Fantasy & Horror
Verblasste Vergangenheit

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"Verblasste Vergangenheit"
Veröffentlicht am 26. März 2015, 152 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Verblasste Vergangenheit

Verblasste Vergangenheit

Verblasste Vergangenheit

Ein Roman von

Daniel Pjede






"Wenn es um die Vergangenheit

geht, mogeln wir alle beim Mischen."


Stephen King, Wahn, 2008

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Der süße Geschmack des Weines vom Vorabend. Das war das Erste was mir bewusst wurde, nachdem ich die Augen aufschlug. Mein Blick traf auf das rote Samt des Zeltes in dem ich lag, welches von einer kleinen Fackel zu meiner Linken beleuchtet wurde. Als ich mich aufsetzte konnte ich ein klares Lächeln auf meinen Zügen spüren. Doch es dauerte etwas bis mir wieder in den Sinn kam, was mir solch eine Freude bereitete. Die Feier am Vorabend war lang, das Gegröhle laut, die Stimmung heiter. Denn wir hatten es endlich geschafft. Nach Monatelangen

Schlachten konnten wir die Zombies in Brusthonin endlich besiegen. Die Gewissheit nahmen wir aus den regelmäßigen Kontrollgängen durch das Land. Zwar konnten wir das Nest bis heute nicht finden, doch es streunen nun keine Zombies mehr durch die Nacht. Daher gehe ich davon aus, dass es nie wirklich ein Nest gab und wenn doch war es so klein, dass wir es ausgelöscht haben ohne dass es uns klar war.

Neben meinem Bett stand auf einem kleinen Tisch eine große Schale mit Obst. Einige Weintrauben lächelten mich an und luden mich ein mich an ihnen zu bedienen. Ich tat ihnen den Gefallen.

Und während meine Zähne den süßen Saft der Traube in meinen Mund pressten, wurde mir etwas klar. Ich konnte endlich nach Hause. Würde endlich meine Frau wiedersehen und meine Tochter in meine Arme schließen. Zwar hatte ich diese Gewissheit bereits am vorigen Abend, doch zu diesem Zeitpunkt realisierte ich es kaum. Es war wie in einem Traum: Du bekommst mit was passiert, doch es fühlt sich an als geschehe es einem Anderen und du seist nur ein stiller Beobachter. Doch nun realisierte ich es: Ich werde nach Hause gehen. Ich lehnte mich über das Bett und griff darunter, zog eine Zeichnung hervor und betrachtete sie.


Die Zeichnung zeigte eine junge Frau in einem hellen, eng anliegenden Kleid. Ihre dunklen Haare lagen elegant über ihre Schulter und sie lächelte, auf dem Arm hielt sie ein Mädchen, welches ihr unverkennbar ähnlich sah. Das Mädchen strahlte und streckte freudig ihre Arme in Richtung des Zeichners aus, so als wolle sie ihn in die Arme schließen. Da ich derjenige war der dieses Bild zeichnete, berührt es mich immer besonders. Zu sehen wie meine Tochter ihre Arme um mich legen will und ihre Augen leuchten als sie zu mir herüber schaut. Zwar war ich kein guter Zeichner, doch meine Fähigkeit reichte

glücklicherweise weit genug um eine der schönsten Emotionen festzuhalten: Liebe. 

Tränen der Freude drängten sich in meine Augen und ich kämpfte nicht dagegen an. Mein Lächeln wurde breiter, meine Ungeduld wuchs. Im Morgengrauen würden wir die Zelte abbauen, das Gepäck verstauen und einige Männer anheuern, um das Gepäck zu transportieren. Doch die Zeit bis dahin erschien mir ewig und auch der Weg selbst würde sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. Ich verstaute die Zeichnung wieder unter dem Bett, vorsichtig wie immer. Es war Monate

her, dass ich die beiden gesehen hatte. Ich stand auf, streckte mich und begab mich in Richtung Zeltausgang, wo ich den schweren Samt zur Seite streifte. Ich blickte auf das Lagerfeuer, welches noch immer Licht und Wärme spendete. In unmittelbarer Nähe zum Feuer, an einem Baumstamm gelehnt und eine Flasche in der Hand, schlief einer meiner treuesten Männer. Ich schlenderte zu ihm herüber und setzte mich neben ihn, den Blick auf das Feuer gerichtet. Er wachte auf und sah verschlafen und blinzelnd zu mir herüber. „Fasir...“ Er strampelte sich auf und setzte sich kerzengerade hin, woraufhin ich beruhigend die Hand hob. Eine Geste die ich immer benutzte wenn

wir alleine waren und ich ihm bedeuten wollte, dass die Formalitäten nicht nötig waren. In diesem Moment war ich nicht sein Hauptmann. 

Ich sah zu ihm herüber, legte ihm eine Hand auf die Schulter und lächelte. „Wir haben es hinter uns. Morgen werden wir zurückkehren.“ Auch er begann zu lächeln. „Wer wartet daheim auf dich, Otes?“ Seine Augen leuchteten auf. Die Müdigkeit verschwand innerhalb eines Augenblickes aus seinem Gesicht und wich einem noch viel offeneren und ehrlicherem Lächeln. Eilig schob er eine Hand unter die Schulterplatte seiner Rüstung und zog ein zerknicktes und an

den Rändern teilweise ausgefranstes Stück Papier hervor. Auch er hatte eine Zeichnung seiner Liebsten ständig bei sich. Er reichte es mir und ich sah darauf. „Sie ist wunderschön.“, sagte ich. Und das war sie. Die Zeichnung zeigte eine Frau in Otes Alter, mit hellen Locken die ihr den halben Rücken hinunter reichten. Sie schien zu tanzen, denn ihr Kleid wirbelte leicht durch die Luft und ihr Lächeln war von dem selben Strahlen wie das meiner Tochter auf der Zeichnung. Otes nickte und tippte auf die Zeichnung in meiner Hand. „Camisa“ Ich reichte ihm die Zeichnung wieder zurück. „Und morgen wirst du sie endlich wiedersehen.“ Er

nickte lächelnd und steckte die Zeichnung wieder zurück unter seine Schulterplatte. Ich wünschte ich hätte dieses Versprechen halten können, doch Otes hat Pandämonium niemals wieder erreicht.



Die Schneide des Schwertes war scharf. Von der Spitze bis zum Griff wurde das Schwert breiter, elegante Verzierungen schmückten die Klinge und hätte ich sie nicht regelmäßig gesäubert und gefettet, hätten die Blutreste die daran klebten die wahre Natur dieser Waffe gezeigt. Das ist die wahre Gestalt solcher schmuckvoller und schöner Waffen. Sie hängen über dem Kamin eines ehemaligen Hauptmannes und strahlen Stolz, Ehre und Leidenschaft aus, doch tatsächlich sind es Waffen die literweise Blut vergossen haben, Leben ausgelöscht und Träume vernichtet. Ob solche

Waffen Gutes tun? Nun, ja. Das kann ich nicht leugnen, auch heute nicht. Aber so voller Vorsätze ein Rekrut auch ist und so viel Gutes er auch tun möchte früher oder später wird das Blut Unschuldiger vergossen. 

Ich wog das Gewicht des Schwertes in meiner Hand ab und strich mit der Hand über die Verzierungen, bevor ich von dem Rascheln des samtenen Zelteinganges aus den Gedanken gerissen wurde. „Seid Ihr soweit, Hauptmann?“ Der Söldner blieb in respektvollem Abstand stehen und wartete geduldig meine Antwort ab. Das Schwert fand seinen Weg in seinen Kasten und diesen

deponierte ich in meiner Tasche. Nach einem prüfenden Blick durch das Zelt nickte ich dem Söldner zu, drückte ihm einige Münzen in die Hand und ging mit einem Schulterklopfer an ihm vorbei nach draußen. Es herrschte aufgeregtes Treiben. Meine Männer packten ihre Sachen zusammen und bauten ihre Zelte ab, diejenigen Glücklichen unter ihnen welche ihre Arbeit bereits beendet hatten, saßen um die Feuerstelle der letzten paar Monate herum und unterhielten sich. Als ich all die zufriedenen und glücklichen Gesichter sah wurde auch mir warm ums Herz. Sie alle freuten sich auf ihr zu Hause und bei Aion, ich tat es auch. Nachdem ich

mir ein Bild der Lage gemacht hatte und ein kurzes Gespräch mit dem Stallburschen über unseren Bestand an Pferden hielt, rechnete ich mit etwa einer Stunde bis wir aufbrechen konnten. 

Also setzte ich mich zu den drei jungen Männern an der Feuerstelle und schloss mich ihrem Gespräch an. Sie alle versuchten einander in der Schönheit ihrer Liebsten zu übertrumpfen, wobei ich mich zurückhielt und nur über den Ehrgeiz der jungen Leute schmunzelte. Bis einer der drei Männer seinen Blick auf mich richtete und mit vorsichtigem Respekt fragte ob ich auch eine Liebste

hätte. Ich hielt zwei Finger in die Höhe und lächelte. Das Gesicht des Mannes sprach von überraschter Heiterkeit. „Gleich zwei? Das hätte ich wirklich nicht von Euch erwartet, Hauptmann.“ Ich kicherte leise. „Ihr missversteht mich. Ich rede nicht von zwei Geliebten, sondern von meiner Frau und meiner Tochter.“ Der kleinste Mann der Runde, Corvin, sah auf. „Ich erinnere mich. Ihr spracht einmal von ihr. Coruna, nicht wahr?“ Ich nickte. „Und so leid es mir auch tut, Männer, aber das Gefecht über die Schönheit unserer geliebten Frauen wird wohl für mich entschieden.“ Ein kurzes Lachen machte die Runde und wir unterhielten uns weiter, bis wir die

Pferde sattelten und das Gepäck auf die Karren verluden. Diesen Ort hatten wir schon zu lange ertragen.

Als ich ein Bein über den Pferderücken schwang und meinen Blick über die Männer meines Bataillons, welche bereits auf den Pferden saßen, schweifen ließ, bemerkte ich die fröhliche Aufbruchstimmung. Kaum einer der Männer schien sich Gedanken über den Weg zu machen der nun vor uns lag. Sie alle machten Späße untereinander, lachten und waren von Vorfreude erfüllt. Was, jetzt im Nachhinein betrachtet, besser war, als wenn sie alle meine Ungeduld geteilt hätten. Die Pferde

scharrten über den Boden und schnaubten laut. Auch sie schienen, im Gegensatz zu meinen Männern, meine Ungeduld zu teilen. Ich stand an der Spitze der Gruppe und wartete bis die Söldner, die die Brax mit den schweren Karren führten, bereit waren. Als sie mir das Zeichen gaben, nickte ich ihnen zu und hob die Hand. „Los, Männer, auf uns wartet die Heimat!“



Wir kommen nun zu dem Teil der Geschichte den ich bis zum heutigen Tag bedaure. Ich würde gerne behaupten ich hätte keine andere Wahl gehabt, doch das wäre eine Lüge. Diese Behauptung ist immer eine Lüge. Jeder von uns hat jederzeit eine Wahl, nur sind wir zu ängstlich, unsicher oder auch zu stolz um auf diese Wahl einzugehen. In meinem Fall kostete meine Wahl drei meiner Männer das Leben. Wie es ausgegangen wäre, wenn ich mich anders entschieden hätte, kann ich natürlich nur raten, doch im Grunde gehe ich davon aus, dass diese drei Männer heute noch

leben würden, hätte ich richtig gehandelt. Aber hinterher ist man immer klüger und man kann Tote nicht wieder lebendig machen, nicht wahr? Was mich an ihrem Tod am meisten enttäuscht, ist, dass zwar einige Tränen vergrossen worden sind, aber gerade mal zwei Jahre später wurde nie wieder über sie gesprochen. Als seien sie in Vergessenheit geraten. Das ist meine größte Angst. Ja, ich fürchte es sogar mehr als den Tod selbst. Aus diesem Grund schreibe ich diese Worte auf das alte Pergament, auf welchem meine, in Tinte getunkte, Feder kratzt. Zwar mögt Ihr mich nach meinem Geständnis für einen Unmenschen halten, doch so gerate

ich immerhin nicht in Vergessenheit.

