Romane & Erzählungen
Save me - Teil 1

0
"Save me - Teil 1"
Veröffentlicht am 13. Januar 2015, 40 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Bin Mitte 40, habe in Bonn Theologie studiert, arbeite aber jetzt was ganz anderes :-) Verheiratet ohne Kinder, habe aber trotzdem weniger Zeit zum Schreiben, als ich möchte. Trotzdem habe ich es geschafft, ein ganzes Buch zu schreiben, DIN A4 doppelseitig bedruckt immerhin 240 Seiten. Und jetzt habe ich den Schritt gewagt und es als reines E-Book auf Amazon veröffentlicht ( ...
Save me - Teil 1

Save me - Teil 1

Vorwort

Seit einiger Zeit leben Cat und Jens zusammen in Berlin. Trotz diverser Probleme in ihrem Umfeld führen sie eine glückliche Beziehung – bis zu dem Tag, an dem ein dringender Hilferuf Cat erreicht!


***


Dies ist die Fortsetzung von 'Lebensretter'! (Link siehe unten in den Kommentaren)

Kapitel 1

~ Klick ~ „Hier ist das erste deutsche Fernsehen mit der Tagesschau am Dienstag, dem 7. Januar 2014 BERLIN Nach dem Ende der Weihnachtspause wurden heute die Koalitionsgespräche zwischen den Christsozialen und den Sozialdemokraten wieder aufgenommen. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe und SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel äußerten sich zuversichtlich darüber, dass-” Vor Schreck über das plötzliche Dröhnen des Fernsehers neben mir fiel mir fast die kleine Ampulle Xylazin aus der Hand, aus der ich gerade eine Dosis Hellabrunner Mischung auf einen Betäubungspfeil abfüllen

wollte. „Raffi, um Himmels willen”, drehte ich mich schimpfend um, „bist du verrückt geworden?! Ich hab hier fast das teure Zeug verschüttet, Mann, du weißt, was das kostet!? Und warum machst du eigentlich während der Arbeit den Fernseher an?” Der Tierpfleger, Rafal Wisznewsko mit vollem Namen und von allen nur Raffi genannt, der mich nachher zu seinem Revier begleiten sollte, grinste über beide Backen. Der Kerl war sowieso eine echte Frohnatur und auch jetzt konnte ich ihm nicht böse sein, wie er mich so fröhlich anstrahlte und sagte „Aber ab heute sind doch wir dran! Da wollte ich unbedingt rein gucken!” Ich warf einen Blick auf die Uhr an der Wand, es war jetzt ein paar Minuten nach vier, in der ARD lief, wie ich unschwer mitbekommen hatte,

die Tagesschau. Was meinte er mit 'Wir sind ab heute dran' ? Dann fiel es mir auf einmal glühend heiß ein, es stimmte ja, die Folgen mit meinem geliebten Harnas waren vor den Winterferien zuende gegangen und nun – würde man neue Folgen aus dem Berliner Zoo und Tierpark ausstrahlen. Ich schlug mir kurz vor die Stirn. Na, da konnte ich den DVD-Recorder ja getrost auf diese Uhrzeit eingestellt lassen, Vom 'Waisenhaus für wilde Tiere' hatte ich aus Nostalgie-Gründen jede Folge aufgezeichnet. Und ich war mir ziemlich sicher, dass meine Männer zuhause 'meine' Szenen aus dem Zoo nur zu gerne sehen würden. Zumindest mein Bruder war eh schon hin und weg von meinen Erzählungen über die – manchmal recht nervigen – Dreharbeiten gewesen. Dreharbeiten, die vor fast anderthalb

Jahren stattgefunden hatten und die ich deswegen schon fast vergessen hatte. Jetzt ging es auch schon los, der Vorspann lief und ich ertappte mich dabei, ebenso gebannt auf den Bildschirm zu starren, wie Raffi. Da, da tauchte ich tatsächlich auf! Und sogar aufgenommen in dem Moment, in dem ich eines der Gepardenkinder betreute, das hatte ich mir gewünscht. Ebenso wie die korrekte Angabe meines 'Titels' Ph.D. in Vetenary med., Univ. Caym. Isl. Das war zwar fürchterlich lang und tauchte auch ansonsten in der Sendung nicht mehr so auf, war mir aber lieber so. Meine Qualität sprach so oder so für mich, da brauchte ich keine besonderen Titel. Da meine Alma Mater auf den Cayman Islands zu Großbritannien gehörte und ich so nach EU-Recht also eigentlich einen 'Dr.' tragen könnte, war das ein Punkt, der ab und zu für Unmut bei meinem

