Fantasy & Horror
Finster' Essenz - (Kapitel 1 - Wiedergeburt)

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"Der Baustein des Lebens verwebt sich mit den Gedanken der Vernunft, des Sinnes und des Gerechten. "
Veröffentlicht am 10. Januar 2015, 80 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

Ich bin 17 Jahre alt & gehe noch zur Schule:) Wie sollte es auch anders sein, so ist mein Lieblingsfach Deutsch. Zu Schreiben begann ich bereits vor einigen Jahren. Erst vor kurzem jedoch packte mich die Idee der "Finster' Essenz", die ich hier nun in mehreren Teilen veröffentlichen werde. Sie ist das Ergebnis meiner Erfahrungen, Leidenschaften, Einflüsse und Entschlossenheit.
Der Baustein des Lebens verwebt sich mit den Gedanken der Vernunft, des Sinnes und des Gerechten.

Finster' Essenz - (Kapitel 1 - Wiedergeburt)

Widmung

Randbemerkung: Dies ist die Neuveröffentlichung der Geschichte, die ich bereits einmal vor einigen Tagen auf mystorys.de hochgeladen habe. Ich werde sie der Gemütlichkeit des Lesens wegen häppchenweise hochladen, damit sich der Lesende, also Du, sich nicht von den vielen Seiten erdrückt fühlt. Außerdem vergrößere ich die Schrift. Danke an "abschuetze" für den lieben Hinweis.




"Möge sich erfüllen was begonnen

wurde. Mögen sie daran glauben und ihre Leidenschaften verlachen. Denn das was sie Leidenschaft nennen ist in Wahrheit nicht seelische Kraft sondern die Reibung zwischen der Seele und der äußeren Welt. Und vor allem, mögen sie an sich selbst glauben und hilflos werden wie Kinder. Denn Schwäche ist etwas Großes und Stärke gering. Wenn ein Mensch geboren wird ist er schwach und biegsam. Wenn er stirbt ist er fest und hart. Wenn ein Baum jung ist ist er zart und biegsam aber wenn er trocken und starr wird stirbt er. Härte und Stärke sind Gefährten des Todes. Biegsamkeit und Schwäche bekunden die Frische des Seins. Deshalb kann nichts siegen was

verhärtet ist." - Ich danke Helrunar für ihre unnachahmlichen Texte, die mir die Möglichkeit gegeben haben, jene Worte zu finden, die Du im Folgenden lesen wirst. Danke.




Solange jenes Gras den Boden bestückt, der Wind über hüg'liges Feld hinfortrückt, ein Geiste auf ihm zu Verweilen sich gibt, und der Angst das Raunen besiegt. Solle der Märtyrer, seiner Pflicht nicht ergeben, sich aus dem Schwunge fein erheben, dem Schicksal trotzend büßen, dem Kamerads Arme geneigt sein zu Füßen Gedanken, erfüllt vor Schameswut, zwischen ahnungsvoller Kampfesbrut, das Schwert, sich einst verloren gewesen,

an diesem Tage vor Glanze erheben

Wiedergeburt



1



Wachsam beobachtete Silva die sich auftürmenden Bäume, während er seinem General hinterher ritt. Lange durchstreiften die Reiter die Wälder der Fremde. Die Wurzelgeschöpfe, wie sie von Anhängern Kynis‘ genannt wurden, unterschieden sich deutlich von den in Nirgur wachsenden. Große Lebewesen unter dichtem Gerüst. Morsch und fest zugleich. Was sie zusammenhielt war die

schiere Kraft, die in dem Wald herrschte. Jeder Reiter spürte sie deutlich. Blut und Sinnlichkeit wäre ihr untergeordnet, so dachte Silva. Denn was sie in den Körpern der anderen verursachte war erschreckend. „Spürst du es auch?“, fragte Irving nicht nur einmal. Silva würde ein jedes Mal nicken. Der Druck der Weltlichkeit und die Essenz des Lebens. Es ähnelte einem Schlüssel. Seit Geburt an war man in eine Welt hineingeboren worden, die ihre massigen Zementziegel auf des Menschen Rücken stützte. Das Phänomen des Bewusstseins kam nie ohne die Beständigkeit der Beherrschung. Man musste ihr trotzen

oder der Wald verschlang. Anders waren Silvas Gefühle nicht zu beschreiben. Es war nicht die Angst, mehr die Sehnsucht nach Reinheit, die ihn packte. Denn der Schatten des Laubes zermürbte nicht wenig. Ihre Aufgabe folgte keinem Pfad. Die langwierige Einsamkeit verblasste jegliche Menschlichkeit. Zu fragen, ob dies schlecht sei, war nicht von Falschheit durchzogen. Die Stille der Bewunderung trat früh ein. Nichts zu hören als das Pfuschen der Pferde auf dem Gras und der Erde. Tiere begrüßten ihre Neuankömmlinge. Viele davon wie aus den Sagen der Nelháim gekrochen. Unförmige, bezaubernde Geschöpfe. Farben vereinten sich auf ihrem Sein, die

einen jungen, unschuldigen Reiter, der diesen Ritt für seine Ländereien antrat, zu Wahnsinn trieb. Sie waren schleichend, so fremd. Selbst der Wind fegte die Partikel nicht umher, er streichelte vielmehr die Seele des Menschen. Alles war erdrückend. Bei Abenddämmerung erreichte die Karawane eine Lichtung inmitten der Stämme, die ihnen einige Stunden der Ruhe verleihen sollte. Eine kalte Ruhe. Es wurde dunkel, bis die Zelte aufgestellt waren. Eulen und Grillen musizierten für die Reiter wie Barden aus Grün. Silva lief durch die fackelbeleuchteten Wege in Richtung Irvings Zeltes. Schüchtern grüßten ihm

einige Soldaten, dann trat er vor den Vorhang. „Darf ich eintreten, Freund?“, fragte er. Eine stöhnende Stimme erlaubte ihm von innen heraus den Eintritt. Der silbern gekleidete Ritter, einst ein Schutzherr von Vinland, öffnete den Vorhang und betrat den lichternden Raum. Es war angenehm warm. Silva genoss es. „Bist du mit deinem Herumgeschiebe endlich fertig?“, wollte Irving wissen, während er sein Offiziersgewand anzog. „Die Geborgenheit im eigenen Heim ist das Einzige, das einem Mann wahre Freude schenken kann. Es kann nie genug Zeit in den Ort gesteckt werden, an dem man lebt“ „Du hast seit Beginn des

Lageraufbaus nur an deinem eigenen Zelt gewerkelt“, lächelte ihn Irving an. Silva meinte: „Schließlich weiß ja auch nur ich, wie ich mein zu Hause eingerichtet haben möchte“ Irving drehte sich kurz von ihm weg und sprach: „Wenn wir doch nur wirklich zu Hause wären“ Wie durch ein Katapult beförderte dieser Satz Silva zurück in die Realität. Es war eine bittere Kost, der Gaumen fürchtete vor ihr. Der Hahn briet und überlebte, den Innenraum verschlingend. Irving lief auf den Tisch neben seinem Gemach zu und blickte auf ein ausgerolltes Papierstück. Es war zerkrümelt. Die Ecken von Bräune durchtränkt oder vollständig fehlend.

