Kurzgeschichte
Wir haben uns nie gesehen

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"Sie brachte ihren Mann, ihre Schwester und ihre Kinder um und flüchtete"
Veröffentlicht am 20. September 2014, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Melinda Nagy - Fotolia.com
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Sie brachte ihren Mann, ihre Schwester und ihre Kinder um und flüchtete

Wir haben uns nie gesehen

Titel

„Erzählen sie mir ihre Geschichte. Warum haben sie ihren Mann, ihre Schwester und ihre Kinder ermordet?“ „Es ist vorbei, nicht wahr? Zweiunddreißig Jahre Angst. Vorbei. Sie wollen wissen, warum ich meine Kinder umgebracht habe? Weil ich nicht wollte, das sie ein leben lang zum Therapeuten gehen müssen. Deswegen. Ich hätte nie gedacht, das mein Mann und meine Schwester...“ Ihr kamen die Tränen. Die Erinnerungen übermannten sie. Kamen heftig über sie. All die Jahre hatte sie sie halbwegs verdrängen können. Aber

nun... „Ich bin eigentlich ganz froh, das sie mich gefunden haben. In letzter Zeit habe ich wiederkehrende Alpträume, die mich an meine Kinder erinnern. - Ihr Vater hatte sie ihrer Kindheit beraubt. Ich habe es nicht mitbekommen, weil ich damals viel arbeiten war. Dreizehn bis vierzehn Stunden am Tag. Wir hatten eine zeit lang drastischen Personalmangel. Das bedeutete für uns Überstunden. Wenn ich nach Hause kam, war ich völlig Knülle. Ging nur noch in mein Bett und schlief fast auf der Stelle ein. Ich hatte mich auf meinen Mann verlassen. Außerdem half meine Schwester mit. Zumindest glaubte ich es.

Bis ich eines Tages unerwartet früh Feierabend hatte. Ich erwischte sie dabei, wie sie meine Kinder sexuell missbrauchten. Sah die leeren Gesichter meiner Kinder, die es einfach über sich ergehen ließen. Die erschrockenen Gesichter meines Mannes und meiner Schwester, weil sie nicht mit mir gerechnet hatten. Ich sie mitten in ihrem Spiel erwischt hatte. Fassungslos starrte ich auf die Szene. Dann...Ich war nicht mehr Herr der Lage. Sah mich selbst von außerhalb. Beobachtete, wie ich in die Küche rannte und mir ein scharfes, langes Messer holte. Damit ging ich auf sie zu. Zuerst auf meinen Mann. Dann stach ich

auf meine Schwester ein. Als ich meine Kinder sah und mir allmählich bewusst wurde, was ich getan hatte und was die beiden ihnen angetan hatten, fasste ich den Entschluss und brachte sie bewusst um.“ „Und dann flüchteten sie.“ „Ja. Zu Fuß. Aber zuvor nahm ich die Identität meiner Schwester an. Es sollte so aussehen, als hätte jemand eine ganze Familie umgebracht. Vater, Mutter und Kinder. Ich wollte die Polizei auf eine falsche Fährte locken. Da meine Schwester und ich eineiige Zwillinge waren, sah ich eine reelle Chance, damit durchzukommen. Ich ging kreuz und quer durch die

Republik. Stets darauf bedacht, keine richtige Spur zu hinterlassen. Außerdem wusste ich nicht wohin. Da die meisten Grenzen abgeschafft wurden, war es ein Leichtes, das Land zu verlassen. Ich hielt mich mit kleineren Jobs über Wasser, bei denen der Lohn Bar ausgezahlt wurde. Bei jedem Arbeitgeber gab ich einen anderen Namen an. Manchmal wechselte ich auch meine Haarfarbe und die Frisur. Schminkte mich unkenntlich, damit ich immer wieder anders aussah und ich somit nicht gefunden werde. Mir war ja bewusst, das man irgendwann herausfinden würde, das es meine Schwester war, die da tot in meiner

Wohnung lag und nicht ich. - Fingerabdrücke. Trotz jeder Vorsicht haben sie mich nun doch noch gefunden. Nun werden sie mich bestimmt einsperren.“ Er dachte lange nach. Holte dann tief Luft und sagte: „Wir haben uns nie gesehen.“

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