Mann sorgte. Immer mal wieder brachte er das Thema auf den Tisch, zuletzt bei eben jenen Vorbereitungen für die Sendung und grummelte, ich solle mich daran erinnern, wie wichtig – und ursprünglich unmöglich! - mir das Studium damals erschienen war und dass ich stolz auf meine Leistung sein konnte, nach all dem, was ich so durchgemacht hatte. Manchmal schimpfte er sogar, ich solle doch mein Licht nicht so unter den Scheffel stellen, bis es mir irgendwann reichte und ich ihn anraunzte, er solle doch selber erst mal seinen eigenen Doktor machen! Nur in Interviews immer den großen Inteleltuellen raushängen zu lassen, sei auch nicht abendfüllend … „Meine Cat, immer noch die alte Kratzbürste!”, kam dann meistens von Jens und ich konterte damit, dass er eine Nervensäge bis zum Schluss

sein würde. Dann wir fielen uns für gewöhnlich lachend in die Arme und besiegelten mit einem dicken Kuss, dass wir trotz meines noch immer manchmal aufbrausenden Temperaments bisher noch immer jeden Streit gut überstanden hatten. Daran hatte sich seit unserem Kennenlernen nichts geändert. Zum Glück war ich mit den Tieren der geduldigste Mensch der Welt! Vielleicht war das auch mein Geheimnis: Ich hatte in Jens mein perfektes Gegenüber gefunden, an dem ich sogar meine verschiedenen Gemütszustände abarbeiten konnte, weswegen ich bei der Arbeit gar nicht garstig sein musste?! * Nach Feierabend machte ich mich wie meistens zu Fuß auf den Heimweg, denn vom Zoo aus hatte ich es nicht weit. Jens hatte vor ein paar Jahren eine alte Stadt-Remise in der Nähe des Savignyplatzes erworben und für seine Zwecke

umgebaut; Studio und Büro unten und ein riesiger Maisonettebereich in den oberen Stockwerken. Dort hatten wir viel Platz, uns zu entfalten und den brauchten wir inzwischen auch! Zuerst aber machte ich einen kleinen Schlenker durch den Garten. Irgendwas heute hatte mich an meine kleinen, aber bedeutsamen Verluste erinnert, Jake, der Hund meiner Jugendzeit und Tinkerbell, Jens' entzückende kleine Pudeldame. Sie lagen nun einträchtig nebeneinander im Garten und noch immer schaute ich gerne bei ihren kleinen Gräbern vorbei. Kaum, dass ich mich im Dunkeln nieder gekniet und eine stumme Zwiesprache begonnen hatte, hörte ich aus einem der Zimmer über mir ein lautes Schimpfen, ein Krachen und heftiges Türenschlagen. Resigniert schloss ich die Augen und seufzte.

Wenn doch alles in meinem Leben so einträchtig nebeneinander existieren könnte … Insofern war es ja gut, dass wir so viel Platz hatten, aber trotzdem! Seufzend ging ich ums Haus herum zum Haupteingang und schloss die Tür auf. Von oben hörte ich schon wieder wildes Geschrei, dann rumpelte jemand die Treppe runter und rannte mich fast über den Haufen, bremste im letzten Moment. „Ah, n'Abend, Katy!” Ist es nicht erstaunlich, wie wandelbar mein Name ist? Vor allem, wenn da jemand großer Katy Perry-Fan ist ... „Hi! Was macht ihr hier eigentlich schon wieder für einen Terz”, fragte ich gleich zurück. „Ach, dein blöder Bruder hat sich mal wieder an meinen Band-Shirts vergriffen!” „Huhh!”, witzelte ich, „Zickenkrieg!” „Sehr witzig,

Mütterlein!” „Stan! So sollst du mich nicht nennen!” „Dann sag du nicht Zicke zu mir! Ich treff mich jetzt mit meinen Kumpels. Ach ja, eh ich es vergesse, hier ist sowas wie ein Eilbrief oder Telegramm für dich!” „Und das sagst du mir erst jetzt? Her damit!” Er schmiss es mir zu, schwang sich in seine Jacke und verschwand zur Tür hinaus. Kurz richtete ich die Augen zum Stoßgebet zum Himmel, hoffte, dass nicht - Doch klar, eine Minute später erschien Niels' Rastakopf oben am Treppenabsatz. „Ist der Arsch weg?” „Niels, zum letzten Mal, Stanley ist kein Arsch! Und du sollst ihn nicht so nennen!” „Wenn er sich aber doch so benimmt?!”, begehrte mein Bruder