Silva trat näher und fragte: „Wie weit sind wir gekommen?“ Seine Augen suchten nach einer eigenen Antwort, doch das komplexe Gestrick aus Ebenen und vermeintlich echten Namen nahm Silva früh seine Konzentration. „Schwer zu sagen. Wir sahen seit Aufbruch nicht viel mehr als diese ständigen Wälder. Der einzige Ort, den wir seit Abmarsch deuten können ist die Statue von Nedri-Hoen, die wir vor zwei Tagen hinter uns gelassen haben“ Irving fuhr mit seinem Zeigefinger deutend über das vergilbte Papier. Silva konnte den Zeichnungen und Pfaden in das Unbekannte nicht derart widerstehen wie Irving. „Wenn mich meine Sinne nicht

trüben sind wir nun sechs Tagesmärsche von unserem Ziel entfernt“, meinte Irving. Seine Hand lag auf einem Weg, dessen Bezeichnung in ur-pergamischer Schrift niedergeschrieben war. Silva musste sich weit an seine Schulungen zurückerinnern, um sie korrekt entziffern zu können. „Rekuabrév, der Weg des endenden Tages“, murmelte der silberhaarige Schutzherr. Er betrachtete die Zeichnungen, die von diesem Pfad über ein Gewirr aus eiförmigen Rundungen verliefen. Unter bergischen Deutungen und verdornten Wesensmalungen stach an dessen Ende ein großes rotes Kreuz heraus. Das Rot dieses Kreuzes passte nicht zu der

tausendjährigen Erfahrung der Karte. Die Farbe glich weißem Pergament unter tiefster Asche. Unter diesem farblichen Dilemma stand in kleinen Worten „Jemrök“ geschrieben. „Jem“ für das Wort des Mondes und “rök“ als Begriff des Scheusals.



2



Andrós spannte seinen Bogen und zielte sicher, ruhig, auf die Vase am anderen Ende des Raumes. Langsam zog er die Sehne wieder in ihre Ausgangslage. Knisterndes Feuer erhellte seine Ohren.

Sie waren ermüdet. Der stickende Druck dieser Wälder peinigte die Soldaten auf diskreteste Weise. Ein herber Tee, der sanft über eines Gaumen streichelte. Ein Atem aus Rott lag in der Luft. Er hauchte nur leicht und grüßte die Haut der Wanderer. Ein verlogener und bitterer Gruß. Es schmerzte der stete Schritt, derb. Andrós trat aus seinem Zelt hinaus und betrachtete Rekon, der wachsam am Rande des Lagers stand. Die Brücke der Natur endete hier und wich dem Tunnel der Wurzeln. Andrós spürte den kalten Wind, der durch die Zweige in sein Gesicht gehaucht wurde. „Dieser Wald sah lange keine Freudentage mehr“, sagte Rekon. „Die

lange Finsternis der alten Zeit. Ihre Spuren verbergen sich in jedem Strauch dieses Ortes. Fürchterlich“ Sein Murmeln wurde von einem kleineren Mann gestört: „Woran siehst du das?“ Rekon antwortete nicht. Der junge Mitstreiter lief zu Andrós und wandte seinen Blick zu dem Wald vor Rekon. „Komm Adrin, lass uns ein Weilchen laufen“, sagte Andrós. Während sie spazierten merkte der Junge erst, welches Ausmaß die Reiter in Wahrheit annahmen. Adrin stoß erst in den Außenposten zu ihnen hinzu, sodass er sie nie auf dem heiligen Feld von Eskium vereint sah. Als er nun die hunderten von Zelte um sich hatte, die

aufgereiht auf der Lichtung standen, packte ihn keine leichte Gänsehaut. „Es ist wundervoll“, sagte er. Er konnte es sich nicht verkneifen. „Was?“, fragte Andrós. „Das Gefühl der Vereinigung. Der Anblick all dieser Männer, die für diese eine Sache zusammen gekommen sind“ Adrin betrachtete einige Soldaten, die still auf einem großen Felsstück saßen und tranken. Andrós entgegnete: „Nur in dunklen Zeiten werden strahlende Persönlichkeiten geboren. Die Frage ist, für welchen Preis es passiert“ Die beiden liefen einige Zeit durch das Lager. Der Mond stand an diesem Abend hoch am Horizont. Das weiße Licht, ein Schleier, der die Augen

heilen konnte. Adrin sagte: „Diese Wälder tragen eine fremde Macht. Sie spitzt unaufhörlich meine Ohren als würde sie mir etwas zuflüstern wollen“ Andrós hörte zu. Aufmerksamkeit wäre nicht die kleinste Eigenschaft, die diesen Mann auszeichnete, so dachten seine Untergeordneten. „Weißt du, meine einzigen Erinnerungen liegen seit Geburt an bei meiner Heimat. Ich roch seit Anbeginn der Zeit nur die Gräser und Blüten des Ritals. Als ich die Möglichkeit bekam den Reitern bei ihrer Reise bei zu wohnen, spürte ich Furcht in meinem Herzen. Ich lehnte die Veränderung mit allem ab, was ich besaß. Doch jetzt, wo ich die Welt vor

mir habe, die mir seit je her verborgen blieb, spüre ich eine seltsame Sensation innerhalb meiner Träume. Die plötzliche Weite meines Ausblickes, die Faszination für diesen Ort und die vielen unterschiedlichen Menschen, mit denen ich reise… Alles schenkt mir unerwartete Freude“ Eine schöne Romantik entflog seinen Worten. Andrós fand diese Art von Frische im Geiste eines Menschen wunderbar. Allerdings sagte er darauf: „Du bist vermutlich der einzige Mann auf dieser Lichtung, der diese Gefühle hegt“ Sein elterliches Lächeln zwang Adrin ein Schmunzeln auf, dann sagte dieser: „Warum wurden die Außenposten überhaupt errichtet?“

