Fantasy & Horror
Compositum

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"Und unendlich sind wir unzufrieden."
Veröffentlicht am 16. September 2014, 12 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Und unendlich sind wir unzufrieden.

Compositum

Prolog

Ein Mann, kaum älter als fünfundzwanzig Jahre, lief durch die Straßen Londons. An sich war nichts weiter auffällig an dieser Tatsache, wenngleich er auffallend gut aussah und sämtliche Frauen, die ihn zu Gesicht bekamen, sobald die Kapuze sich ein wenig lüftete, ihm noch hinterher sahen, wenn er an ihnen vorüber schritt. Sein Gang war elegant, trotzdessen kräftig - und aufgrund der Eile, mit der er einen Fuß vor den anderen setzte, spritzte der Matsch, bestehend aus angetautem Schnee und dem Dreck der Straßen von seinen Füßen weg, als wolle er fliehen. Es regnete und auch das war keinesfalls auffallend oder beunruhigend.

In London regnete es immer, das rief auch die graue,trostlose Masse am Boden hervor, die noch vor drei Stunden herrlich weißer Schnee gewesen war. Als jeder einzelne Tropfen des Regens sich jedoch mit anderen zusammenschloss, um ein Trommelkonzert auf den Dächern der nah beieinander stehenden Häuser, auszulösen, zog der Mann die schwarze Kapuze gänzlich widernatürlich herunter. Über sein Gesicht zog sich eine blasse Narbe. Entweder war diese sehr alt oder ein ausgesprochen guter Arzt hatte sich um die Wunde gekümmert. Sie sah eher aus, wie ein silbriger Spinnenfaden, der etwas zu dick gesponnen mit Akkuratesse auf sein Gesicht gelegt worden war. Schwarze Bahnen liefen über sein Gesicht. Es war, als würde

jemand die Dunkelheit aus seiner Seele waschen und sie durch etwas tauschen, was in London schon eher beunruhigend war. Sein Haar, eben noch rabenschwarz wie die Nacht, zeigte nunmehr nur einen leichten Schatten der dunklen Farbe. Stattdessen hellte sich sein Gesamtbild mit annähernd weißen Haaren auf, nur ansatzweise von dunkleren Strähnen und Akzenten geflutet. Die Farbe, die über sein Gesicht lief, verflüchtigte sich durch den Regen sehr bald in den ohnehin dunklen Sachen, die er am Leib trug. Schatten lagen unter seinen Augen, sie zeigten die Müdigkeit, die tief in ihm schlummerte. Doch nachkommen konnte er seinem Wunsch nach einem Bett nicht. Nein, stattdessen musste er, wohl oder übel,

in eine dieser alten Spelunken einbiegen, die keinesfalls vertrauenswürdige Gestalten beherbergte. Die Tür knarrte, als er sie aufstieß und eintrat. Es war warm hier. Das wäre eigentlich positiv, wenn diese Wärme nur nicht allzu schnell seinen Körper erreichen würde. Mit dem Eintreten in den dunklen Pub, nur erleuchtet von dem warmen Licht einiger Flackernder Deckenlampen, wärmte sich sein Körper so schnell auf, dass es ihn für einen Moment aus dem Konzept brachte. Er schloss die Augen, versuchte, die Hitze nicht zu spüren und den Schweiß der anwesenden Trunkenbolde nicht zu riechen. Irgendwer verschüttete Bier, ein anderer grölte etwas, was mit einem Lachen quittiert wurde. »Nox! Wie schön dich mal wieder hier

zu sehen.« meinte die Bardame, die in einem Korsett gezwängt war, welches ihr den Busen unnatürlich hoch schnürte und ihre Taille schrecklich dünn wirken ließ. Er nickte der Frau zu, zeigte ein müdes Lächeln und traf auf einen anderen Blick, der ihm die pure Besorgnis entgegenbrachte. Da war er. »Alastair.« Die Stimme des Mannes zeigte in diesem einen Wort mehrere Facetten. Sie war vorherrschend rau und dunkel vor Müdigkeit, gleichzeitig aber von Ruhe und Frieden geprägt und trug einen unterschwelligen Hauch von Autorität mit sich. »Die Königin?« Der Mann, zuvor mit dem Namen Nox angesprochen, setzte sich zu einem Mann von hünenhafter Größe in eine Ecke, die kaum zu belauschen war. Alle in diesem

