Kurzgeschichte
Mehr denn je

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"erinnerungen und ein letzter wunsch, vorm ewigen schlaf"
Veröffentlicht am 30. August 2014, 12 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Smileus - Fotolia.com
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erinnerungen und ein letzter wunsch, vorm ewigen schlaf

Mehr denn je

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Eine traurige Mitteilung! Von wegen. Wenn er wüsste, wie sehr ich mich schon darauf freue. Das ganze Leben lang warte ich schon darauf, das endlich mein Ende kommt. Endlich hört der Schmerz auf. Hoffentlich wird mein nächstes Leben besser. Viel erwarte ich ja nicht. Nur eine nette Frau, mit der ich, und unseren gemeinsamen Kindern, ein harmonisches Familienleben führen kann. Ohne Lügen und Fremdgehen. Am besten ohne lange suchen zu müssen. Mir wäre es recht, wenn es gleich die erste Frau wäre, die ich sehe, mit der ich den Bund der Ehe eingehe und erst da

unser beider erste Mal erleben. Es wäre auch schön, wenn ich sie zufrieden stellen könnte. In diesem Leben war ich stets der Erste. Außer, ich war stinkbesoffen. Aber da machte es keinem von uns Spaß. Schade, das alles anders verlief, als gewünscht und gehofft. Ich hatte wirklich geglaubt, sie wäre die Frau, mit der ich den Rest meines Lebens verbringe. Leider entschied sie sich eines Tages dafür, nicht mehr monogam zu sein. Das war nichts für mich. Dennoch zog es mich immer wieder zu ihr zurück. Obwohl ich es gar nicht wollte. Weg wollte ich von ihr. Nicht hin.

Weg. Ich hatte eine Zeit lang viel getrunken. Was daran lag, das ich mit vielen Dingen nicht klarkam. Zum Beispiel, das sie mich so oft anlog und alleine ließ. Das sie ihre Familie in den Himmel hob, obwohl jene einfach nur das Letzte sind. Nur saufen und fortpflanzen im Sinn. Deshalb sind sie auch eine richtige Großfamilie. Damals, als ich sie kennenlernte, meine spätere Gattin, dachte ich, das sie anders ist, als der Rest ihrer Familie. Anfangs behielt ich auch Recht. Doch nach wenigen Jahren...Und das trieb mich noch mehr in den Suff. Nicht nur, weil ich mich in eine andere Welt

versetzen wollte. Mehr deswegen, um mein Leben drastisch zu verkürzen, weil ich damit nicht klarkam. Wie mit so vielen Dingen. Uns wurden die Kinder weggenommen, weil wir nicht immer die Ordnung hatten, die von uns verlangt wurde. Kein Wunder. Sie war nur selten da. Und wenn sie da war, machte sie nichts. Was sie fallen ließ, blieb einfach liegen. Der Alte war ja auch noch da. Der konnte auch was tun. Der Fleißigste war ich auch nie gewesen. Aber wenn man sieht, das die andern nichts machen und es nicht zu würdigen wissen, das man ihnen ihren Dreck nachräumt, verliert man alsbald

die Lust. Zuerst war es nur die Frau, später dann noch die Kinder. Keiner tat irgendwas im Haushalt. Ganz im Gegenteil. Irgendwie war ich ganz froh, als meine Kinder nicht mehr in unserem Haushalt lebten. Denn fast täglich waren sie mit ihrer Mutter bei ihren Großeltern. So weit ich weiß, wurde da jeden Tag gesoffen. Spielten meine Kinder zwischen den Alkoholflaschen. Ich hatte auch schon in ihrer Anwesenheit getrunken. Aber ich bereue es bis heute, es getan zu haben. Ich sehe Kinder, die bei ihren Eltern stehen und zusehen, wie sie Bier trinken. Sieht schrecklich aus. Kein schöner

Anblick. Viele Jahre und ein eiserner Wille hatten mich dazu gebracht, mit dem Saufen aufzuhören. Denn ich kannte zu viele, die seit Jahren soffen und rauchten und immer noch lebten. Dafür aber immer begriffsstutziger wurden. So wollte ich nicht enden. Ich wollte lieber versuchen meinen Arsch hoch zu kriegen, mich therapieren zu lassen, um von ihr loszukommen und ein neues, eigenständiges, unabhängiges Leben anzufangen. Aber ganz hatte es nicht geklappt. Immer wieder bin ich zu ihr hin und habe sie aufgefangen. Habe ihr geholfen, wenn ich sah, das sie Hilfe brauchte.Und kein andere war weit und

breit je zu sehen. Weil ich der einzigste war, der sie von Herzen liebte und sie nicht leiden sehen konnte. Dies ist nun das Ende meines Leidensweges. Viel zu oft habe ich mich von irgendwem zu irgendwas verleiten lassen. Ich frage mich, was aus mir geworden wäre, wenn ich in der Schule besser aufgepasst und mitgemacht hätte. Mir mit allem mehr Mühe gegeben hätte. Erst gar nicht mit Saufen angefangen hätte. Mehr aus mir herausgekommen wäre. Ein optimistischer Mensch, der Freude am Leben hat? Der Farben sieht und nicht nur schwarz, weiß, grau? Wer weiß. Nun ist es eh zu spät. In wenigen Tagen nehme ich Abschied von der Welt.

Doch bevor ich gehe, möchte ich noch ein paar gute Taten begehen. Als erstes Teile ich mein Geld unter meinen Kindern auf. Die Sparbücher habe ich seit Jahren bei mir. Monatlich lasse ich Kleckerbeträge draufzahlen. Und obwohl es nie viel war, was ich – und nie die Mama – eingezahlt habe, wiegen ihre Sparbücher. Nach meinem Tod sollen sie ihnen zugeschickt werden. Ich hoffe, sie freuen sich ein wenig darüber, das ihr alter Herr sie nicht vergessen hat. Da ich sowieso bald abtrete, kann ich mir auch wieder mal ein paar Bierchen gönnen. Oder auch ein paar mehr. Was habe ich noch zu verlieren? Sterben werde ich so, und so auch. Über zwanzig

Jahre habe ich Abstinenz gelebt. Auf meine letzten Tage darf ich wieder zugreifen. Hab ja sonst nichts mehr vom Leben. Erinnern wir uns an die schönen Momente, die ich im Leben hatte. Auch wenn es nicht besonders viele waren. An die winzigen Augenblicke, die mich zum Lächeln brachten. Die wenigen Menschen, die aufrichtig und von Grund auf ehrlich zu mir waren. Ja, ich hatte auch mal richtige Freunde gehabt. Nicht viele. Dafür aber echte. Natürlich hatte ich auch sehr viele, die mich verarschten und mich ausnutzten. Aber an die will ich mich jetzt nicht erinnern. Ich möchte ein lächelndes Gesicht haben,

wenn ich für immer die Augen schließe. Kein aufgesetztes Lächeln, sondern ein Echtes. Geliebte Frau. Ich hoffe, das du ab und zu positiv an mich denkst. Viel habe ich für dich getan. Lange um dich gekämpft. Ich fand dich hübsch, so, wie du warst. Du bist immer noch die Frau, die ich von Herzen liebe. Es stimmt mich traurig, das du nicht bei mir bist. Wie auch immer dein Leben verlaufen ist und was auch immer du mir angetan hast...Ich wünschte, du wärst in meiner letzten Stunde an meiner Seite. Würdest meine Hand halten. Mich begleiten. Denn ich liebe dich immer noch. Mehr denn je.

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