Nachdem wir den langen Marsch gen Heimat begonnen haben, verlief dieser sehr ruhig. Meine Männer alberten umher und spielten kleine Spiele während sie ruhig den Weg entlang trabten. Wir ritten ohne Formation. Wir waren nur ein Bataillon mit Karren auf denen nichts weiter als Zelte verstaut waren, nichts von wert. Der wertvollste Besitz der Männer waren die Bilder von ihren Liebsten die sie dabei hatten. Nachdem mir Otes die Zeichnung seiner Frau gezeigt hatte, begann ich darauf zu achten, und tatsächlich reichten viele Männer ihre Bilder umher. Sie waren

stolz auf Ihre Frauen und zeigten diese gerne herum, in der Hoffnung dem Ein oder Anderen würde beim Anblick die Kinnlade herunterfallen. Auch die Untoten stellten keine Gefahr mehr dar, denn diese hatten wir unschädlich gemacht. Ich dachte damals also wir hätten nichts zu befürchten und eine Formation wäre unnötig, wie auch eine Last in der Stimmung die an einen gewöhnlichen Ausflug erinnerte. Und diese Stimmung wollte ich nicht zerstören, die Männer fühlten sich frei von Pflichten und das hatten sie sich wirklich verdient. Doch hätte ich gewusst, was ich heute weiß, hätte ich die Männer in Formation reiten lassen,

sie angewiesen ihre Schilder zu heben und die Klingen bereit zu halten. Doch Vergangenes ist vergangen, die Toten sind tot und so sehr ich es mir auch wünsche, ich kann nichts mehr daran ändern.

Wir näherten uns einer Kreuzung und dort stand er bereits , ein großer Mann mit langem schwarzen Mantel und vor der Brust verschränkten Armen. Sein Blick war kühl, genau wie das Eisblau seines Auges und die Augenklappe, welche sein rechtes Auge verdeckte, bestärkte die unheimliche Wirkung die seine Erscheinung auf uns machte. Seine Aura strahlte Gefahr aus. Ich kann heute

nicht mehr erklären warum, doch ich wusste mit einem Mal, dass dieser Mann eine Gefahr war. Doch ich ignorierte das Gefühl und trabte langsam an der Spitze der Kolonne auf den Mann zu. Ich hob die Hand, woraufhin mein Bataillon und die angeheuerten Söldner hinter mir stehen blieben und ließ mein Pferd bis auf wenige Meter Abstand auf den Mann zugehen. Ich musterte ihn ausführlich von Kopf bis Fuß, genauso wie er mich musterte. Dann sah er an mir vorbei und nickte in Richtung der Karren. „Was habt Ihr geladen?“ Ich hob eine Braue. Auch wenn wir Wertvolles geladen hätten, mein Bataillon zählte vierzehn Männer, er war alleine. Wir trugen alle

schwere Plattenrüstungen und Schwerter und augenscheinlich war er unbewaffnet und trug nichts außer seinem Mantel. Mir kam flüchtig die Idee, dass er vorhaben könnte uns auszurauben und ein Grinsen huschte über mein Gesicht, als ich über sein Vorhaben als töricht abtat. „Wer möchte das wissen?“ Der Mann verzog keine Miene, ohne jegliche Regung antwortete er. „Ich“. Hinter mir hörte ich nicht das leiseste Geräusch. „Nichts das Euer Interesse wecken könnte.“ Er musterte mich erneut. „Keine menschlichen Körper?“ Ich stutzte. Menschliche Körper? Die Frage traf mich unerwartet und ich glaube mich zu erinnern, dass ich ihn

entgeistert ansah, was mir nicht hätte passieren dürfen. Ich brauchte eine kurze Weile um mich zu fangen. „Wie kommt Ihr darauf?“ Er zuckte mit den Schultern. „Nur so ein Gefühl.“ Ich zögerte. Ich wollte mich mit dem Mann nicht weiter befassen, ein ungutes Gefühl breitete sich in mir aus. „Nun, ich denke wir sind fertig.“ Ich hob die Hand und ich hörte das leise Scharren der Hufe über die Steine. Auch ich wies mein Pferd an sich zu bewegen und es ging an dem Mann vorbei. „Hauptmann.“ sagte er in einem Tonfall welcher mir gleicherweise einen Befehl erteilte, wie auch das Blut in den Adern gefrieren ließ. Das Gefühl der Gefahr hatte fast

meinen kompletten Körper eingenommen. Ich fürchtete diesen Mann nicht, aber.. ich kann es auch leider heute noch nicht genau sagen. Irgendetwas machte er mit mir, er manipulierte mich, dessen bin ich mir heute sicher. Dieses Gefühl der Beklommenheit war nicht natürlich. „Wenn Ihr mir jetzt den Rücken zuwendet, werden Eure Männer das büßen.“ Ich wies mein Pferd an stehenzubleiben und sah über die Schulter zu ihm. Auch er sah über die Schulter und sein kühler Blick brannte sich in meine Augen. Ich atmete tief durch. Tatsächlich überlegte ich nicht, ich wusste genau was ich tun würde,

doch auch ich wollt einen bleibenden Eindruck bei ihm hinterlassen. Ich sah ihn eine Weile schweigend an, ehe ich weiter ritt und die Karawane mir folgte. 

Das war der Fehler den ich machte: Ich nahm diesen Mann nicht ernst und das kostete drei meiner Männer das Leben.



Während wir uns fortbewegten habe ich mich noch drei mal umgedreht, um festzustellen ob uns der Mann verfolgte. Doch er stand noch immer da wie vorher: Den Blick über die Schulter auf mich gerichtet, die Arme verschränkt, sein sichtbares Auge kühl. Ich hatte die Befürchtung, dass ich dieses Gesicht noch öfter in meinen Träumen sehen würde und ich sollte Recht behalten. Jedoch nicht wie im erwarteten Sinne. Ich richtete meinen Blick wieder nach vorn und ließ ihn dann über die Landschaft streifen. Dann zog ich scharf die Luft ein. Auf einem Hügel, nur etwa

hundert Schritt von uns entfernt, stand der Mann. Sein Auge war geschlossen und er hielt den Kopf gesenkt, die Hände bewegte er um eine schwebende, violette Kugel, welche in der Luft pulsierte. Obwohl absolute Windstille herrschte, flatterte der Saum seines Mantels leicht.

Mich überrannte eine Gänsehaut, als mir klar wurde was hier passiert. Ich zog mein Schwert und sah über die Schulter zu meinen Männern: „Er ist ein verdammter Magier!“ Ich richtete den Blick wieder nach vorn, hob das Schwert zeitgleich mit meiner Stimme: „Bogenschützen!“ Dicht hinter mir hörte ich wie Pfeile gespannt wurden.

Unterdessen konnte ich auf den Zügen des Magiers ein hämisches Grinsen erkennen, doch er sah noch immer nicht zu uns. Er schien sich voll und ganz auf diese Kugel zu konzentrieren, doch am Rande seines Bewusstseins hat er unsere Reaktion bemerkt. Als ich das Schwert in Richtung des Magiers schwang, folgten etwa ein Dutzend Pfeile. Der Magier zeigte keine Reaktion, doch kurz bevor die Pfeile ihn erreichten, prallten sie an einer unsichtbaren Barriere ab. Die Kugel war inzwischen größer geworden und es zuckten kleine Blitze um sie herum. Das Grinsen des Magiers wurde noch breiter, als er sein Auge öffnete und mich mit seinem Blick

durchbohrte. „Ich habe Euch gewarnt, Hauptmann, Eure Männer werden es büßen!“

Mit diesen Worten hob er die rechte Hand, welcher die Kugel folgte. Dann schlug er die Kugel auf das grüne Gras, worin sie vollkommen verschwand. Offensichtlich zufrieden richtete der Magier sich wieder auf. Ich verstand nicht was hier vor sich ging und auch nicht was der Magier vorhatte, doch ich hob mein Schwert und trat meinem Gaul in die Seite, woraufhin er sich im Galopp auf den Magier zubewegte. Der Magier hob belustigt eine Braue und fuhr mit einer Hand durch die Luft. Mit

dieser Bewegung gab er meinem Gaul einen heftigen Seitenstoß, welcher ihn zur Seite schleuderte und mich von ihm herunter. Ich fiel vornüber auf den Boden, das grüne Gras schob sich in meinen Mund, mein Schwert glitt mir aus der Hand. Als ich mich aufraffen wollte, fühlte ich eine schwere Last auf meinem Körper. Ich konnte mich nicht bewegen, nichts außer meinen Kopf. Ich starrte wütend auf den Magier, welcher noch immer meinen Blick mit einem hämischen Grinsen erwiderte: „Diese Vorstellung ist für Euch, Hauptmann.“ 

Er schnippte einmal mit den Fingern und ich wurde von seiner Magie in die Luft

gehoben und in Richtung meiner Männer gedreht. Diese waren gerade dabei ihre Bögen neu zu bespannen. Ich konnte nur zusehen. Zusehen wie unter den Männern das Gras knickte, zu verschwinden schien und einer riesigen, violett pulsierenden Fläche wich. Die Männer sahen schockiert zu Boden. Sie versuchten sofort diesen Bereich zu verlassen und elf von ihnen schafften es. Ich sah wie Otes, Corvin und einer der Söldner zu Boden blickten, die pure Angst stand in ihren Gesichtern. Sie konnten ihre Beine offensichtlich nicht bewegen. Mit einem plötzlichen Ruck wurden sie nach unten gezogen und verschwanden in der Fläche, während sie mit den Armen

ruderten und verzweifelt versuchten nach dem Rand der Fläche zu greifen. Ich versuchte mich zu bewegen, doch seine Magie war stärker als ich. Der Magier funkelte mich an. „Wir sehen uns wieder, Hauptmann.“ Die Fläche schloss sich und der Magier wurde in eine dichte Rauchwolke gehüllt. Als der Rauch sich legte, war der Magier verschwunden und so auch die Magie die mich in der Luft hielt. Ich fiel zu Boden und hörte ein lautes Knacken, als ein stechender Schmerz mein Bein durchzuckte. Gebrochen. Diese Plattenrüstungen sind längst nicht so leicht wie sie aussehen.

Ein kühler Windhauch zog auf und ich

konnte die Sonne auf meinem Nacken brennen spüren. Einige der Männer standen noch schockiert auf dem Weg, andere wischten verzweifelt über den Boden, in der Hoffnung die violette Fläche und unsere Kameraden so ausgraben zu können. Einer der Männer kam zu mir und führte mich zu meinem Pferd.

In dem Moment habe ich zum ersten Mal als Hauptmann versagt.



Bevor wir unsere mehrtägige Suche nach Corvin, Otes und dem Söldner begannen, wies ich meine Männer an Briefe für ihre Frauen zu schreiben. Sie sollten ihnen mitteilen, dass die Ankunft sich um einige Tage verzögere. Zwar durften sie den Grund nicht nennen - solche Briefe geraten zu schnell in die falschen Hände - aber ich verbot ihnen nicht diesen Briefen, sagen wir, eine persönliche Note zu geben. Die Briefe an die Frauen der Vermissten schrieb ich selber. Die restlichen Söldner waren des Schreibens nicht

mächtig. 

Die Briefe wurden gefaltet, gebunden und mit den Namen der Frauen versehen. Ich wies die restlichen Söldner an die Briefe, gemeinsam mit unserem Gepäck, nach wie vor auf den Karren geladen, in unserer Heimat bei einem guten Freund von mir abzuliefern. Für ihn ist es kein Problem die Frauen ausfindig zu machen und die Briefe zu übergeben und ich wusste, dass ich mich auf seine Diskretion verlassen konnte. Außerdem schrieb ich einen kurzen Bericht über unsere Lage an die Garnison, ebenfalls mit der Nachricht, dass sich unsere Ankunft herauszögert, ich den Grund

aber noch nicht nennen könnte.

Die Suche begann in der Hoffnung, dass der Magier die Männer entführt hat und bisher unverletzt ließ. Und ich würde gerne berichten, dass wir die Männer nach kürzester Zeit gesund und munter gefunden und in die Heimat gebracht haben, wo sie schlussendlich, mit Freudentränen auf den Wangen, in den Armen ihrer Frauen lagen. Aber dies ist kein Märchen und ich bin kein kreativer Schreiberling, der sich mit dem Ausdenken romantischer Geschichten sein Brot verdient. 

