Biografien & Erinnerungen
Mysterium Dr. Crippen

0
"Mörder, oder nicht?"
Veröffentlicht am 28. November 2014, 64 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich versuche mit guten Geschichten zu unterhalten. Hoffentlich glückt es. Ich bin Jahrgang 1958, in München geboren. Seit meiner Kindheit schreibe ich, habe aber nie eine Profession daraus gemacht. Meine zarten Versuche mal eine meiner Geschichten bei einem Verlag zu veröffentlichen sind gescheitert. Hier gibt es eine Auswahl von Kurzgeschichten aller Art. Sie sind in ihrer Kürze dem Internet und e-pub Medium angepasst.
Mörder, oder nicht?

Mysterium Dr. Crippen

Vorbemerung

1910 starb Dr. Crippen, hingerichtet als Mörder. Einer der berühmtesten Kriminalfälle hatte damit sein Ende gefunden. Wirklich?

Ich versuche hier keinen Krimi vorzustellen, mehr eine Biographie.

Weil das Buch länger geraten ist, habe ich es in Kapitel unterteilt. Am Schluss können Sie sich ein eigenes Urteil bilden. Mehrere Filme befassten sich in verschiedentlicher Interpretation mit diesem Fall.

Gute Unterhaltung!

Es ist auch als Dokumentation spannend, wie ein Krimi.

Die Recherche war nicht ganz einfach, weil schreiender Journalismus einiges damals, wie

heute verfälscht hat.

(mit Ergänzungen neu eingestellt 04.2015)


Copyright: G.v.Tertzeli

Cover: Monika Heisig

Frühe Jahre

Am 11. September 1862 kam Hawley Harvey Crippen zur Welt. Es war der Sohn Frau Andresse Skinner Crippen (gestorben 1909) und Myron Augustus Crippen (1827–1910). Da sein Vater ein recht erfolgreicher Kaufmann in Coldwater (USA, Michigan) war, konnte er auf eine unbeschwerte Kindheit zurück blicken.

Schon früh interessierte er sich für Medizin. Seine Eltern unterstützten ihn darin, denn diese Ambition entsprach auch ihrem komfortablen Lebensstil. Ethisch predigten sie ihm strikte, protestantische Moral.

Mit 21 Jahren, also 1883 hielt er sich zum

ersten Mal in England auf, um sein medizinisches Wissen zu erweitern. Sein englische Diplom erkannte die University of Philadelphia an. Und so graduierte Hawley Crippen im Jahr 1884 mit 22 Jahren an der School of Homeopathic Medicine (University of Mitchigan). Ca. 1885 erhielt Crippen dann seine Approbation an dem Clevelands Homeopathic Hospital.

In New York erhielt er Ende 1885 ein weiteres Diplom als Augen und Ohren Spezialist. Crippen praktizierte dann in verschiedenen Städten der USA.


Unter Anderem war Crippen offensichtlich in einem Krankenhaus tätig. Und wie das so oft bei Medizinern der Fall zu sein scheint, hatte es ihm die Krankenschwester mit dem klingenden Namen Charlotte Bell angetan. Die süße, irisch-stämmige Frau war flugs 1887 mit ihm verheiratet.

Es dauerte nicht lange, da erblickte ein Sohn namens Otto die Welt. Alles schien seine geregelten Bahnen zu gehen.

1891/1892 aber erlag Charlotte einem Gehirnschlag. Sie hielten sich gerade in Utah auf Dem etwas klein und unscheinbar geratenen Herrn Doktor wurde sein dreijähriges

Kleinkind, sein Söhnchen, lästig und so schob er ihn an Charlottes Eltern ab, die in Kalifornien lebten.

Dr. Crippen beglückte dann wieder New York mit seinen Fertigkeiten.

New York

Hawley war nun mit 30 Jahren Witwer. New York bot allerlei, genauso wie heutzutage.

Eine der Attraktionen war für Crippen Belle Elmore. Man könnte sie als Schauspielerin bezeichnen. Jedenfalls hieß sie eigentlich Kunigunde Mackamotzki. Sie war 1873 in Brooklyn geboren, also 11 Jahre jünger als Crippen. Ihre Eltern waren deutsch-polnische Einwanderer.


Jedenfalls war die 17 jährige Belle bezaubernd und hatte den Drang nach Höherem. Der Herr Doktor lernte sie bei einer

Theateraufführung kennen, wo sie sich offensichtlich auch gesanglich performte.

Es waren wohl nicht ihre Auftritte, die Crippen faszinierten, eher schon die knackigen, recht freizügigen, inzwischen 19 Jahre, die vor ihm herum hüpften. Kurz und gut, es wurde 1894 geheiratet.

