Kurzgeschichte
Candlelight-Dinner

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"Candlelight-Dinner"
Veröffentlicht am 01. März 2015, 12 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

In meinem Garten steht kein Birnbaum - trotzdem unschwer zu erkennen wo mein Zuhause ist. Der Dichter, der dieses Land mit Leidenschaft beschrieb, muss damals schon gewusst haben, dass ich mich dort niederlassen würde. Das Schreiben habe ich - wie fast alle - mit dem ABC erlernt. Eigene Gedanken zu Papier zu bringen ... viel, viel später. Mich hat weder die Muse geküsst, noch fühle ich mich berufen meine Mitmenschen mit meinen literarischen ...
Candlelight-Dinner

Candlelight-Dinner

Candlelight-Dinner

Carina stand vor ihrem üppig gefüllten Kleiderschrank und betrachtete prüfend das Kleid, das sie heute Abend tragen wollte. Das ´kleine Schwarze`. Es passte perfekt zu der Überraschung, die sie für Andreas geplant hatte. Sie waren jetzt fast drei Jahre verheiratet und nun wurde es Zeit, dass sie ihren Plan verwirklichte. Als er mittags anrief und freudig von dem neuen Geschäftsabschluss berichtete, wusste sie sofort, dass der richtige Zeitpunkt gekommen war, endlich Nägel mit Köpfen zu machen.

Sie fuhr in den Delikatessenladen und wählte von den angebotenen Spezialitäten zielsicher die Köstlichkeiten aus, die sie Andreas am

Abend servieren würde. Anschließend fuhr sie in die Weinhandlung und kaufte zwei Flaschen Can Vidalet Terra Fusca. Andreas´ Lieblingswein. Ihr Weinkeller war zwar ausgezeichnet bestückt, doch diese Sorte war nicht mehr vorrätig. Der Händler, gewohnt mehrere Kartons zu liefern, bot ihr auch dieses Mal den Service an, doch darauf verzichtete Carina.

Den ganzen Nachmittag hatte sie in der Küche gestanden.

Die Wildgeflügelcremesuppe war ein Gedicht, der Rehrücken duftete aus der Bratröhre. Auf ein Dessert hatte sie verzichtet. Andreas mochte nichts Süßes, wenn er seinen geliebten Wein hatte, und ein herzhaftes Dessert hätte nicht zum Wild gepasst. Carina

war zufrieden mit sich. Im Erker hatte sie festlich den Tisch gedeckt. Die Kristallgläser würden im Kerzenlicht funkeln. Der Wein war dekantiert. Andreas würde in einer halben Stunde zuhause sein.

Sie suchte sich noch passende schwarze Dessous aus der Kommode, kleidete sich schnell an, brachte mit wenigen Bürstenstrichen ihren perfekten Kurzhaarschnitt in Form und ging dann hinunter ins Wohnzimmer. Auf dem Weg dorthin warf sie einen prüfenden Blick in den großen Spiegel, der im Flur hing. Dem dezent geschminkten Gesicht, das ihr

entgegenblickte, warf sie eine Kusshand zu. Mit dieser Geste versuchte sie ihre Nervosität zu überspielen. Carina durchquerte das

Wohnzimmer und trat auf die Terrasse. Sie fröstelte. Der Tag war unfreundlich gewesen. Es dämmerte bereits. Die ersten Nachtwolken zeigten sich am Himmel. Spätherbst. Die schöne Stadtvilla, in der sie mit Andreas wohnte, lag unmittelbar an einem kleinen Kanal, der die beiden naheliegenden Seen verband. Zwei weitere Grundstücke grenzten zur linken Seite an ihr eigenes. Auch diese bebaut mit Villen. Die Großflächigkeit der Areale gewährleistete, dass Störungen der Nachbarn ausgeschlossen waren. Ausgeprägte Nachbarschaftsbeziehungen wurden nicht gepflegt. Zur rechten Seite prangte dichter Laubbaumbestand. Jetzt waren die Äste kahl und man konnte den See erkennen. Ein schönes Fleckchen Erde.

Warum hatte sie nur so lange mit ihrem Vorhaben gewartet? Sie fand selbst keine Antwort darauf. In Gedanken versunken hatte sie nicht bemerkt, dass Andreas das Auto in die Einfahrt gesteuert hatte. Das Zuschlagen der Haustür ließ sie hochschrecken.

  „Was ist denn hier los?“, ertönte seine Stimme aus dem Wohnzimmer. Dann trat er zu Carina auf die Terrasse.

  „Habe ich deinen Geburtstag vergessen oder den Hochzeitstag?“, fragte er lachend.

Eine rhetorische Frage. Andreas vergaß nie etwas. Er nahm sie in den Arm und küsste sie zärtlich. Dann drehte er sie im Kreise und blickte sie bewundernd an.

  „Du machst mich neugierig.“

„Ich wollte dich einfach mit einem festlichen Abendessen überraschen. Sieh´ es als Belohnung für deinen erfolgreichen Geschäftsabschluss. In zehn Minuten trage ich auf.“

  „Ich mache mich nur etwas frisch und werde pünktlich am Tisch sitzen.“

Beim Durchschreiten des Wohnzimmers fiel sein Blick noch einmal auf die festliche Tafel im Erker.

  „Ist das etwa mein Lieblingswein in der Karaffe?“

Carina nickte lächelnd und verschwand in der Küche.

