Fantasy & Horror
Finster' Essenz - (Kapitel 3 - Debatten)

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"Der Baustein des Lebens verwebt sich mit den Gedanken der Vernunft, des Sinnes und des Gerechten. "
Veröffentlicht am 10. Januar 2015, 40 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

Ich bin 17 Jahre alt & gehe noch zur Schule:) Wie sollte es auch anders sein, so ist mein Lieblingsfach Deutsch. Zu Schreiben begann ich bereits vor einigen Jahren. Erst vor kurzem jedoch packte mich die Idee der "Finster' Essenz", die ich hier nun in mehreren Teilen veröffentlichen werde. Sie ist das Ergebnis meiner Erfahrungen, Leidenschaften, Einflüsse und Entschlossenheit.
Der Baustein des Lebens verwebt sich mit den Gedanken der Vernunft, des Sinnes und des Gerechten.

Finster' Essenz - (Kapitel 3 - Debatten)

Debatten



1



Geschwind war er unterwegs, der Reiter der Schnelligkeit. Blitzern flackerten die Hufen auf dem Gestein und warfen dieses in den Abgrund daneben. "Los, kommt schon!", rief Taanen seinen Genossen zu. Er verstand wahrhaftig nicht, wieso der General ihn auserwählt hatte, wenn er ihn nichts desto trotz zwei Wachen mit schicken würde, die ihn ausbremsen würden. Welchen Wert

trug all die Geschwindigkeit der Welt dann? Drei Tage war es nun her, seitdem der junge Reiter das Heer verlassen musste. Alleine war er nicht, das stimmte. Doch empfand er keine sonderbare Sympathie für seine Mitstreiter. An Abenden der Feuerrast begnügten sie sich heimlich mit geschmuggeltem Wein und lachten lauthals an einem Ort, der ihren Urgroßvätern Jahre zuvor als grausame Kriegsstätte diente. Grimmige, einfältige Geschöpfe, die zufällig als Menschen geboren waren. Taanens Denkweise war womöglich etwas kritisch. Schlechtes wünschte er ihnen jedoch nicht. "Sie erfüllen ihren Zweck",

wären die Worte gewesen, die er der Nachfrage gegeben hätte. Der Regen am zweiten Tage hielt die beiden Verfolgenden von ihrer sonstigen Schnelligkeit noch weiter ab. Im Nebelgeschwür der Nässe verlor Jonas Taanen kurzerhand die Sicht über sie und ließ sein Pferd zu Halt kommen. Ablo hätte es nicht nötig gehabt, doch nutzte er die Pause dennoch. Rieselnd kam die Kälte vom Himmel hinab, versperrte Taanen sämtliche Sicht über den vor schwarzen Tropfen verdeckten Wald. Seelenlüstern schwebten die Aschewolken über seinem Gestirn und schauten ihn mit ihren großen, gewölbten Augen an. "Flannigan, Alison,

wo seid Ihr?", rief er. Seine junge Stimme durchdrang schleppend den Sturm. Der Wind zog ihn empor und zerknickte die Worte mit dem Hagel aus Wärmelosigkeit. Zwischen den hinunterfallenden Ästen eines Baumes glaubte Jonas Taanen sie dann zu erkennen. In einem Augenblick, der von Freiheit ausgezeichnet sein sollte, begann das Schauspiel sich zu vollstrecken. Etwas Unerkennbares schlich aus dem Gebüsch heraus. Taanens Augen erhaschten es als nichts mehr als eine Silhouette. Ein fließendes, gleitendes Etwas, das etwas vollzog. Unter dem Gedonner der Natur ertönte ein halsbrecherischer Schrei. Und der

Regen teilte sich alsbald den Rücken Taanens mit dem Schauer seiner Seele. Die Augen des Jungen blinzelten selbst aufgrund der vielen prasselnden Tropfen in seinem Gesicht nicht. Er konnte sie nicht schließen. Nicht, als er das sah. "Auf", flüsterte Taanen seinem Pferd zu. Ablo, die Worte nicht hörend, bekam sofort die Sporen gegen seinen Körper und raste daraufhin los. Der einsame Ritt tat dem Jungen ausgesprochen gut. Jeglicher Ballast ward abgefallen, wenn auch unter den schlechtesten Umständen. Jonas Taanens Schnelligkeit war ab diesem Zeitpunkt ebenfalls mit seiner Angst zu begründen. Am Abend des dritten Tages überquerte er die