auf. „Das ist Ansichtssache. Du sollst ja auch nicht an seinen Schrank gehen, das weißt du genau!” „Der soll sich nicht so haben mit seinen Klamotten … Das ist doch voll schwul!”, muffelte Niels. „Verdammt”, mir platzte der Kragen, „was soll das, du weißt ganz genau, das 'schwul' kein Schimpfwort ist! Was würdest du sagen, wenn er an deine heiligen Gitarren ginge?!” „Boah, das … Das ist doch echt kein Vergleich ...”, brummelte mein Brüderchen, war aber schon fast wieder auf dem Boden der Tatsachen. „Na gut, Schwesterherz, du hast gewonnen, ich lass seinen Kleiderschrank in Ruhe.” „Ich danke dir dafür.” „Für diese Woche.” „Niels!” „Und ein Arsch ist der trotzdem!”,

beanspruchte Niels das letzte Wort für sich und zog seinen Kopf zurück. „Niiiielsss!!!” Die zuschlagende Tür sagte mir, dass weitere Worte erst mal sinnlos waren. Tja, DAS war halt unser großes Problem. Oder zum größten Teil meines, denn wenn Jens da war, hielten sie sich sehr zurück, mein Bruder Niels, der bei uns lebte, und Jens' Sohn Stanley, der ab und zu bei uns wohnte. Ja, es stimmte, Jens hatte einen erwachsenen Sohn! In der Zeit, als ich noch als schwangere Obdachlose bei ihm unter gekommen war, war das nie zum Thema geworden, warum auch, erst als Jens und ich uns wieder gefunden hatten, erfuhr ich von der Existenz meines 'Stiefsohns'. Der witzigerweise genauso alt war wie ich, denn er entstammte einer Liebelei von Jens bei seinem ersten Trip als Schüler nach

England. Aufgewachsen war der Junge bei seiner Mutter Linda, doch Jens hatte immer brav seine Alimente gezahlt und auch regelmäßigen Kontakt zu seinem Sohn gesucht. Die Erziehung hatte er jedoch Linda überlassen und die hatte echt gute Arbeit geleistet. Stan war jetzt wie ich über 30 und hatte das Hobby seines Vaters, das ihm anscheinend genetisch in die Wiege gelegt worden war, erfolgreich zum Beruf gemacht. Er kam als Auslandskorrespondent viel in der Welt herum, wohnte nur ab und zu auf Besuch bei uns, wenn er in Deutschland war – doch diese Tage hatten es leider immer in sich! Ich bin nie dahinter gekommen, warum, aber bei den Beiden war es Antipathie, ja beinahe Hass auf den ersten Blick gewesen. Vielleicht war es

auch eine Art Buhlen um Jens, um seine Anerkennung? Die Sehnsucht nach einer Vaterfigur, welche beiden ja irgendwie in sich trugen?! Stanley hatte seinen Vater zwar gekannt, aber der war nun mal nicht immer bei ihm gewesen. Und Niels, der Arme, war ja seit früher Kindheit ganz vaterlos, da mein Vater so früh gestorben war, und hatte noch dazu lange Zeit mit unserer lieblosen Mutter alleine im Haus eines skrupellosen Zuhälters gelebt … Kein Wunder also, dass die 'Jungs' (okay, Stan ist ein paar Monate älter als ich, aber ich komme irgendwie nicht umhin, ihn so zu nennen) danach lechzten und um seine Aufmerksamkeit konkurrierten. Und der Ältere war vielleicht sogar eifersüchtig auf den 'Fremden', der seit seinem sechzehnten Lebensjahr bei seinem Vater wohnte, denn dazu

war es für ihn bisher bis auf ein paar Besuche ab und zu nicht gekommen. Naja, die wahren Hintergründe würde wohl nur ein guter Psychologe erklären können und ich kannte mich nun mal besser mit Tieren aus als mit Menschen, vor denen ich immer noch manchmal Angst habe. Ehrlich, es war noch nie ein Problem für mich, zwei, was weiß ich, rivalisierende Stachelschweinmännchen aneinander zu gewöhnen, aber wenn Niels und Stan gleichzeitig zuhause waren, hatte ich die Hölle auf Erden. Jedenfalls normalerweise so lange, bis der Herr Rubel sich mal zuhause blicken ließ. Dann waren sie fast ein Herz und eine Seele! Jens war halt doch extrem viel unterwegs, damit kam ich klar, aber er glaubte mir auch nicht so recht, wenn ich von den männlichen Eskapaden hier berichtete. Dass die beiden Vögel nicht Arm

