Kurzgeschichte
Engel

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"Engel"
Veröffentlicht am 17. Dezember 2014, 18 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

19|selbstkritisch|verarbeite Lebensereignisse in meinen Geschichten|Schreibanfänger|
Engel

Engel

„Erörtern Sie, was Menschen Glücklich macht.“ So lautete unsere Hausaufgabe. Schon seit Wochen konnte ich mich nicht konzentrieren, genau wie heute. Heute drehen sich meine Gedanken zwar ausnahmsweise nicht ums Essen aber dafür um diese Frage. Was macht Menschen glücklich und was ist glücklich sein überhaupt? Jeder hat darauf verschiedene Antworten. Ist denn überhaupt irgendein Mensch auf dieser gottverdammten Welt glücklich oder sind alle nur gute Schauspieler. Manche sagen Geld macht glücklich, ich glaube aber kaum, dass Geld glücklich macht. Wieder andere meinen Schönheit macht glücklich, könnte die wahre Antwort

sein, aber wie will ich das herausfinden wenn ich weit davon entfernt bin schön zu sein. Für manche ist es Schokolade. Schokolade, wie lange habe ich schon keine Schokolade mehr gegessen? Es muss ewig her sein, ich glaube, heute ist der Tag gekommen, an dem ich mir mal wieder ein Stückchen gönne. „Es muss ja nicht viel sein, aber ein bisschen geht schon. Heute Abend werde ich es gleich mal ausprobieren. Aber schaffe ich das überhaupt? Ich meine ein Stück Schokolade hat schon einiges an Kalorien, zu viel bei deinem Gewicht. Nein, lass es, dafür bist du noch nicht bereit.“ Argh… Ich hasse mein Gehirn dafür, ständig macht es mir mein Leben

zur Hölle. Naja was solls, ich gönne mir jetzt erst einmal einen Kaffee. Ich mache mich auf den Weg in die Küche und höre schon von weitem, wie sich meine Eltern streiten. Wie bei fast jedem Streit geht es um mich. Mein Bruder kommt mir verärgert entgegen und schreit mich an, dass ich doch endlich mal was fressen soll und nicht immer meinen muss, dass sich die ganze Welt um mich zu drehen hat. Aber ich will doch gar nicht, dass sich alles um mich dreht. Was kann ich denn dafür, dass ich nur ein bisschen Gewicht verlieren will. Und dieser Satz gerade, hat gesessen. Ich will doch nicht, dass sich meine Eltern wegen mir streiten und im Mittelpunkt stehen will

ich schon gar nicht. Aber meine Eltern streiten sich in letzter Zeit oft, die meiste Zeit über mich und mein Gewicht. Meine Mom wirft mir regelmäßig vor, sie wird nie wieder glücklich werden, wenn ich ihr nicht verspreche mich zu bessern. Mein Dad sieht immer das Gute im Menschen und vertraut darauf, dass ich irgendwann wieder zunehme und „gesund“ werde. Doch jetzt als ich sie streiten höre, vergeht mir alles. Ich glaube es wäre am besten, wenn ich sterben würde. Mich kann doch eh keiner leiden. Jeder ignoriert mich und keiner mag mich so wirklich. Ich renne zurück in mein Zimmer und werfe mich weinend in mein

Bett. Ein Gedankenspiel beginnt. Schneiden oder anders versuchen? Ich weiß es nicht, ich hole mir meine Klinge aus dem Versteck und gehe Richtung Fenster. Draußen spielen die kleinen Nachbarskinder im Schnee, während ich mein Fenster aufreiße und meinen Arm aus dem Fenster halte. Ich setze die Klinge das erste Mal am Arm an und schneide einfach. Sollen sie doch sehen, wie scheiße mein Leben ist. Jeder sagt mir zwar, „Du bist so toll“, „Ich wünschte, ich könnte noch so lachen wie du! Weißt du, im Alter da verschwindet das Lachen aus jedem Gesicht. Dein Leben wird wirklich nur noch von Schmerz und Leid bestimmt. Denke an

diese Worte mein Mädchen!“ Worte von einer alten Frau mit der ich mich einmal unterhalten habe. Ich dachte mir nur, wenn du wüsstest, du kennst mein Leben nicht. Und wer weiß ob ich den Schmerz und das Leid im Alter überhaupt noch ertragen muss. All diese Gedanken und die Klinge gleitet weiter über meinen Unterarm. Mittlerweile bilden sich rote Tropfem im Schnee, ich finde es schön, es erinnert ein kleines bisschen an Schneewittchen, nur dass aus 3 Blutstropfen plötzlich 4, dann 5 und dann eine ganze Lache wird.

Blut.

Tropf.

Blut.

Tropf.

Ich spüre meinen Körper nicht mehr, schaue auf meinen Arm und sehe nur noch Blut, ich glaube ich habe zu tief geschnitten. Ich wollte sterben und ich werde sterben. Als armes kleines Mädchen auf dem Fußboden meines Zimmers, noch nicht einmal volljährig und 52 Kg schwer, vor 2 Wochen aus der Therapie entlassen. Ich bin noch nicht einmal dazu gekommen einen

Abschiedsbrief zu verfassen. Plötzlich schaue ich auf meinen Arm. Es fühlt sich so an, als ob ich fliege. Aber fühlt sich denn so fliegen an? Ein leichtes Gefühl im ganzen Körper. Mit letzter Kraft schleppe ich mich zu meinem Handy, öffne Whatsapp. „Tschüss, ich gehe. Für Immer!“. Das war das Letzte das ich schrieb bevor ich ging. Ich schaute noch ein letztes Mal auf die Blutspur die sich durch mein ganzes Zimmer zog. Das wars, mein letzter Tag. Ich schloss die Augen und spürte meinen Körper nicht mehr.