Felder von Nasrem, jene weiten Ebenen, die sich goldgerändert um die Grenzprovinzen zogen. Der Weidenteppich färbte sich in jener Stunde glänzend orange, während die Strahlen der späten Stunde über die Wiesen glitten. Mit Untergang der letzten Strahlen passierte Taanen die Außenposten. Der graue, vor Mauern erstickende Ort begrüßte seinen Bewohner nur kläglich. Jene Soldaten, die sich aus seiner Rückkehr ein Bild zu machen versuchten, wimmerten nur so vor sich hin. "Bist du der Letzte des Heeres?", fragte einer der Wachen. Taanen ritt kopfschüttelnd an ihm vorbei. Er wusste nicht wieso, doch der

Junge lächelte. Der Außenposten wäre ein ekelhafter Ort, dachte Jonas. Selbst in den Gesteinen der Baut ruhten die Verzweiflung und die Hoffnungslosigkeit dieser Männer. Wie eine Pest befiel sie das Bollwerk. Oft glaubte Taanen, die Zerbrechlichkeit dieser Männer konnte jede Verteidigung zunichtemachen. Ihr Wille würde bestimmen, wie stark die Kluft zwischen Sieg und Niederlage sein würde. In Anbetracht dessen, was er hier sah, verlor auch er zweifelsohne ein Stück Hoffnung.



2



"Wo ist Kommandant Fergus?", fragte Taanen einen der Wachen. "Er ritt vor einem Tag nach Ydenbach, einer kleinen Stadt bei-", sagte der gehorsame Wachmann bevor er unterbrochen wurde. "Ydenbach? Vielen Dank, ich weiß wo es liegt", bedankte sich Taanen und gab Ablo wieder die Sporen. Der Weg zu den östlichen Ausgangstoren der Außenposten führte ihn an Waffen- und Ressourcenlagern vorbei. Als er das Tor hinter sich gelassen hatte, ging er auf einem steingepflasterten Weg weiter. Er hatte die reiche Farbenvielfalt in Nirgur seit seiner Abreise vollkommen

vergessen. Blüten funkelten zu dieser Jahreszeit leuchtend aus ihren Knospen. In weiter Ferne sah er den Wald am Berge des Ehnrók, über den er in früheren Jahren bereits wegen einer Königsnachricht reiten musste. Gern erinnerte er sich an diese jungen Jahre seines Lebens. Welch Ironie, dass er selbst an jenem Tage noch als jung angesehen wurde. Trotz der Schönheit der Natur wirkte alles verblasst. Womöglich waren es nur Taanens naive Augen, die das Licht noch zu sehen vermochten, das flehend aus der Graunis herausspickte. Große Teile seines Weges waren zerstört. Bei Anbruch der Nacht erkannte auch er es deutlich. Verlassene,

in Vergangenheit überfallene Karawanen tummelten sich an den Straßenrändern. Oft sah er klebriges Blut auf dem Holz jener Kutschen. Dreimal passierten ihn nächtliche Streifer, die ihn aus ihren Gesichtern rötlich schimmernd anstarrten. Die Wegweisungen waren vergangen, nur noch Relikte einer einst vor Ordnung strotzenden Welt. Sie ist ebenfalls vom Weg abgekommen. Taanen kannte den Pfad nach Ydenbach gut. Als der Mond am höchsten Punkte des Himmels angekommen war, erreichte auch Jonas sein Ziel. Die Stadt war kleinlich beleuchtet, nichts als einige Fackeln an der Häuser Wänden. Dann vernahm er Gesang. Leise schallend über