in Arm liefen, wenn sie Jens zur Begrüßung entgegen kamen, war echt alles! Ich schreckte aus meinen Gedanken hoch, als es hinter mir auf der Treppe wieder rumpelte. Niels schoss auf mich zu und gab mir einen Kuss auf die Wange. „Tschüss Kitty, ich muss noch bei Vince vorbei schauen und ihm seine Noten zurück bringen, danach treff ich mich mit Julie.” „Viel Spaß”, rief ich erfreut. Das hieß ja, wir hatten heute Abend sturmfreie Bude! Leise singend kickte ich meine schweren Arbeitsschuhe in die Ecke und warf Mantel und Tasche hinterher, wetzte dann nach oben, um mich frisch zu machen. Kurz dachte ich daran, mich gleich in was 'leichtes' zu schmeißen, ließ es aber dann zugunsten einer normalen Jeans und einem engen T-Shirt bleiben, schließlich

wollten wir erst essen. Immer noch summend stöberte ich dann in der Küche nach etwas Essbarem. Tja, das war so der Punkt, in dem wir sozusagen eine echte Künstlerfamilie waren, es war nie viel Zeit zum Selberkochen, auch wenn sowohl Jens als auch ich das gut beherrschten. Zum Glück ließen wir drei Mal die Woche eine Putzfrau kommen, sonst wären wir wahrscheinlich schon lange im Staub erstickt … Ich entschied mich für eine vegetarische Pizza und rollte den Teig schon mal aus, sorgte für den Belag und schmiss den Backofen an, damit wir nachher das Blech einfach nur rein schieben und uns dann einen gemütlichen Abend zu Zweit machen konnten. Kaum, dass ich die letzten Vorbereitungen abgeschlossen hatte, klapperte es auch schon unten am Eingang und ich hüpfte ausgelassen die Treppe runter, wo

gerade Jens seinen Blondschopf zur Tür herein schob. „Hallo meine geliebte Nervensäge!”, rief ich schon vom letzten Treppenabsatz aus und sprang den Rest in einem Stück, „Schön dass du kommst, das Essen-” „Reicht hoffentlich auch noch für einen Gast”, vollendete Jens fröhlich meinen Satz und schwang die Tür weiter auf, damit ich die Gestalt, die nun hinter im ins Haus trat, besser sehen konnte. Abrupt stoppte ich meinen Anlauf und ließ meine Arme linkisch neben meinem Körper baumeln. „Oh, hallo Sabine ...” Jens kam auf mich zu, zog mich in seine Arme und küsste mich, während unser unverhoffter Gast sich aus seiner Jacke schälte. „Du hast Sabine mitgebracht?”, fragte ich

überflüssigerweise und Jens nickte munter. „Ja, sie war heute wegen des neuen Projekts im Büro und weil wir nicht fertig geworden sind, hab ich sie mit zu uns eingeladen. Ich hoffe, es macht dir nichts aus?!” „Nein, nein”, antwortete ich lahm und brachte ein Lächeln zustande. Gut, dass ich mir keine Dessous angezogen hatte vorhin! „Die Jungs sind heute Abend weg, das Essen wird also auf jeden Fall reichen”, informierte ich ihn. „Ah okay. Die Jungs sind gar nicht da?”, wiederholte er und dann konnte man richtig sehen, wie bei ihm der Groschen fiel. „Oh …!” °Ja, 'Oh!'°, wiederholte ich in Gedanken und war eigentlich ganz zufrieden mit seiner Reaktion. Dann begrüßte ich die dunkelhaarige Frau, die mich ihrerseits herzlich umarmte. Sie war in etwa in Jens' Alter und im Grunde war sie ja

okay und auch immer sehr freundlich mit mir, fast schon, als sei sie in mich vernarrt. Eigentlich war sie Rechtsanwaltsgehilfin, bis sie zur anderen Seite übergewechselt war und nun bei einer Abrechnungsfirma für Arztleistungen arbeitete. Aber uneigentlich hatte sie einen starken Drang zum Höheren, interessierte sich sehr für Kunst. Doch da sie leider über keinerlei eigenes Talent, dafür aber über ein kleines Erbe verfügte, engagierte sie sich in diversen Künstlergalerien, so auch bei LUMAS. Dort hatten sich Jens und sie kennen gelernt und Jens liebte es, mit ihr zu fachsimpeln. Er sagte immer, er genösse es, außer mir mal eine andere intelligente Frau zu treffen, die seien noch immer rar gesät. Doch meine Intelligenz ist eher praktisch veranlagt und für meinen Geschmack schwebte Sabine allzu oft in abgedrehten intellektuellen Sphären … Und natürlich war ich ab und zu eifersüchtig