Ob Belle den unscheinbaren Doktor attraktiv fand, oder eher seine gut gefüllte Geldbörse, können wir nicht wirklich beurteilen.


Jedenfalls wurde Crippen den Ambitionen von Belle gerecht, weil sich seine beruflichen Erfolge einstellten.

Inzwischen betrieb er eine eigene Praxis, die hervorragend lief. Schon damals war die High

Society auf dem homöopathischem Trip. Nun genoss Belle den Lebensstil, den sie sich immer schon erträumt hatte.

Ihre Karriere als Sängerin und Schauspielerin verlor sie dennoch nicht aus den Augen. Leider ließ der Durchbruch zum Star auf sich warten. Man könnte anführen, dass dies der aufkommenden, wirtschaftlichen Depression zuzuschreiben sei, aber es fehlte Belle vor allem schlicht und einfach an Talent, obwohl sie sich den werbewirksamen Künstlernamen Corinne Cora Turner zugelegt hatte.

Crippen hingegen blieb erfolgsverwöhnt. Er sattelte um, erkannte rechtzeitig den neuen Boom und war nach kurzer Zeit

General-Manager der Firma Dr. Munyon's, die homeopathische Mittelchen vertrieb.

Diese Nahrungsergänzungsmittel waren also schon damals der Renner und wahrscheinlich ebenso nutzlos..

Eine neue Filiale in England wartete auf den intelligenten, kaufmännisch begabten Herrn Doktor. Auch seine Frau Cora "Turner" erhoffte sich ein neues Comeback, oder besser gesagt, endlich Erfolg in London.

Und so reiste das Paar 1897 nach England

London

1897 waren Dr. Crippen und Cora Turner nun 3 Jahre verheiratet. Man residierte am Picadilly, also im wohlhabenden Zentrum Londons. Cora war energiegeladen. Die berühmten Bühnen Londons warteten auf sie und der Olle hatte das Geld. Das Unheil nahm seinen Lauf. Crippen unterstützte sie in jeder Hinsicht. Er ging oft zu Proben mit, gab Geld aus und vernachlässigte seine Aufgaben für Dr. Munyon’s Absatzmarkt. Die homäopathischen Mittel wollten an den Mann gebracht werden. Und von allein ging da nichts, wenn der Vertreter Anderes im Hirn hatte.

Nachdem mehrere Mahnungen nichts gefruchtet hatten, wurde er 1899 gefeuert.

Er hatte immer mehr Zeit an Bühnen verbracht und die Geschäfte der Firma dadurch sträflich vernachlässigt, kein Wunder also.

Aus war es plötzlich mit dem Geldsegen. Mehrere Umzüge wurden vonnöten, nachdem man nun den Gürtel enger schnallen musste. Und jeder Umzug hatte einen kleinen, weiteren sozialen Abstieg zur Folge.

Immerhin konnte Crippen einen Management Posten bei Drouet's Institution for the Deaf ergattern. Genau genommen handelte es sich um Kurpfuscher-Firma mit medizinischem Anstrich. Außerdem wurde von

diesem „Institut“ ein angeblich „medizinisches“ Magazin veröffentlicht.

Vermutlich war es vor allem Hawley Crippens Doktortitel und die Diplome, die ihn für den Posten prädestinierte, 1905 mietete sich das Paar in der 39 Hilldrop Crescent, Camden Road, Holloway, London ein. Das magere Einkommen ihres Mannes gefiel der immer noch erfolglosen Cora gar nicht. Es ist durchaus nachzuvollziehen, dass Cora ihren kleinen, spießigen Mann mit der Nickelbrille nur noch als Versager ansah. Sein sandfarbener, prächtiger Bart war auch nicht mehr der letzte Schrei.


So trank sie immer mehr und setzte dem Herrn Doktor laufend Hörner auf.

Sie schmiss sich an etliche, bekannte (und unbekannte) Schauspieler und Varieteekünstler dieser Zeit heran und einem Agenturmanager Namens John Nash.


Crippen allerdings amüsierte seine untalentierte, lallende Frau auch nicht mehr. Ab 1908 fand er seinen Ausgleich bei Ethel Le Neve, die schon als Tippse seit 1900 bei ihm angestellt war. 1883 geboren, war sie attraktiv, sehr jung, mädchenhaft. Sie stammte aus Diss, einer Kleinstadt in Ostengland, Norfolk. Als Geliebte dürfte sie Crippen wohl schon ab

1905 beglückt haben.