den stillen Ort. Die Dunkelheit in der Luft trug sie zu seinen Ohren und der Junge verzog fragend sein Gesicht. Er schien sich zu erinnern. "Die große Methalle", mutmaßte er. Trabend ging er voran in Richtung des Saals der großen Feierlichkeiten. Er war der Grund für Ydenbachs Popularität. Einmal im Jahr versammelten sich sämtliche Minister, Politiker, Feldherren, Bürger - allesamt in einem einzigen Spektakel des Trunkes, der Unterhaltung und der, wie Taanen fand, Barbarei. Natürlich nur für jene, deren Taschen mit genügender Weise klimperten. Was Taanen stutzig machte war, dass die Zeit für derartige Festlichkeiten noch gar nicht

angebrochen war. Er ritt weiter in das Häusergestrick hinein und hörte die Stimmen lauter werden. Wie Geister schwirrten sie in seinem Schädel. Ablo wieherte unbehaglich, was für ihn unnatürlich war. Dann sah Taanen das immense Gebäude. Strohfäden überdeckten das Dach und Holzplanken bildeten ihre Stütze. Hell glimmernde Fenster, zehn Stück in der Zahl, türmten sich auf jeder Seite wie waagrechte Erhebungen. Viele Fackeln hangen am Eingang und behelligten Taanens Gesicht. Die junge Haut wurde sichtbar gemacht. Klar und eben, das war sie. Seine spitzen Ohren, für die er als Kind oft gehänselt wurde, stachen besonders

hervor. Kinder sprachen ihn oft als "Sagengeschöpf" an. Es standen zwei Wachen vor dem circa zwei Meter großen Eingang. Taanen beachtete sie nicht weiter und trat hinein in die feierliche Stube. Ein Wall des Dunstes traf ihn noch bevor er hineintrat. Musik drang in seine Ohren und der Geruch feinsten Weines reizte seine Nasenhöhlen. Weiber fummelten geschwätzig unter den Männern. Jeder von ihnen baumelte halb bewusst, halb unbewusst auf den Stühlen und vergnügte sich.



3




"Ritter", sprach Jonas, "Dies sind unsere Soldaten" Ungläubig wirrte sein Blick umher. Die Suche nach dem Kommandanten blieb erfolglos. Taanen kämpfte sich langsam durch die Reihen der Menschen und versuchte den umgeschütteten Getränken, herumliegendem Stroh und ständigen Ansprachen der Trunkenen zu umgehen. Es waren viele Bänke, die er umgehen musste, bis er ihn schließlich sah. Ein fein gekleideter Mann stand auf einer extra angelegten Stelle der Obrigkeit. Auch der Kommandant sah den Burschen

alsbald. Er kam auf den Jungen mit einer diskreten Verwunderung zu. "Ihr seid zurückgekehrt?", fragte er. Taanen konnte seine ungehobelten Gefühle nur schwer verkneifen. Er meinte: "Was in aller Welt geht hier vor sich? Ihr solltet mit diesen Soldaten auf unsere Rückkehr warten!" Blau glühten Jonas' Augen. Die Juwelen des Meeres, die er gerade auf Kommandant Fergus herab rieseln ließ, in Verbindung mit seiner unbändig jungen Stimme, bewirkten eine immer größer werdende Aufmerksamkeit der Umherstehenden. "Wir bekamen die Nachricht einer Invasion in Eskim Rimer. Ich habe die Soldaten hier zu einer letzten Reste gebracht, um die

Stadt morgen in aller Stärke zurückzuerobern.", antwortete Fergus. Die hohen Augenbrauen des Mannes schoben sich leicht in die Höhe, zu Taanen hinuntersehend. Seine Besorgnis glich einem nicht existierenden Gefühl. "Wie könnt Ihr das tun? Irving und seinem Gefolge ist es gelungen. Sie haben das Lager erbaut. Ich sage Euch: weit im Westen ragt es empor, ich selber schlief in jenen Betten. Nun steh ich hier, bereit, mehr Menschen in die sicheren Stätten der Welt zu befördern, und Ihr beginnt einen weiteren Kampf?" Die Feier neigte sich einem Stillstand zu. In einigen Ecken gellten noch leise Stimmen aus der Welt der Trunkenheit