darauf, wenn mein Mann Zeit mit ihr verbrachte! Enttäuschung und eben Eifersucht rumorten heftig in meinem Magen, während der Gast seine Jacke aufhängte. Wir gingen hoch in den Wohnbereich und Sabine pflanzte sich wie selbstverständlich ins Wohnzimmer, sah mich dann an. „Ich weiß, deinen Mann brauche ich gar nicht danach fragen, aber du hast doch sicher ein Glas Wein für mich?!” Was sollte das denn heißen? „Sicher”, gab ich zurück und fragte mich, ob ich eigentlich was von dem Xylazin zuhause hatte. „Rollen bringt's dir dann”, fügte ich laut hinzu und ging rasch in die Küche, um die Flasche zu öffnen. Und bevor meine Stimme überschnappen konnte. Kurz danach erschien Jens und ich drehte mich rasch zum Herd, damit er meine Tränen der Wut nicht

sah. „Kann ich dir was helfen?”, fragte er meinen Rücken, doch ich schüttelte den Kopf. „Nein. Bitte geh und kümmere dich um deinen Gast”, antwortete ich schroff, schroffer als beabsichtigt. Denn Jens hatte, man höre und staune, irgendwann mal gecheckt, dass ich hilflos eifersüchtig war, als ich mal wieder sehr gegen Sabine gestichelt hatte. Anfangs hatte er mich einfach ausgelacht, doch bevor ich wutentbrannt das Zimmer verlassen konnte, hatte er mich auf seinen Schoß gezogen. „Hör mal, Catherine, du glaubst doch nicht wirklich, dass DU Konkurrenz hast, hm? Nach all dem, was zwischen uns war, soll ich dich für eine andere Frau fallen lassen?! Wo es doch noch ganz andere Models gibt, die dauernd um mich herum

schwirren?!!” „Na herzlichen Dank”, hatte ich gestöhnt und „das baut mich erst recht auf! Mann, es ist halt, ich hab halt das Gefühl, du … du findest in ihr etwas, das du bei mir nicht hast ...”, gestammelt. Zärtlich hatte da seine Hand meinen Nacken gekrault und mit sanfter Stimme hatte er gesäuselt „Cat, in gewisser Weise ist es ja auch so. Sie ist mein Kunstkumpel, so wie du deine Anatomiekumpel hast. Die übrigens auch größtenteils männlich sind, hab ich da mal was zu gesagt?” „Ach komm, das ist doch nicht das Gleiche”, begehrte ich auf. „Tatsächlich nicht? Du bist um einiges jünger als ich, muss da nicht ich Angst haben, dass du dir was in deinem Alter suchst?” „Jens, spinnst du? Du solltest doch wissen, ich liebe dich über alles, du hast es nicht nötig,

sowas zu denken-” „Siehst du, und so geht’s mir auch. DU bist meine Frau, also keine Gefahr!” Das hatten wir mit langen Küssen besiegelt und unwillkürlich musste ich gerade an diese Szene denken. Eigentlich musste Jens davon ausgehen, dass ich inzwischen vernünftig geworden war, deswegen fürchtete ich eine Standpauke. Statt dessen sagte er plötzlich: „Oh, hallo Kitty!” „Was?”, entfuhr es mir und ich hörte ihn lachen. „Naja, Kitty ist deine Kratzbürsteninkarnation und mit der rede ich doch grade, oder?” „Du Quatschkopp”, murrte ich und konzentrierte mich auf den Salat. Grade, als ich den Essig dazu geben wollte,

legten sich zwei Arme von hinten um mich und ich spürte einen feuchten Kuss an meinem Hals. „Iihk, Jens, nicht doch … wir haben einen Gast!”, protestierte ich – vor allem, weil es das war, was ich ja eigentlich heute gewollt hatte ... Er drückte mich nun fester. „Der sitzt im Wohnzimmer und kriegt nichts mit ….” „Aber sie wartet auf ihren Wein! Willst du ein schlechter Gastgeber sein?!”, meckerte ich und er murmelte „Catherine, bitte ...”, rieb dabei seine Nase an meinem Hals. Das ließ mich schon wieder weich werden, wie immer vor allem die Art, wie er meinen Namen aussprach. „Tut mir leid, wenn ich ein wenig zickig bin, aber-” „Cat”, schmeichelte er leise weiter, „ich weiß, du hattest nicht mit ihr gerechnet. Es ist bloß, der Termin kommt näher und da es noch einiges

zu planen gibt, wäre ich ansonsten noch viel später heim gekommen, dachte mir halt, dass ihr auf mich wartet. Dass du allein bist, konnte ich ja nicht ahnen ….” Mit einem Seufzer lehnte ich mich leicht nach hinten an ihn. Da war er wieder, so ein typischer Jens-Moment, im Grunde hatte er ja mitgedacht und schaffte es auch, mit einschmeichelnder Stimme allen Groll in mir endgültig in Nichts aufzulösen. Er hatte ja nicht wissen können, dass dieser Abend spontan 'unser' Abend hatte werden sollen und im Großen und Ganzen konnten Abende mit Sabine auch sehr nett sein. „Hey, es ist okay.” „Wirklich?” Jetzt drehte ich mich in seinen Armen um und sah ihn an. „Wirklich-wirklich! Und jetzt bring Sabine ihr Glas Wein und fangt mit eurer Besprechung an. Das Essen dauert noch ein paar