Zu diesem Zeitpunkt erfreute sich Crippen (nun 43 Jahre) bestimmt inniglich an der 22 jährigen. Da blühte er wohl auf, wie man so sagt.


Eine geradezu klassischer Cocktail für Unheil.

Cora verschwindet

Es war der Abend des 31.01.1910. Draußen hatte es nur 4,2 Grad. Innen, in der Hilldrop Creszent 39 wiederum, saß man ausgelassen an der Tafel. Man scherzte und lachte. Spät in der Nacht, um 1:30 Uhr, da verabschiedeten sich die Gäste nach einem unterhalsamen, ausgelassenen Kartenspiel (Whist), nämlich das Ehepaar Martinelli. Sie kamen auch aus Coras Schauspielumfeld. Ab dem 1.Februar war Cora Crippen verschwunden. Ihre beste Freundin, eine äußerst selbstbewusste, energische Frau war

vehement zur Stelle. Sie hieß eigentlich Kate Williams, stammte aus Irland (Abergavenny, Monmouthshire), nannte sich teilweise Kate Roberts und hatte den passenden Bühnennamen Vulkana.

Sie stürzte zur Polizei und unterstellte sofort, dass der armen Cora etwas passiert sei und nur Dr. Crippen damit zu tun haben könnte. Deren Ehe sei schon seit Jahren zerüttet, wusste sie zu berichten. Es gab öfters heftigen Streit. So wäre es offensicht auch in der Nacht des 31.01.1910 gewesen. Freunden, die in den Tagen drauf ebenfalls vergeblich auf Cora warteten, erklärte Dr.

Crippen höchstpersöhnlich, dass Sie pfeilschnell nach Kalifornien abgereist sei. Angeblich wegen eines familiären Krankheitsfalles. Diese Geschichte kauften ihm die Bekannten nicht ab, denn es geschah eine Wandlung im Hause Crippen, die offensichtlich war.

Die junge Geliebte Ethel Le Neve, zu diesem Zeitpunkt 27 Jahre jung, turnte fröhlich im Haus herum und zog die formidablen Kleider der Vermissten an. Dann behängte sie sich auch mit ihrem Schmuck und fühlte sich als neue Hausherrin pudelwohl. Die fremden Federn trug sie ungeniert, sogar in aller Öffentlichkeit. Zur Rede gestellt, hatte Crippen erklärt, dass

Cora in den Staaten dann selber erkrankt und leider verstorben war.

Mehr als fragwürdig!

Nun wandten sich auch die Bekannten an die Polizei. Der Agenturmanager John Nash und die Schauspielerin Lil Hawthorne baten ihren Freund Frank Froest, Superintendent bei Scotland Yard, etwas zu unternehmen. Chief Inspector Walter Dew bekam die Sache auf den Tisch. Ein lästiger Routinefall – eine abgedüste Ehefrau, welche die Schnauze voll hatte. Dew befragte Crippen. Der gab sofort zu, dass seine Geschichte mit der Krankheit, ihrem Tod und Kalifornien

erstunken und erlogen sei. Er hätte sich einfach geschämt und wollte nicht als gehörnter Depp da stehen. Cora sei nämlich mit ihrem Freund, einem Tingel-Tangel-Sänger Namens Bruce Miller einfach durchgebrannt und sie hätte ihm noch an den Kopf geworfen er sei alt, hässlich und ein Versager. In „allen“ Dingen!

Sie hätte ihn nur noch unflätig angeschrien und körperlich grob angegangen, wie er sich ausdrückte.

Das klang plausibel, zumal sich im Haus auf Anhieb keine besonderen Anhaltspunkte für ein Verbrechen zu finden waren.

Dew schickte, etwas stutzig geworden, dennoch einen Polizisten zur Beobachtung. Nichts aufregendes, Routine.

Außerdem sollte er noch weitere Details erfragen. Wer von den Nachbarn hatte etwas zu berichten. Das Ergebnis war fadenscheinig und unspektakulär. Inzwischen war nämlich über ein Monat vergangen, aber von Cora immer noch keine Spur.

Nun wollte man der Sache nachgehen. Irgendetwas stimmte nicht. Der beauftragte Polizist findet Crippens Haus verlassen vor. Die Herrschaften waren ausgeflogen. Das Haus wurde nun äußerst gründlich durchsucht. Dreimal, viermal. Bei dieser letzten Suche wurden sie fündig.

Im Keller, unter dem Boden eingemauert, fanden sie den Torso eines Menschen.