empor, doch auch diese erloschen bald wie Feuer in Gewässer. Die Gesichter der Menschen harrten wortlos auf Taanen. Sie wandten sich. Guckten zu ihren Nachbarn. Der Dreck zwischen ihren Falten begrüßte sich gegenseitig. Gerade, als ein Funken Freude in ihnen auf zu sprießen begann, fragte Kommandant Fergus: "Wo ist der General?" "General Mellenthin, die sieben Kommandanten sowie einhundert Mann gingen den Pfad weiter. Sie gingen weiter auf dem Weg nach Jemrök", überbrachte der Junge. "Also steht das Lager nicht in Jemrök?", stocherte der Hauptmann weiter. "Nein. Wir ritten einige Zeit durch das Land und

mussten Rast machen. Wir können von hier aus weitere Menschen in das Lager schicken, ohne Risiko eines Angriffs zu unterlaufen", teilte Taanen mit. In jenem Moment verschwieg er den Tod seiner beiden Mitreiter. Vielleicht war es aufgrund der Freude jener Nachricht, die er zu überbringen hatte. Die Schönheit der Hoffnung konnte so leicht zerbröckeln. Oder womöglich verbannte es sein Gedächtnis schlicht und ergreifend aus seiner Erinnerung, um die Möglichkeit, die ihnen geboten wurde, zu bewahren. Er schwieg. "Und du hast Irving seit seiner Abreise nicht mehr wieder gesehen?", hakte der Kommandant ein letztes Mal nach.

"Nein, habe ich nicht" "Dann ist die Sache für mich ausgesprochen klar", schlussfolgerte Fergus, "Irving sagte mir noch vor seiner Abreise, wenn er nicht eigenständig zurück käme, solle kein einziger Mensch die Grenzprovinzen mehr verlassen, selbst wenn ich mein Leben dafür einsetzen müsse. Mein Junge, er handelte schnell, wie er es in Zeiten der Not zu tun pflegt. Du sagtest du habest eine Nacht in diesem Lager geschlafen. Einem Lager, das von Kreaturen besiedelt wird, wie jenes das gerade die Hauptstadt Eskiums niedermäht. Du glaubst doch nicht wirklich, dass es noch steht?" Die Menschen horchten dem Kommandanten

zu. Seine Stimme war fesselnd, dennoch ruhig. Nur Taanen verweilte im Dickicht des Löwen. "Ich sage Euch: Der General höchst selbst befahl mir Verstärkungen in den Westen zu schicken. Hört Ihr mir denn nicht zu?", behelligte er den Kommandanten. "Ein einziger Mann ist zurückgekommen. Von einer Mission, die schon immer zum Scheitern verurteilt war. Ich werde nicht riskieren, noch mehr Krieger in den Tod zu schicken. Mehr gibt es nicht zu sagen", meinte er. "Ihr werdet Euch gegen den Willen eures Generals erheben?", bellte Taanen zynisch. Fergus, auf der anderen Seite, gab ihm nur einen kalten Blick. "Die Bevölkerung des Westens war von

Beginn an die Idee eines Träumers, verloren in den Weiten der Unwirklichkeit. Wir sollten lieber um das kämpfen, was seit je her unser ist", erklärte der Feingekleidete, "Wir werden bei Tagesanbruch nach Osten reiten. Ich erwarte dich dort anzutreffen, mein Junge" "Aber was, wenn sie noch am Leben sind?", warf einer der Bürger ein. Einige andere stimmten ein. Der Aufmarsch blieb jedoch klein. Angst und die Sagen einer dämonisierten Welt waren es, die viele der Anwesenden davon abhielten ihre Stimme zu erheben. Das Militär schrumpfte in jenen Zeiten auf ein Minimum zurück. Viele fürchteten davor, selber hinausgeschickt

zu werden. "Ich werde mich nicht noch einmal wiederholen. Es werden keine Leben mehr für Humbug riskiert. Wir werden Eskim Rimer zurückerobern und Nirgur schlussendlich von seiner Pest befreien", verordnete der Mann. Taanen war seit je her in Unbehagen gestürzt worden, näherte sich ihm dieser Mann. Die Präsenz, die er ausstrahlte, zermürbte auf diskreteste Weise sämtliche Worte, welche er zu sprechen vermochte. Leise rieselten seine Augen über eines jeden Haut. Stechend grüne, feurige Pupillen. Viele Zöpfe waren an sein braunes Haar gebunden. Und trotz der schlichten Aufmachung erinnerte es an klatschende Wellen, die das Antlitz