Schwarz.

Nacht.

Schwarz.

Nacht.

Ich wachte doch wieder auf, um mich rum ein riesen Gepiepe, und ein rießen Schmerz in meinem rechten Unterarm. Bin ich tot? Ich drehe meinen Kopf zur Seite und sehe, dass alle weinten. Da stand mein bester Kumpel, meine Eltern und mein „Engel“ so wie ich sie immer nenne. „Du bist so wahnsinnig, warum hast du das getan?“ fragte sie mich. „Ich weiß es einfach nicht, frag mich keine

Sachen die ich nicht beantworten kann.“ Ich merke, dass ich ebenfalls weinte. Alle standen sie da, und weinten und weinten und weinten.

2 Tage später wurde ich entlassen mit dem Versprechen mir niemals wieder die Pulsader aufzuschneiden. Ich weiß nicht, ob ich dieses Versprechen halten kann, aber ich werde es versuchen. Ich werde Kämpfen und immer weiter Kämpfen. Niemals wieder werde ich versuchen mein Leben auf diese Weise zu beenden.

2 Wochen später habe ich es wieder versucht. Nun bin ich das, was ich immer sein wollte. Ein Engel, mein Leben hat ein Ende. Heute ist meine Beerdigung und ich sehe, dass mehr Leute gekommen sind als ich dachte. Da sind Leute gekommen, von denen ich dachte sie mögen mich nicht und Leute, die mich in diesen Mist getrieben haben. Ich schaue auf sie alle herab und sehe dass meine beste Freundin einen Zettel, in mein Grab wirft. Zu gerne würde ich lesen, was darauf steht. Bei genauerem hinschauen sehe ich, dass es mein Abschiedsbrief ist, den ich ihr über Facebook geschrieben habe und ein anderer Brief. Im Abschiedsbrief stand::

Hey,

wenn du das liest, werde ich warscheinlich schon gar nicht mehr da sein. Ich weiß, ich habe versprochen, dass ich Kämpfen werde, Aufgeben ist zu einfach, aber ich kann einfach nicht mehr. Ich werde meinem Leben ein Ende setzen, bitte versuch nicht, mich davon abzuhalten, denn es wird nicht funktionieren. Ich hoffe du tust dir nichts an. Ich werde von oben auf euch aufpassen und vielleicht komme ich dich ja mal als Geist besuchen. Ich weiß, dass du mich dann sehen oder Spüren wirst. Wenn du irgendwann an mich denken wirst, werde ich da sein ich werde immer

für dich da sein, auch wenn ich nicht da bin.

Es tut mir einfach nur unendlich Leid, aber ich hoffe du wirst es verstehen.

Merke dir eins,

Ich hab dich lieb <3

Ich würde zu gerne wissen, was in dem anderen Brief steht. Am Ende der Beerdigung, war ich bereit runterzukommen und den Brief zu lesen. Ich stand in meinem eigenen Grab und

konnte es kaum glauben. Ich bin wirklich Tod, ich lebe nicht mehr und doch bin ich da. Ich nahm den Brief und las ihn.

Hei Süße,

irgendwie verstehe ich dich schon, aber du weißt einfach nicht, wie weh das tut. Ich will einfach im Moment nicht mehr Leben. DU warst die einzige Hoffnung die ich noch hatte. DU warst diejenige, die mir geholfen hat, alles zu überwinden. Ich kann einfach selbst nicht mehr. Es klingt jetzt zwar komisch, aber ich weiß, dass du da bist. Ich spüre dich und ich sehe dich. Ich hab

dich in der Nacht, als du gestorben bist gesehen. Ich hab gewusst, was du machst und ich wusste es ist zu spät. Es tut mir Leid, aber ich halte es nicht mehr aus. Ich komm dir hinterher…

Bis dann <3

Es stimmt, ich war bei ihr und bei allen von denen ich mich verabschieden wollte. Plötzlich merke ich, dass ich wieder weine, ich sitze in einem Blumenmeer, was mein Grab sein soll und spüre von hinten eine Hand auf meiner Schulter, ich drehe mich um und sehe, dass sie gekommen ist. Ich weiß

nicht, ob ich mich freuen soll oder ob ich weinen soll. Doch dann fange ich an zu lächeln. „Warum bist du mir nachgekommen? Ich will nicht dass du auch tot bist.“ „Ich konnte nicht mehr, genau wie du. Eine Überdosis Tabletten und ein bisschen Wodka. Extremer Streit mit meiner Mom, sie hat mir vorgeworfen ich bin nicht mehr ganz echt.“, ich fange an zu grinsen und gleichzeitig heule ich wie ein Wasserfall. „Ich wusste gar nicht, dass Engel weinen können“ „Ich auch nicht! Und du hattest Recht, ich war in der Nacht meines Todes bei dir und hab mich verabschiedet.“ „Komm, ich will mich bei meinen Lieben auch

verabschieden.“ Wir nahmen uns bei den Händen und liefen durch die Nacht.

Jetzt weiß ich zwar immer noch nicht was glücklich sein ist, aber ich weiß, dass auch Freunde nicht dazu beitragen können, einen Menschen bei sich zu halten. Ich bin froh, dass ich einige Jahre meines kurzen Lebens leben durfte und erkannt habe, wer es gut mit mir meint und wer nicht. Es tut mir immernoch Leid, meinen Eltern, Freunden und allen um mich rum so viel Sorgen bereitet zu haben und ich hoffe sie werden mir irgendwann verzeihen…

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WarofaDemon
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NillTiarusa Sehr gut geschrieben, ich mag deinen stil.
Trotzdem extrem traurig, vor allem das Ende macht mich sehr nachdenklich
Vor langer Zeit - Antworten
Reifblut Traurig und tiefgründig
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