Minuten.” „Gut, aber zuerst ...” Damit senkte Jens seine Lippen zu einem Kuss auf meine, der auch den letzten Rest Eifersucht aus meinen Adern spülte und für einem Moment heiße Lava dort hinterließ … „Catherine, ich liebe dich”, hauchte er, als er mich losließ und seine Augen versprachen 'Bald, Cat, bald …!', dann schnappte er sich gehorsam den Wein und verschwand im Esszimmer. Mit leicht wackligen Knien wandte ich mich wieder der Küche zu, gönnte mir auch erst mal einen Schluck Wein, bevor ich weiter machte. Insgesamt wurde der Abend dann auch noch recht nett. Da es um eine konkrete neue Ausstellung zu Jens' letzter Reise ging, fielen

auch nicht so viele künstlerische Fachausdrücke und ich konnte an der Unterhaltung gut teilnehmen. Mein Gähnen war deswegen auch kein Versuch, den Gast loszuwerden, sondern Ausdruck eines normalen Arbeitstages, der naturgemäß ziemlich lang war. Sabine hatte dann auch ein Einsehen, die wichtigsten Details waren geklärt und sie verabschiedete sich gut gelaunt. Während Jens sie nach unten zur Haustür geleitete, räumte ich schnell alles in die Spülmaschine und sorgte für Ordnung. Das war wohl noch ein Relikt aus meiner Zeit, als ich als Obdachlose diverse Küchenjobs hatte, da musste immer alles blitzblank aussehen. Die Tür hinter mir schwang auf. „Ach hier bist du, ich hätte es mir denken können”, schmunzelte Jens. „Jetzt lass aber gut sein, morgen kommt eh die

Putze.” „Du liebe Zeit, wie redest du denn von deinem Personal?”, schimpfte ich und stellte die letzten Utensilien in den Schrank. „'Tschuldigung, die Zugehfrau. Jetzt komm aber!” „Moment”, brachte ich noch heraus, doch da hatte Jens mich schon geschnappt und über seine Schulter geworfen. „Hey!” „Nix, da 'hey', du kommst jetzt mit. Ich kann an nix anderes denken, seit du mir heute gesagt hast, dass die Jungs nicht da sind!”, sagte er mit heiserer Stimme und trug mich die Treppe hoch. Der Ordnung halber zappelte ich ein bisschen und quiekte, als er mich auf unser großes Ehebett schmiss, aber als er dann über mich kam, ergab ich mich rasch seiner Leidenschaft! Und bereute es nicht, denn es war wie immer

wunderschön mit ihm. Kein Vergleich mit den Jüngelchen, mit denen ich mich während meines Studiums eingelassen hatte – etwas, was ich ja auch nur deswegen konnte, weil Jens damals dieses große 'Opfer' gebracht hatte, mit mir probeweise zu schlafen obwohl er mich angeblich nicht liebte … Tja … Waren es diese Gedanken oder der Rest Endorphine in meinem Körper, jedenfalls schaffte ich es erst mal nicht, einzuschlafen, während Jens schon friedlich neben mir schlummerte. Ein Glas warme Milch soll da ja Wunder wirken, deswegen zog ich meinen Morgenmantel über und steuerte wieder die Küche an. Dabei bemerkte ich einen Schatten in der Diele, der gleich darauf „Hi Katy”, sagte. „Hi Stan, schon wieder zurück?” „Ja, die Guys müssen alle morgen arbeiten oder sich um ihre Kinder kümmern. Ich bin langsam ein Relikt, fürchte ich … unverheiratet, keine

Kinder, nicht mal eine Freundin ...” Im aufflammenden Flurlicht sah er in diesem Moment so traurig aus, dass ich ihn einfach in den Arm nehmen musste. „Jetzt sei nicht so traurig deswegen, du bist nun mal viel unterwegs.” Ich löste die Umarmung, drückte ihn ein Stück weg und sah zu ihm hoch, da er ähnlich hochgewachsen war wie sein Vater. „Irgendwann läuft dir schon die Richtige über den Weg.” Stan seufzte und ich spürte die leichte Alkoholfahne, typisch nach einem Kneipenbesuch und wohl auch der Grund dafür, dass er grad so melancholisch drauf war. „Ja, aber was, wenn sie dann nicht frei ist?”, murmelte er und sah mit glasigen Augen auf mich hinunter. „Dann ist sie nicht 'die Richtige', oder?” „Findest du?”, brummelte er und wischte sich

