HOTTE ORDNET SICH DIE WELT
Horst „Hotte“ Drews hatte in den 56 Jahren die er nun auf dieser Erde weilte eine recht simple, dennoch höchst effiziente Methode entwickelt, um die Menschen dessen Bekanntschaft er gemacht hatte zu kategorisieren. Und dem Himmel sei Dank, er hielt sich damit nicht an diese dummen rassistischen und widerwärtigen nationalistischen Ideologien die man
häufig bei Mitmenschen antrifft die sehr oft die Schule schwänzten, Umgang mit Zeitgenossen pflegten die höchst manipulativ zuwege gingen, oder schlichtweg bescheuert sind.
Nein, auf so perfide Denkungsarten fiel der Hotte nicht herein. Höchstwahrscheinlich war ihm solch Denken auch einfach nur zu kompliziert. Denn Hotte war ein entschiedener Anhänger der schlichten Mentalität und ein kämpferischer Verfechter der ungeschminkten Artikulation. Und wenn man einmal einen Menschen mit vermuteten wahrheitsliebenden Neigungen hinsichtlich der Wortwahl in oder außerhalb der Öffentlichkeit des
Herrn Drews nach seiner Meinung fragen sollte, so würde dieser mit Sicherheit ein katastrophales Zeugnis ablegen.
So verwundert es wenig wenn man die Antwort hört auf die Frage was Hotte denn so von seinen Mitmenschen hält.
„Arschlöcher“ wird er sagen.
Dank seiner erstaunlichen, kaum bei ihm erwarteten Eloquenz und seinem wohl bekannten Sprachschatz verursachte diese Aussage nur schwaches Erstaunen bei all denen die dieses abschließende Urteil vernahmen. Und sollte sich einmal jemand erdreisten Einspruch gegen diese Einstellung zu erheben - nur so aus dem tiefen Glauben an Fairness oder aus
purer Langeweile heraus - der wurde prompt eingereiht in die wachsende Gemeinde von… Na, Sie wissen schon.
Wirklich erstaunen wird auch nicht die Tatsache, dass diese Gemeinde von Tag zu Tag stetig anstieg. Ohne Ansehen von Rasse, Religion, Herkunft, Hautfarbe und Geschlecht, Amt oder Ansehen, schrieb Hotte Namen um Namen auf seine geistige Liste.
Natürlich gibt es auch Personen die nie und nimmer auf dieser Liste auftauchen. Da wäre seine Mutter zu nennen. Eine Frau bürgerlicher Herkunft und mit einem hochdosierten Sinn fürs Verwöhnen ihres einzigen Nachkommen. Sie rangierte ziemlich weit oben in seiner
Liste für „Nicht Arschlöcher.“
Hingegen Sein Vater zierte den dritten Platz auf seiner „Arschloch“ Liste - und es existieren unzählige Theorien über die Gründe der Platzierung auf besagter Liste. Dann wäre da noch seine Ehefrau. Eine Dame deren Namen bekannt, doch deren Person noch nie gesichtet wurde. Es besteht also ein gewisser Zweifel hinsichtlich dem letztmöglichen Beweis ihrer Existenz. Wir müssen uns hier auf die durchaus zweifelhaften Angaben des Herrn Drews verlassen. Dennoch glaube ich an das Vorhandensein dieser Dame, da Hotte ständig über sie spricht. Und
dies durchaus mit Respekt und einer guten Portion Angst. Sicher, wenn man
sich den Herrn Drews so anschaut ist es schwer vorstellbar das es einmal eine Frau gab, die mit ihm aus freien Stücken die Ehe einging. Die sich gar in ihn verliebt hatte, oder aus anderen unerfindlichen Gründen an ihm kleben blieb.
Natürlich stehe ich selber auf seiner „Arschloch Liste.“ Zwangsläufig. Denn ich arbeite für ihn. Da ist es nur natürlich, dass man auf seiner Liste landet. Allerdings rangiere ich recht weit unten. Ein Zeichen dafür, dass der Herr Drews eine gewisse Zufriedenheit gegenüber meinen Leistungen empfindet.
Was mich doch häufig in den Zustand des blanken Erstaunens versetzt und
mich die ernste Frage hinsichtlich der vollständigen geistigen Gesundheit meines Chefs stellen lässt. Denn wenn man sich völlig unvoreingenommen meine Leistungen betrachtet, muss man notgedrungen die Note Ausreichend vergeben. Und dieses Urteil basiert hauptsächlich auf meiner mangelhaften Einstellung gegenüber Pünktlichkeit, Fleiß und Ordnung.
Dennoch bin ich von unschätzbarem Wert für den Herrn Drews. Denn ich verfüge über brillante fachkundige Kenntnisse im weiten Feld der kreativen Problemlösungen. In diesem Fach darf ich mich ohne falsche Bescheidenheit als wahren Meister bezeichnen. Virtuos
und fulminant meistere ich alle Unebenheiten auf dem weiten steinigen Weg hin zur Zufriedenheit unserer Kunden. Berechtigterweise werden sie sich nun fragen was das denn für eine spannende Tätigkeit ist. Nun, wir selber bezeichnen uns als Regulatoren. Wir regulieren Märkte, wir erweitern Einflussbereiche, sorgen für Expansion. Indem wir dafür sorgen dass alteingesessene Geschäfte, Lokale, Bars ihre Räumlichkeiten räumen und ihre Tätigkeit einstellen. So schaffen wir Platz für neue Anbieter.
Meist handelt es sich bei unseren Auftraggebern um Umsatzstarke Konzerne. Kaffeehaus - Ketten, Billig -
Klamotten - Händler, Wettlokale, denen bei ihrer rigorosen Ausdehnung der traditionelle kleine Kaufmann an der Ecke im Wege steht. Der kleine Kaufmann reagiert negativ auf alle gut gemeinten Übernahmeangebote, zeigt sich hartnäckig kooperationsunwillig. Da engagiert man einfach uns. Und wir bereinigen diesen unbefriedigenden Zustand. Das ganze erfordert ein gewisses Maß an Einfühlungsvermögen, Skrupellosigkeit und auf ein Minimum abgesenktes Gewissen.
Nehmen wir einmal an das besagter Kaufmann ein Geschäft für Herrenoberbekleidung betreibt. Sein Angebot ist von erlesener Qualität,
Preisgünstig und Topaktuell. Er betreibt seinen Laden seit dreißig Jahren, stets zur vollkommenen Zufriedenheit seiner Kundschaft. So einer wird auf kein gut gemeintes finanzielles Angebot eingehen.
Da muss man eben kreativ werden.
Und das beherrschen wir mit ausgesuchter Raffinesse. Wir fälschen Gutscheine für sein Angebot und bringen sie zu tausenden unters Volk. Wir schreiben anonyme Leserbriefe an verschiedene Zeitungen die allesamt das exzentrische Liebesleben des Kaufmanns zum Thema haben. Wir erstatten unerkannt fingierte
Anzeigen bei Staatsanwaltschaft und
Finanzbehörden. Wir bedrohen unter falschem Namen seine Lieferanten. Wir schieben seiner Ehefrau einen erfundenen Liebhaber unter, und sorgen dafür dass er davon erfährt. Wir heuern eine Horde Obdachloser an, die wir einmal die Woche in sein Geschäft schicken um sich dort kostenlos und ungefragt einzukleiden. Wir ruinieren gründlich seinen Ruf, seine Lebensgrundlage und seine Zukunftschancen. Außerdem landete er unweigerlich auf Hotte ´s „Arschloch Liste.“
Erstaunlich schnell stehen die nun verwaisten Räumlichkeiten des entnervten Kaufmanns frei zur
Übernahme durch unseren Auftraggeber. Wir kassieren unseren wohlverdienten Lohn und die Welt dreht sich weiter wie zuvor.
Doch diese Arbeit hinterlässt zwangsläufig seine Spuren. Nicht das ich schlecht schlafe weil mein schlechtes Gewissen mich wach hält, oder das ich beichtend zu den frommen Brüdern renne. Nein. Ich habe ebenfalls damit angefangen solch eine Liste zu führen. Und jeder der mir über den Weg läuft wird zugeordnet. Mittlerweile liegt die Arschloch - Liste uneinholbar vorn.
Text: harryaltona/2014