So etwas von zerstückeltem Körper hatte

Chief Inspector schon einmal ansehen müssen. Es war die Leiche der grauenhaft verstümmelten Prostituierten Jane Kelly gewesen. Da hatte er schon als junger Constable vor 22 Jahren im Fall „Jack the Ripper“ ermittelt.

Diesmal sollte ihm dieses Tier, dieser Crippen nicht entkommen!


Die berühmte Jagd

Dass es zu solcher Verzögerung kam, das bekamen Crippen und seine Le Neve nicht mit, dann sie flohen, nachdem sie weiterhin den Alltag vorgespiegelt hatten, ziemlich aprupt.

Per Schiff ging es nach Antwerpen. Dort treffen wir nicht mehr auf einen Herrn Dr. Crippen, sondern unser Freund heißt nun „Mister John Robinson“. In seiner Begleitung befindet sich sein Sohn.

Natürlich hatte sich Crippen von seinem stolzen Bart getrennt und Neve wurde als Junge zurecht gemacht. Das endgültige Ziel der Flucht war Kanada. Da gab es wenigstens keine Auslieferung ins

Königreich England.

Das Linienschiff, die SS Montrose, war das geeignete Transportmittel.

1897 in Dienst gestellt, gehörte sie der Canadian Pacific Line an. Ursprünglich ein Frachtschiff wurde sie 1903 umgebaut. Sie bot nun Platz für 70 Passagiere erster Klasse und 1800 der zweiten Klasse Platz. Ihre Route war London – Antwerpen – St. John (Kanada, New Brunswick). Vater und "Sohn" Robinson schifften also auf der SS Monrose ein, die immerhin satte 12 Knoten laufen konnte. Inzwischen war einiges geschehen.

Dews hatte die vergebliche Suche nach "Jack the Ripper" nie verwunden. Er setzte

sämtliche Energie daran, wenigstens diesmal den Mörder zu erwischen. Für Oduktionen und Forensik kam im ganzen Königreich nur eine absolute Koryphäe in Frage, nämlich Sir Bernard Spilsbury.

Und was er heraus fand, verblüfft auch noch heute die Rechtsmediziner. Seine Leistung war außerordentlich, wenn man bedenkt welche bescheidenen Mittel ihm damals zur Verfügung standen. Er stellte fest: Der Torso war eindeutig Cora Turner Crippen.

Scottland Yard verteilte Tausende von Fahndungsplakaten.

Bald hatte Dews die Spur aufgenommen. Dews ahnte, dass sich Crippen wahrscheinlich

nach Kanada absetzen wollte. Britische Agenten wollten zwei Personen gesehen haben, die an Bord der SS Montrose gegangen waren. Sie hätten unsicher und gehetzt gewirkt. Dews ahnte Fürchterliches.

Der Mörder könnte entkommen! Sobald er Kanadischen Grund betreten hatte, war es vorbei. Die SS Montrose aber verfügte über die neueste Kommunikationstechnik. Sie hatte nämlich einen Telegrafen an Bord. Dews telegrafierte:

"Vielleicht gesuchter Mörder Crippen an Bord, wahrscheinlich unter falschem Namen als Vater und Sohn." Der Kapitän Kendall war ebenfalls ein

aufmerksamer Beobachter und er telegrafierte zurück.

Zwei verdächtige Passagiere an Bord, als Vater und Sohn eingecheckt. Sie verhalten sich aber eher als Liebespaar.

Das genügte Dews. Er raste zum Londoner Hafen. Welches ist das schnellste Schiff? Es war die Laurentic der White-Star-Line mit Kurs Liverpool–Quebec–Montreal. Sie hatte 11.000 Ps und brachte es auf 16 Knoten Geschwindigkeit. Dews konnte Crippen vielleicht noch vor Kanada abfangen.

Die Laurentic machte volle Fahrt. Man kann sich vorstellen, wie Dews fieberte.

Die SS Monrose hatte keine Veranlassung mit voller Kraft 12 Knoten zu laufen. Es war as usual angesagt, keine Hektik.

Dews fieberte. Mit den 16 Knoten der Laurentic konnte er vielleicht in den verbleibenden 3 Tagen Fahrt Crippen doch noch Ankunft dingfest machen. Die Presse stürzte sich natürlich auf dieses „Wettrennen“. Das Schiff wurde tatsächlich eingeholt und von dem Polizisten gekapert.

Tatsächlich gelang es Dews Crippen noch an Bord der SS Montrose fest zu nehmen. Ob er als Lotse verkleidet auf das Schiff gelangt war, dürfte ein Presseschmankerl sein, jedenfalls wurde Crippen und sein „Sohn“ vor Betreten Kanadas verhaftet und zurück nach England

gebracht.


