Kurzgeschichte
Endlich Pflegefall - oder Träume sind Schäume

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"Endlich Pflegefall - oder Träume sind Schäume"
Veröffentlicht am 21. September 2014, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: vic&dd - Fotolia.com
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Endlich Pflegefall - oder Träume sind Schäume

Endlich Pflegefall - oder Träume sind Schäume

Es war es soweit. Sein Traum hatte sich erfüllt, er war jetzt offiziell ein Pflegefall. Er hatte hart dafür gekämpft. Gegen den Widerstand der Ärzte und der Familie. Er hatte sie alle ausgetrickst. Gesunde Ernährung und Bewegung, das waren seine Feinde. Er hatte es geschafft sich weniger als 50 Meter am Tag zu bewegen. Und er hatte es geschafft, sein ohnehin schon heftiges Übergewicht noch zu steigern. Eine Erklärung, warum seine Blutwerte trotz angeblich gesunder Ernährung und Bewegung immer schlechter wurden, hatte er nicht. Er stellte sich einfach dumm, mein Name ist Hase, ich weiß von nichts. Er spielte das unwissende

Opfer, obwohl er merkte, dass ihm das keiner abkaufte. Aber er hatte einen Plan. Einen, wie er fand, genialen Plan. Er würde den Leuten einfach sagen, was sie hören wollten. Allerdings ging sein Plan nicht auf. Die Menschen, die ihn kannten, wussten dass es einzig und alleine seine Schuld war, dass er zum Pflegefall wurde. Was er jetzt brauchte, waren Leute die ihn nicht kannten. Und wenn er ihnen seine Geschichte erzählte, würde er den Teil mit der eigenen Schuld einfach weglassen. In den so genannten Sozialen Netzwerken fand er, wonach er gesucht hatte. Dort kannte niemand die wahre Geschichte, dort konnte er sich bemitleiden lassen, dort

konnte er sich so darstellen, wie er sich selbst gerne sah. Er erschuf sich ein neues Leben, allerdings gab es dieses Leben nur im Internet. Anstatt sich den Dingen des realen Lebens zu stellen, träumte er lieber vor sich her. Er verweigerte die Realität, er lebte nur noch in seinen Träumen. Er war davon überzeugt, dass sich alle seine Träume erfüllen würden, er müsste nur fest genug daran glauben. Er lebte sein Leben einfach im Internet. Dort hatte er alles, was er brauchte. Vor allen Dingen Leute, die ihn bemitleideten. Diese Leute nannten sich Freunde, und er war fest davon überzeugt, dass es wirklich Freunde waren. Im realen Leben hatte er

keine Freunde, dass wollte er auf keinen Fall. Zu groß war die Gefahr, dass sie ihn durchschauten. Und bei einer Unterhaltung hätte er in Echtzeit antworten müssen, er hätte keine Zeit um sich eine Ausrede auszudenken. Er hatte es sich mit seinen ständigen Lügengeschichten schon mit der Familie verdorben, auch mit allen Bekannten. Aber was sollte er auch mit Leuten, die für ihn und sein selbstzerstörerisches Verhalten weder Mitleid noch Verständnis hatten.

70 Jahre hatte er sich bewegt, das war doch wirklich mehr als genug. Die knapp 50 Meter, die er sich am Tag bewegte, waren ihm schon zu viel. Er

träumte davon, sich gar nicht mehr zu bewegen. Und die Sache mit der gesunden Ernährung konnte er einfach nicht verstehen. 4 Packungen Butter, ein paar Kilo Hackfleisch und ein paar Kilo Speck in der Woche, was war denn daran bitte ungesund? Und so etwas wie der Cholesterinwert war ohnehin nur eine Erfindung der Ärzte. Außerdem gab es ja gegen alles eine Pille.

Sein Traum war ein schönes Zimmer in einem Pflegeheim. Dort müsste er sich nicht mehr bewegen, dort könnte er alles essen was er nur wollte. Alles was er dann noch bräuchte, wäre sein PC und ein Internetzugang. Er würde sich seinen Traum nicht zerstören lassen, weder von

der Familie, noch von den Ärzten. Er hatte viel zu hart dafür gekämpft. Nur noch ein paar Wochen, dann hatte er es geschafft.

Und dann kam der Tag, an dem gar nichts mehr ging. Er musste in ein Pflegeheim überwiesen werden. Alles was er sich je erträumt hatte, war jetzt greifbar nah. Er brauchte nur noch einen Internetzugang und sein Glück war perfekt. Jetzt saß er in seinem kleinen Zimmer und wartete auf die Pflegerin, die ihm sein Essen bringen sollte. Als sie endlich kam, stellte er die alles entscheidende Frage: Wo ist denn mein Internetanschluss? Die Pflegerin antwortete: Sie sind in einem

Pflegeheim, es gibt hier keinen Internetanschluss. Wovon träumen sie eigentlich?

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BlackKnight

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TaraMerveille Oh, dieses Problem sollte schnellstens behoben werden in deutschen Pflegeheimen. Eine schöne, gut lesbare Geschichte.
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Rehkitz Lach, eine nette Kurzgeschichte.
Mit lieben Grüßen Theresia
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