolf witternd die Luft einsog. Ich wagte

es, die Augen langsam wieder zu öffnen und sah direkt in die gelben Augen des Wolfes. Sein Blick wirkte verstehend, gütig, nicht im Mindesten wie der eines todbringenden Raubtiers. Ich fühlte mich geborgen, verstanden, akzeptiert. Ich legte dem Wolf ganz vorsichtig meine Arme um den Hals und legte meinen Kopf auf seine Schulter, so dass mein Gesicht in seinem Fell verborgen war. Und als ich da so kniete, die Arme um diese Kreatur geschlungen, die einfach nur dastand und mich zu verstehen schien, kamen die Tränen. Ich weinte und weinte und merkte nicht, wie ich vom Baumstumpf hinab zu Boden rutschte und der Wolf sich um mich

zusammen rollte. In diesem Moment, waren unsere Seelen eins...

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Reifblut
Ein angehender Schreiber, der seine ersten, zaghaften Versuche macht, selbst geschriebene Geschichten einem größeren Publikum zugänglich zu machen und auf Feedback zu hoffen, um sich stetig zu verbessern.

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