der See zu einem Schauspiel verwandelten. Der Feldherr kehrte dem niederen, schnellsten aller Soldaten seinen Rücken zu. "Hätte dein Bruder dieselbe Entscheidung getroffen?", warf ihm Taanen letztlich hinterher. Schweigend ließ der Befehlshaber seinen Abgang zum Halt kommen. Taanen konnte sich einen kurzen Funken der Schadenfreude nicht verziehen. Die Ernsthaftigkeit seiner Worte wurde ihm allerdings erst jetzt bewusst. Er erkannte in den Gesichtern der Umstehenden viele Begriffe. "Das hättest du nicht sagen sollen", las er aus ihnen heraus. Unsicher wechselte er seinen Blick wieder zu dem Halbblütigen

und versuchte seine Geduld zu bewahren. Der Kommandeur setzte sein Verlassen fort. Als der Junge die Aufmerksamkeit des Feingekleideten noch nicht auf sich gezogen hatte, stand dieser neben Vilag. Sie schienen etwas zu besprechen, auch wenn Taanen nicht wusste, worüber. Der Bursche kannte den Mann nicht persönlich. Es war das erste Mal, dass er diesen sprechen hörte. „Warum tragt ihr nicht einen Kampf aus?“, schlug der schlanke Mann vor. Mengen von Köpfen drehten sich ihm zu, Verblüffung preisgebend. Eine eiserne, einfältige Weise, seinen Charakter zu zeigen. „Es wirkt auf mich ebenfalls fragwürdig, ob diese Mission

derart durchgeführt werden sollte“, lächelte Vilag die beiden an. Kommandant Fergus drehte sich ihm mit den Augen einer bescheidenen Vertraulichkeit zu. „Vielleicht sollten wir nach dem Prinzip der Natur vorgehen“, fügte der Kavalier hinzu. Sein Lächeln wurde zu einem Schmunzeln, was seinen Gesichtszügen nicht wenig Bedeutung verlieh. Einige Mädchen nuschelten grinsend unter ihresgleichen, während sie ihre Augen immer wieder dem stattlichen Mann zuwandten. „Und was hast du dir vorgestellt?“, wollte Michéal Fergus wissen. Seine Stimme befand sich in einem Stadium, das nur den Windhauch

der Unzufriedenheit benötigte, um die Steine kippen zu lassen. Vilag verblieb in abwartendem, grässlich lächelndem Schweigen.



4



Silva schaffte es gerade so, den vier Reitern Schritt zu halten. Seine Kompanien landeten jedoch immer weiter im Hintertreffen. Auch die anderen Kommandanten schienen jenes Phänomen beobachten zu können. Während der Zeit ihrer Ausbildung hatten die Befehlshaber gelernt, wie ein

Reittier zu bändigen ist, um dessen Geschwindigkeit zu maximieren. Silva verstand die Prinzipien jener Lehren jedoch nicht (vermutlich als einziger). Er vertraute auf die Bindung, die er zu seinem Pferd besaß. „Und du erweist mir gute Dienste, Freund“, dachte er während des Ritts. Er hatte erwartet, dass die Jäger bei Anbruch der Nacht eine Rast einlegen würden, doch das taten sie nicht. Die Nacht war nun bereits tief eingebrochen. Der Weg vor ihnen wurde schmaler und unübersichtlicher. Silva fürchtete um seine Division, andererseits durften die vier auf keinen Fall verloren werden. Das Klappern der Hufen erfüllte die Luft

dieser Welt noch eine gefühlte Ewigkeit. Silvas Haar, sein Name nach ihrer außergewöhnlichen Farbe benannt, flogen dauert durch den Wind. Er hatte sie bereits vor ihrer Abreise aus dem letzten Lager zusammenbinden wollen, doch dafür war es nun zu spät. Weiter flatterten sie im Schatten der sumpfigen Landschaft. „Die anderen Kommandanten rufen etwas, ich höre es hinter mir. Doch es ist so unverständlich“, sagte er vor sich hin. Das Aufprallen der Pferdefüße ertönte noch hinter ihm, sodass er schlussfolgerte, es müsse andere Gründe gehabt haben, als die, an die er dachte. „Kommandant Silva“, sprach eine tiefe