Es war das erste Mal, dass die Telegrafentechnik zu einer rechtzeitigen Verhaftung geführt hatte.

Verhandlung und Tod

Nun wollen wir mal zusammen fassen, was die Detektive, vor allem aber der sensationelle Sir Bernard Spilbury heraus gefunden hatten. Viel hatte Spilbury nicht zur Verfügung gehabt. Ein paar Hautfetzen, Haare und Teile von Organen, dazu ein Pyjamaoberteil. Der Torso hatte eine abdominale Narbe, welche der von Cora entsprochen hätte. Das Geschlecht des Torsos hatte nicht ermittelt werden können.

Dagegen war Spilbury der Nachweis von Hyoscin in der Gewebeprobe gelungen. Crippen hatte in seiner Apotheke ein paar

Tage vor dem Verschwinden Coras eine beträchtliche Menge dieses Alkaloids besorgt. Das Kellerbegräbnis hätte zu einem Zeitpunkt statt gefunden, das dem vermutlichen Tatzeitpunkt entspräche. Schon am Tag danach, also am 01. Februar hätte Crippen bereits wertvollere Teile des Schmucks von Cora verpfändet.

Dazu kam Crippens Verhalten: Seine Liebesbeziehung, das Geld, über das noch Cora Verfügungsgewalt gehabt hatte, Neves Vereinnahmung von Coras Besitztümer, seine Flucht, die Verkleidung, sprachen gegen ihn. Außerdem hatte er an Bord der SS Montrose noch geflüstert: „Endlich vorbei.“

Am letzten, am 5. Prozesstag, da klopfte die Anklage den letzten Sargnagel ein. Sie präsentierte eine Pyjamahose und ebenso ein passendes Stoffstück einer Schlafanzugjacke, die dasselbe Muster aufwies und bei der Leiche gefunden worden war. mit diesen Indizien schien der Mord gewiss. Nach 27 Minuten waren sich die Geschworenen einig: Schuldig! Crippen wurde zum Tode verurteilt.


Der Herr Doktor versuchte nachträglich noch Tatsachen zu zerstreuen. Er hätte noch Briefe von Cora erhalten.


Reichlich mysteriöse Ausreden.

Ebenso wurde folglich ein Gnadengesuch von Chuchill abgelehnt.

Am 23 November 1910, wurde Crippen um 9:20 Uhr im Pentonville Prison in London gehängt. Er war 48 Jahre alt.

Er hatte den Mord bis zuletzt nicht gestanden.


Ethel Le Neve wurde ein eigener Prozess gemacht. Sie wurde frei gesprochen.


Sie wanderte nach Toronto aus, kehrte aber später nach England zurück, nämlich nach Croyton und unter andrem Namen. Geheiratet hatte sie einen gewissen Stanley Smith mit dem sie mehrere Kinder hatte.

Ihren Namen hatte sie schon vorher in Ethel

Harvey. (der zweite Vorname von Crippen!) umgeändert. Sie starb 84 jährig im Jahr 1967.

Die Tat

So sah es die Anklage.


Crippen geriet nach dem Weggang der Gäste mit Cora in Streit. Es dürfte um das Übliche gegangen sein. Sie, betrunken, wirft ihm Alles an den Kopf. Er wäre nicht einmal in der Lage ihre Karriere zu fördern. Sie müssten in einem Drecknest hausen. Er wäre ein grässlicher, langweiliger, alter Ziegenbart, spießig und Kultur-fremd. Das hätte er doch an dem Abend bewiesen (ihre Theaterfreunde waren gegangen). Außerdem wäre er im Bett ein Versager. Dabei muss Cora noch einiges getankt haben. Crippen sah, wie dann das

Scopolamin wirkte.


Die Bewusstlose müsste er dann in den Keller zu dem vorbereiteten Aushub gebracht haben. Dann musste es an die Metzgerei gegangensein. Der Kopf musste weg. Schon damals gab es Zahnanalysen. Dann natürlich das Becken. Als Mediziner wusste er, dass eine weibliche Gestalt am Becken erkannt worden wäre.


Hatte sie bei dem Gemetzel das Oberteil des Pyjamas an?

Beim Zersäbeln und dem vielen Blut ist ihm ein Stofffetzen entgangen? Möglich.

Das Oberteil wurde entfernt, der Kopf, das Becken extra entsorgt. Warum nicht gleich in

die Mülltonne?