über die Augen. „Na, vielleicht hast du recht”, entschied er dann, bevor ich weiter nachfragen konnte. Anscheinend hatte er sein Herz inzwischen doch schon mal verschenkt, offenbar an eine liierte Dame. „Ich geh jetzt ins Bett. 'Nacht, Catherine.” „'Nacht”, erwiderte ich, etwas verwundert über die korrekte Aussprache meines Namens. Stan schlurfte die Treppe weiter hoch und ich sah, dass unten das Licht noch brannte, sparte mir aber das Schimpfen. Statt dessen ging ich rasch selber runter, dabei bemerkte ich peinlich berührt, dass mein kleiner Berg aus Mantel und Tasche noch immer in der Ecke lag und beschloss, das Chaos schnell zu beseitigen. Dabei fiel mir auch die Post in die Hände und ich schnappte nach Luft. Das Telegramm! Aufgeregt riss ich den Umschlag auf und mir fiel

ein Telegramm entgegen. Das war ja heute so üblich, dass die wie ein Brief daher kamen, weil E-Mail und SMS es an Bedeutung abgelöst hatten und sie meist nur noch als Glückwunschkarten dienten. Dieses aber nicht! „ROLLEN!“, schrie ich aufgeregt und holte dann tief Luft, innerlich grinsend über mich selbst, dass mir das immer noch ab und zu raus rutschte. „Jens!“ Ich wetzte die Treppe hoch, wo Stan den Kopf aus der Tür steckte. „What’s wrong? Warum brüllst du so rum, alles in Ordnung?“ „Ja ja, geh wieder schlafen“, rief ich im Vorbeirennen und musste verstohlen grinsen. Er hatte sich schon den Pulli über den Kopf gezogen und sah nun mit den verstrubbelten Haaren seinem Vater ähnlicher denn je, bzw. seiner jungen Ausgabe, die ich damals kennen gelernt hatte. Das Original bestand ja in letzter

Zeit immer öfter darauf, die Haare nach hinten zu gelen. Ich konnte ja verstehen, dass Jens sich an manchen Tagen nicht danach fühlte, aber so richtig gefallen wollte es mir nicht. Das tat meiner Liebe zu ihm natürlich keinen Abbruch, aber ich freute mich immer, wenn er sich mir zuliebe so stylte, wie ich ihn kennen gelernt hatte. So wie jetzt, aber eher unfreiwillig, denn auch er saß, als ich immer noch rufend eine Etage höher in unser Schlafzimmer stürmte, nun mit verwuschelten Haaren erschrocken auf dem Bett, hatte nach unserem Liebesakt bereits selig geschlummert. „Cat, was ist passiert“, fragte er verschlafen und schlug die Bettdecke von seinem nackten Körper. „Nein, bleib drin, ich komme zu dir“, hielt ich ihn auf. „Keine Panik, es ist nichts akutes!“

„Was? Was ist nicht akut, lässt dich aber hier das ganze Haus aufwecken?“, schmunzelte Jens und legte den Arm zum Wärmen um meine Schulter, zog gleichzeitig die Bettdecke über mich. Ich hatte tatsächlich eine Gänsehaut, wie ich selber grade merkte, aber nicht von der winterlichen Kälte, oh nein, es war ein Schüttelfrost der Aufregung. Aufregung über die Nachricht, die ich gerade überflogen hatte. „Hier“, sprudelte ich hervor, „das ist das Telegramm, das mir einer der Jungs heute Nachmittag in die Hand gedrückt hat, aber das hatte ich zur Seite gelegt und vergessen, weil die beiden Streithähne sich wieder gezofft haben-“  -hier zuckte Jens' Augenbraue mal wieder deutlich zweifelnd in die Höhe, was nicht gerade zu meiner Beruhigung beitrug- , „na ja, jedenfalls hab ich den Brief grade erst

wieder gefunden und deswegen bin ich so aufgeregt, stell dir vor-“ „Shht“, machte mein Mann da, „ich stell mir jetzt erst mal vor, dass du dich ein bisschen beruhigst, meine Kleine!“ Da stellten sich mir natürlich gleich wieder sämtliche Nackenhaare auf! Den Altersunterschied zwischen uns thematisierten wir normalerweise nie, weil er eigentlich kein Thema zwischen uns war. Eigentlich … Denn manchmal brach bei Jens noch dieser Beschützerinstinkt von früher durch und er benahm sich dann wieder so overprotective, dass es mich jedes Mal genau wie früher rasend machte! Wenn ich zum Beispiel auf der Autobahn in meinem schönen Ford Mustang mal die Kuh fliegen ließ, hieß es gleich immer 'Katharina, fahr nicht so schnell!' Dabei brauche ich diesen Ausgleich, bei all der Gemütsruhe und Geduld, die ich in meinem