Stimme neben ihm. Einer der Männer kam flott nach vorn geritten und bildete so etwas wie die Vorhut des gesamten Heeres. „Rekón?“, erstaunte sich der Kommandant zweiter Division über sein Erscheinen. Als wäre das nicht genug, so lag es ebenfalls an den eigentlichen Worten des breiten Ritters. Rekón war seit je her ein Kerl, der weitestgehend ohne Worte auskam. Seine Verlässlichkeit wäre jedoch unumstritten, so sagte Silva oft. „Seht!“, sagte Rekón. Mit seinen großen Fingern zeigte er geradewegs über Silvas Eisenhelm. Angespannt blickte dieser in die gezeigte Richtung und auch seine Augen weiteten sich. In der Ferne erhob

sich ein schneebefleckter Berg in die Lüfte. Auf diesem manifestierte sich Hoffnung in ihrer pursten Form. Irving erkannte sofort, was er da sah. Die geheiligte Stadt, das Kreuz auf der Karte, die Leben schenken sollte. Drei riesige Türme, die Spitze des Berges überbrückend, sammelten sich auf der östlichen, südlichen und westlichen Seite der Stadt. Jener nördlichen Wand wurde der Schutz des Berges zugeschrieben. Ein Bollwerk, dessen Undurchdringung eine jede Belagerung unmöglich machen musste. „Jemrök“, sagten einige der Soldaten, „Jemrök!“ „Ist es sicher? Werden wir sicher sein?“, fragte ein anderer. Irving forderte

sofortig um Gehorsam. „Spart eure Kraft für den restlichen Ritt!“, rief er. Doch auch Silva packte die Magie der Gänsehaut. Alles was sie getan hatten. All ihre Anstrengungen – sie alle waren vollbracht für diesen einen Moment. Der Anblick war packend. Nicht zuletzt wegen der aufkommenden Gewitterwolke, die bedrohlich schwebend über dem Gemäuer heranwuchs. Nicht wenig später schüttete sie ihre gesamte Last auf die Ritter hinab. Tropfende Flüsse kamen auf ihre Rücken hinunter. Sie, die auf dem Weg sind, ihre Träume wahrhaftig zu machen. „Es ist vollbracht“, wiederholte es sich nochmals in Silvas

Kopf. Die Vier ritten auf einer Kurve in Richtung der Metropole. Bald ließen sie das sumpfige Ödland hinter sich und schritten auf schlichtem Gestein weiter. Links und rechts von ihnen war nichts, außer der Abgrund in die Weltlosigkeit. „Vorsicht“, sagte Irving ruhig. Deucir spähte ehrfürchtig in die Tiefe und verlor seine Balance. Sein Körper kippte rasant in Richtung der dunklen Tiefe. Es wirkte auf ihn fast so, als würde ihn der Regen verzweifelt hinunterdrücken wollen. „Kommandant Eiderad!“, schallte Goraidh über den Pfad. Flüchtig schaffte es der Vize-Kommandant noch, seinen Hauptmann an seinem Kragen zu packen und ihn zurück ins Gleichgewicht

zu bringen. Die Soldaten sahen ihn ungläubig an, auch Deucir schnaufte in dieser Situation nicht wenig. „Das war knapp. Hab Dank, Goraidh“, meinte der Kommandant. Es war selten, dass er seinen Assistenten anlächelte, doch es war davon auszugehen, dass er in jener Situation gar keine andere Wahl hatte. Bald gelangten die vier Jäger an das Tor zur Stadt und öffneten es. Adrin hatte keine Ahnung wie sie es taten. Die Pforte war mindestens 10 Meter hoch. Was es wog, das wagte er gar nicht erst zu schätzen. Vorerst über den wässrigen, dünnen Pfad, auf den sich das kleine Heer quetschte, ging es nun weiter unter die Bögen des Tores. Gold eingefärbt