Die Finger wurden zertrümmert und die zarten Knochenreste der Hände eingesammelt. Kann sein, dass sie einfach eine kleine Ergänzung zum Brennholz im Kamin gefunden haben. Übrig blieben Arme und Kopf. Angeblich hatte Crippen eine Ausflugsfahrt auf dem Fluss gebucht. Mit einer größeren Tasche könnte er die Reste versenkt haben. Die Flussfahrt wurde ihm nachgewiesen. Jedenfalls wurde der restliche Torso luftdicht verschlossen und schließlich unter dem Fußboden eingemauert.

Wenn es so gewesen wäre, musste Crippen die Sache geplant haben. Zumindest wusste er, dass ein Leichnam nach einer Weile zu

stinken anfängt. Als Mediziner hatte er alles getan, um den Leichnam zu entsorgen. Intelligent genug war er, dass er die Flucht vorbereiten musste. Und wenn für den ollen Spießer etwas an Gewinn übrig blieb, dann war es das Konto von Clara und ihre Habseligkeiten. Das Konto hatte er geplündert. Es war von ihren Liebhabern stets gefüllt worden. Und mit dem Rest, nämlich ihrer aufgemotzten Kleidung und dem Schmuck konnte er seine Liebste erfreuen. Die teuersten, wirklich wertvollen Stücke, hatte er zu Geld gemacht.

Erst einmal abhauen nach Kanada und ohne Auslieferungsängste den Rest des Lebens mit der knackigen Kleinen verbringen, so war

es gedacht. Soweit die Anklage und schließlich auch das Urteil. Inwiefern ist es glaubhaft?

Dass die Kleine plötzlich in den Kleidern von Clara geprotzt hat, kann nur zweierlei bedeuten.

Entweder Crippen lächelte: „Die Alte kommt nicht wieder“, oder sie hatte sehr viel mehr mit diesem Mord zu tun. Vielleicht hatte sie selbst auch noch den sogenannte Liebhaber aus dem Weg geräumt, weil er ihr alkoholdunsen und überkandidelt auf die Nerven ging. Wer war dann aber der weibliche Überrest im Keller?


Und war das Fremd-Gehen ein Auslöser?

Alle Umstände sehen für mich so aus, dass Crippen das Ableben von Cora schon länger vorausgeplant hatte. Damit wäre endlich Ruhe, endlich Schluss mit dem alkoholisierten Gemecker, endlich Schluss damit, dass sie ihm ständig Hörner aufsetzte und das Geld aus der Tasche zog, das sowieso nicht mehr so dicke war. Sie hatte ihre eigene Penunse allerdings ganz gut gehortet. Außerdem winkte endlich Freiheit mit seiner Geliebten.

Der klassische, brutale Mord samt Motiv steht für uns klar vor Augen..

Er hatte halt Fehler gemacht. Wer hätte gedacht, dass an der Pyjamajacke, die er dem Opfer herunter riss,

noch ein Fetzen übrig geblieben war?


Wer hätte gedacht, dass Cora noch identifiziert werden könnte, trotz aller Vorsichtsmaßnahmen?


Die kontrollierte Vertuschung der Beweismittel würde ich heutzutage als Schuldindiz werten.


Als Mediziner hatte er wohl gehofft, dass die Identifizierung unmöglich sei. So wäre er im schlimmsten Fall angeklagt, aber nicht verurteilt worden.

Schließlich war er aber doch verunsichert, was die Anklage betraf. Und so leitete er vorsichtshalber seine Flucht ein.

Neuere Untersuchung

Wie bei allen Sensationsverbrechen üblich, tauchten diverse Zweifel auf. Crippen war, wie sie gelesen haben, eigentlich ein recht intelligenter, etwas spießiger Mann. Dr. Crippen ist also so verblödet, noch dazu in einer ihm bekannten Apotheke, eine umfangreiche Menge Scopolamin (Hyoscin Derivat) zu bestellen, bevor er die Trinkerin Cora killt?

Wäre es nicht sinnvoller gewesen in einem ganz anderen Teil der Stadt sich die Droge zu verschaffen? Dass er immer freundlich und höflich war, mag

dagegen noch nichts heißen.

Aber was ist, wenn der Leichentorso schon vorher im Hauskeller eingebuddelt worden ist? Das behauptete zumindest die Verteidigung.

Die Crippens hatten das Haus erst 1905 Jahren bezogen.

So genau konnten die Mediziner damals den Todeszeitpunkt einer luftdicht verschlossenen Leiche nicht bestimmen! Außerdem konnte nicht einmal das Geschlecht festgestellt werden. Dagegen sprach die Narbe. Dass sie mit Coras Vernarbung identisch war, das aber beruhte bloß auf Vermutung, Hörensagen! Gewisse Ähnlichkeit wurde nur durch die

Aussage von Kate Williams bestätigt, also nur von der Rampensau Vulkana, die den „Versager“ sowieso nie leiden konnte.