Obwohl sie vorsorglich die Herdplatten auf ´Warmhalten` programmiert hatte und nur noch die Teller füllen und dekorieren musste,

dauerte es doch fünf Minuten länger bis sie die Suppe servieren konnte. Andreas hatte inzwischen die Weingläser gefüllt und die Kerzen angezündet.

„Lass uns erst anstoßen“, sagte er gut gelaunt. Beide hoben das Glas bevor sie sich der Suppe zuwandten. Gespannt wartete Carina auf die Reaktion von Andreas. Doch schon nach dem ersten Löffel rollte er mit den Augen und gab nur noch ein „Mmmh“ von sich. Carina atmete auf.


Natürlich berichtete Andreas ausführlich über die am Vormittag stattgefundene Beratung. Er konnte den Kunden mit seinen Argumenten überzeugen und einen sehr lukrativen Geschäftsabschluss tätigen.

Gern hätte er noch etwas von der köstlichen Vorspeise genommen, doch Carina schüttelte den Kopf und räumte die leeren Teller ab. Nach nur wenigen Minuten reichte sie ihm einen gut gefüllten Teller auf dem der Rehrücken mit Birnen und Mandelbällchen - appetitlich angerichtet - einen köstlichen Duft verströmte.

  „Die Suppe war wohl etwas heiß“, lächelte Andreas und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

Unter den wachsamen Augen von Carina genoss er sichtlich auch das Hauptgericht. Ein plötzliches Hüsteln, das sich zu einem Krächzen entwickelte, ließ ihn innehalten. Die Gabel entglitt seinen Händen und fiel lautlos auf den dicken Teppich. Seine Hand griff nach

der Tischkante, doch schon sackte er nach vorn und sein Kopf fiel mit dem Gesicht nach unten auf den noch nicht gänzlich verspeisten Rehrücken.

Carina betrachtete ihn eine Weile, stand auf und ging in die Küche. Das kleine Fläschchen, das sie beim Zurückkommen in der Hand hatte, warf sie von der Terrasse in hohem Bogen in den Kanal. Ein leises Plätschern war zu hören. Die Entsorgung des größeren Problems beunruhigte sie nicht sonderlich. Sie hatte vorgesorgt.

Carina lächelte in sich hinein. Warum war sie nur nervös gewesen? Es lief alles wie geplant - wie immer!

Dann rief sie Leonhard an.  



© KaraList 03/2015

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Über den Autor

KaraList
In meinem Garten steht kein Birnbaum - trotzdem unschwer zu erkennen wo mein Zuhause ist. Der Dichter, der dieses Land mit Leidenschaft beschrieb, muss damals schon gewusst haben, dass ich mich dort niederlassen würde.
Das Schreiben habe ich - wie fast alle - mit dem ABC erlernt. Eigene Gedanken zu Papier zu bringen ... viel, viel später. Mich hat weder die Muse geküsst, noch fühle ich mich berufen meine Mitmenschen mit meinen literarischen Ergüssen zu überschütten.
Nach gefühlten 20 000 gelesenen Büchern, habe ich mir gesagt, eine Geschichte oder ein Gedicht schreiben, das kannst du vielleicht auch. Und wenn der geneigte Leser nach der letzten Zeile das Buch mit dem Gedanken zuschlägt ´schade, dass es zu Ende ist` - dann war die Mühe nicht umsonst. Denn, Schreiben ist Arbeit.

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Magnolie Liebe Kara,
eine tolle Geschichte, deren Ende total unerwartet kam ...
Herzlichst
Manu
Vor langer Zeit - Antworten
KaraList Ich freue mich, dass Dir die Geschichte gefallen hat, liebe Manu.
Ganz lieben Dank für Deine Lesezeit.
LG
Kara
Vor langer Zeit - Antworten
AngiePfeiffer Ihm, jaha,
das ist eine richtig klasse Geschichte. Schwarzhumorig und unvorhersehbar. Ich bin begeistert.
LG
Angie
Vor langer Zeit - Antworten
KaraList 
... dann habe ich alles richtig gemacht ... :-))
Vielen herzlichen Dank für den Favo, liebe Angie.
LG
Kara
Vor langer Zeit - Antworten
Rajymbek 
Während ich noch dauernd an den teuren Can Vidalet Terra Fusca 2007 dachte, hast du mir beriets den hauptgnag serviert. Na Klasse, Kara!

VLG Roland
Vor langer Zeit - Antworten
KaraList Ja, ja ... Du hältst Dich lieber an der flüssigen Nahrung auf ...
Lieben Dank für die Talerchen, Roland.
LG
Kara
Vor langer Zeit - Antworten
Kornblume sehr, sehr böse und doch so ganz nach meinem Geschmack.
Ob Leonhard lieber künftig selbst kocht ????

Die Geschichte gefällt mir ausnehmend gut.
Kornblumengrüße an Dich
Vor langer Zeit - Antworten
KaraList Das freut mich, liebe Kornblume - und ein herzliches Dankeschön für Deine Lesezeit.
Um Deine Frage zu beantworten - ich denke, Leonhard hat diese Möglichkeit bereits ins Auge gefasst. :-)
LG
Kara
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona 
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Das ist aber seeeeehr böse. Erst das Liebligsessen servieren... und dann? Adios Geliebter. Doch zumindest hat er noch n leckeren Geschmack im Mund.
lg... harryaltona
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