Natürlich war die Entführung unser

Wunschdenken, wir wussten nicht was passiert war, was der Magier mit den Männern vorhatte oder möglicherweise sogar schon getan hat. All unsere Hoffnung war, dass er die Männer entführt hat und wir sie schnell genug finden konnten, ehe ihnen Schlimmeres widerfährt. Tatsächlich haben wir alle Orte abgeklappert, die für einen Wahnsinnigen typisch wären, der Menschen durch Portale im Boden entführt. Doch nirgendwo haben wir eine Spur unserer Kameraden gefunden, sodass wir die Suche nach drei Tagen entmutigt abbrachen, um in unsere Heimat zurückzukehren. Der nächste Punkt auf meiner Liste war mit der

Garnison die nächsten Schritte zu besprechen um die Männer, sofern möglich, gesund zu befreien und den Magier aufzuhalten, was auch immer er vorhat.

Als wir Pandämonium erreichten, huschte ein kleines Lächeln über die Züge meiner Männer. Ich wurde von Gewissensbissen geplagt, als ich an die strahlenden Gesichter denken musste, die sie aufgelegt hätten, wenn ich das Übel hätte abwenden können. An die Männer, sobald sie die großen Tore der Stadt durchtraten, von den Pferden sprangen, auf ihre Frauen zuliefen, sie umarmten und küssten und ihnen leise „Ich habe

dich so vermisst“ in das Ohr flüsterten. Doch so kam es nicht. Die Männer schlurften mutlos über die breite Steinstraße, die Köpfe hängend. Die Welle an Euphorie die sie hier erwartete, war auf einen kleinen Funken der Hoffnung verdünnt und wurde eher als Trostpflaster gehandhabt, als eine gerechte Belohnung für die Mühen, die sich die Männer in den letzten Monaten aufgenommen haben. Am liebsten hätte ich mein Pferd beim Stallmeister abgegeben, mich auf direktem Wege zu meinem Haus begeben, meine Frau und meine Tochter in die Arme geschlossen, mich in mein Bett und das gebrochene Bein hochgelegt und das alles vergessen.


Doch es gab noch etwas das ich tun musste, denn nicht alle erwarteten Männer kamen hier an. Als eine Frau, die mir auf merkwürdige Art und Weise bekannt vorkam, auf unseren Trupp zukam, die Reihen mit einem Blick durchstreifend, der erst von Freude sprach, dann Verwunderung wich und schließlich trauerndes Begreifen widerspiegelte, wurde mir klar, dass ich nicht der Einzige sein würde, der unter dem Verlust der Männer leiden würde. Ich stieg von meinem Pferd, drückte einem meiner Männer die Zügel in die Hand und humpelte auf Camisa zu, immer wieder die Worte durchgehend,

die ich mir auf der Reise zurechtgelegt hatte, ehe ich ihr sagte, dass etwas passiert war.



Es war bereits dunkel, als ich mich dem Haus, das Coruna und ich vor einigen Jahren von einer freundlichen, alten Dame gekauft haben, näherte und die Schultern hängen ließ. Ich dachte an Camisa und an die Frau Corvins. Sie beide waren aufgelöst, die Tränen flossen über ihre Wangen und zerschellten auf dem Steinboden, während ich ihnen immer wieder versprach, dass wir alles in unserer Macht stehende tun würden um ihre Männer zu finden und zurückzubringen. Doch das tröstete die beiden Frauen kaum. Sie haben ihre Männer verloren.

Und in solchen Momenten ist unser Wahrnehmungsvermögen getrübt, wir sehen alles durch den pechschwarzen Vorhang der Hoffnungslosigkeit und sind felsenfest davon überzeugt, dass es niemals besser werden würde. Während dem Gespräch fühlte ich mich elend. Ich sah ständig zu Boden, auch während ich erzählte was genau passiert war, war ich nicht imstande den traurigen Blicken der Frau standzuhalten. Mein Gewissen bedrängte mich, tänzelte missbilligend vor meinem inneren Auge und lachte mich aus. Es ist deine Schuld, schrie es. Zuerst wehrte ich mich gegen das Gefühl der absoluten Wertlosigkeit, doch letzten Endes zwang mich mein Gewissen in die

Knie. Auch ich begann mit den Tränen zu kämpfen, doch nicht aus Trauer über die verlorenen Männer, sondern über meine eigene Unfähigkeit, über mein Versagen. Und ich hasste mich dafür.

Auch die Frau des Söldners habe ich besucht. Doch nach wenigen Sätzen brach in ihr ein Feuer der Wut aus und alles was ich sagte schürte es nur größer und explosiver. Sie griff nach einem Besen und prügelte mich aus dem Haus, während sie mich mit den schlimmsten Beleidigungen bewarf, die ich je hörte. Nun, das hatte ich verdient.

Ich stand vor dem Haus, in dem meine

Frau und meine Tochter auf mich warteten, fand dort noch einige Besenspäne in meinen Haaren und gab mir Mühe die Ereignisse der letzten Tage zu vergessen. Ich wollte meiner Familie gegenübertreten, mich freuen und ihr ganz und gar hingeben. Keine verlorenen Männer im Hinterkopf. Kein Magier, der sie in die Tiefen seines Portals zog. Kein Gewissen, welches vor meinem inneren Augen tanzte und mich auslachte. Ich sank auf die Knie. Ich konnte einfach nicht mehr. Ich war erledigt. Mein gebrochenes Bein schmerzte, aber ich beachtete es kaum. Meine Gedanken waren auf das Geschehene fokussiert und ich wusste, dass ich all das nicht würde

vergessen können. So kniete ich dort, während der Sog des Selbstmitleids mich immer weiter Richtung Boden riss. Bis ein dünner Lichtstrahl mich aus den Gedanken riss. Die Tür des Hauses war geöffnet und ich konnte ein junges und verschrecktes Paar Kinderaugen sehen, die mich fokussierten und im Dunkeln zu erkennen versuchten. Und mit einem Mal wischte der Freudenblick meiner Tochter, die mich soeben erkannt hatte, die Tür aufstieß und herausrannte, den schwarzen Vorhang von mir und trug ihn weit hinter mich. Meine Tochter lief mit ihrem strahlendsten Lächeln auf mich zu, streckte mir die Arme entgegen, wie sie es auch auf der Zeichnung tat und als sie

mit ihrer jungen Stimme, die immer quietschig hoch war, wenn sie sich freute, „Vater“ rief, merkte ich wie sich ein kleiner Riss in meinem Herzen bildete.

Und tatsächlich vergaß ich alles. In diesem Moment gab es nur eines was mir wichtig war meine Tochter in die Arme zu schließen. Sie lief auf mich zu und ich wollte ich hätte die Zeit verlangsamen können um diesen Moment mehr zu genießen, der Anblick wie meine Tochter voller Freude auf mich zulief um mich zuhause willkommen zu heißen. Sie setzte einen Fuß vor den anderen und schien beinahe zu schweben.

Als sie mich erreichte, legte sie ihre Arme um meinen Hals und ihren Kopf lehnte sie an meine Brust. In dem Moment als sie gegen mich knallte, wäre ich beinahe nach hinten gefallen, doch ich schaffte es, trotz meinem Bein, welches sich lauthals beschwerte, das Gleichgewicht zu halten, meine Arme um sie zu legen und meinen Kopf auf ihre Schulter zu drücken. Ich zog sie fest an mich, so als müsste ich fürchten sie jeden Moment zu verlieren. Der frische Duft des Kindseins haftete an ihr und ich atmete diesen tief ein. Sie löste sich kurz von meiner Umarmung, musterte mich und nickte mir strahlend zu. „Ich habe dich so furchtbar vermisst, Vater!“

Mit den Worten schmiss sie sich wieder an mich und zog mich so tief zu ihr runter, dass ich beinahe nach vorn kippte. Nun war mein Herz endgültig gebrochen. Kinder sehen die Welt von allen Menschen am einfachsten, doch gleichzeitig sind ihre Worte die die am meisten bedeuteten. Ich begann zu weinen. Obwohl ich kurzzeitig dagegen ankämpfte, ließ ich es geschehen. Die Tränen kullerten an meiner Wange hinab und sprangen auf ihre über. Sie löste sich nicht von mir, doch ich konnte ihr ruhige, besorgte Stimme hören. „Warum weinst du denn, Vater?“ In diesem Moment erinnerte sie mich auf merkwürdige Weise an ihre Mutter.

„Weil ich so glücklich bin.“

Und das war nicht gelogen.




Meine Tochter nahm mich bei der Hand und führte mich ins Haus hinein, in dem ich direkt von dem, mir so wohlbekannten, Geruch in der Luft empfangen wurde. „Erinnerst du dich noch hieran, Vater?“, fragte mich meine Tochter. Ich musste schmunzeln und nickte nur. Sie tat als wäre ich Jahre weg gewesen und vielleicht kam es ihr wirklich so vor, Kinder empfinden die Welt und auch die Zeit ganz anders als wir. Sie führte mich durch jeden Raum und stellte mir immer wieder die Frage, ob ich mich erinnere. Ich nickte

immerzu und mit jeder Frage war ich gerührter als zuvor. Die Tränen kamen wieder hervor, als sie mich in unser Kaminzimmer führte. Ich sah zu unserer Rechten Coruna, meine geliebte Frau, in der Tür zur Küche stehen. Sie lächelte über beide Wangen, ihre Augen wirkten wässrig und sie hielt die Hände aneinandergelegt vor ihrem Gesicht, als könne sie nicht glauben was sie dort sieht. „Erinnerst du dich noch, Vater?“ Ich konnte den Blick nicht von meiner Frau abwenden. „Ja, das tue ich.“ Sagte ich und in dem Moment stieß meine Frau einen tiefen Schluchzer auf, lief auf mich zu und fiel um meinen Hals, wobei ich die Hand meiner Tochter loslassen

musste. Als sie das tat fielen mir ihre langen, dunklen, offenen Haare kurz ins Gesicht und gierig sog ich ihren Duft ein. Dieser Duft der mir monatelang so sehr fehlte. Ich legte die Arme um sie und konnte das Seufzen meiner Tochter hören, förmlich sehen wie sie mit den Augen rollte und dann grinsend den Raum verließ. Dieser kleine Frechdachs, dachte ich. Und plötzlich war alles real. Ich stand hier, bei meiner Familie, die ich so lange vermisste, von der ich über Monate hinweg getrennt war. Ich schmiegte mein Gesicht fester an ihren Hals. Sie flüsterte in mein Ohr: „Du hast mir so unglaublich gefehlt.“ Ich verstärkte meinen Griff um sie. „Ihr mir

auch“. Ich konnte ihre Träne auf meinen Hals laufen spüren, bevor sie sich aus meinem Griff löste und mich küsste. Ich fühlte ihre weichen Lippen auf den meinen und hatte den Wunsch, dass sie sich nie wieder trennen würden.

Als das Essen fertig war, saßen wir alle gemeinsam am Tisch, während Coruna Teller, Bestecke, Gläser und zwei Töpfe auf den Tisch stellte. Meine Tochter wollte natürlich alles wissen, was ich in den vergangenen Monaten erlebt hatte. Ich erzählte ihr die verniedlichte Variante, in dem ich die vermissten Männer natürlich nicht erwähnte. Ihr Lieblingsteil war der, in dem ich Nachts

im Zelt lag, nicht schlafen konnte und an die beiden dachte. Ihre Augen leuchteten, wenn ich das sagte. Ich liebte sie, sie liebte mich und wir beide liebten es, uns das gegenseitig zu zeigen. Sie war mein kleiner Stern. Auf meine Frage ob ich Coruna helfen könne, erwiderte sie nur ich habe die letzten Monate genug getan, jetzt sei es für mich Zeit auszuruhen. Ich schob meinen Stuhl zurück, stand auf, stellte mich hinter meine Frau und legte meine Arme um sie. Ich drücke einen Kuss auf ihren Hals Ich konnte nicht anders. Als sie über die Schulter sah, lächelte sie. „Nun, wenn du schon mal hier bist...“. Sie drehte sich um und drückte mir einen Topf in

die Hände, während ihr Lächeln zu einem kleinen Grinsen wurde. „Das war doch dein Plan“, scherzte ich. Sie lachte kurz und wandte sich ab, während ich den Topf zum Tisch trug.