Die beiden kamen einem Vorsprung nahe, der des Waldes Ende signalisierte. Nach einigen Schritten standen die beiden an der Kante der Felsen. Der Anschein aus Blau zementierte sich im Mondschein zu Reinheit. Sprießen winkten von unten zu den Männern hinauf und sanken kurz darauf wie Meerjungfrauen im Gewässer. Der Rhythmus aus Wogen floss immer wieder gegen das Gestein. Alles, um hinfort gerissen zu werden. Wellen, der Zärtlichkeit einer Frau gleichgesinnt und dennoch aus purster Beständigkeit. Das sanfte Wasser aus der Tiefe gab einen Vorgeschmack auf die endlose Weite vor ihnen. „Sag mir Andrós: Wer

würde dieser Schönheit trotzen?“ Auch Andrós wurde ein Gefangener der weiten Einsamkeit. Nur leise flüsterte er die Worte: „Der limbische Ozean“ Das Plätschern der See schrie gnadenlos. Die Verbindung des Mondlichts mit dem Innern des Wassers erschuf unwillkürlich Formen. Vollkommene Unterwürfigkeit. Emotionen, die sich endlos dehnten. Alles über weichem Sand, den die Äonen der Zeit hervorbrachten. „Nach der Sage von Aloisus die Heimat des letzten Ctulhu, dem König des Meeres“, sprach Andrós. Er wusste nicht, ob er dem Jüngling diesen kurzen Funken der Brillanz überlassen sollte. Der Schatten hinter

den Gefilden des Sonnenscheins war gefährlich. Der Schütze spürte, welchen Verlust die Wahrheit anrichten würde. Doch im Angesicht des Teufels sollte nicht gesündigt werden. Der Junge würde vor Unvorbereitung den Tod finden. Andrós schauderte im Gedanken an diese Schuld. „Diese Schönheit ist nur das, was uns das Biest zu sehen erlaubt“, meinte er. Ein scharfer Wind kam von dem Meere hervor und ließ Andrós‘ dickes Haar wirbeln. Adrins kurzhaarige Frisur blieb wie sie war. Der hohe Steilhang hätte die beiden aus dem Gleichgewicht bringen müssen, doch kein Wind trug sie so weit wie die Sehnsucht nach der Ferne. „Menschen

lebten einst in diesen Ländern. Und sie verehrten die Herrlichkeit der Natur wie Götter. Doch die Zeit war ihrer Ehre überschüssig. Und bald unterlag Peragram der Schwärze, die sie nie mehr los lassen würde“ Adrin meldete sich zu Wort: „Die große Sonnenfinsternis“ Andrós nickte. Es war lange her, seitdem er diese Worte aus dem Munde eines Menschen hörte. „Meine Mutter erzählte mir oft von den Geschichten aus den alten Zeiten. Von einer Welt, die ins Chaos gestürzt wurde. Von dem Grund, wieso wir die Grenzen überhaupt errichteten“, sagte der Junge. „Doch nun sind wir hier und alles, was ich sehe, ist erhabener Frieden und Harmonie in all

ihrer Fülle. War es alles eine Lüge?“ Verschwommen waren sie, die Worte des Burschen. Unter dem nachtdurchtränkten Antlitz des Meeres versickerten sie wie Anker. Das Schiff der Wahrheit war gekentert, wahrhaftig. Und Andrós suchte nach Halt in diesem Nebel aus Ahnungslosigkeit. „Die Lüge liegt vor deinen Augen verborgen“, sprach der Mann zu dem Jungen. Sie würden sich bald öffnen. Hinter dem Schein des Erhabenen würden sie die Realität erkennen lassen. Andrós entschied, dem Jungen bis zu diesem Tage seinen Frieden zu schenken. Die Nacht war ein Feind in diesen Gegenden. Andrós wusste das. „Lass uns zurück ins Lager

gehen“, schlug er vor.



3



Während die Nacht tiefer wurde, erreichten zwei Hauptmänner Irvings Zelt. Sie trugen die Banner des ersten und zweiten Heeres: die ferne Sonne und den Fang des Wolfes. Ihre Mienen waren grimmig, zumindest die des Bannerträgers des Wolfes. Hauptmann Chrimbert Mendren schien die Strahlen des heutigen Mondes besser aufgenommen zu haben, als Deucir es tat. „Ah, Chrimbert“, sagte Irving. „Sind

nun alle Zelte versorgt?“ Chrimbert nickte. „Es dauerte länger als ich eingeplant hatte, doch diese Lichtung ist nun bereit als Basislager für weitere Operationen eingesetzt zu werden.“ Silva fügte sich in das Gespräch mit ein: „Es war eine gute Idee das Lager stehend zu lassen. Die Last der vielen Wägen, die von den Pferden geschoben werden mussten, kreierte einen immensen Zeitverlust. Mit dem Lager feststehend besitzen wir endlich die Leichtheit für schnellere Reisen.“ Chrimbert meldete sich wieder zu Wort: „Allerdings werden nicht wenige Männer hier bleiben müssen, um das Lager zu erhalten. Unsere weiterziehbare

Streitkraft wird schrumpfen“ Irving dachte an den Weg, den sie bis hierhin bereits zurückgelegt hatten. Ihnen kam auf diesem nicht eine einzige Gefahr in den Weg. Vielleicht war es die Hoffnung in seinen Gedanken, die ihn das existierende Wagnis vergessen ließ. Er brachte sie nicht zur Sprache. „Lasst einige Männer zurückreiten“, schlug Chrimbert vor. „Sie sollen Nachricht von unserem bis jetzt von Erfolg gekrönten Pfad bringen. Es sollen Verstärkungen losziehen und in diesem Lager verweilen“ Die anderen Hauptmänner nickten. Chrimbert schätzte jeder von ihnen hatte dieselbe Idee gehabt. „Ich sah den Wald in der

Ferne verenden“, sagte Deucir. Unbehagen machte sich in den Worten des Wolfbanners bemerkbar. „Das Grün wich einem undeutlichen Grau. Das Mondlicht umging das Laub jenes Waldes“ „Wir werden bei Anbruch der Mittagssonne wieder aufbrechen, egal was vor uns liegt“, kündigte Irving an. „Natürlich“; grummelte Deucir. Der Wolf im Mondschein endete kurz danach seinen Besuch. Einige Kerzen haschten sanft vor und zurück, als die beiden den Zeltvorhang öffneten. Die Nacht war zu Schwärze geworden, der nicht getrotzt werden sollte. „Es ist ein Glück von unvorstellbarer Größe die Karte von Reah wiedererlangt zu haben. Das

Schicksal Nirgurs… Nein. Das Schicksal aller Menschen weilt in diesen Zeichnungen“, meinte Chrimbert. „Deucir, lass uns unsere Reste finden und unsere Reise so schnell wie möglich fortsetzen“ Der Feldherr stimmte ihm zu. Auch Silva trat nun den Weg zu seinem Zelt an. Als er Irvings Gemach verlassen wollte sah er noch ein letztes Mal zu der alten Karte auf dem Tisch. „Unsere letzte Hoffnung“, sprach er. Dann verschwand seine Silhouette in der Nacht. Irving überdauerte die restliche Nacht in Gedanken. Seine Aufgabe als leitender Hauptmann war es, diese Männer sicher durch das Unbekannte zu führen. Es war ein Versprechen an den

König. Nicht als Untergebener oder Befehlshaber. Sondern als Freund. Jeder Ausritt fühlte sich schwer für ihn an. Der merkwürdige Druck in der Luft war nur ein Teil dieses Gewichts. Der Hauptmann fühlte seit dem Verlassen der Grenzprovinzen ein mulmiges Gefühl in seinen Adern. Jeder Schatten erinnerte an einen Dämon. Das natürlichste Huschen forderte ein ziehendes Schwert. So denn ein Meister des Schwertes er war. Irving lehnte sich über die bestäubte Karte und fuhr sorgfältig mit einem Finger über das rote Kreuz. Der Weg nach Jemrök war noch nicht geschafft. Bald würde das Grün zur Neige gehen, so wie es Deucir

erwähnte. Irving fürchtete vor diesem Moment. Er fürchtete aus jeder Pore in seinem Körper.