glänzte es den Rittern aus Nirgur mit entsetzlicher Verblassung entgegen. Vielleicht war es wahres Gold, ein Material so begehrt wie etwas nur sein konnte. Die Knochen jener Wesen, die fernab im Süden auf dem Drakenfriedhof lagen, waren das einzig Vergleichbare, so vermutete man (Relikte jener Art waren als letztes in den frühzeitlichen Äonen, noch vor der Sonnenfinsternis, gesehen worden, sodass niemand genau wusste, wie wertvoll sie wirklich waren). Jemrök entblößte eine verlassene Herrlichkeit, von einem Mysterium wie fasziniert. Schweigend trabten die Ritter den zwei Herren und zwei Damen hinterher, die seit ihrem Ritt

kein Wort mehr gesprochen haben. Der Regen dieser Nacht quoll bedrückend um ihren Leib. „Spürt Ihr es, General Mellenthin?“, fragte Lynhart, „Spürt Ihr die Seelen jener, die einst hier lebten?“ Kommandant Stirnir schaute sich immer wieder die sich auftürmenden Gebäude an. Ihre Fenster trugen eine Schwärze, die seit wer weiß wie vielen Jahren dort harrte. Die Gebrechlichkeit des Ortes erreichte selbst die Luft. Schwer lastete sie auf den Lungen der Ritter, sie zum Hecheln veranlassend wie Hunde. Kalt pochten weiße Wolken vor den Mündern der Atmenden. Giftige Fragmente schwebten über der weit entfernten Spitze des Berges, Lynhart direkt

anlächelnd. Vielleicht war es ein Licht. Womöglich auch nur eine Illusion, die einige der Kommandanten nicht zu deuten wussten. Lynhart meinte: „Die kristallenen Bewohner des Berges. In alten Sagen wurden sie als Schneegleiter bezeichnet. Irdische Geschöpfe, und dennoch von einer Reinheit, wie sie nur Kreaturen der anderen Seite besitzen können“ Deucir blickte zu ihnen mit einer kristallenen Verbundenheit hinauf, den Kristallen ihres Daseins nicht im Ansatz nachstehend. Einsam ertönte eine Glocke, deren Schall weit entfernt klang. Oft echote das Gedonner dieses Rituals auf den Steinen der Bergseite. Töricht schlich sich der Rausch der

gestorbenen Gläubigen durch die Häuser zu den Rittern. Silva bedachte es keiner Aufmerksamkeit, bis er das Gefühl bekam, hinausgetrieben werden zu wollen. „Die Kirche von Jemrök“, sagte Ibarn, der Anführer der Jäger, „Sie läutet ihre unüberhörbaren Glocken seit hunderten von Jahren. Eine schlichte Erinnerung im Nichts dieses Landes“ Silva sah einige der Ritter, wie sie etwas in den Regen hineinflüsterten. Er schätzte, es wären Gebete. Andenken an ihre Familien, an ihre Söhne und Frauen zu Hause. „Und wofür werde ich beten?“, fragte sich der Kommandant in Gedanken, „Was besitze ich, um das es sich noch zu beten lohnt?“ Silva

erinnerte sich an die sonnigen Tage in Eldorad. Er gedachte an die schier endlosen Hügel, die sich grünlich lächelnd aus dem Boden hervorhoben. Wie oft mochten sie in Blüten ertrunken gewesen sein? Lieblich tänzelte ein Junge im Wasser. Das Antlitz des Lichtes flackerte mit jeder Bewegung fein über die fließende Oberfläche. Seine Mutter, sein Vater - sie vermochten ebenfalls dort gewesen zu sein. Alles wurde so herzlich vor sein Auge projiziert. „Kommandant Silva?“, tippte Neslin ihn an, „Scheinbar sind wir angekommen“ Die Vize-Kommandantin wendete ihren Blick wieder nach vorne. Irving brachte

die Männer zum Halt indem er einmal seinen gewinkelten Arm hochhob.

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Taipan
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