Kurzgeschichte
Weltenchat - Massenhysterie

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"Weltenchat - Massenhysterie"
Veröffentlicht am 16. März 2015, 14 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Anna Omelchenko - Fotolia.com
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Weltenchat - Massenhysterie

Weltenchat - Massenhysterie

Massenhysterie

Die Menge tobte und schrie als hätten sie alle guten Geister verlassen. Erfüllt von einer makaberen Sensation, rissen sie die letzten guten Seiten aus den Schätzen der Nationalbibliothek und warfen sie ungnädig in den sicheren Tod, den ihnen die Flammen der vielen auf dem Platz errichteten Scheiterhaufen brachten. Die Bücher ächzten und knisterten im Feuer, Aufbäumen im sicheren Tod das überhört zu werden schien. Auch kein Wunder, die hysterische Masse gab unmenschliche Laute von sich, wie wilde Tiere tanzten sie und gaben sich ihrer

schon okkult wirkenden Prozedur hin. Entsetzt waren die drei Personen die den Zug eben verlassen haben, nicht im Stande ein Wort zu sagen, geschweige denn einen produktiven Schritt zu unternehmen. Instinktiv presste die Rothaarige ihr Buch fester an sich und trat einen Schritt zurück. Dabei rempelte sie unbeabsichtigt einen unscheinbaren Mann im mittleren Alter an. Seine Augen wanderten sogleich auf das geschriebene Werk das sie fest umklammert hielt. Er lächelte schlämisch . -Junge Frau,soll das mit ins Feuer? Es war keine Frage, die Frage wurde seines Tones nach zu urteilen als Befehl in den Raum gestellt. Die junge Frau

schien nicht ganz zu verstehen, drückte das Buch fester an sich. Seine schwielige Hand wirkte immer größer je näher sie ihr entgegenkam, wie eine riesige Klaue drohte sie in der Luft, durchbrach die menschlich gegebene Distanz und wollte nach dem Buch greifen, da kam ihr ein Protest anderseits entgegen. Augenblicklich schnell hatte Wasu das Handgelenk der Fremden ergriffen und zog sie rechtzeitig zu Seite, sodass die gierige Hand ins Leere griff. Mit einmal wurde es still. Hunderte Augenpaare schienen auf den beiden Freuen zu ruhen, ebenso wie auf dem jungen Mann mit seinem

Mindcraft-Schirt, der das zweite Handgelenk unbemerkt fast gleichzeitig ergriff und somit die Rothaarige mit abseits beförderte. In den leeren Augen lag ein einziger Funke und dieser ließ sich selbst von größten Ignoranten deutlich übersetzen. Es lag tiefgründiger Hass darin. Augenblicke verstrichen und schienen eine Ewigkeit zu dauern. Keiner wusste was los war, doch instinktiv sandten die Nerven Reize aus bis in die Amygdala. Es war eine Urangst die sich scheinbar grundlos in den drei bisher sich noch völlig fremden Gestalten gewahr wurde. Wie hypnotisierte Maus die vor den Augen der Kobra vor Angst paralysiert

wurde, erstarrten die Personen, unfähig einen klaren Gedanken zu fassen. Doch Wasu erwachte zu erst aus ihrer todbringenden Lethargie und reagierte blitzschnell. -Rennt verdammt! Die Zwei schüttelten ebenfalls diese Paralyse von sich und rannten, so schnell ihre Beine sie tragen konnten. Collin hatte sein Leben meist in der virtuellen Welt zugebracht. Die Menschen in 3D hatten sich nie für einen unscheinbaren Nerd wie ihn interessiert. Er war für sie Luft, nonexistent. Kellerbräune, ungepflegte Haut, fettiges Haar und Figur eines Computerathleten

machten ihn auch nicht gerade in den Augen der Mädchen beliebt. Das höchste was er je bisher in Interaktion mit dem anderen Geschlecht erbracht hatte, war als er vor vier Jahren bei der Party am Collage, zu der er wohl eher aus Pflichtbewusstsein seines älteren Bruders eingeladen wurde, völlig betrunken auf den Schoss einer von Selbstzweifeln gequälten Austauschstudentin gekotzt hatte. Sie war wohl betrunken und verzweifelt genug mit einem Outcast wie ihm etwas rumzumachen, allerdings, nachdem er ihr sein Fruehstueckt und Mittag mit einem Mal über den Jeansrock verteilte, hatten sich ihre Selbstzweifel in Luft aufgelöst

und ihr Verstand genügend zurück zu ihr gesellt, sodass sie ihm eine Ohrfeige später den Rücken zuwandte und sich eiligst und ziemlich angekotzt von ihm entfernte. Nun vier Jahre später hatte sich seine Lage nicht sonderlich verbessert, wenn er auch, an der Seite zweier ziemlich hübschen jungen Frauen, nun vor einem wütendem Mob davonrannte. Und da lag auch schließlich das Problem. Er hatte sich nicht umgesehen, hatte seine Verfolger nicht erblicken können, doch er wusste es, spürte die vielen Augenpaare sich in seinen Rücken bohren. Er traute sich nur nicht nach hinten zu sehen, um seine Befürchtungen

zu bewahrheiten. Achtete nur auf seinen Atem der unregelmäßig ging, Folge Jahrelanger Betätigung am Computer, echte Nerd-Kondition. Die Luft brannte in seinen Lungen, doch er ignorierte den Schmerz, er musste weiterrennen. Seit ihrer Trennung von ihrem nutzlosem Lebensabschnittsgefährten und ihrem Auszug aus der gemeinsamen Wohnung, bewohnte Suri ein kleines Ein-Zimmer-Apartment, gemeinsam mit dem stinkenden Kater, von dem sie sich wohl nicht so recht zu trennen wagte. Die Wohnung war jetzt sauberer, wenn auch nicht ordentlicher, unendlich viele Bücher stapelten sich auf Tischen,

Couch und sogar dem Teppich. Ihre große und wohl einzige Leidenschaft, Literatur. Wer hätte je gedacht, dass im jetzigen Jahrhundert diese eine so große Gefahrenquelle darstellen würde, war es nicht ein Buch, dass sie in diese jetzige gehetzte und lebensbedrohende Situation gebracht hatte? Eben noch gerade hatten sie diese zwei fremden Hände am Gelenk gefasst und außer Reichweite dieser wütenden Menge gebracht. Nun rannte sie aus eigenen Kräften, ohne zu wissen warum und wohin. Einfach nur weg. Sie glaubte sich an einige Foren im Internet erinnern zu können, sie hatte sie vor Wochen desinteressiert und mangelhaft beobachtet. Doch jetzt in

dringender Not, konnte sie sich nicht reichhaltig daran erinnern, dieser Bücherhass der ja nicht einfach über Nacht entstand, es wuchs langsam und stetig immer mehr an, hatte ihr damals noch keine Sorgen bereitet, doch nun war es offensichtlich unter die Gürtellinie gegangen, Massen strömten von überall her und warfen Bücher in ihren sicheren Feuertod. Wenn sie sich nur erinnern könnte, was war der Auslöser für diese Reaktionen, sie konnte den zwingenden Gedanken nicht einfangen. Die junge Japanerin hatte vielleicht

Polizei erwartet, eine Razzia die nach ihr suchte, aber nicht diese Massenexikution der Bücher. Ja, sie hatte Mist gebaut, doch niemanden schien es zu interessieren, wie Zombies in Filmen sammelten sich die Verdammten unter ihnen, schwärmten zu riesigen Rudeln auf größeren Plätzen und töteten unsere Bildung. Wenngleich die Tötung eines Menschen sie nicht beeindruckte, so erschreckte sie dieser Massenmord nun umso mehr. Wie viele Autoren somit in den Tod gingen, die schon seit Jahren tot glaubten mit ihren Werken unsterblich zu sein, glaubte sie hier an Göttermord. Scharen der Atheisten töteten unsterbliche Götter, die

für ihr unbefristetes Dasein alles gegeben hatten, ihre Gedanken und Gefühle, in Zeiten der Verfolgung gar ihr irdisches Leben. Nun wurden sie wieder zum Schafott geführt, tot für immer. Wasu glaubte nicht an die Menschen, sie waren eine enttäuschende Existenz, nur die wenigen unter ihnen, die durch ihre Werke den Prozess der Apotheose erwirkten, hatten für sie eine Daseinsberechtigung, der Rest unbedeutend, Ameisen. Nun wandten sich die Ameisen gegen ihre Götter, führten ein Sakrileg aus, eine Sünde die unverzeihlich war, scheinbar ohne Grund. Sie warf einen Blick über die Schulter,

sie verfolgten sie mit einer Zähigkeit hungriger Bluthunde, die Augen voller Hass, die Gesichter in Wut und Hysterie grässlich verzerrt. Sie wand alsbald den Blick ab, vorne schien eine Sackgasse sich aufzutun, doch sie kannte den Weg, links war ein kleines Gässchen, dass, im toten Winkel des Betrachters lag, nur wenige kannten den Weg, der darüber in ein Industriegelände führte, dort könnten sie den Mob abschütteln. -Links, schnell! Raunte sie ihren Begleitern im Flug zu. ir was!

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Reila88

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