Sie las den Roman... (eine „verflogene Geschichte“)
M.Krug hat diesen Titel gesungen. Er steht vor ihrem Haus und bald darauf kommt sie heraus. Die Tour mit der Straßenbahn an jedem Tag – und er will sie ansprechen. Nur - sie sieht ihn gar nicht an, sie liest den Roman. „Die Wirklichkeit, so fang` ich an, wird schöner sein als Ihr Roman“.
M.K. sang und träumte und die Story blieb in mir.
Meine Geschichte begann mit dem Weg zum Flughafen. Der Highway verstopft, der Planet brannte und mein Fahrer war
nervöser als ich. Der individuelle Service einer namhaften Fluggesellschaft stand umgekehrt proportional zur Gewaltigkeit des Gebäudes und ich war fast in Rage. Nur die Wärme und das Ziel... Gate 25 – eine lange Strecke nach dem „Durchleuchten“. Da sucht man schon nach einem Raucherplätzchen. Am großen Fenster, das den Blick zum Rollfeld und auf die bereitgestellten Flugzeuge freigab, hatten sich schon die Sympathisanten der „qualmenden Zunft“ gefunden. Beim Anzünden der Zigarette fand ich sie nicht unflott - im Blickwinkel meines linken Auges. Der zweite Blick bestätigte es. Sie – Alter unklar, Jeans und weißes Top ohne
Ärmel, aber mit Rollkragen. Glattes Haar, irgend etwas zwischen blond und hellbraun – eher dunkelblond. Die Augenbrauen wie zum Staunen geschminkt. Ob sie wohl sportlich ist ? Wo sie wohl hin will ? Sie fliegt allein ? Die Zigarette war nicht lang. Am Gate war es sehr voll - wie beim Ticket holen versprochen.Nur einen Gangplatz in der Innenreihe. Aber was soll `s, es dauert ja nur eine Stunde.
Mein Platz ist 29 F. Das ist so weit innen, inner geht`s nimmer. Also reinquetschen und warten. Ein Jungmanager links mit `ner Zeitung, eine ältere Dame neben ihm. Plötzlich kommt von hinten die Komplettierung meiner
Reihe – SIE. Wow! Ich helfe ihr instinktiv bei den Gurten – vielleicht hilft `s ? Da klemme ich und will links den Leser und rechts die zarte Kleine nicht stören. Beide Arme eng am Körper – eine schlechte Haltung und eine schlechte Ausgangslage. In meinem zurückgebliebenen Flirthirn werkelt die hormongesteuerte Satzformulier- und Ansprechhilfe auf Hochtouren. „Lass `dir was einfallen, der Flug dauert nicht lange.!“ Unter Druck kann ich schlecht kreativ sein. Außerdem bin ich verklemmt und habe meine Gestik nur eingeschränkt als Hilfe. Also luge ich von Zeit zu Zeit verstohlen nach rechts und lese dann die doppelte Zeit in der
blöden Zeitung. Miete, Banken und sonstige News können aber meine strategisch schlechte Lage nicht verbessern. Oh je – Herr gib mir ein Zeichen. Da – das ist es – sie liest einen Roman. Er ist in englischer Sprache. Was nun ? Ist sie Engländerin – sieht nicht so aus ?! Warum liest sie dann in einer fremden Sprache? Das könnte ein Ansatz sein. „Entschuldigen sie meine Neugier“ - ist ja voll uncool. „Ach, sie lesen englische Romane ?“ - da kann sie auch nichts mit anfangen. Aber ein Ansatz wär `s ja. Weitersammeln oller Dussel!
Die Maschine hat nicht mehr lange. Dann kommt die Stewardess mit den Erfrischungen. Sie nimmt einen Apfelsaft
und stilles Wasser – ich hätte ja das Gleiche nehmen können, fällt mir Tage später ein. So ordere ich Tomatensaft wie immer (du Ochse) und auch ein stilles Wasser (ja,ja-stille Wasser...) Sie mixt den Saft mit dem Wasser, ich rühre eiskalt das Pfeffer und Salzgemisch unter. Mich stört die Ruhe. Nur die Triebwerke dröhnen. Schön, dass es Triebwerke gibt. Nun lässt sie gar das Buch sinken und schließt die Augen. Da wird sie noch schöner und ich sehe ihre gebogenen Wimpern und rieche ihre Haut. Ihren Schlaf beschützen – wie ein Ritter – oh schööön. „Mach hin du Pfeife , bald kommt Berlin“ - souffliert mein schlechtes Ich. Und Berlin kommt und
der Flieger setzt zur Landung an. Als ich meine Leergutbecher aus dem Vordermannssitznetz klaube schnippt zu guter Letzt der kleine Rührstab durch die Kante, tippt an ihre Jeans und sie schaut ein wenig skeptisch drein. „Nichts passiert, alles in Ordnung“ stottere ich und bin mir schon im Klaren, dass da nicht mehr viel zu Baggern geht. Pech eben – hätte toll sein können – der Talk.
Der Flieger landet und dockt an. Alle entern auf. Sie bleibt sitzen. Hat offenbar keine Eile. „Wollen sie durch ?“ fragt sie mich. Oh – sie hat mich gefragt. Ja, wenn sie Zeit haben …, danke!“
Ihre Stimme war eher maskulin, aber sie hatte eine gewisse
Wärme.
jfw