Narbenvergleiche ließen eine Schlussflogerung durchaus zu, aber unter heutigen Aspekten war es etwas vage.


Verheerend aber und ausschlaggebend am 5. Verhandlungstag, war die Sache mit dem Fetzen des Pyjamaoberteils. Das Material wurde bestimmt nicht vor 1908 hergestellt. Das Haus wurde aber schon 1905 bezogen. Crippen sagte aus, dass er diese, mehrere Pyjamas, angeblich schon 1906 gekauft hätte.

Wir wissen von Dews, dass er sein Leben

lang frustriert war , dass er „Jack the Ripper“ nicht hatte fassen können. Diesmal sollte ihm das nicht noch einmal passieren.

Könnte „Jemand“ nachgeholfen haben? Zu deutsch den Fetzen drappiert haben?

Das Oberteil im Schrank war nämlich verschwunden.

Und genau aus diesem Oberteil soll der Stofffetzen stammen?

Und das bei einer Leiche, in einem Grab, das der Täter spurlos gestalten wollte? Crippen wäre also beim Einbuddeln so nachlässig gewesen auf Stoffreste nicht Rücksicht zu nehmen, während er vorher in blutiger Schlacht die Leiche zerteilt hatte? So schlau war er immerhin gewesen, sämtliche Blutspuren zu beseitigen. Es muss, so sich

der Mord darstellt, eine ziemliche Arbeit gewesen sein. Und selbst wenn er nachlässig gewesen wäre, als er den Torso ins Loch versenkte, da ist kaum anzunehmen, dass ein so blumiges, schönes Stoffteil übersehen worden wäre. Wenn, dann müsste es bei der Vergrabung sehr hektisch abgelaufen sein.

Zwischen Flucht und Tat standen aber immerhin zwei Monate. Es war also nicht nötig sich bei der Entsorgung zu beeilen. Außerdem war er wohl so umsichtig gewesen Coras Kopf extra zu "entsorgen". 2007 waren Wissenschaftler bereit den alten Fall nochmals zu überprüfen (wohlgemerkt im Auftrag der Nachkommen von Dr. Crippen) Mit neuester DNS Technik wurde der Torso

erneut untersucht und mit Nachkommen von Cora verglichen.

Nicht nur, dass unzureichende, genetische Ähnlichkeit festgestellt wurde, der Torso wies angeblich auch das Y-Chromosom auf Hoppla! Ein Mann?


Das kann bei Frauenüberresten einfach nicht möglich sein! Dagegen wird argumentiert, dass nicht genügend Verwandschaftsverhältnisse klar wären. Und überhaupt, der Auftragsgeber sei an entsprechendem Ergebnis interessiert gewesen. Außerden wäre die Probe bereits "verschmutzt" worden.

Einige weitere Dinge bleiben zusätzlich nach wie vor im Dunkeln.

Wo blieb denn der Rest des Körpers? Angeblich wurden irgendwelche Reste im Kamin gefunden. Warum kein Wort darüber im Prozess? Die Vermutung, dass Crippen die anderen Reste in Säure aufgelöst hätte, würde vielleicht zur Zerstückelung passen.

Wenn einer schon das Schlachterbeil schwingt, dann kommt es ihm auf den aufgelösten Schweinekram auch nicht mehr an. Aber warum dann nicht alles Auflösen und in einem Fluss „entsorgen“?

Die Psychologie weist darauf hin, dass ein Giftmörder immer davor zurück schreckt dem Leichnam dann auch noch das Zerhacken

angedeihen zu lassen.

Und warum sollte Crippen den Körper so verstümmeln, wenn er vorher eine eindeutige Spur mit dem Gift gelegt hatte?

Überhaupt, es könnte auch sein, dass in geringen Dosen Crippen seiner trunkenen Frau die Nymphonamie austreiben wollte. Scopolamin in kleinen Dosen war damals ein ganz übliches, probantes Mittel.

Aber die RNS - Analyse läßt aufhorchen. Eine weitere Leiche?

Handelt es sich sogar bei Crippen um einen kaltblütigen Serienmörer?

Ich will mir kein Urteil darüber erlauben, aber es ist immerhin möglich, dass Crippen schlussendlich mehrfacht ausgerastet ist.

Wenn das auch ein wenig der sensationslüstigen, damaligen Presse entsprang, ganz auszuschließen ist es nicht. Im weiteren Umkreis waren derzeit mehrere Frauen und Männer spurlos verschwunden.