Beruf immer ausstrahlen muss. Wer schon einmal darauf gelauert hat, dass ein Luchs seinen Hintern eine Minute lang so aus seiner Deckung sehen lässt, dass man ihm einen Betäubungspfeil in die Flanke pusten kann, der weiß, wovon ich rede! Dafür braucht man einen Ausgleich!! Für diesmal beschloss ich aber, es zu ignorieren. „Jens, sie brauchen mich! Das Telegramm ist von Jo, Marieta geht es sehr schlecht ...” „Jo? Marieta? Cat, ich komm nicht ganz mit!”, bremste mein Schatz mich ein und ich musste ihm sogar Recht geben, meine Stimme überschlug sich beinahe. Also holte ich tief Luft. „Jens, das Telegramm ist aus Afrika, von der Harnas Wildlife Foundation. Du erinnerst dich doch, die Farm, wo du mich wieder gefunden hast

…?” Diesmal war es an ihm, zu erschauern. „Wie könnte ich das vergessen … Was ist denn los?” „Jens, die Hölle ist los. Und sie bitten mich dringend, so schnell wie möglich zu ihnen zu kommen!” Für einen Moment schwieg Jens und obwohl ich gerade dabei war, die schlechten Nachrichten zu verdauen, trafen mich seine nächsten Worte noch viel härter, wie ein Schwinger in den Magen: „Aber das kommt überhaupt nicht in Frage!!”

0

Hörbuch

Über den Autor

QueenMaud
Bin Mitte 40, habe in Bonn Theologie studiert, arbeite aber jetzt was ganz anderes :-) Verheiratet ohne Kinder, habe aber trotzdem weniger Zeit zum Schreiben, als ich möchte.

Trotzdem habe ich es geschafft, ein ganzes Buch zu schreiben, DIN A4 doppelseitig bedruckt immerhin 240 Seiten. Und jetzt habe ich den Schritt gewagt und es als reines E-Book auf Amazon veröffentlicht ( http://www.amazon.de/Verrat-und-Vertrauen-ebook/dp/B007OH3DXI/ref=sr_1_1?s=digital-text&ie=UTF8&qid=1332863393&sr=1-1 ), vielleicht interessiert es ja den einen oder anderen ... Eine Leseprobe von "Verrat und Vertrauen" findet ihr auch in meiner Bücherliste.

Ansonsten gebe ich zu, eher einen Hang zum Happy-Ending zu haben, aber auch nicht immer, wie die Leser meines "Klassentreffen" sicher bestätigen können :-)

Leser-Statistik
9

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
QueenMaud 2. Teil hier:
http://www.mystorys.de/b124425-Romane-und-Erzaehlungen-Save-me--Teil-2.htm
Vor langer Zeit - Antworten
LinneaHazel Also erst einmal DANKE!!!! :) Danke, dass du jetzt noch einen Teil geschrieben hast. Das freut mich echt ganz sehr. :)
Eigentlich ist ja sowieso egal, was du schreibst, ich würd's lesen.^^

Das ist natürlich eine schwer verdauliche Nachricht für Jens und man kann davon ausgehen, dass da wohl noch eine längere Diskussion folgen wird...
Ich bin gespannt...:)

Ganz liebe Grüße in deinen Abend.:)
Vor langer Zeit - Antworten
QueenMaud Vielen lieben Dank!! Ich freu mich so, wenn du es liest und ich hoffe sehr, dass es dir auch wirklich gefällt!! Ich glaube aber, das wird es im Großen und Ganzen, ist eine erwachsenere Geschichte.
Freu mich auch schon auf deine Fortsetzung!!
Ganz liebe Grüße
QueenMaud
Vor langer Zeit - Antworten
QueenMaud  Dies ist die Fortsetzung von 'Lebensretter'!

http://www.mystorys.de/b113998-Romane-und-Erzaehlungen-Lebensretter--Die-Gesamtausgabe.htm

LG
QueenMaud
Vor langer Zeit - Antworten
Zeige mehr Kommentare
10
4
0
Senden

124242
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung