Krimis & Thriller
Kain und Abel 2.0 - Ein Geheimnis das in der Tundra liegt

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"Kain und Abel 2.0 - Ein Geheimnis das in der Tundra liegt"
Veröffentlicht am 12. November 2014, 16 Seiten
Kategorie Krimis & Thriller
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Kain und Abel 2.0 - Ein Geheimnis das in der Tundra liegt

Kain und Abel 2.0 - Ein Geheimnis das in der Tundra liegt

Ein Geheimnis das in der Tundra liegt

Yuri und Wladimir Polanski. Zwar trennte sie gerade mal eine Stunde alterstechnisch von einander, doch unterschiedlicher hätten zwei Brüder nicht sein können.

Während der Jüngere, Yuri mit seinem kleinen bescheidenem Leben voll und ganz zufrieden zu sein schien, dürstete es seinen älteren Bruder Wladimir nach Abenteuern in den Tiefen der Tundra. Er war eben Jaeger mit Leib und Seele und seine zwei Soehne, Sergej und Pawlov mit ihren gerade mal acht und zehn Jahren eiferten dem fleichhungrigen Papa nach. Nicht dass Yuri verweichlicht

wäre, denn so konnte man keinen der hier mitten in Russland lebte, bezeichnen. Doch statt wilde Bärenjagden zu veranstalten, arbeitete er lieber in seinem kleinen Gemüseladen, den er mit seiner jungen Frau Malina beherbergte. Ganz besonders jetzt, wo sie ihr erstes Kind erwarteten, wollte Yuri sich keiner unnötigen Gefahr aussetzen, seiner Frau und dem Kleinen zuliebe.

Nun war ein Freitagabend wie man ihn in ihrem Heimatdorf kannte, noch nie hatten die Brüder ihr Mutterland verlassen und auch hatten sie es nie nötig gehabt, geschweige denn den Drang dazu verspürt. Hier hatten sie,

wenn auch wenig und mit viel harter Arbeit verbunden, alles was sie brauchten und alles darüber hinaus, war in den Tiefen der Wälder. Sie waren keine gebildeten Leute, die meisten hatten nie ein Buch in den Händen gehalten außer der Bibel und gelesen wurde diese bei Katholiken ja nicht, das tat nur der in Schwarz gehüllte Priester dem man blind vertraute.

Wladimir schenkte sich ein Glas Vodka nach und leere es in einem Zug. Seine blau-grünen Augen glänzten fiebrig als er, deutlich angetrunken, seinem jüngerem Bruder mit dem Zeigefinger auf die Brust tippte.

-Yuri, sis scho lange her, dass wa samm

jagen warn.

Lallte er.

An dieser Stelle, hätte der Jüngere gewöhnlicherweise Nein sagen müssen, doch eigenartiger weise, überfiel ihn eine gewisse Mattigkeit. Gut möglich, es war der Alkohol, doch anderseits glaubte er, die Einladung seines Bruders annehmen zu müssen. Yuri nickte nur stumm, während es ihn innerlich zerriss. Er hatte es schon immer gehasst, er hasste die Jagd, das Töten und ganz besonders ekelte er sich vor Fleisch. Seit Jahren schon war er heimlicher Vegetarier, soweit man das als heimlich bezeichnen konnte, Wladimir war wohl der einzige dem es entging, oder

vielleicht wollte es dieser überhaupt nicht wissen.

Sie fuhren einen schmalen Pfad Richtung der Wälder  hinauf, während der kalte Wind, durch die offenen Fensterscheiben des Pickups, in ihre Gesichter peitschte und die Promille im Blut wegzufegen schien. Nur zwanzig Kilometer von ihnen entfernt, sollte die Waldhütte stehen, wo sie vor langer Zeit, als Yuri noch mit zur Jagd ging mit seinem älteren Bruder die Nächte verbrachte. Es war ein ganz einfaches Ding, ein Raum, ein Fenster, ein Bett und Tisch mit zwei Stühlen, doch hatte das, etwas auf Yuri abstoßend wirkendes, wenn er, vor der  Hütte stehend, den Blick auf das über

der Tür montiertes Hirschgeweih richtete.

Nervös tippte er mit den Fingern auf seinem Knie, wenn er sich daran erinnerte, wollte er am liebsten gleich kehrt machen und nach Hause rennen, zu Malina und dem ungeborenem Baby, doch war er wie erstarrt, brachte einfach nicht den Mut auf, seine Worte zurück zu nehmen. Yuri wollte und konnte Wladimir nicht wieder enttäuschen. Er wusste, dass er es seinem Bruder schuldete, etwas tief in seinem Unterbewusstsein schrie seine Schuld hinaus, nur konnte er diese nicht benennen. Es war, als wäre es tief in seinem Inneren vergraben, etwas, das

ihm eine Last auftrug, die er nicht mehr imstande war, auf seinen Schultern zu balancieren.

Mit einem Mal riss ein physikalisch spürbarer Ruck, Yuri in die Wirklichkeit zurück, der kleine Transporter stand still. Verwirrt sah er zum Fahrer.

-Stimmt was nicht?

Wladimir schnaubte kurz und schlug abrupt mit der Hand aufs Lenkrad, der Laut der Hupe ertönte in einem schallenden Echo, als wolle er die dicht stehenden Bäume verschrecken. Die Nacht brach bereits ein und eine beengende Finsternis ergoss sich über der Tundra. Yuri verstand, sie saßen tief in der Patsche. Fast konnte er spueren,

wie er blasser und blasser wurde, während er über die Konsequenzen seines Leichtsinns nachdachte und alle übelsten Szenarien in seinem Kopf abspielte.

-Was jetzt?

Seine Stimme hörte sich fremd und eigenartig an, jedenfalls kam es ihm so vor, doch sein älterer Bruder zuckte nur die Schultern und antwortete:

-Jetzt können wir nichts tun. Wir müssen bis morgen warten.

Der Gemüseverkäufer biss sich auf die Lippe, blieb aber stumm. Ihm lagen so viele Fragen auf der Zunge, ein Chaos der Supernova gleichend, spielte sich in seinem Gehirn ab und hinderte ihn an Bildung sinnvoller Sätze. Da hörte der

Gedankenansturm plötzlich auf, wieder dieselbe alte Stimme, die ihn zurück in die Realität holte, Wladimir hatte die Arme hinter seinem Kopf verschränkt, den Blick in eine unbekannte Ferne gerichtet.

-Hier in der Tundra herrscht das Gesetz des Stärkeren. Es heißt töten, oder getötet werden. So etwas wie Vegetarier existiert nicht, es ist Verleumdung, Verleumdung deiner wahren Natur gegenüber.

Yuri blinzelte mehrmals ehe er begriff, was er da eben gehört hatte.

-Du weißt davon?

Der Ältere zuckte mit den Schultern.

-Nun, es ist mir jedenfalls nicht

entgangen. Eigentlich ist es mir ja egal, aber...

-Aber was?

Hackte der Jüngere nach, doch sein Bruder lächelte geheimnisvoll und richtete den Blick wieder seiner Seitenscheibe zu. Yueri schluckte schwer, er hatte ein ungutes Gefühl. Wenn er doch nur auf diese eine fehlende Erinnerung zurückgreifen könnte, die zu all den Ursprüngen führte, zu seiner Angst vor dem Wald, der Vorsicht Wladimir gegenüber. Hatte er schon immer vor seinem Bruder den Kürzeren gezogen? Wann hatte es angefangen? Aufgefallen war es ihm erst, als er seine große Liebe Katjanka

für den Älteren aufgab.

Nun saßen beide in einem kleinen Auto, tief in den Wäldern Russlands unter der dichten Finsternis begraben, Yuris Herz nahm ohne scheinbare Gründe immer mehr  Tempo an. Er verschluckte sich an seiner Spucke, als die dröhnende Stimme wieder ertönte.

-Im Auto sind wir sicher, lass uns schlafen, morgen ist ein langer Tag.

Der Jüngere stimmte zu, doch eine innere Stimme, ein Instinkt schien ihn wach zuhalten, während er seine übermüdeten Augen zusammenkniff.

Ich weiß nicht warum, aber ich darf nicht schlafen.

Erinnerungsfetzen schlossen wie kleine

Blitze in seinem Gehirn umher, wie kleine Nadeln bohrten sie sich immer tiefer in sein Bewusstsein ein und er wollte schreien, wenn er nur konnte.

Es waren Erinnerungen aus längst vergangenen Tagen, vor gut fast dreißig Jahren, als ihr Vater noch lebte und die Jagd liebte und ebenso Wladimir. Yuri war damals wie sein Zwillingsbruder dreizehn Jahre alt und sehr eifersüchtig auf den Erstgeborenen.

Wladimir war größer, stärker, schlauer und geschickter bei der Jagd, Vater vergötterte ihn für diese Eigenschaften, während Yuri nichts derartiges besaß.

In seiner Wut und Raserei hatte er zum Gewehr gegriffen und dann... und dann?

Ein heftiger Schmerz hatte seine leicht ergrauten Schläfen durchzogen. Er musste sich erinnern, er musste es.

Ein Schuss.

In Yuris Hals schien ein Kloß festzustecken, so sehr er sich bemühte, er konnte ihn nicht hinunterschlucken. Vorsichtig ließ er den Blick zur Seite wandern, Wladimir saß da, als ob nichts gewesen wäre.

-Du existierst nicht...

Die Stimme des Jüngeren war matt und monoton. Er blickte nun ganz in das Profil seines Bruders. Dieser schien zu lächeln und langsam, ganz langsam wandte er nun sein Gesicht Yuri zu, über seinem linkem Auge klaffte eine riesige

Wunde, aus der alten Schrotflinte Vaters geschossen.

Yuri zuckte, kniff die Augen zusammen und schrie:

-DU EXISTIERST NICHT!!!

Als er seine Augen wieder öffnete, war Wladimirs Hand direkt vor seinem Gesicht, fast schon berührte sie seine Wange.

-Du bist es, der nicht existiert.

Sagte er ganz leise, flüsterte es fast.

Der Schuss. Er hatte die Flinte schon in der Hand und das Ziel im Visier, da blickte sein begehrtes Jagdobjekt Wladimir, ihm tief in die Augen. Yuris Blick wanderte zur Hand seines Rivalen. Eine Flinte?

Der Schuss schien ewig nachzuhallen, verlor sich im Echo ganz und gar wie in einem ewigen Tanz. Es war als stünde die Zeit still, der Jüngere blickte langsam, wie in Zeitlupe an sich hinunter und dann begriff er.

Die Sonne stand im Morgenrot, Wladimir fuhr den üblichen Weg zur Waldkate hinauf, ein Lächeln und eine Melodie lagen auf seinen Lippen. Ja, er hatte ein Geheimnis. Doch die Weite der Tundra versiegelte es für immer.

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Reila88

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