Raum waren laut, betrunken und unanständig. Alastair und Nox stachen heraus. Doch nicht einmal der Blonde, viel mehr der Riese neben ihm, erweckte die Aufmerksamkeit einiger Leute in ihrem Umkreis. Seine Haut war so dunkel, dass er sich einer Gasse mühelos verbergen könnte, um dem nächsten Passanten die Kehle durchzuschneiden. Die Muskeln spannte er allesamt an, bereit, seinen Platz auf der Stelle zu verlassen, sollte es nötig sein. Auch er trug einen Umhang, einen schwarzen, gesäumt von rubinrotem Futter, dass ihn warm halten sollte. Würde der angsteinflößende Mann stehen, sich zu seiner vollen Größe aufrichten, wäre er sicher über zwei Meter

groß. »Sie ist gefallen. Morgen wird in der Zeitung stehen, sie hätte ihrem Mann alle Rechte überschrieben. Es ist blanker Unsinn! Der Krieg ist verloren, mein Freund, es ist vorbei, es ist endgültig und unwiderruflich ausgesprochen worden: Die Königin hat keinerlei Macht mehr; die Krone wird getragen von einem Mann, dessen erstes Gesetz unaufhaltsam näher rückt. Noctis, wir haben keine Chance.« Die Verzweiflung sprach aus jedem Wort, die unterdrückte Wut aus jeder Silbe, die über die Lippen des schwarzen Mannes kamen. Das dunkle Augenpaar sah zur Tür, die sich gerade wieder geöffnet hatte und einen Wind hereintrug, der nichts Gutes verhieß. Es war nicht die Verzweiflung, die

Noctis solche Furcht ins kalte Herz rasen ließ und seine Hände kühlte. Es war das Verlorene, die Hoffnungslosigkeit in den sonst so warmen Augen des Mannes, der die schlechte Nachricht überbracht hatte. Nox legte ihm eine Hand auf die Schulter, zum ersten Mal zeigte er etwas, was Mitgefühl am nächsten kam. »Du bist mein bester Freund, das weiß du.« Der Schwarze nickte. »Dann weißt du, dass ich komme, um dich da raus zu holen.« Als keine Reaktion kam, beugte sich Noctis zu seinem Freund. Eindringlich und befehlend, aber dennoch sanft, waren die Stimme und seine Haltung. »Sag es!« Die Forderung kam lauter aus seinem Mund,

als er beabsichtigt hatte, die Bardame sah unruhig zwischen ihnen und den Männern hin und her, die das Lokal betreten hatten. Alastair schloss die Augen, als würde er sich längst von allem verabschieden, was er liebte, mochte, oder nur nicht hasste. Er ließ die Hände über das grobe Holz des Tisches wandern, um es noch einmal zu spüren, um es in Erinnerung zu behalten. Etwas vergessen wäre das Schlimmste, was ihm in den Sinn kam. Es waren nicht die Messer, die man ihm in den Leib rammen würde, um ihn zum Reden bringen; es war nicht die Säure, die sie ihm über den Leib gießen würden und auch nicht das vergiftete Essen, mit dem sie ihn füttern wollten. Es war einzig und allein das Vergessen. Stille senkte sich über die

Anwesenden, als er schließlich der Aufforderung nachkam, die Noctis ihm an den Kopf geworfen hatte. »Du wirst mich befreien.« »Koste es, was es wolle.« Als der Riese, abgeführt von acht Männern, verschwunden war, kehrte sich alles mehr oder weniger zum Alten. Die Frau hinter dem Tresen hatte ihr Lachen nur halb zurückgewonnen. Die Gespräche wurden fortgeführt, es wurde weiter getrunken, wenn auch in Maßen, wenn auch leiser. Zu leise, denn man hörte den Wind, der noch zuvor die Männer hereingetragen hatte, in jeder Ritze pfeifen. Sie waren überall, jetzt, wo die Königin nicht mehr über sie richtete. Man ließ eine machthungrige Gestalt den Thron

besteigen. Die Welt begann zu zerfallen, es fing an, jetzt und hier in einer Art und Weise, die niemand verstand.

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Quijoco

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