4




Es war Jonas Taanen, der den langen Weg zurück nach Nirgur antreten musste. Der Morgen begann ruhig. Für jeden, außer Taanen. Er war kein Hauptmann. Unterordnung war sine Pflicht. Doch als er an die Momente der Verlassenheit dachte, die er auf dem Weg hierher verspürte, verließ ihn auch

sein Pflichtgefühl sehr bald. „Warum ich?“, fragte er Irving von Mellenthin. Ständig wiederholte er diese Frage. Es war merkwürdig. In Nirgur wäre diese Form von Resistenz bestraft worden. Doch wie sollte ein Mann bestraft werden, dessen Angst jegliches Sinnbild zerstörte? Ein Wurm, der ihn von innen heraus auffraß, noch bevor er gepflanzt war. „Ihr seid von sämtlichen Reitern des Heers der Schnellste. Geht nun. Es warten einige Begleiter an der Ostseite des Lagers auf Euch“, sagte Irving. Der ungläubige Blick Taanens wurde bald zu Zuversicht, den Marsch antreten zu müssen. Gebrochen stieg er auf sein Pferd und gab dem Tier mit den letzten

Kraftreserven seines Körpers die Sporen. Einige Soldaten sprachen leise die Worte: „Überbringe unsere Botschaft, Kamerad“ oder „Für Kynis“ Doch Taanens Augen leerten sich wie Fruchtkörbe am Tag des Winteranbruchs. Derweilen wandte sich Irving wieder den hier bleibenden Kriegern zu: „Ich möchte zur zwölften Stunde einhundert Mann bereit für den Abritt. Nehmt Proviant für eine Woche mit und lasst alles fürs Überleben unwichtige hier. Wir werden zurückkehren!“ Als er werden sagte, betonte der oberste Hauptmann es mit einer Intensität, die selbst die misstrauischeren Ritter überzeugte. Die Moral der Männer stieg.

Als die an diesem Tag hellstrahlende Sonne ihren Zenit erreichte, sammelten sich westlich des Lagers die Truppen der sieben Hauptmänner. Silva und Irving ritten an der Spitze, während Chrimbert, Deucir, Andrós und die drei anderen Befehlshaber die Nachfolge bildeten. „Eine bescheidene Verabschiedung war das“, sagte Silva. „Nichts als ein letzter Blick auf die Männer, die wir womöglich nie wieder sehen könnten“ Irving beachtete die Bemerkung nicht und blieb ruhig auf seinem Pferd sitzen. Silva gab seinen Taschen einen prüfenden Blick. Als er das vergilbte Papier sah konnte er sich wieder auf den Weg konzentrieren. Vor ihnen lag eine

Senkung, die tief neben den Ufern des limbischen Ozeans endete. Doch ihr Gehweg mündete in einem farblosen Dickicht. Die Pflanzen strotzten vor Leblosigkeit. Eine Oase des Verdachts breitete sich an diesem Ort aus. Unwohl klammerten sich die Zweige jenes Waldes an den Boden. Sie standen geradezu auf der Schwelle zu dem Loch der Kontrastlosigkeit. Denn Kontraste waren ihre Nahrung. Das Licht der Sonne erschuf sie, die Pflanzen zeigten deren Pracht. Stolz suchte man jedoch fehl am Platze. „Hab Achtung, Silva“, nuschelte Irving, als sie über die ersten Wurzeln der Bäume trabten. „Die Stunde rückt näher. Wir betreten nun die Heimat

des Todes“ Der Pfad zwischen den Büschen verwischte mit Zeit. Es wurde schwer für die Hauptmänner, ihre Truppen beisammen zu halten. Oft riefen sie: „Behaltet euren Nebenmann zu jeder Sekunde im Auge. Wenn er schwindet, schreit als ginge es um euer eigen Leben!“ Einige Male taten die Ritter wie geheißen. Innerhalb von zwei Tagen verloren sie sechs Männer im Grau des Waldes. Niemand konnte erklären, wie es dazu kam. Ihrem Schicksal überlassend gaben sie die Suche nach vielen Stunden auf. Tränen flossen für das Angesicht ihrer Freunde. Schreiend rannten die Abgeschiedenen durch das Dickicht, die Augen zwischen den

Zweigen auf sie ziehend. Spätestens bei Nacht erloschen die Stimmen wie Feuer unter des Meeres Wellen. Das Wasser klatschte hart gegen das Gestein und hinterließ Splitter. Zerberstend sollten die Seelen der Unschuld nie mehr wiedergefunden werden. Silva schaffte es seine Kompanie sicher durch das Gebüsch zu führen. Das Banner der gelben Vollblüte war erhalten worden. Die anderen Hauptmänner lebten in solchen Momenten von Verlust. Es war der Druck und die Schwere der Welt, die ihre Sinne zerstörte. Nach drei Tagen begann es. Ein immer stärker werdendes Poltern. Die Blätter tanzten. Untiere huschten. Es waren die Pferde, die es

noch vor ihren Reitern spürten. Im Süden tat sich ein Sturm auf. Er zeigte sich nicht. Das Gesicht verdeckt, von Blüten und Scham. Keinem Reiter entging es. „Was glaubst du hat das zu bedeuten?“, fragte Andrós den Träger des Wolfbanners. Deucir konnte lediglich seine Schultern zucken. Mit jedem Augenblick wuchs der Titan im Süden. Sie waren nicht weit vom Meer entfernt, deswegen glaubte Silva es wäre nur der Wechsel der Gezeitenstürme. „Sei kein Narr. Wir bekamen noch nicht einmal den elften Vollmond dieses Jahres zu sehen“, meinte Chrimbert. Dann, auf einmal, sahen die Ritter und Reiter aus fern eine Silhouette im

Horizont aufsteigen. Nur die hohen Wipfel der Bäume verdeckten dessen Schein. Doch es war so klar, wie es klarer nicht sein konnte. Etwas entstieg dem endlosen Gewässer. Gewieher hallte durch die tiefliegenden Zweige. Unruhe wich Wahn. Sofort gab Irving seinem Pferd die Sporen. Mit einem Mal sauste der Oberst in die Richtung des Dinges. „Folgt mir!“, befiel Andrós, während er seinem Herren hinterher ritt. „Sofort!“ Der Boden brummte unter dem Wettrennen aus Getier. Die Rüstungen aus Silber klapperten ihr übliches Schauspiel. Kein Barde besaß ein Kriegslied näher an der Wahrheit, als der Schall der Waffen. Adrin folgte den

Männern vor ihm und erkannte bald, wie sich der Wald auflöste. Dann stand er auf einem Ufer. Die Weitläufigkeit des Sandes war erstaunlich. Doch je mehr der Ritter des Ozeans Gebein erreichten, desto mehr Augen wurden Sklaven des Erstaunens. Irving floss ein riesiger Schweißtropfen die Stirn hinunter. Nichts hätte ihn auf das vorbereiten können, was er sah.