Crippen selbst aber bekannte sich nie schuldig. Selbst als er dem Henker ins Auge sehen musste, hatte er Ethel als letzten Willen noch zu sich bestellt.


Sie war tatsächlich angereist (von Kanada), um ihn ein letztes Mal zu sehen.


Er habe ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen gehabt, als ihm der Henker die Kaputze übergestülpt hatte.

Vielleicht empfand er sein Ende doch als Erlösung.

Wir wissen es nicht.


Ich perönlich glaube, dass Sie, die schmissige Ethel, die treibende Kraft gewesen war, dass Sie die Leiche verstümmeln ließ und er nur der Vollstrecker war.

Nach dem Motto: Wir wollen für immer zusammen sein. Die Trinkerin ist doch zu nichts zu gebrauchen. Sie wird nie bekannt. Sie nutzt Dich nur aus!

Der Ziegenbart hatte sich einfach verliebt, mit all den grausamen Konsequenzen.

Schluss

Sollte man den verschiedenen Mysterien nachgehen, so hätte Crippen bei seiner Verhaftung dem Kapitän Kendall angeblich zugerufen haben:

„Für diesen Verrat werden Sie noch bezahlen!“.

Kendall hatte vier Jahre später, 1914 die Empress of Ireland übernommen. Im Sant-Lorenz-Strom, nahezu an der gleichen Stelle, an der Crippen verhaftet worden war, sank sie nach einer Schiffskollision.

Kapitän Kendall überlebte und starb 1965. Inspector Walter Dew war nun hoch angesehen und bekam damals den Ehrentitel

„Confidential Agent“. Er starb 1946. Seinen Bungalow benannte man 2005 in “Dew Cottage” um. Das Haus, das seit seiner Hinrichtung das „Crippen House“ benannt wurde und eine Attraktion in ganz England war, wurde 1940 von den Deutschen bombardiert und vollkommen zerstört. Ende

0

Hörbuch

Über den Autor

welpenweste
Ich versuche mit guten Geschichten zu unterhalten.
Hoffentlich glückt es.
Ich bin Jahrgang 1958, in München geboren.
Seit meiner Kindheit schreibe ich, habe aber nie eine Profession daraus gemacht. Meine zarten Versuche mal eine meiner Geschichten bei einem Verlag zu veröffentlichen sind gescheitert.

Hier gibt es eine Auswahl von Kurzgeschichten aller Art. Sie sind in ihrer Kürze dem Internet und e-pub Medium angepasst.

Leser-Statistik
26

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
CHM3663 Das hast Du wieder fantastisch recherchiert, und ich habe mit Spannung und Begeisterung gelesen!
Die allerbesten Krimis sind bekanntlich die wahren Geschichten und genau so ist es auch hier.
Ich wußte bisher sehr wenig über Dr, Crippen und wünsche mir jetzt, auf der Grundlage Deiner Geschichte würde es eine neue Verfilmung geben! Die wäre garantiert ein Hit!
Ja, ja, und die Frauen... Die können schon so manchem zum Verhängnis werden...
Herzlichen Dank für die spannende, lehrreiche Unterhalung und
LG, Chrissie
Vor langer Zeit - Antworten
phoebe2210 Mir war der Fall "Dr. Crippen" nicht bekannt. Ich habe deine Erzählung gern gelesen; wenn die gefundene Leiche nicht Cora war, wo war sie dann? Warum hat sie sich nicht gemeldet? Ich denke, Dr. Crippen hat sein gerechtes Urteil erhalten. LG, Conny
Vor langer Zeit - Antworten
GertraudW 
Sehr spannend und anschaulich geschrieben - erinnert mich an die beiden Filme "Dr. Crippen an Bord" (1942, mit Rudolf Fernau und Rene Deltgen) und "Dr. Crippen lebt" (1958, mit Peter van Eyck), die ich in meiner Jugend gesehen habe.
Liebe Grüße an Dich und an "Moni mit den Super-Covers"
Gertraud
Vor langer Zeit - Antworten
welpenweste Liebe GertraudW,
ich kenne ebenfalls beide Filme. Die neuere DNA-Untersuchung hat mich stutzig gemacht. Deshalb wollte ich mal die Tatsachen zusammen ziehen. In solch einer komprimierten Form gibt es nichts vergleichbares auf dem Markt.
Moni hat wieder stolzgeschwellte Brust.
Wir wünschen Dir einen schönen 1.Advent!
Herzlich
Moni + Günter
Vor langer Zeit - Antworten
Zeige mehr Kommentare
10
4
0
Senden

121870
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung