Kurzgeschichte
Frittierte Scheiben menschlicher Existenz

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"Frittierte Scheiben menschlicher Existenz"
Veröffentlicht am 31. Oktober 2008, 6 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Frittierte Scheiben menschlicher Existenz

Frittierte Scheiben menschlicher Existenz

Frittierte Scheiben menschlicher Existenz


Sie brachen mich in der Mitte durch wie eine nasse Zigarette und zeigten mit ihren fettbeschmierten Fingern auf mich. Sie steckten mich in diese kotzgrüne Uniform und zwangen mich gemahlene Wurmscheiße mit Zwiebeln und Speck zu Burgern zu formen. Ich habe ganze Hühnerställe in kochendem Fett ertränkt. Ich würzte ganze Schweinerotten, damit „leckere“ Burger aus ihnen werden konnten. Ich zog mir diese alberne Uniform an, tapezierte meine ganze Seele in diesem kotzefarbenen Grün und tanzte auf Bestellung. Doch nun wasche ich kein Geschirr, seziere keine Tierleichen und tanze nicht mehr.


Nun stehe ich hier, ein Bier in meiner Hand, und mein Gehirn fühlt sich an wie Trockeneis. Ich verstehe nicht was passiert ist. Ein Silberstreif der Erkenntnis lauert irgendwo hinter meinem geistigen Horizont. Schemenhaft und ganz weit weg. Mehr ist da nicht.

 Ich habe die letzten vier Tage in einem Park verbracht und mir einen Unterschlumpf mit einer alternden Straßenhure geteilt. Nun teile ich wohl auch meine Geschlechtskrankheiten mit ihr.

 Während wir Sex hatten, hatte ich die meiste Zeit über die Luft angehalten, damit ich mich nicht übergeben musste. Ich war mit einer gedämpften Explosion in ihr gekommen und hatte mich dann anschließend übergeben. Sie hatte einfach nur weitergetrunken und gelacht, bis sie husten musste.

 Das Ordnungsamt hatte später versucht uns aus dem Park zu schmeißen, doch wir konnten ihnen entkommen und hielten uns versteckt bis zum nächsten Morgen.


Den Tag verbrachte ich vor dem Burgerladen und schnorrte Kleingeld, Zigaretten und Essensreste. Ich wollte, dass sie mich alle sehen. Diese fettglänzenden Hautsäcke voller Knochen und Scheiße. Diese klugscheißerischen Studentenaushilfen. Diese Pommes machenden Leichen, die krampfhaft ihr fettiges Stückchen des Kuchens umklammerten.

 Ich sah Franz, den Filialleiter, diese unförmige, groteske Tiervernichtungsmaschine. Ich hatte mal von ihm geträumt. Ich war mit ihm alleine in der Spätschicht und wollte gerade das Friteusenfett wechseln, als er neben mich trat, mir zunickte und anfing das fest gewordene Fett mit den bloßen Händen aus dem Kasten zu fischen und sich zwischen die unförmigen Lippen zu stecken. Als er damit fertig war, kam er auf mich zu, während ihm die milchigen Fettklumpen vom Kinn tropften und kein Zweifel daran bestand, dass er nun mich verschlingen wollte. Dann war ich aufgewacht.


Sie warfen immer wieder verstohlene Blicke zu mir nach draußen, wahrscheinlich hätten sie lieber direkt mit Steinen nach mir geworfen. Es war offensichtlich, dass sie darauf warteten, dass ich irgendetwas tun würde, damit sie endlich die Polizei rufen und mich vom Platz jagen konnten. Sie hatten Angst vor mir, sogar die fette Qualle. Das gefiel mir. Sogar ich hatte nach meinem Abgang letzte Woche, ein wenig Angst vor mir gehabt.

 Der Zirkus war nun endlich vorbei. Die Karussellpferde waren aus ihren Verankerungen ausgebrochen und das Zirkuszelt stand in Flammen.


Ich beobachtete sie, während sie den Laden betrat. Die grüne Uniform passte außerordentlich zu ihrer fleckigen und verlebten Haut. Ich hatte die Zeit so abgepasst, dass der Dicke noch nicht da war und ich hatte ihr genau erklärt was sie zu sagen hatte.

 Es schien zu funktionieren, denn kurz nachdem sie den Laden betreten hatte um sich als neue Mitarbeiterin vorzustellen, verschwand sie mit Frank in der Küche. Um angelernt zu werden, vermute ich, vielleicht auch um ihm für 5 Euro einen runterzuholen, während er sich am Geruch des vergammelten Hackfleisches aufgeilte.

 Es lief besser als erwartet und für die paar Euros, die ich meiner Parkkameradin gegeben hatte, lieferte sie mir eine ganz schön heiße Show.

 Ihr Kittel, der eigentlich mein Kittel gewesen war, hatte im Frittierfett Feuer gefangen. Sie kam aus dem Laden gestürzt wie eine menschliche Fackel. Sie schrie nicht, sondern gab nur ein seltsames tiefes Brummen von sich, dass wahrscheinlich sämtliche Hunde in der näheren Umgebung aufschreckte. Flehend hielt sie ihre zerstochenen Arme in die Luft, während der Kittel mit ihrer Haut zu verschmelzen schien. Dann sackte sie zusammen und starb.


Ich stand einfach nur da und sah ihr beim Sterben zu. Ein zu einer Plastikstatue verkommenes Nichts, schwarzes Konfetti um mich wehend. Verwundet, einen grauen Schleier, genannt Leben, ausatmend. Beobachtend, abwartend, sterbend...


ENDE

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zellhaufen

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