5



Jeder Gedanke wurde im Zentrum der Existenz verloren. Vernunft versuchte die

Leine der Weltlichkeit zu behalten, doch rutschte es aus einer Hand, die von Nässe nur so durchzogen war. Es war das erste Mal, dass Irving alles in Frage stellte, was er war. Das Fundament aus Sein und Bleiben zerbrach wie Glas auf Stein. Die Splitter verteilten sich im Sand und gruben sich tiefer. Die Angst vor dem Untier war zu groß. Viele der Ritter schrien. Nicht um ihr Leben, nicht vor Schreck. Sondern Faszination. Das Wesen im Wasser stach hoch in den Himmel empor. Sein Körper schwankte. Die Tropfen dieser Welt rieselten sanft dessen Gliedmaßen hinunter. Echtheit auf der Oberfläche der Unnatürlichkeit. Mit einem Ruf beschwor es Angehörige

des Nebels. Schritten sie aus dem Wasser heraus? Oder waren ihre Beine nur Illusionen des Einen? Irving wusste es nicht. Was er sah, was er fühlte. Alles verschwand. Nur eines blieb zurück. Und das war der Wille zu überleben. „Zieht eure Schwerter!“, rief er. Die Küste wurde bewandert. Sie reiste hinfort unter den Schlappen der Fischartigkeit. Schleim und Schlieren verbanden sich zu Fäden. Glubschend kamen sie. Die Reiter stiegen von ihren Pferden und reihten sich auf. Niemand wusste, warum. Es war, was sie gelernt hatten. Ihr Grund an diesem Tage und diesem Orte zu stehen. Ob es überhaupt einen anderen Sinn für sie gab, das stand

in den Sternen geschrieben. Irving fokussierte sich. Alles wurde egal. Seine Augen fixierten sich nur noch auf das Ungetüm im Himmel. Verpestete Soßen flossen in das Wasser dieser Welt. Krankheiten, die bis heute ungeheilt bleiben würden. Nicht einmal Kynis wäre es gelungen, sie zu beseitigen. Silva sammelte seine Kraft und zog sein Schwert. Einhundert Männer, der Verwirrung unterworfen. Es war Zeit für den Kampf. Mit einem Mal stieß Adrin nach vorn und gab einen wilden Schrei preis. Als schmerzte dieser in den Herzen der anderen, so begannen auch sie ihren Feldzug. Immer mehr von ihnen kamen aus dem Wasser. Mit ihren

stöhnenden Schritten begrüßten sie die Menschen. Das flossenartige Gewächs wankte hin und her. Die Münder des Ekels führten unabdinglich Gespräch. Irving holte aus, legte seine Kraft in diesen einen Hieb und zertrennte eines dieser Köpfe von ihrem Meister. Ein meisterlicher Angriff. Chrimbert blickte ungläubig drein. Andrós gab ihm einen heftigen Stoß, dann rannte auch er auf den Strand. Während der eine konzentrierte Schnitte vollzog, träumte der andere im Anblick der Front wie ein Narr. Die Wesen hoppelten gezielt auf sie zu und kosteten an ihnen. Immer mehr von den Silbermännern verendeten. Irving folgte dem Abbild seines Vaters

und schwang sein Schwert. Schlicht fiel ein Schleimbatzen nach dem anderen. Wie in Trance zerschnitt er die dünne Haut. Das Geschrei des Todes und der Angst hallte auf dem Gestade wider. Das Heer überfiel die Untiere aus dem Wasser wie Abgesandte des Teufels. Wenige Geräusche gaben sie von sich, die Merkwürdigen. Nur der Eine brummte ständig. Seine Größe war selbst in Anbetracht des Kampfes noch erkennbar. Aus dem Augenwinkel des Mordes behelligte er die Ritter seiner Form. Immens und widerlich, so hätte Silva es beschrieben. Nur Deucir verweilte. Neben den Bäumen aus Grau hielt er seinen Atem. Das Licht in seinen

Augen wurde zu Feuchtigkeit. Deucir versank im Moment. „Haltet sie zurück!“, brüllte Irving. Seine Stimme, geschwächt von den Gräueltaten des Augenblicks. Er betrachtete eines der Geschöpfe, das einem Mann saugend das Bein amputierte. Es wirkte so fremd. Nachdenklos rannte er auf es zu und erlöste den quengelnden Mann von seinem Peiniger. Irving schaute auf das sprießende Blut und schauderte. Als er die Augen des jungen Mannes erblickte, umgriff er sein Schwert. Er hob es in die Höhe und rammte es in das Herz des Verwundeten. Chrimbert begann sein Ritual. Einige der Untiere watschelten auf ihn zu. Leise sprach er die Worte von

Noreg. Die Elite der Blutenden war bekannt für ihre Beschwörungstechniken. Es war nun die Zeit, in der der Hauptmann seine Qualitäten zeigen musste. „Geboren aus Asche, geformt aus Flamme, genährt aus dem Feuer; Werde Teil von mir, Inferno aus Wärme... Siehe, wohin ich geziele“, betete er vor sich hin. Zischend wurde ein Funken in seiner Hand entfacht. Das Rot war gebändigt und bereit. Chrimbert weitete sein Geflecht und öffnete den Ball aus Feuer in der Wesen Richtung. Die Brutalität überwog der Kraft ihrer Schuppen. Der Brand schluckte sie wie ein Molloch. Andrós hielt seine Stellung und spannte seinen Bogen. Geradlinig

flogen seine Pfeile durch die Luft. Sie rissen entzwei, was immer sie berührten. Schleimige Haut, kalte Luft, befreite Angst. Das Aufeinanderfolgen des Spannens wurde immer flüssiger. Andrós‘ Hände waren still und fleißig. Doch der Köcher leerte sich schneller als er erwartete. Das zeigte er seinem Vorgesetzten sehr deutlich. Irving blickte um sich und erkannte die immer mehr werdenden Fischköpfe, die das Heer umgaben. Erst in diesem Moment dachte der Oberst an den Fehler, die anderen 500 Mann im Lager gelassen zu haben. Oder war es ihr Glück? Es gab keinen Ausweg. Zumindest, bis der Eine einen ohrenbetäubenden Schrei von sich

ließ. Die Kleinen wurden still. Kein Ritter bewegte einen Muskel. Ruhe kehrte ein, auf diesem Strand des Wahnsinns. Die Schlacht um ihr Überleben verwandelte sich in eine Stunde aus Nichts. Irving wandte und drehte sich, denn ihm war unklar was passiert war. Dann fasste sein Blick die Augen des Einen, des Großen. Das Geschöpf im Gewässer trug einen seltsamen Blick. Es schaute direkt auf das Ufer. Direkt auf einen Mann. Als Irving den Pfad seins Blickes zu verstehen versuchte, sah er nur Deucir, der gelähmt auf dem Waldhügel stand. Das Wesen in der Höhe, das quellend auf die Erdoberfläche gekommen war, um

eine lebende Hölle zu beschwören, trat grinsend den Rückzug an. Die Stille wich dem Geplätscher der Flucht. Die Fischgeschöpfe verschwanden unter den Wellen. Alles, was sie zurückließen, war ein Zittern. Als die Ritter um sich sahen fielen viele auf ihre Knie. Der Strand schwamm in Blut. Das Rot Chrimberts‘ Feuers kam nicht an den Terror dieser Farbe heran. Und während Deucir im Wald verschwand, kümmerten sich die restlichen Hauptmänner nun um ihre Männer. Ihnen wurde das Trauma nicht gegönnt. Vielleicht wäre es die einzige Möglichkeit gewesen, bei Sinnen zu bleiben. Doch sie trugen die Aufgabe des Zusammenhalts. Für ihn, für den

König. „Was in aller Welt war gerade passiert?“, fragte Silva. Er redete wie von fern. Nicht wenige waren in diesem Moment wackelig auf ihren Beinen. Silva erlebte nicht zum ersten Mal einen kriegerischen Kampf aus vorderster Front. Doch womit war dieser schon zu vergleichen? Es gab keinen. Man sah es in den Gesichtern der Ritter, die nur noch schluchzend ihre Pferde suchten. Und das, obwohl diese offensichtlich auf dem Hügel zum Wald standen. Irving überlegte. Er suchte Worte der Beruhigung. Doch war sein eigenes Herz schon der Aufregung verkauft. Sie mussten alle wieder zur Besinnung kommen. Es dauerte eine Zeit, dann

liefen sie alle die kleine Steigung zu dem Wald aus Grau hinauf. Niemand von ihnen wollte auf dem Flussufer bleiben. „Lasst die Toten zurück“, befahl Andrós den Männern. Keiner widersprach. Der Bogenschütze sah Rekon, wie er versuchte einem Freund auf die Beine zu helfen. Mit dem Kumpanen auf seiner rechten Schulter ging Rekon den Hügel hinauf zu seinem Pferd. Der Hauptmann schätzte diese Eigenschaft an ihm schon immer. Rekon war ein kräftig gebauter Kerl. Doch seine Menschlichkeit war seine größte Stärke. Sämtliche Krieger stiegen auf ihre Reittiere und folgten dem Pfad zurück in den Wald. Die Sonne neigte sich langsam dem Erdboden zu.

Doch niemand dachte daran Halt zu machen. Sie schritten weiter in das Dickicht hinein, um dem Gewässer zu entfliehen. Nur Deucir hielt hinter den Bäumen inne. Die Bilder in seinem Kopf verwässerten nicht einen Moment. Sie kratzten und rissen und spuckten. Haarsträubend zuckte er in Gedanken an die Szenerie des Leids. Schwäche war so leicht zu überkommen. Sie war so bemitleidenswert. Nicht mehr lange war die Zeit seiner Schmerzen, da stieß er wieder zur Karawane hinzu. Er glaubte nicht, irgendwer bemerkte seine Abwesenheit. Der Stachel saß für anderweitige Erkenntnisse noch zu tief. Doch was wusste Deucir schon. Zwischen

dem Gemisch aus Emotionen in seinem Kopf war kaum Platz für menschliche Einschätzungen. „Es muss ein Traum gewesen sein“, sagte Lynhart während des Reitens. „Ein Bote der Göttin der Illusion, die uns aufgrund unserer Taten in Reue baden lassen will“ „Ein Traum besitzt nicht die Kraft Menschen zu töten“, sprach Irving. Er wusste Lynhart besäße ein Gegenargument für diese Äußerung. Erstaunlicherweise widersprach der Bannerträger des Nebels jedoch nicht. Irving bereute seine Worte allerdings. Vielleicht wäre es besser gewesen die Männer in einer Lüge leben zu lassen, als sie die Barschheit dieser Welt spüren zu

lassen. Adrin zitterte noch immer. Er blickte zu Kommandant Andrós und dachte an den Abend, an dem die beiden auf dem Vorsprung zum Meere gestanden waren. "Die Lüge liegt vor deinen Augen verborgen", flüsterte der junge Ritter. Es waren die Worte, die Andrós an jenem Tag sprach. Adrin begann zu verstehen, dass es tatsächlich einen Grund gab, wieso Menschen diese Länder seit je her verlassen hatten. Er hatte an den Worten seines Oberst gezweifelt. "Ich bin so ein Idiot", sagte er leise vor sich hin. „Wie viele haben wir verloren?“, fragte der

General-Hauptmann. Vorerst bekam er keine Antwort. Einige der Offiziere suchten offensichtlich Rat bei ihren Stellvertretern. Silva wandte sich an Neslin, die daraufhin etwas zu sagen schien. „Sechsundzwanzig“, hörte man sagen. Irving schloss seine Augen und blieb still.



6



Es dauerte lange, bis sie sich entschlossen wieder eine Rast einzulegen. Auf der abendlichen Sonnenseite eines Berges erbauten sie

ein schlichtes Lager. Knapp 20 Zelte, jedes von ihnen bot Raum für circa sechs bis sieben Mann. Früh ging die Mutter des Lichts ihren Weg in die Tiefe. Und bevor sich die Ritter versahen, saßen sie gemeinsam um viele kleine Feuer innerhalb des Lagers. Wenige von ihnen sehnten sich nach den lieblichen Träumen ihrer Heimat. Doch wer konnte ihnen versprechen, dass Kynis ihnen diese gewähren würde? Chrimbert sprach oft von der Magie der Nacht, so es dem Hauptmann der Verblendung wohl zugesprochen sein musste. „Seine Augen zu schließen bedeutet sich auszuliefern. Niemand weiß, wohin einen der Rhythmus des

Verstandes verschleppen wird. Er nährt aus den Fantasien und Untaten des Tages. Ketten und Seile reißen und geben Raum für eine vollkommen neue Welt. Eine Welt in der Drama, Gefühle und Beherrschung auf den Kopf gestellt werden, so die Bilder eben im Kopfe entstehen. Trügerisch kann er sein. Der Traum.“, hörte Silva ihn einst sagen, als Chrimbert mit Lynhart durch die Nachtstunden geschwafelt hatte, wie sie es ein jedes Mal taten, wenn sie zu viel tranken. Die beiden, sowie Irving, Silva und Deucir saßen derzeit um ein etwas vom Lager entferntes Feuer. Der Abend war längst zu Finsternis geworden, was Menschen in aufregenden Zeiten oft

zusammen brachte. Es war nicht schwer zu erraten, welche Worte den Herren auf den Zungen lagen. Dann brachte es Silva schließlich heraus: „Es war unglaublich welch Mut Adrin zeigte. Er war der Erste, der mit dem Schwert in seiner Hand und der Seele in seinem Schrei auf die Wesen zu rannte. In ihm steckt etwas Großes verborgen, ich spüre es“ „Ich frage mich, was sie wohl waren“, stellte Deucir in den Raum. Jeder von ihnen blickte in das von Steinen umringte Feuer und dachte nach. Ihre Gesichter von der Flamme beleuchtet. „Sie wirkten so unscheinbar. Nur andersartige Geschöpfe im Kreislauf des Lebens.“, sagte Deucir. „Das sind sie nicht“,

meinte Irving. Auf diese Worte runzelte Silva sichtlich seine Stirn. Er wandte sein Blick von der Flamme zu seinem General-Hauptmann und fragte: „Woher weißt du das?“ Auch Chrimbert, Lynhart und Deucir schauten nun zu ihrem Oberst. „Keiner von uns war schon jemals in diesen Landen. Ständig sprichst du mit den Worten eines Wissenden. Sag mir: Warum spüre ich nicht dieselbe Verwunderung bei dir, die von allen anderen ausgeht?“ „Zügle deine Neugier, Neramen!“, forderte Irving. Doch was er sagte beschäftigte auch Chrimbert seit einiger Weile. Dieser sagte: „Als wir die Grenzprovinzen verließen hast du mir

ebenfalls einige Worte zugeflüstert, die mich sehr misstrauisch gemacht haben“ Chrimbert gab dem bereits leicht alternden Mann einen entschuldigenden Blick. Irving hätte ihm wohl verboten vertraute Gespräche der Vergangenheit derart zu schinden, doch in diesem Augenblick spürte der Hauptmann kein derartiges Verbot von Irving ausgehen. „Du sagtest, sobald wir die erste Hürde der Angst überstünden, würde der wahre Albtraum beginnen. Zu dieser Zeit wusste ich nicht, was du damit meintest. Doch nach gestrigem Angriff?“ Ein Moment der Ruhe kehrte ein. Das Knistern des Feuers illuminierte die beschlagenen Mienen der Männer. Ein

sanfter Wind schenkte den hier rastenden Reitern aus Eskium einen sekundenlangen Moment der Ekstase. Irving schweifte von der Antwort mit einer unangenehm wirkenden Geste ab. „Also stimmen die Gerüchte“, sprach Lynhart. „Ihr wart schon einmal in diesen Gebieten, fern von zu Haus“ Irving schloss seine Augen und überließ es den Hauptmännern, wie sie fortfahren wollen würden. „Ist das wahr?“, fragte Deucir. Der General nickte. Eine andere Antwort bekamen sie nicht. „Was hätte dich in dieses verfluchte Land treiben können?“, schauderte Chrimbert. „Es ist lange her. Und ich fürchte, ich bin noch nicht bereit, die Geschichte dieser Reise

weiter zu erzählen“, erklärte Irving. Seine Untergebenen hinterfragten seine Entscheidungskraft nicht. Wenn der General-Hauptmann Wort tat, dann besaß es zweifelsohne seine Richtigkeit. Auch wenn die Neugier unerträglich war, so unterließen sie dieses Gespräch in ein Verhör zu gestalten. Dann hob Irving trotzdem seinen Kopf, was er ein jedes Mal tat, bereitete er sich auf ein Wort vor. „Die einzige Erinnerung, die ich zu widerrufen vermag, gelten den Wesen fernab des Strandes“, sagte er. „Wir nannten sie Murdoch. Monster der See. Weiterentwickelte Venór, die als nichts Weiteres bezeichnet werden können als abscheuliche Wesen.“ Lynhart

war entzückt und fragte: „Ihr wisst, was diese Dinger waren?“ Die Augen des Hauptmannes funkelten in ihrem reinsten Blau. Lynhart konnte seine Neugier nicht verstecken, was für ihn nicht untypisch war. Irving spürte sie von ihm ausgehen seit sie den Wesen auf dem weitläufigen Strand begegnet waren. „Ich kann nicht behaupten ich wüsste viel über sie. Meine Begegnung mit ihrer Sorte liegt weit zurück. Doch gilt für sie, was für ein jedes Verduem gilt“, sagte Irving. Deucir hörte seinem General abwartend zu. „Widerwärtige Biester, geboren aus dem Schlund der tiefsten Ecken Peragrams. Körper und Geist vereint, als ein einziges,

abtrünniges Gemisch aus Hässlichkeit und Hass. Nichts, was sie mehr verdienten, als den Tod“, sprach Irving. Deucir sah, wie das Feuer in ihrer Mitte zu schwächeln begann. Die Funken sprießen nur noch halbherzig aus des Flammens Mitte. Das Holz bröselte über der Asche hinweg in die Erdenluft. Dann sagte der Bannerträger des Wolfes: „Ich werde frisches Feuerholz besorgen“ Einen anderen Ausweg sah Deucir nicht. Fast überhörten die anderen Männer seinen Vorschlag, dann ließen sie ihn gehen. Deucir Eiderad folgte einem schmalen Pfad in den Wald, nachdem er eine Laterne geholt hatte. Die anderen Hauptmänner blieben im Lager. „Wisst

ihr, ich habe mich schon als junger Bursche für die Sagen über diese Kreaturen interessiert. Es war nicht Lust, weswegen ich über sie las. Es ist schwer zu erklären. Niemand besaß Wissen über ihr Aussehen. Nicht ein einziges Bild von ihnen stach aus den Pergamentrollen von Bezalels Halles heraus. Nur die Wörter der Legenden konnten etwas wie eine Ahnung von ihnen kreieren. Doch als ich sie an jenem Tag vor mir erscheinen, töten und sterben sah… Meine Vorstellungskraft zerbarst. Es fühlte sich zu unecht an. Was in Kynis Namen geschieht in diesem Land?“, fragte Chrimbert. „Der Bau der Grenzprovinzen ist lange her.

Die Menschen beginnen zu vergessen, welche Wesen diese Wälder für sich beanspruchen“, glaubte Silva. Lynhart stimmte dieser Vermutung zu und sagte dann: „Ich befürchte uns erwarten mehr Verrücktheiten als wir zu glauben erhoffen“ Irving hoffte sein Nicken würde Lynharts Faszination, die einer grausigen Vorfreude glich, beschwichtigen. Sein Versuch wurde in Keim erstickt.