„Vater, du liebst Mutter doch, oder?“ Die Frage traf mich unerwartet, doch das beeinflusste meine Antwort nicht. „Ja, das tue ich. Von ganzem Herzen, genau wie ich dich liebe.“ Mit dieser Antwort offensichtlich zufriedengestellt, aß sie lächelnd weiter. Mein kleiner neugieriger Blick zu meiner Frau herüber, wurde mit einem bezauberndem Lächeln belohnt und ihrer rechten Hand, die sich um meine Linke schloss.


Nach dem Essen heilte meine Frau innerhalb kürzester Zeit mein Bein. So klar mir auch war, dass sie sich um unser Kind kümmern musste, wenn ich schon so viel unterwegs sein musste, bedauerte ich es stets, dass ihre Heilkraft in meinem Bataillon fehlte. Dann habe ich mit meiner Tochter Vogel gespielt. Ich hob sie hoch, sie streckte alle Viere von sich und so flog sie, wie ein Vogel, durch alle Zimmer, während ihr Lachen durch das ganze Haus zu hören war. Danach trug ich sie Huckepack und letzten Endes war ich ihr Pferd, während sie die Anführerin eines Trupps war, der einen großen Angriff

der Barbaren abschmettern sollte. Sie trat mir zugegebenermaßen etwas heftig in die Seite und wies mich an sie zur Schlacht zu tragen, während sie ihr Schwert, was tatsächlich ein Kochlöffel war, nach vorne richtete. Ich spurtete, auf allen Vieren, los, doch statt sie in die Schlacht zu tragen, trug ich sie in ihr Bett. Und sie war auch nur wenige Augenblicke beleidigt. Nachdem ich ihr versprach mit ihr und ihrer Mutter am nächsten Tag zum See zu gehen, ließ sie sich zufrieden in ihr Bett zurückfallen und schloss die Augen. Kurz bevor ich ihre Tür ganz geschlossen hatte, sagte sie „Ich bin froh, dass du wieder hier bist,

Vater.“
„Ich auch, mein Schatz.“

Meine Frau erwartete mich im Kaminzimmer, mit zwei Gläsern, meinem Leibgetränk und dem Kleid in dem ich sie vor mehr als zwanzig Jahren kennengelernt hatte. Sie sah darin genauso schön aus wie damals. Ich deutete mit meinen Lippen ein stummes Pfeifen an. Sie kam schmunzelnd auf mich zu, während sie in ihren Händen die Gläser trug und der Saum des Kleides leicht über den Boden wirbelte. „Der selbe Charmeur wie damals.“ - „Die selbe Schönheit wie damals. Nur, dass diese Schönheit inzwischen meine Frau

ist, die mich glücklicher macht als alles andere.“ Sie drückte mir ein Glas in die Hand, einen Kuss auf die Lippen und zog mich auf die Couch vor dem Kamin, wo ich mich über sie lehnte und liebkoste.

Das ist meine schönste Erinnerung, aus all der Zeit die ich bisher erlebt habe. Die Erinnerung die ich am meisten von allen schütze, die ich immer wieder ausgrabe wenn es mir schlecht geht. Der Abend an dem ich nach monatelanger Abwesenheit wieder zu meiner Familie zurückkehrte. Mein eigener kleiner Schatz, tief vergraben in einem Haufen aus Erinnerungen. Und er gehört ganz allein

mir.

Mir.



Als ich die große Halle betrat überkam mich ein kleiner Stich des Respekts. Zum ersten Mal erklimmte ich die lange Treppe, die zu ihr führte, lange bevor ich zum Hauptmann des fünften Bataillons ernannt worden bin. Damals als ungelehrter Rekrut, manchmal rebellisch, gewiss, doch ebenso ehrgeizig und gewillt die Bewohner Asmodaes zu beschützen, auch wenn es mein Leben kosten sollte. Schon damals hat die große Halle ein Gefühl der Überwältigung ausgelöst, und daran hat sich bis heute nichts geändert. Zwar habe ich diese Halle schon unzählige

Male durchquert, aber die ehrfürchtige Erscheinung wird sie wohl nie verlieren.

Am Morgen sind wir alle sehr früh aufgestanden, damit ich mein Versprechen einhalten und meine Familie zu dem nahe gelegenen See führen konnte. Coruna hat in weiser Voraussicht einen Korb mit Leckereien zubereitet und meine Tochter hat es nicht versäumt, alle Spielsachen die sie finden konnte, ebenso in den Korb zu werfen, was diesen schließlich ziemlich schwer machte. Zuerst breiteten wir eine Decke auf der trockenen Erde vor dem Wasser aus, verteilten darauf die Leckereien und frühstückten und ließen unsere trockenen

Kehlen von dem frisch gepressten Kirka-Saft befeuchten. Und wie ich es von meiner Tochter kannte wie ich es an ihr liebte hat es nur kurze Zeit gedauert, bis sie nervös von einer Stelle auf die andere rutschte um mich dann zu fragen ob wir endlich spielen könnten. Ich lächelte, leerte mein Saftglas und ließ mein halbes Brot liegen um meiner Tochter den Gefallen zu tun. Wir schmissen uns einen Ball hin und her, zogen später unsere Klamotten aus, worunter wir bereits unsere Badesachen trugen und tauchten tief in das Wasser ein. Meine Tochter hielt sich an meinen Schultern fest, benutzte mich nahezu als Floß, während ich bis zur Mitte des Sees

schwamm. Als wir uns umdrehten und zurück zum Ufer blickten, konnten wir sehen wie meine Frau gerade alle Essensreste zurück in dem Korb verstaut und sich ebenfalls ihrer Kleidung entledigt hatte und mit vorsichtigen wie auch sehr niedlichen, wie ich finde Schritten, Stück für Stück, weiter ins Wasser kam. 

„Spring direkt rein, Mutter, dann ist es nicht so lange kalt!“, rief meine Tochter, was mir ein ziemliches Pfeifen in den Ohren verschaffte, und lachte dann mit solch einem freudigen Quieken, dass ich im Wasser fürchtete zu zerschmelzen. Sie hatte inzwischen

meine Schulter losgelassen und ihre Hände stattdessen um meinen Hals gelegt, ihre Beine um meinen Oberkörper und klammerte sich so an mich, während Coruna ihren Rat beherzigte und direkt in das Wasser eintauchte. Als sie auftauchte konnten wir in ihren Augen den Kälteschock sehen, was uns ein weiteres Lachen entlockte. Als meine Frau uns erreichte, küsste sie mich, dann unsere Tochter, während die Wolken der Sonne wichen und ihre Strahlen auf uns schienen um uns zu wärmen. So ließen wir uns auf dem Wasser treiben, schlossen die Augen und genossen die Schwerelosigkeit um uns herum.


Schließlich verließ ich die beiden, gab ihnen jeweils einen Kuss auf die Stirn und versprach zum Abendbrot wieder da zu sein. Meine Tochter warf mir bei meinem Abschied einen furchtbar tadelnden Blick zu und verschränkte beleidigt ihre Arme. 
„Warum musst du denn schon wieder weg, Vater?“, fragte sie mich und ich konnte aus der Frage heraushören, dass meine Tochter fürchtete ich würde erneut für lange Zeit weg sein. Ich lehnte mich zu ihr herunter, drückte ihr erneut einen Kuss auf den Kopf, während ich ihren Hinterkopf kurz streichelte.
„Damit ich euch beschützen kann, mein

Schatz. Euch und unsere Heimatstadt.“ Zwar zwang sie sich selbst dazu das zu verstehen, doch ich wusste, dass sie das eigentlich nicht tat. Dennoch musste ich gehen, denn im Kapitol hatte ich viel zu erledigen und vor allem eines: Bericht erstatten und die Anweisungen zu unseren nächsten Schritten erhalten.

Ich durchquerte die hohe Halle, wo zu beiden Seiten in regelmäßigen Abständen die Flaggen des asmodischen Volkes hingen, und unter den Gelehrten des Kapitols ein vielbeschäftigtes Treiben herrschte. Ich beachtete sie kaum, sondern trat mit festen Schritten auf die großen und schweren Türen zu, die den

Ratsraum vom Rest trennten. Als ich ankam, atmete ich einmal tief durch, setzte eine Hand an die Tür und drückte sie auf. Anders als man es von so großen Türen erwarten würde, quietschten sie nicht, als ich sie aufschob. Ich betrat den Raum und ließ die Türe hinter mir leise wieder zufallen. Die Ältesten, 12 an der Zahl, saßen in U-Form an großen, schweren und elegant verarbeiteten Hartholztischen, die mit Papier, Federn und Büchern überladen waren und diskutierten angeregt. Bevor ich heraushören konnte, worüber sie diskutierten, hob ein Ältester die Hand, brachte damit die anderen zum Schweigen und lenkte ihre

Aufmerksamkeit auf mich. 24 Augen legten sich auf mich und zogen mich förmlich tiefer in den Raum. Ich stellte mich an die Spitze der U-förmig aufgestellten Tische, ging auf die Knie und hielt meine rechte geballte Faust an meine linke Brust. 

„Ich, Fasir, Hauptmann des fünften Bataillons des Kapitols, wünsche Bericht zu erstatten und die Anweisungen zu erhalten, welche meinen weiteren Weg führen sollen.“



Der Älteste, der an der Spitze saß der Oberste, sein Name war Zion , sah auf und lächelte mich an. „Steht bequem und erstattet Bericht.“ Ich folgte seiner Anweisung, stand auf und ließ meinen Blick über die Ältesten schweifen, während ich sie kurz musterte. Die Gesichtszüge der meisten waren angespannt, die Diskussion die ich soeben unterbrach schien nicht gerade die angenehmsten Themen anzuschlagen, doch wenn ich an meine drei hoffentlich nur entführten Männer dachte, konnte diese Diskussion gar nicht so wichtig sein. Hier ging es um Menschenleben.

Ich berichtete welche Erfolge wir sind Brusthonin verzeichnen konnten, dass die Zombies aller Wahrscheinlichkeit nach ausradiert worden sind und war gerade an dem Teil angekommen, an dem wir gen Heimat aufbrachen, als Zion mich unterbrach. Er lächelte wieder sein sarkastisches und viel zu übertriebenes Lächeln als dass es hätte echt sein können und seine Stimme unterstrich diese Unglaubwürdigkeit. „Das habt Ihr sehr gut gemacht, Hauptmann. Ihr werdet für Eure Mühen und Euren Erfolg gut entlohnt werden. Ihr könnt Euch nun zurückziehen, wir werden Euch kontaktieren, sobald wir einen Auftrag für Euch haben.“


Ich trat einen Schritt vor und hielt den Blick auf Zion gerichtet. „Das kann ich nicht tun, Ältester Zion.“ Ich konnte zu meinen Seiten hören wie die anderen Ältesten leicht die Luft einsogen. Noch nie hatte es jemand gewagt einem Ältesten zu widersprechen, doch hier ging es nicht um Gehorsam, hier ging es um drei Leben die es zu retten galt. Zions Höflichkeit wich aus seinem Gesicht, offenbar beleidigt, dass seine Anweisung ausgeschlagen worden sind. Nun zog auch ich die Luft ein. „Ich sagte, dass Ihr Euch zurückziehen soll.“ - „Nein. Es gibt etwas das ich erledigen muss und dazu brauche ich Eure Hilfe.“

Seine Augenbrauen hoben sich leicht. „Unsere Hilfe? Wie kommt Ihr darauf, dass wir Euch helfen? Unsere Aufgabe ist es Entscheidungen zu treffen, die unserem Land helfen.“ - „Und genau darum geht es.“, sagte ich. Ich versuchte meine Stimme fest und sicher zu halten, wohl wissend, dass ich gerade wiederholt einem Ältesten widersprach. Für gewöhnlich waren sie diejenigen die an Hebeln zogen, den ganzen Tag an ihren Tischen saßen, diskutierten und darüber entschieden was das Beste für uns Alle sei, das Ergebnis dann einem der Niedrigeren mitteilten und dann erfolgte die Durchführung, mit der sie bereits nichts mehr zu tun hatten. Sie waren

Entscheidungsträger, und diese brauchte ich nun um meinen Plan durchzuführen, denn das konnte ich nicht alleine bewerkstelligen.

„Hört zu...“, begann ich, doch wurde bereits von Zion unterbrochen, der von seinem Platz aufstand. „Nein, Ihr hört jetzt zu! Ihr seid nur ein Hauptmann, wir sind der Ältestenrat, wie könnt Ihr es wagen Euch meiner direkten Anweisung zu widersetzen?“ Seine Stimme wurde von Wort zu Wort lauter. Ich wusste, dass dem Ältestenrat meine Entscheidung ihre Anweisung auszuschlagen nicht gefallen würde, aber


Ich wich nicht von der Stelle. „Ältester Zion, hier geht es nicht um meinen Ungehorsam. Auf dem Rückweg wurden drei meiner Männer entführt, von einem Magier durch eine Art magisches Portal. Ich muss meine Männer wiederfinden und..“ - „Und wie kommt Ihr darauf, dass wir Euch dabei helfen?“ Ich stockte. Das konnte unmöglich sein Ernst sein. Ich sah mich hilfesuchend zu beiden Seiten um, doch die meisten Ältesten sahen mich böse grinsend an, die anderen wichen meinem Blick aus und sahen plötzlich irgendetwas ganz Interessant an der Wand gegenüber. Mein Blick traf wieder den von Zion, dessen

Gesichtszüge deutlich angespannt waren. Damit wurde meine Respektlosigkeit belohnt, doch das war mir egal, solange der Rat am Ende eine weise Entscheidung traf und meinen Plan unterstützen würde. 

„Ich entschuldige mich für meine Respektlosigkeit, aber ich brauche Eure Unterstützung, damit mir ein Trupp zugesprochen wird, mit dem ich die vermissten Männer suchen kann! Sie wurden entführt, und zwar von einem Magier!“
Zions Blick wurde kühl und seine Worte schienen wie eine Klinge in meine Magengrube zu stechen. „Wir sind für

den Schutz Pandämoniums zuständig, nicht für Eure privaten Sorgen. Sucht Euch die Hilfe von Anderen, nicht unsere.“
Eine Weile zögerte ich. Ich konnte einfach nicht glauben, dass der Ältestenrat, der alle Entscheidung in Bezug auf mein Heimatland traf, sich so desinteressiert in Anbetracht einer eventuellen Gefahr für Pandämonium zeigte. Über meine nächsten Worte hatte ich keine Kontrolle, bevor ich einen Gedanken fasste, war er bereits ausgesprochen. Meine Stimme war leise und zischend.
„Es geht ein Magier mit Augenklappe und dunklem Mantel um, der bislang

nicht bekannt war, drei Männer eines Bataillons des Kapitols entführt hat und Ihr tut als wäre das nichts? Wir wissen nichts über diesen Mann, dessen Ziele oder ...“ - „Oh, da täuscht Ihr Euch.“ Zion hatte wieder sein gebieterisches Grinsen aufgelegt und setzte sich, während er einige seiner Papierberge durchsuchte. Dann legte er ein Papier auf seinen Schreibtisch und schob es mit festem Druck in meine Richtung. Ich ging auf ihn zu, streckte eine Hand nach dem Blatt aus und hielt dabei Zion im Auge, dessen selbstgerechter Blick mich fokussierte. Sobald ich das Blatt hob, lehnte er sich in seinen Stuhl zurück und legte die Finger aneinander. Der, auf das

Papier gezeichnete, eiskalte Blick des Magiers brannte sich direkt in meine Augen. Die Ähnlichkeit war unverkennbar. Der schwarze Mantel, die verwuschelten Haare, die dunkle Augenklappe, die stechenden Augen. Mir stockte der Atem, ich fürchtete einen Schwindel zu erleiden, überwältigt von der Aura die dieses Papier ausstrahlte. Die Zeichnung wurde von einem Namen betitelt, Akaryn. In dem Moment in dem ich den Namen las, wusste ich, dass ich ihn nie wieder vergessen würde. Unter der Zeichnung war eine kurze, aber stimmige Personenbeschreibung angegeben, die Angabe, dass es sich hier um einen Magier handelte und dass er

bereits acht andere Bataillonsmitglieder entführt hat. Meine Finger knüllten das Papier, brachen es beinahe, mein Zorn war entfacht.

„Ihr wisst von ihm?“ Ich streckte das Papier anklagend in Richtung Zions, der mich weiterhin mit seinem selbstgerechten Grinsen musterte. „Ihr wisst von ihm und handelt nicht gegen sein Vorhaben? Er entführt Menschen!“ - „Oh, Ihr denkt doch nicht wirklich, wir hätten ihm nicht im Auge? Er entführt einige Soldaten, was soll's? Solange er keine direkte Gefahr für Pandämonium darstellt, ist er nicht unsere Sorge.“
Zions kühle Art widerte mich an. Ein

erneuter hilfesuchender Blick zu beiden Seiten. Inzwischen hatten einige der Ältesten ihr Grinsen abgelegt und schlossen sich denen an, die so taten als würde das ganze hier gar nicht passieren und geistesabwesend auf ihre Papiere oder die Wand gegenüber schauen. Ich sah wieder zu Zion. „Wie könnt Ihr nur so beschränkt sein?“ - „Was? Wie habt Ihr mich genannt? Beschränkt?“ Er stand auf. Ich hatte ihn herausgefordert und er ließ sich darauf ein. „Er plant etwas, er hat etwas vor, seht Ihr das denn nicht?“ Ich schrie beinahe. Ich hatte das Gefühl ich müsse die Männer aus einer Art Trance herausreißen. „Er entführt Menschen! Er ist ein verdammter

Magier, sie können Lebensenergie entziehen und sich so stärken! Und das ist in Euren Augen keine Bedrohung?“ 

Zion erwiderte meinen anklagenden Blick ohne mit der Wimper zu zucken. Doch sein Kiefer bebte. „Hauptmann, Ihr habt nun bereits sechs Minuten meiner Zeit gestohlen, nein, sieben! Ich werde dafür sorgen, dass Ihr kein Bataillon mehr anführen werdet, Eure Position wird Euch aberkannt werden und Ihr werdet wieder in eine Reihe stehen, mit Rekruten und Soldaten, niemand wird mehr auf Eure Befehle hören und Ihr werdet in den selben dreckigen Zelten schlafen wie der gesamte Rest, wenn Ihr

Euch jetzt nicht für Euren Ungehorsam entschuldigt und uns sofort den Rücken kehrt!“ Was folgte war wohl eine meiner schwerwiegendsten Entscheidungen, die ich in meinem langen Leben je getroffen habe. 

Ich hob meine rechte Hand, fasste damit an die Insignie an meinem linken Kragen und legte meinen ganzen Zorn auf den Ältestenrat hinein, als ich die Insignie abriss und auf den Schreibtisch Zions gleiten ließ. „Meine Entlohnung könnt Ihr behalten.“, zischte ich, ehe ich mich umdrehte und mit sicheren Schritten zurück zur Tür ging. Die Ältesten, scheinbar aus ihrer Trance erwacht,

begannen zu Tuscheln, ehe ich noch den Raum verlassen hatte.

Wenn sie mir nicht helfen wollten, musste ich mir andere Hilfe suchen.



Ich verließ das Gebäude und ging die lange Treppe hinab, dem Sonnenschein entgegen. Ein Stich der Sorge überkam mich, als ich die Stadtbewohner musterte, welche über den Stadtplatz liefen. Sie waren alle so fröhlich, sorglos. Tatsächlich war dies aber nicht sehr verwunderlich, denn immerhin waren die Ältesten und ich die einzigen Daeva die von der näher rückenden Gefahr in Form eines manteltragenden Magiers wussten. Kinder spielten, Nachbarn schwatzten über den neusten Klatsch und Tratsch und sorgten sich über vieles nur nicht über die Sachen

die wirklich der Sorge bedurften. 

Ich ließ mich auf der Treppe nieder und den Blick erneut über den Stadtplatz schweifen. Um ehrlich zu sein, ich fühlte mich verloren. Wenn Ihr schon einmal versucht habt das Richtige zu tun und Euch wurde dabei ein Dolch in den Rücken gerammt, dann könnt Ihr sehr gut nachfühlen wie es mir ging. Einige Stadtbewohner gingen an mir vorbei, trugen Körbe voller Lebensmittel und verbeugten sich, sobald sie mich dort, auf der Treppe hockend, sahen. Niemandem fiel auf, dass die Insignie an meinem Kragen fehlte - ich somit nicht mehr zur Garde gehörte - doch die Leute

merken sich ein Gesicht und fügen dem nur noch selten Änderungen zu. 

Ich erhob mich, wischte schnell über meinen Hosenboden und schritt die letzten Stufen hinab, bevor ich mich auf den Weg zu meiner Familie machte. Ganz sicher würde Coruna meine Entscheidung nicht gefallen natürlich würde sie das nicht, ich hatte eine der höchst angesehensten Stellen besetzt und gab diese auf doch wusste sie auch nichts über die Hintergründe. Warum ich ihr nichts davon erzählt habe? Das liegt wohl auf der Hand: Ich war monatelang von meiner Familie getrennt, kam Heim und verbrachte einige der schönsten Tage

meines Lebens mit ihnen, endlich wieder vereint. Hätte ich davon erzählt, wäre das alles nicht so verlaufen. Das war sehr egoistisch von mir, das kann ich nicht leugnen, aber ich frage Euch, was würdet Ihr tun wenn Ihr das selbe durchleben würdet wie ich?

Ich folgte dem gepflasterten Weg, der bis in den Stadtteil reichte in dem unser Haus stand, und ging an dem Pfad vorbei, der zu dem, in einiger Entfernung gebauten, Gefängnis führte. Ich habe Euch bislang noch nichts darüber erzählt und das sollte ich wohl besser nachholen: Das Gefängnis wurde erst vor einigen Menschenleben gebaut.

Hatte man zuvor etwas verbrochen, das über sporadische Langfingerei oder eine kleine Tavernenschlägerei hinausging, wurde man geköpft. In allen anderen Fällen wurde man auf unbestimmte Zeit in ein Exil geschickt, fernab jeglicher Zivilisation in die verschneite Einöde Pandämoniums. Für gewöhnlich liefen sich die in das Exil Entsandten früher oder später gegenseitig in die Arme und dann hieß es: Laufen oder in den offenen Kampf rücken. Jeder Einzelne hatte nur den einen Gedanken während er täglich durch die weiße, endlose Landschaft streifte: Überleben. Und unter der dicken, hellen Schneemasse versteckten sich keine Nahrungsquellen. Das Einzige

was einem Nahrung bot waren die wenigen Tiere, die sich dort gelegentlich aus dem sicheren Schatten zeigten, oder aber die anderen Entsandten. Und ich denke Ihr wisst, was sie taten, wenn sie einen Anderen überrumpelt und letztendlich erledigt haben. Haben sich die Entsandten früher als erlaubt den Mauern Pandämoniums genähert, wurden sie übermannt und anschließend gehängt. Gute, alte Zeit, packt ihn und hängt ihn höher.

Doch diese Praktik wurde nicht dadurch aufgehoben, dass einem der Einflussreichen klar wurde, dass diese entgegen jeglicher Menschenrechte

aufgebaut war. Natürlich nicht, diese Art der Weitsicht hat auch unseren Vorfahren gefehlt. Der kleine Kieselstein der sich lockerte und die Lawine der Veränderung losschlug, war etwas, das sich keiner der damaligen Ältesten hätte vorstellen können: Die Entsandten schlossen sich zusammen, überlebten dank der Führung eines besonders gefährlichen Daevas und bauten sich aus den einfachen Dingen, die einem die Natur zur Verfügung stellte, Waffen, mit denen sie später aus der Distanz die Wachen auf den Mauern aufspießten und sich somit den Zugang zu dem Bereich innerhalb der Mauern öffneten. Es war ein großes Massaker

und mehr als drei Stunden dauerte es bis die Stadtwachen die zweiundzwanzig Sträflinge schlussendlich restlos vernichten konnten. Doch natürlich sind die Sträflinge nach dem Eintritt in Pandämonium nicht in die nächste Taverne spaziert und haben sich einen Krug des besten Mets gegönnt. Nein, sie tigerten durch die Stadt und töteten alles was ihnen in den Weg kam: achtzehn Stadtwachen, vierunddreißig Männer, sechzehn Frauen, zwölf Kinder und einen der Ältesten. Wahrscheinlich wird der Älteste der ausschlaggebende Punkt für das Überdenken dieser Praktik gewesen

sein.

Und dieses Szenario hat sich nach dem Bau des Gefängnisses wiederholt. Der Grund hierfür war wieder die fehlende Weitsichtigkeit. Man wird sich gedacht haben „Wir ziehen eine Mauer um die Sträflinge, stellen einige Wachen auf diese und das wird schon reichen.“ Aber offensichtlich reichte das nicht, denn einen der wichtigsten Punkte haben sie nicht bedacht: Nicht alle Sträflinge sind Menschen. Und wie jeder weiß sind wir Daevas unsterblich. Natürlich kann man uns töten, aber was bringt das? Wir stehen am nächsten Obelisken wieder auf, haben Kopfschmerzen, aber mit der

Zeit gehen auch diese weg. Kommt Ihr schon darauf, was die Sträflinge taten um diesen Mauern zu entgehen? In den folgenden Tagen nach der ersten Füllung des Gefängnisses es waren etwa vierzig Gefangene, davon zwei Dutzend Daevas fand einer der größten Massenselbstmorde der Geschichte statt. Und seitdem steht ein schöner, etwa drei Meter hoher und unzerstörbarer Obelisk mitten auf dem viel zu kleinen Hof des Gefängnisses. 

Heute ist das Gefängnis eines der bestgesichertsten Gebäude Pandämoniums. Es mag den Vorfahren zwar an Weitsicht gefehlt haben, doch

aus Fehlern lernt man und im Laufe der Perfektionierung unseres kleinen, schönen Gefängnisses passierten viele Fehler. Die Todesstrafe wurde komplett abgeschafft, entgegen der lauten Aufrufe der Vanahaller, welche zum Großteil aus reichen Söhnen und Töchtern bestand, die für ihren Reichtum nicht einen Finger rühren mussten. Im Laufe der Zeit wurde das Gefängnis immer wieder vergrößert, denn dank der Unsterblichkeit eines Daevas wurde der Maßstab für eine zeitliche Unterbringung in diesem Zuchthaus immer weiter angehoben, sodass sich die Häftlinge, ohne Vergrößerung, irgendwann hätten stapeln müssen. Einer der Häftlinge, sein

Name mag Ayein Sanguen gewesen sein, aber das weiß ich nicht mehr genau, sitzt nun schon vierzig Jahre in diesem Gefängnis, für ein Verbrechen, das schon fast lachhaft ist. Er war Gewohnheitsdieb und wie Ihr Euch sicher denken könnt, bin ich der Ansicht, dass er einen anderen Beruf hätte wählen sollen. Was diese Strafe aber so hinterfragbar machte, war folgende Tatsache: Ayein Sanguen war ein Mensch. Und zwar ein Mensch der zum Zeitpunkt der Einquartierung in diesem Steinklotz schon siebzehn Jahre alt war. Er musste also vierzig Jahre lang für zwei gestohlene Brote auf eine glatte Steinschicht starren, nur weil es

andere Sträflinge gab, welchen Zeit egal sein konnte. Und auch Ayein hatte Zeit. Zeit, nichts als Zeit. Soweit ich weiß starb er noch innerhalb der Mauern, doch dieses Mal half ein Zwischenfall nicht, die Überlegungen der Ältesten in Frage zu stellen.

Das ist die Geschichte die das schöne Gefängnis unserer Stadt umgibt. Doch zu diesem Zeitpunkt ahnte ich noch nicht, dass auch ich bald die Mauern von innen sehen sollte.



Das Gefängnis ist nur eines von vielen Sehenswürdigkeiten in unserer schönen Stadt. Auch wenn niemand aus weiter Ferne anreist um einen Blick darauf zu werfen, außer jenen Unglücklichen die dutzende von Jahren tausende Blicke auf die Mauern werfen, und zwar von innen, ist dieser Steinklotz doch eines der Bauten, das einem Vorbeigehenden einen kalten Schauer über den Rücken jagt, sollte er in dessen Richtung sehen. Und das taten fast alle.

So auch ich, als ich auf dem Weg zu unserem Haus war, in dem mich Coruna

und unsere Tochter bereits erwarten würden. Auf dem Weg versuchte ich mir die Worte zurechtzulegen, mit denen ich Coruna meine Postenaufgabe beichten wollte. Sie würde enttäuscht sein. Sie würde es hinterfragen. Aber vor allem, und das wusste ich genau, würde sie es verstehen. Bei Coruna war ich mir sicher, sie hatte für alles Nachsicht und würde mich in dem bestärken was ich tat, egal was es war, solange es mich glücklich machte und keinem schadete. Bei dem Gedanken huschte mir ein breites Lächeln über das Gesicht. Ich hatte zweifellos die beste Frau in ganz Atreia. Bis ich das Haus erreichte hatte ich, meine Beichte betreffend, keine

nennenswerte Fortschritte gemacht. 

Also nahm ich mir vor mir am Abend erneut Gedanken zu machen und die Beichte auf den nächsten Morgen zu verschieben. Stattdessen freute ich mich auf unsere Tochter, welche mir, sobald die Tür geöffnet wurde, auf mich zulaufen und mir die Arme um den Hals werfen würde, sobald ich mich hinkniete. Doch als ich die Hand hob, um an die Tür zu klopfen, blieb der erwartete Widerstand aus. Die Tür schwang mit einem leisen Knarren nach innen und offenbarte mir … ein Bild der

Verwüstung.

Der Hartholztisch umgeschmissen, das Geschirr darauf im ganzen Raum verteilt, sogar die Spielsteine meiner Tochter, welche gewöhnlich im Nebenzimmer in einer kleinen Holztruhe aufbewahrt wurden, lagen im Raum. Dokumente lagen verteilt im Raum, Essensreste aus dem am Boden liegenden Topf klebten an den Wänden. Meine Kinnlade sank gen Boden.

Zunächst war ich gelähmt von dem Schaubild das sich mir bot. Dann stürmte ich durch den Raum, eine Hand gekrümmt vor dem Mund haltend um

meine Stimme zu stärken. „Coruna! Coruna!“ Ich rief nach meiner Frau und nach meiner Tochter, nach meiner Frau und nach meiner Tochter, ob sie mich hören konnten und ob jemand da sei. Doch ich bekam keine Antwort. Als ich stehen blieb, meine Schreie abbrach und meine Hand sinken ließ, erschlug mich die Stille beinahe. Noch nie zuvor hatte mir Stille solch ein Unbehagen bereitet. Ich sank auf die Knie. Was war nur geschehen? Raub? Entführung? Mo … „Nein!“, schrie eine Stimme in meinem Innern. „Es geht ihnen gut. Sie sind nur irgendwo … anders.“

Ich zwang mich auf die Beine, rannte die

Treppe in das Obergeschoss hinauf, in welchem unser Schlafzimmer lag und öffnete den Kleiderschrank. Corunas Kleider waren noch da. Ich spürte wie meine Kraft in den Beinen erneut nachzulassen drohte. Ich taumelte zur Tür und schaffte es gerade noch mich an dem alten Steinrahmen festzuhalten. Ich schloss die Augen und ließ den Kopf hängen.

Bis eine laute Stimme von draußen mich aus den Gedanken riss. Es war die des Herolds auf dem Stadtplatz, unweit unseres Hauses.

Zwar war die Stimme laut und die

Entfernung nicht allzu weit, doch die Geräusche eines Alltags stahlen ihr die Stärke. Ich konnte nur sehr wenig verstehen und musste den Wortbrei erst sortieren. Doch vier Worte schwebten durch die Luft, drängten in meine Ohren und hinterließen tiefe Stiche in meiner Brust: Fasir, Hochverrat, Familie und Gewahrsam.

Also hat der Ältestenrat nach meiner Ansprache gehandelt, aber natürlich nicht so wie es ratsam gewesen wäre. Sie müssen Soldaten losgeschickt haben um mich und meine Familie einzusperren. Doch ich war nicht da. Also nahmen sie meine Frau und meine Tochter mit,

wahrscheinlich als Druckmittel gegen mich. Hätten sie ihnen nur ein Haar gekrümmt …

Ich war nicht in der Lage in irgendeiner Art und Weise klar zu denken. Ich ging zurück zum Eingangsraum, nahm mein Großschwert, das in der Ecke lehnte und ging zur Tür.

Ich musste meine Familie retten und der Preis den ich dafür zahlen müsste, spielte keine Rolle.



Wenn mich heute jemand nach dem Weg zu dem Ratsgebäude fragt - nicht, dass das vorkommt, aber gelegentlich macht man sich über so etwas Gedanken - könnte ich ihm nichts mehr darüber sagen. Ich weiß nur, dass ich von der Wut zerfressen war und das Großschwert in der Hand zitterte. Ich muss ausgesehen haben wie ein Wahnsinniger, denn diejenigen die mir entgegenkamen machten einen riesigen Bogen um mich.

Vor dem Ratsgebäude standen etwa ein Dutzend Soldaten, welche von einem Hauptmann an der Spitze Anweisungen

erhielten. Vermutlich die Anweisung mich in jeder Ecke der Stadt zu suchen und dann dem Ältestenrat zu Füßen zu werfen. Und dabei müssten sie nicht nett sein. Tatsächlich würde es gern gesehen sein, wenn ich mit einem bearbeiteten Gesicht dem Rat vorgeführt würde.

Mein Griff festigte sich und ich wollte gerade auf die Soldaten zugehen, die blinde Wut in mir, als ich einen Stich in meinem Nacken spürte. Ich hielt inne und wollte mir über diesen Wischen, doch dort steckte etwas. Ich zog das Etwas heraus und hielt es vor mir hoch um es zu begutachten. Es war eine Art kleiner Pfeil. In gerade der Bewegung

mit der ich mein Schwert hob und mich in die Richtung drehte, aus der das Geschoss gekommen sein musste, wurde mir schwarz vor Augen und die Kraft in meinen Knien verließ mich. Ich stürzte zu Boden und wurde ohnmächtig.

Ich kann nicht beurteilen wie lange ich außer Gefecht war. Ich wachte auf und war wie gelähmt. Ich konnte meinen Körper nicht bewegen. Die Luft roch .. frisch und der Boden unter meinem Körper schien sich zu bewegen. Ich hörte Stimmen. Die Stimmen einer Frau und eines Mannes und sie schienen sich erregt zu

unterhalten.

„Den Trick mit den Kinah hast du dir von Virydiana aber sauber abgeschaut.“, sagte die Frau und ich konnte hören, dass ihr Gesicht sich dabei zu einem breiten Grinsen verzog. 
„Ach, abgeguckt. Ich habe etwas von ihr genommen und es verfeinert. Das ist das moderne Geben und Nehmen.“ 
„Bisher hast du ihr aber nichts gegeben, außer vielleicht Probleme und Schwierigkeiten.“
„Ach, das sind Details.“
„Details? Ständig klaust du von Leuten mithilfe ihrer Tricks, führst diese aber so stümperhaft aus, dass du Spuren

hinterlässt, welche auf Vi zurückgeführt werden. Bisher hast du ihr weniger eingebracht als gekostet, und das ist ein Detail das du nochmal überdenken solltest.“ Sie lachte.

Ich öffnete meine Augen. Mein Gesicht schien die einzige Körperregion zu sein, die der Lähmung nicht zum Opfer gefallen war. Sobald meine Augen geöffnet waren, wurden sie auch schon von dem, durch das Blätterwerk fallende, Sonnenlicht geblendet. Ich wollte meine Hand vor die Augen halten und das Licht abschirmen, doch sie regte sich nicht. Also kniff ich die Augen zusammen und versuchte meine Umgebung zu erkennen.

Ich lag auf einer Art Plane, dessen Ende die beiden Personen zogen. Sie zogen mich durch einen Wald, über einen Trampelpfad. Der Weg war mir gänzlich unbekannt. Gelegentlich bohrte sich ein zu großer Stein oder ein aus dem Boden herausragender Stock in meinen Rücken. Ich stöhnte, woraufhin der Mann über seine Schulter zu mir hinunter drehte.

„Oh, sieh nur wer aus seinem Schönheitsschlaf aufgewacht ist.“ Er grinste.
„Hm?“ Auch die Frau sah über die Schulter zu mir, schmunzelte und sah wieder nach vorn. „Ganz schön gewagtes Unterfangen, in welches du dich da

stürzen wolltest. Ich habe von einem Hauptmann mehr erwartet, wenn ich ehrlich bin.“
„Na, das wäre auf jeden Fall interessant gewesen, wenn auch wahrscheinlich schnell vorbei. Vielleicht hätten wir uns doch nicht einmischen sollen und das ganze beobachten. Da hätten wir wohl mehr zu erzählen.“ Der Mann sah ebenfalls wieder nach vorne.
„Und du hättest Vi dann erklärt warum wir mit leeren Händen zurückkehren, Tario?“ 
Er zuckte mit den Schultern. „Ich hätte ihr schon eine Entschädigung mitgebracht. Außerdem, seit wann machst du dir Gedanken um Befehle,

wenn man stattdessen Spaß haben kann, Raelle?“
„Ich versuche beides immer möglichst zu verbinden. Befehle haben für gewöhnlich ihren Sinn, so wie auch die Rettung dieses Kerls.“ Sie zuckte mit ihrem Kopf in meine Richtung. „Den Spaß wird es später noch geben.“
„Das will ich hoffen.“ Tario knurrte. „Es ist schon zu lang her, dass wir eine spaßige Jagd hatten.“

Ich versuchte zu sprechen, doch aus meinem Mund entwich nur ein schwacher Laut.

Raelle schien es bemerkt zu haben. „Spar

deine Kräfte, Fasir. Du wirst sie noch brauchen und das Gift das wir dir verabreicht haben, lähmt dich soweit, dass du nichts mehr tun kannst. Je mehr du dagegen ankämpfst, desto stärker wirkt es. Das macht es so interessant.“ Sie grinste, das sah ich sogar ihrem Hinterkopf an. „Das Einzige was du im Moment wissen musst, ist dass wir deine Freunde sind, auch wenn es nicht den Eindruck macht.“
Ich knurrte kurz. Sie verlangte doch nicht wirklich, dass ich das glaubte. Wenn sie auf meiner Seite wären, hätten sie mich nicht vergiftet.
Tario drehte sich um und zog die Plane eine Weile rückwärts. „Du hättest sehen

müssen wie du ausgesehen hast. Dein Blick, Mann! Du sahst aus als wärst du wahnsinnig vor Wut, den Rest hat dein Großschwert erklärt!“ Er hob eine Hand. „Hätten wir nicht gewusst wer du bist, hätten wir gedacht du wolltest die ganze Stadt auslöschen.“ Er lachte und drehte sich wieder nach vorne.
„Wir wissen um deine Situation.“, sagte Raelle. „Wir behalten dich schon länger im Auge. Deine Wut können wir zwar gut nachvollziehen, aber mit einem Großschwert bewaffnet das Ratsgebäude stürmen wollen, ist nur verzeih mir den Ausdruck tölpelhaft. Denkst du wirklich du wärest dort lebendig raus gekommen, geschweige denn hättest es geschafft

deine Familie zu retten?“ Sie machte ein Geräusch als rümpfte sie die Nase, so angeekelt war sie von der Idee. „So etwas denkt nur ein Narr.“
„Hey, sei nicht so hart. Seine Familie wurde gerade „in Gewahrsam genommen“.“ Er hob beide Hände um Anführungszeichen in der Luft zu zeichnen und ließ dabei die Plane los, woraufhin mein linkes Bein auf den Boden knallte. Der Schmerz durchzuckte das gesamte Bein bis zu meiner Hüfte und ich gab einen knurrenden Laut von mir. „Oh, entschuldige.“ Er hob die Plane rasch wieder auf.
„Du bist ein Idiot“, sagte Raelle und in Gedanken konnte ich ihr nur zustimmen.

„Versuch etwas zu schlafen, Fasir. Je mehr Ruhe du hast, desto schneller lässt die Wirkung des Giftes nach.“

Ich dachte gar nicht daran zu Schlafen, abgesehen davon, dass es mir in der Situation nicht gerade leicht gefallen wäre. Damit schien Raelle gerechnet zu haben, denn sie sah über die Schulter zu mir und bemerkte meinen Feindseligen Blick. Sie seufzte. „Dann muss es wohl eine zweite Ladung tun.“ Sie ließ die Plane langsam zu Boden, ging um die Plane auf Höhe meines Kopfes und ließ sich auf die Knie nieder.

Dieses Mal war es Tario der seufzte.

„Hältst du das wirklich für nötig?“
Raelle sah zu ihm auf. „Soll das ein Witz sein?“
Er zuckte mit den Achseln. „Ich frag ja nur.“
„Natürlich ist es nötig. Denkst du er ist für uns von Nutzen wenn er noch eine halbe Ewigkeit gelähmt ist?“ Mit den Worten griff sie an die Schärpe die an ihrem Rücken befestigt war und zog eine kleine Phiole heraus. Ich versuchte meinen Kopf von ihr wegzudrehen, doch ein kleines Zucken war alles was ich schaffte. „Wehr dich einfach nicht, Hauptmann, damit machst du es uns allen, und vor allem dir selbst, am einfachsten.“


Sie griff nach meinem Kinn und drückt meinen Mund auf. Mit der anderen Hand löste sie den Pfropfen von der Phiole und goss den Inhalt in meinen Mund. „Wir sehen uns auf der anderen Seite.“, sagte Raelle grinsend und mir wurde schwarz vor Augen.



Jeder Einzelne hat irgendwann einen Moment im Leben in dem er aufwacht und sich dessen bewusst ist, bevor er die Augen öffnet. Schon bevor er nur einen Muskel der Lider anstrengt, weiß er genau „Ich bin wach und habe die Kontrolle über meinen Körper“. Ich erlebte diesen Moment als ich aus dem Schlaf aufwachte, der mir durch Raelles Lähmungsgift aufgezwungen wurde. Ich wollte die Augen nicht öffnen, denn sollte sich jemand in meiner Nähe befinden, sollte er nicht sofort wissen, dass ich wach war. Leicht bewegte ich die Finger meiner, auf dem Boden ausgestreckten, Hand und befühlte den Grund auf dem ich lag. Es war harter Steinboden, doch er war mit einer dicken Staubschicht bedeckt. Es war natürlicher Stein, keine glatt geschliffene sondern gezackte, unebene Oberfläche. Meine Ohren zuckten. Ich hörte ein Geräusch, das ich im ersten Moment nicht einordnen konnte … Tschick … Tschick .. als würde … Tschick ..

„Eine Klinge die zwischen zwei harten Flächen gewetzt wird...“, dachte ich. Umso mehr wollte ich verheimlichen, dass ich wach war. Doch ich wollte wissen was um mich herum passierte, also öffnete ich vorsichtig meine Augen auf Spaltbreite. Ich befand mich offenbar in einer Höhle. An der Wand zu meiner Linken, zu der mein Kopf geneigt war, hing eine entleuchtete Fackel, dessen Feuer meinen nur leicht geöffneten Augen derart blendeten, dass ich nicht mehr erkennen konnte. 

„Mach dich nicht lächerlich, Fasir, ich weiß, dass du wach bist.“ 
Ich erstarrte. Einen Moment reagierte ich nicht, sondern blieb reglos liegen. Ich hielt sogar den Atem an. Ein Kichern.
„Und tot bist du auch nicht.“
Eine kurze Zeit hielt meine Starre noch an, dann löste ich die angespannten Muskeln und holte langsam und vorsichtig Luft, ehe ich meinen Kopf nach rechts drehte, in die Richtung aus der die Stimme kam. Und dort saß der Magier. Der Magier der mein Bataillon auf dem Weg nach Pandämonium angriff und zwei meiner Männer und einen Söldner entführte. Akaryn. Er saß auf einem alten und schweren Holzstuhl an der Steinwand, unter einer Fackel, und schnippte sich mit einem kleinen Messer den Dreck unter den Krallen weg. 
„Du!“, rief ich wütend, rappelte mich auf und lief auf ihn zu. Doch sobald ich in seine Nähe kam, wurde ich von einer Druckwelle zurückgeschleudert. Ich knallte gegen die Wand und Hand- und Fußschellen schlossen sich mit einem Klicken um meine Gelenke. Akaryn seufzte und stand auf.
„Ich hoffte, dass dies nicht nötig sei, doch dein Groll gegen mich ist wohl groß. Was ich durchaus nachvollziehen kann.“
„Ach ja? Jetzt tut bloß nicht, als hättet Ihr ein Gewissen. Ihr habt drei unschuldige Männer entführt und nur Aion weiß, was Ihr noch ...“
„Oh“. Er lachte leise, doch in seinem Lachen lag nicht der geringste Humor. „Da irrst du dich. Diese Männer waren nicht unschuldig, sondern eine Gefahr. Vorallem für dich.“ Er deutete kurz mit einer ausgestreckten Kralle auf mich. „Weißt du, in einem gewissen Sinne tat ich dir sogar einen Gefallen indem ich sie beseitigt habe.“
Mein Blut gefror in meinen Adern. „Beseitigt?“
„Ach“, er machte eine wegwerfende Handbewegung. „Sorg dich nicht darum. Sobald du weißt, wer sie waren wirst du mir wahrscheinlich dankbar sein.“ Er setzte sich wieder auf seinen Stuhl und sobald er anfing erneut seine Krallen zu säubern, war wieder das regelmäßige „Tschick“ im Raum zu hören. Erst jetzt bemerkte ich den Durchgang gegenüber meines Schlafplatzes, der alles dahinterliegende in Schatten hüllte, doch das Echo dieses Geräusches drang durch diesen zurück.
„Weißt du was ein Assassine ist, Fasir?“
„Bindet mich los!“
„Ein Assassine wartet einen günstigen Moment ab und mordet. Nur hingegen aller Barbaren machen sie es so, dass alles wie ein Unfall wirkt. Oder aber, sie führen die Morde so aus, dass sie nach außen hin wie unmöglich wirken, sodass die Leute denken es wäre „die Rache der Götter“ gewesen, was dazu führt, dass dem Toten nachgesagt wird, er hätte etwas Schweres begangen. Etwas so bösartiges, dass er die Aufmerksamkeit Aions selbst auf sich zog.“ Er zeichnete mit seinen Krallen Anführungszeichen in die Luft und grinste schief. „Ein ehemaliger Ältester Pandämoniums war sehr paranoid. Er fürchtete Alles und jeden Ort. Sein Schlafgemach war ein hermetisch abgeriegelter Raum in dem sich nichts anderes als ein Bett befand. Eines Morgens wurde er tot aufgefunden. Erstickt, ohne Würgemale, keine Spuren von Gift. Ganz offensichtlich also die Rache der Götter, wobei diese den Namen Virydiana trug und auf meinen Befehl hin handelte.“
„Warum erzählt Ihr mir das?“ 
„Diese drei Männer denen du nachtrauerst, waren Assassinen, die den Auftrag hatten dich umzubringen.“ Er lächelte. „Du glaubst mir nicht, aber es ist wahr.“ Er zögerte einen Moment. „Du würdest mich töten, wenn du könntest.“ In dem Tonfall hätte er auch sagen können „Unsere Nachbarn geben eine große Gartenfeier und servieren frische Brax-Leber“.
„Natürlich würde ich das..“, sagte ich. Das Sprechen fiel mir zunehmend schwerer, ich hing nur mit meinen Gelenken an den Ketten und langsam wurden Füße und Hände taub. Er schüttelte den Kopf und schnalzte mit der Zunge. 
„Das ist bedauerlich. Ich hoffte du würdest mir ein wertvoller Verbündeter sein. Du hast Potenzial, weißt du?“
„Ich Euer Verbündeter? Ihr habt Euch wohl das falsche Kraut angezündet!“ Die Worte sollten entrüstet und wütend klingen, doch sie fielen in resignierendem Klang vor mir zu Boden.
Er erhob sich. „Mir scheint du hast ein falsches Bild von mir. Ich werde jemanden zu dir schicken der dir alles erklärt. Entschuldige, doch ich muss meine Zeit Wichtigerem widmen.“ Seine Hand hob sich und wischte kurz durch die Luft, woraufhin sich die Schellen um meine Gelenke lösten und ich zu Boden fiel. Ich wollte mich sofort aufrappeln, doch sobald meine Füße mein Gewicht tragen mussten, schrie ich kurz auf und stürzte zurück auf den Grund. 
Er stand nicht mal zwei Meter von mir entfernt. So nah und doch so fern. „Und behalt deine verdammten Emotionen unter Kontrolle.“ Mit diesen Worten drehte er sich herum und ging durch das Loch in der Wand in die Schatten. 

Die Flamme der Fackel an der Wand flackerte. Ich lag auf den Boden und atmete schwer. Meine schwere Plattenrüstung drückte sich in meinen Rücken und erschwerte mir das Atmen noch mehr. Ich versuchte mich vom Boden aufzudrücken, doch meine Handgelenke schickten einen stechenden Schmerz durch meinen gesamten Arm, sodass ich fürchtete die müssten jeden Moment durchbrechen. Ich knallte erneut zu Boden und konnte gerade noch mein Gesicht zur Seite drehen.

Kurze Zeit später kam eine kleine, vermummte Gestalt in den Raum, dessen Gesicht unter einer tiefen, schwarzen Kapuze verborgen war. Sie besah mich kurz, bevor sie die Kapuze in den Nacken schob. Sie grinste.
„Hey, mein Name ist Virydiana. Du kannst mich Vi nennen. Du siehst echt ziemlich mitgenommen aus, weißt du das? Hier, ich helf dir auf.“



Sie half mir auf. Wie sich später herausstellen sollte, tat sie viel mehr als das. Meine Füße drohten noch immer unter dem Gewicht meines Körpers und vor allem der Rüstung wegzubrechen. Sie führte mich zu dem Stuhl auf dem Akaryn gesessen hatte und ließ mich vorsichtig darauf ab, stellte sich wieder auf und betrachtete mich mit hochgezogener Braue. „Wie schafft ihr es überhaupt euch am Leben zu halten? Eure Bewegungen sind in diesen Klapperdingern doch total eingeschränkt.“
„Das gleicht die harte Panzerung wieder

aus.“ Ich hielt meine Füße so gut ich konnte angehoben. Selbst wenn ich sie nur auf dem Boden absetzte, sorgte das Gewicht der Rüstung dafür, dass die Gelenke schrien. „Falls du schon mal versucht hast jemanden durch solch eine Rüstung zu erstechen, weißt du wovon ich rede.“
„Ach“, sie winkte ab und griff unvermittelt nach meinem Arm und hob ihn, sodass er gen Himmel zeigte. „Siehst du das?“ Sie deutete auf meinen Achselbereich. „Damit ihr den Arm überhaupt bewegen könnt, ist im oberen Armbereich keine Rüstung angebracht, sondern lediglich Kette.“ Sie zückte mit einer schnellen Bewegung ein Messer aus

ihrer Schärpe und drückte die Klinge leicht unter der Kettenrüstung hindurch. Die Spitze erreichte meine Achselhöhle und piekte mir ein kleines Loch in die Haut, wodurch sofort ein Tropfen Blut austrat. Sie sah mir direkt in die Augen. „Genau wo meine Klinge anliegt läuft eine dicke Hauptader entlang, die direkt zu deinem Herzen führt. Wenn ich die Klinge nun durchstoße, wärst du in zehn Sekunden verblutet. Und wegen deiner Unfähigkeit Agil zu sein, könntest du mich kaum daran hindern.“ Sie ließ die Klinge sinken, ging einige Schritte rückwärts, bis sie die gegenüberliegende Wand erreicht hatte und ließ sich dort, mit lässig hinter den Kopf verschränkten

Armen nieder. „Gegen Barbaren mag diese Rüstung hilfreich sein, aber verlässt du dich lieber auf fingerbreites Eisen als auf deine eigenen Fähigkeiten?“ Sie grinste mich an. Ich verzichtete auf eine Antwort, woraufhin sie den Kopf leicht schief legte. „Akaryn wies mich an dir den Umgang mit der richtigen Ausrüstung zu lehren. Aber wie es scheint ist die Platte, die deinen Körper schützt, nicht der einzige Wall den du an dir trägst, eh?“
Ich hob eine Braue. „Was?“
Sie stockte kurz. „Na … ach mein Gott, die anderen immer mit ihren klugen Sprüchen.“ Sie fuchtelte wild mit den Händen umher. Sich nicht so gewählt

ausdrücken zu können, dass ich sie sofort verstand, schien sie sehr zu verärgern. „Ich meine, dass du noch im Kopf eine Barriere hast, die ich dir austreiben soll.“ - „Ich vertraue euch nicht.“ - „Ja, das sagte Akaryn mir bereits. Und ich soll dir Klarheit verschaffen. Möglichst bevor ich dir das Kämpfen beibringe und du uns in den Rücken fällst.“ Sie machte eine Pause. „Denn ich vertraue dir ebenso wenig. Akaryn sieht irgendetwas in dir, aber wenn du mich fragst, stelle ich sein Urteilsvermögen in dem Punkt wirklich in Frage.“ Ich schwieg. Sie stand auf und wischte sich zweimal über ihren Hintern um den Staub zu entfernen,

während sie mit kurzen, hastigen Schritten zu dem Höhlendurchgang ging. „Erstmal besorge ich dir eine leichtere Rüstung. In deinem Zustand kommst du in deinem Plattengehäuse ja keine zwei Schritte weit.“

Einige Minuten später kam sie wieder. Ich hatte inzwischen versucht einige Teile meiner Rüstung abzulegen, doch ich schaffte nicht mehr als meine Armplatten. Meine Gelenke kreischten. Auf ihren Händen trug Virydiana zusammengelegte Klamotten, die wie Leder aussahen. Mit hastigen Schritten folgte ihr ein Mädchen, vielleicht fünfzehn Jahre alt, welche mich mit

vorsichtigem Blick musterte. „Ich habe dir eine unserer Standard-Rüstungen mitgebracht. Und außerdem Rei. Sie ist eine unserer Heiler in Ausbildung. Sie kümmert sich um deine Wunden.“ Sie legte die Klamotten auf einem schweren Tisch ab, den ich bisher nicht bemerkt hatte und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen diesen, während Rei sich meine Handgelenke besah. Kurz weiteten sich ihre Augen, dann sah sie zu Vi. „Akaryn?“ Vi nickte und Reis Mund verzog sich zu einem Grinsen, als sie sich wieder zu mir drehte. „Er macht es mir immer besonders schwierig. Wunden reichen nicht, nein, es müssen magische sein.“ Sie legte ihre Hände auf mein

rechtes Handgelenk, woraufhin ich kurz zurück zuckte. 

Ich deutete mit meinem Kinn auf den Tisch. „Was ist das?“
Vi drehte sich um, nahm das oberste Teil vom Stapel und entfaltete es. „Leder. Die größte Größe die ich finden konnte. Wir haben hier nicht viele Leute von deinem Körperbau. Mit dieser Rüstung wirst du eher in der Lage sein dich schnell zu bewegen.“ Noch während Vi sprach, spürte ich wie sich langsam eine angenehme Entspannung in meinem rechten Handgelenk breit machte, welches die Schmerzen versiegen ließ. Als Rei zufrieden war, wandte sie sich

meinem anderen Handgelenk und schließlich meinen Fußgelenken zu, nachdem sie mir half meine Stiefel auszuziehen. Während sie meine Wunden heilte, erinnerte sie mich auf schreckliche Weise an meine Frau, Coruna, welche jetzt in einer dreckigen Zelle im Kapitol sitzen musste, wahrscheinlich mit meiner weinenden Tochter auf dem Schoß, während ihr selbst die Tränen über die Wangen strömten. Ich kämpfte gegen die Tränen an, welche sich in meine Augen schieben wollten, und schob das Bild beiseite.

Rei reichte mir ihre Hände um mir zu helfen aufzustehen. Doch diese Geste

war nicht nötig. Viele Menschen trauen ihren Füßen nicht, nachdem diese innerhalb von Sekunden von „zerstört“ auf „wie neu“ poliert wurden. Mein Körper aber hatte schon viel durchgemacht und wurde zahllose Male behandelt. Ich winkte ab und stand alleine auf. Viele würden in dem Moment, nach der ersten Sekunde im sicheren Stand, probehalber auf und ab wippen um die Zuverlässigkeit ihrer Gelenke zu testen, doch stattdessen ging ich zu dem schweren Tisch und nahm Vi das Lederoberteil aus der Hand. „Und was ist jetzt der Plan? Ihr wollt mich zu einem Superkrieger machen und für eure Zwecke benutzen?“. Sie sah mich

skeptisch an, während Rei den Raum durch den Höhlendurchgang verließ. „Akaryn glaubt, dass wir das tun werden. Ich habe Zweifel daran ob du dich dafür überhaupt eignest, aber das wird die Zukunft zeigen.“ Ich schnippte die beiden Scharniere auf meinen Schultern auf, woraufhin die schwere Plattenrüstung laut zu Boden knallte. Vi's Augen weiteten sich leicht, als sie meinen Oberkörper musterte, der von harten Muskeln, welche aus dem jahrelangen Kämpfen resultierten, aber auch von etlichen Narben bedeckt war.

Sie sah zu mir auf. „Wie lange kämpfst du schon, Fasir?“ Ich hielt kurz inne.

„Ich denke drei oder vierhundert Jahre. Man verliert den Überblick.“ Ich zog das Lederoberteil über meinen Kopf und steckte die Arme hindurch. Als ich es passend gezogen hatte, drehte ich probehalber meinen Oberkörper von links nach rechts. „Hm.“ Ich war nicht sonderlich zufrieden. Das Oberteil war eng und dabei sehr dünn. Ich fragte mich, inwiefern mich solch ein Oberteil schützen sollte. Das gleiche Ergebnis gäbe es wohl, wenn ich Stofflumpen tragen würde, eine Klinge würde das Leder jedenfalls nicht stoppen. Als ob sie meine Zweifel sehen konnte, sagte Vi: „Die Rüstung soll die gegnerischen Angriffe nicht abblocken oder

schwächen. Der Trick ist gar nicht erst getroffen zu werden. Dafür eignet sich diese eng anliegende Rüstung besonders gut, da sie dir nicht im Weg ist. Irgendwann wird sie für dich wie zu einer zweiten Haut.“ Sie stieß sich vom Tisch ab. „Zieh dich um, ich warte draußen auf dich.“

„Warte“, sagte ich, noch ehe sie den Durchgang erreicht hatte. Sie drehte sich um und sah mich fragend an. „Ihr glaubt doch nicht, dass ich euch einfach so vertraue, mich von euch trainieren, formen und für eure Zwecke missbrauchen lasse und dabei meine Familie in einer Zelle verrotten lasse?“

Zunächst sah Vi leicht überrascht aus, dann lächelte sie. „Keine Sorge, es geht ihnen gut.“

„Akaryn sagt es gehe ihnen gut und … „ - „Nein“, unterbrach sie mich. „Es geht ihnen wirklich gut. Sie sitzen in einer Zelle im Kapitol, sehr tief im Innern des Gemäuers. Mehr nicht, ansonsten werden sie gut behandelt. Sie bekommen regelmäßige Mahlzeiten und warten nur darauf von dir gerettet zu werden. Und sie wissen, dass du das tun wirst.“

„Hat Akaryn dir das gesagt?“

„Nein“. Sie lächelte. „Sie haben es mir

selbst erzählt.“

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Thyadar

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