Ein Tag wie jeder andere an dem „Es“ geschieht
Es war ein Tag wie jeder andere an dem es geschieht, wo die Winter kalt und die Sommer warm sind, wenn es regnet dann wird man nass. Das Haar, die Kleidung, die Schuhe, tritt man dann in eine Pfütze, dann wird man nicht nur nass sondern auch noch dreckig. Da flucht die Frau, da weint der Mann, da kann das Kind nicht schlafen. Einfach ein Tag wie jeder andere, nicht einer dieser Tage der umgeben ist von einer Atmosphäre und Aura der Vollkommenheit oder des Ausnahmezustandes in all seinen Formen und Farben. Aber doch war an diesem gewöhnlichen Tag nicht alles so klar und rein, wie es die Sonnenstrahlen des Hochsommers zu offenbaren gewillt sind. Betrachtet man den Jungen, der gegen Abend genüsslich sein Brot mit Kalbsleberwurst verzehrt und sein fixes verräterisches Grinsen an den Tag legt, kann es einem nur die Übelkeit ins Gedärm treiben. Kein Genuss und keine willkürliche Grausamkeit auf Gottes schöner, dem Untergang geweihten Erde hätte dieses Grinsen aus seinem Gesicht wischen können. Betrachtet man den Jungen mit dem unverschämt feixen Grinsen länger und schaut sich die Sache mit einem unbefangenen, sanften Gemüt an, dann wird einem bewusst wie viel Anstrengung sich in seinem Gesicht widerspiegelt. Dieses Grinsen ist Realität, dass unanfechtbare Wirkliche. Vielleicht nur in der Welt des betrachteten Jungen, vielleicht für Jedermann „Man kann es nicht wissen, es sei denn man hat das Leben gelebt.“ Der Junge steht am Morgen um 6 Uhr auf. Er weiß es, heute ist der Tag gekommen, auf den er die letzten 14 Jahre hingearbeitet hat. Er weiß es ganz genau. Seit dem er denken kann arbeitet der Junge an seinem Plan, an seiner Obsession, die aus den tiefsten Qualen seines Herzens gesprudelt kommt. Und genau Heute, in dieser Stunde, in diesen Minuten ist es soweit. Er weiß es ganz genau, bei seinen Eiern, er weiß es. Gestern Nacht ist ihm wieder der zierliche Nachtelf mit der abstrus tiefen Stimme erschienen, exakt derselbe, der ihn vor 14 Jahren heimgesucht hat. Der Junge schnappt sich sein fein säuberlich gepacktes Frühstück und rennt wie ein Berserker zur Schule, um es geschehen zu lassen. Der Junge ist klug, intelligent, schlau, witzig, strebsam, überall beliebt und bei seinen Lehrern als enthusiastischer Schüler äußerst gut benotet. Er trieb dieses Spielchen des ruhelosen Perfektionisten in Reinkultur. Jeder kaufte es ihm ab, sogar der Pfarrer mit seinem überragenden Scharfsinn und seiner über die Jahrzehnte erlangten Menschenkenntnis, wäre als letztes auf ihn gekommen. An diesem Tag der wie jeder andere ist, an dem die Winter kalt und die Sommer warm sind, wenn es regnet, dann wird man nass: „Wenn du leben willst, dann lebe, bezahl die Rechnung“ , schrie „ES“ und verdammte es. Ein zurück oder ein Umtausch, ausgeschlossen. „Untätig und sorglos schwappt der Quell der Zeit den Trübsinn dahin ins Reich des Überflusses, am Tag den die Gleichgültigkeit heimsuchte, bis „ES“ kotzte.“ Die Kleidung des Jungen unauffällig angepasst, seine Leistungen ohne Missgunst und Neid begleitet, Anerkannt wie die Theorie der Schwerkraft. Liebe, Freundschaft und eine schier grenzenlose Unterstützung seiner Umwelt wurde ihm zuteil, dem Jungen am Rand der Welt, wo die Nachtelfen die größten sind. Seine Zeit ist ohne wenn und aber gekommen: „So sei es“, sprach „ES“ und kotzte erneut. Diesmal die blutigen Stückchen des Untergangs und der Auferstehung, so wie der Nachtelf es versprochen hat, vor 14 Jahren und Heute. Die altehrwürdige Glocke der Schule läutet die erste Stunde und die letzte Runde ein. Der Junge setzt sich wie gewohnt auf seinen Platz, zwei Reihen vor dem vertrauten Lehrerpult mit den vielen Einkerbungen und lauscht dem Unterricht andächtig, aufmerksam aber ohne aktive Beteiligung, wie es sonst immer der Fall war. Der Junge ist in sich gekehrt und vollkommen ruhig, bereit sein Lebenswerk zu vollenden, nachdem er sich so lange verzehrt und noch nie gefürchtet hat. Aber die erbrochenen Stückchen auf seinem T-Shirt machen ihm irgendwie zu schaffen. Dachte „ES“ und verstand es. Gegen ende der vierten Stunde ist es endlich soweit, der betrachtete, politisch korrekt gebildete Junge steht auf und geht sicheren und starken Schrittes auf seine liebenswürdige Klassenlehrerin zu, währenddessen sich sein Innerstes nach Außen kehrt und die Fratze eines heillos geschunden und zerstörten Mannes hervortritt. Seine Augen blitzen wie bei einer sich nach Aas verzehrenden dreckigen Hyäne, die sabbernd ihre verwesende Beute betrachtet. Dieser bei ihm nie für möglich gehaltene Ausdruck versetzt die gesamte Klasse in einen Schockzustand. Der Junge tritt vor die Lehrerin und fasst sie mit beiden Händen an den Schultern an. Den Atem der Lehrerin sanft spürend, murmelt er leise und ohnmächtig: „Ich brauche Hilfe“. Die Lehrerin erwacht aus ihrem Zustand der Lethargie und wirkt scheinbar erleichtert. Das hätte sie auch sonst nie von ihm für möglich gehalten, genauso wie der Rest der Klasse, vermutlich der ganzen Welt. Freundlich entgegnet sie ihm: „Was ist denn so schlimmes passiert, wie kann ich oder wie können wir dir helfen.“ Das ist genau das Stichwort das der Junge für seinen Elfenreigen braucht und murmelt: „Nicht die Art von Hilfe, mir kann keiner helfen, nur der Nachtelf vermag was sonst niemand vermag, der Nachtelf.“ Bitterlich weinend taumelt der Junge in die letzte Ecke des Klassenzimmers und bricht verlassen von Gut und Böse in sich zusammen. Haltlos und ohne Hoffnung. Bis auf den Jungen ist niemand in der Klasse dazu in der Lage sich zu rühren, lähmendes Entsetzen macht sich breit. Innerlich strahlt der betrachtete Junge und mit einer wahren Explosion lässt er seinen Emotionen freien lauf, hinaus ins letzte Gefecht. Plötzlich springt der Junge auf und lacht vor Heiterkeit das es nur so eine Wonne ist und schlägt laut mit der flachen hand auf das Pult und brüllt: „Haben Sie es gesehen, ich habe es gesehen“. Der Junge setzt sich wieder auf seinen Platz und wartet die Reaktionen ab. Aber bis zum ende der achten Stunde sagt niemand mehr etwas, rührt sich keiner. Ihre Augen sagen nur zwei Dinge aus Entsetzen und ein riesengroßes Fragezeichen. Der betrachtete Junge weiß als er am Abend sein mit Kalbsleberwust bestrichenes Brot hinunterschlingt, dass er seien Krieg gewonnen hat. Er hat es nicht vorgehabt, aber er schreibt dennoch einen Zettel für seine von ganzem Herzen geliebten Eltern mit der Nachricht, „ES“ denkt, „ES“ weiß, „ES“ lacht, „ES“ kotzt und „ES“ liebt, der Nachtelf regelt den Rest. Der Leere Torso des Jungen bleibt zurück. An einem Tag der wie jeder andere war, wo die Winter kalt und die Sommer warm sind, wenn es regnet, dann wird man nass. Das Haar, die Kleidung, die Schuhe, tritt man dann in eine Pfütze, dann wird man nicht nur nass sondern auch noch dreckig. Da flucht die Frau, da weint der Mann, da kann das Kind nicht schlafen.