7



Während das Heer weiterhin das Feuer

unter ihren Händen genoss, lief Deucir weiter in den Wald hinein. Das Licht in seiner Hand hängend erleuchtete nur wenig des Schauplatzes vor ihm. Grillen sangen das Lied der Natürlichkeit. Eulen beobachteten seinen jeden Schritt. Juwelen der Nacht starrten. Instinkte erwachten. Äste und Zweige brachen unter des Hauptmanns Silberstiefel. Das Gras klammerte sich hartnäckig an seine Hüftpolster. Deucir kam um zu suchen, doch seine tiefgrünen Augen schweiften in Gedanken. Achtungsvoll beobachtete er die Welt um sich herum. Seit Anbeginn seines Denkvermögens tat er es. Die Schlussfolgerung des Lebens kam ihm so schlüssig wie ein Goldbarren

in des Königs Gemach. Der Schwermut des Waldes erloschen jegliche Farben, doch Hauptmann Eiderad erkannte ein einmaliges Flimmern in der Ferne. Gebüsche dehnten sich und gaben ihre lieblosen Blätter von sich. Das Rauschen eines Rennenden überzog Deucirs Ohren und ohne nachzudenken rannte er hinterher. Eine Gefahr für das Heer? Eine Chance ein fettes Tier für ihr Frühstück zu erwischen? Aus fremden Gründen war ihm das egal. Duckend verfolgte er das Gespenst. Der Lauf des Tieres verriet seinen Aufenthalt, obwohl es eine Schnelligkeit besaß, die selbst den sonst so sportlichen Deucir an seine Grenzen trieb. Er war vermutlich der

einzige Hauptmann gewesen, der die Prüfung der körperlichen Fähigkeiten in solch idealer Manier vollendet hatte. Und genau dieser stattliche Mann wurde nun auf den nächsten Prüfstand getrieben. Ein Extrem, das er sichtlich genoss. Längst ließ er die Laterne aus seiner Hand fallen. Ihr schwaches Licht nützte einem Niemandem an diesem Orte. Deucir wusste nicht, wie lange seine Beine ihn schon trugen, da machte der Schatten Halt. Gedanken waren in diesem Moment spärlich angesetzt. Hauptmann Eiderad, immer noch bückend, schlich sich langsam zu einem Gebüsch und spähte über dieses hinüber. Er vernahm ein merkwürdiges Quengeln.

Stechend und reißerisch. Das Höllenfeuer, das Gliedmaße nach Gliedmaße über den Körper gestreut würde, würde nicht dieselben Ausstöße verursachen. Der Hauptmann fragte sich, was in aller Welt solch Laute von sich geben würde. Seine Augen weiteten sich wie zu heißem Gestein geschmolzene Felsbrocken. Eine kitzelnde Gänsehaut gefror seine Muskeln. Nicht die dunkelste Dunkelheit konkurrierte mit dem Ding aus Schwärze. Denn was war Schwärze als das Nichtsehen von Schönheit? Diese verließ den Wald in jenem Moment. Nichts bleibend als Angst und knackendes Schauern. Bleiche Formen symbolisierten die

Bewegungskraft des Anscheins. Vier davon, eines Menschen so ähnlich sein müssend, und dennoch von grausiger Unbestimmtheit. Hauptmann Eiderad umfasste den Griff seiner Waffe. Seine Finger schlichen sich an das Geheft wie Schnecken. Leise musste er sein. Leiser als das Huschen des Grases. Niemand vermochte zu sagen, was es hörte. Kommandant Deucir verbannte jeglicher dieser Gedanken. Fixierend und wartend betrachtete er es. Fressend und schmatzend. Er erkannte die Wolle unter dem Gebiss. Ein liebliches Reißen der Klauen. Mit einem Mal stieg es empor und gab ein unpersönliches Gesicht zu erkennen. Blind und schwarz schaute es.

Umrückend hörte es. Keine Sekunde später sein Mahl weiter verzerrend. Deucir realisierte die Unmöglichkeit des Entkommens, während seine Lippen auf und ab gingen wie Schnalzen. Er erkannte einen Schlauch, rot durchzogen. Das Fließen der Farbe begann in des Opfers Körper und mündete.. Deucir erschrak. Groß war der Beutel auf dessen Rücken. Der hängende Ast des Saugens verband alles in der Kreatur mit seiner Trophäe. Sie war der Ursprung seiner Kraft. In diesem jetzigen Moment schnappte es sich diese. Das Blut durch den Kanal der Hölle triefend. Das schmeichelnde Lecken der Lebenskraft ertönte zwischen

dem Dickicht. Des Opfers Halse war durchbohrt von dem giftigen Stich des Wesens. Lang waren dessen Gliedmaßen, die sich gebückt über das zuckende Tier hielten. Dann, plötzlich, erhaschte das Unglück seinen Beobachter. Ein einziger, wahnsinniger Sprung beförderte das Geschöpf hinter Deucir. Dieser glaubte für einen Moment, der Tunnel, durch den die heiße Flüssigkeit aus Rot floss, berührte ihn und er wandte sich angeekelt. Krächzend bereitete es sich vor, Deucir drehte sich um und erkannte die eiskalte Oberfläche des Ungeheuers. Es war zu schnell. Angst gewann den Kampf der Entscheidung, er rannte. Seine Rüstung

war schwer und der Anblick des Wesens hatte seine Sinne betrübt. Der Wald verwandelte sich in eine Oase, die der Süße des Lebens unterworfen war. Deucir kostete an ihr und stöhnte vor Bitterkeit. Deutlich vernahm er das Geräusch der Schritte hinter seinen Beinen. Polternd fielen die merkwürdigen Tatzen des Verduems auf den Boden. Ein dumpfes Geräusch. Dann packte es den Hauptmann an seinem Hemd aus Ketten. Ein einziger, langer Schnitt fuhr über die Haut des Mannes hinweg. Nie spürte er einen Schmerz wie diesen. Das Stockwerk aus Messern glitt langsam durch seinen Körper hindurch. Dann stand er vor des Waldes

Mauern. Mit einem Ruck flog er auf seinen Bauch und wartete. Dann sah er um sich. Lagerfeuer, Zelte und Menschen, versammelt auf des Berges Gewand. „Hauptmann Eiderad? Was machen Sie hier?“, sprach ein Soldat, der Wache hielt. Der Offizier musste erst seinen Atem finden. Deutlich spürte er den roten Schweiß aus seinem Rücken fließen. Der Bach würde bald das Leben des Sees genießen. „Es ist nichts“, sagte der Mann zu seinem Untergebenen, während er sich keuchend aufrappelte. „Ich unternahm nur eine nächtliche Wanderung durch die Umgebung und stolperte“ In jenem Moment entstand sie. Die Spirale der Zukunft, die der

Gegenwart und der Vorherbestimmung – des Schicksals. Alles fand sich zusammen, unter dem Schirm, der glänzte. Die Nacht bildete die Vorhut der Dunkelheit.




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Über den Autor

Taipan
Ich bin 17 Jahre alt & gehe noch zur Schule:) Wie sollte es auch anders sein, so ist mein Lieblingsfach Deutsch. Zu Schreiben begann ich bereits vor einigen Jahren. Erst vor kurzem jedoch packte mich die Idee der "Finster' Essenz", die ich hier nun in mehreren Teilen veröffentlichen werde. Sie ist das Ergebnis meiner Erfahrungen, Leidenschaften, Einflüsse und Entschlossenheit.

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unnecessary tolle Story :)
Durch den anspruchsvollen Schreibstil und die verwendeten Metaphern wirkt die Story lebendig und man kann sich wirklich gut hineinversetzen ^^
Caro :)
Vor langer Zeit - Antworten
Taipan Danke, hatte schon befürchtet ich benutz davon ein bisschen zu viel(:
ich hoff es ist spannend genug, um zum Weiterlesen anzuregen (:
LG,
Tai
Vor langer Zeit - Antworten
unnecessary auf jeden Fall ^^ ( im Bezug aufs weiterlesen natürlich :p)
Caro :)
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