Nachdem sie grade der Sklaverei entkommen ist und dabei unfreiwillig den jüngsten Spross einer mächtigen Adelsfamilie entführt hat, findet sich Eden nach einigen Wirren in der Crew des grausamen und berüchtigten Piratenkapitäns Vance Livsey wieder. Dieser besitzt den Schlüssel zu einem unvorstellbaren Schatz. Eine unberührte Stadt des legendären alten Volkes, die sich auf einer Insel weit draußen im unerforschten Weltmeer befinden soll. Mit dem Erlös der gefundenen Artefakte, könnte Eden sich selbst freikaufen.
Doch sie sind nicht die einzigen, die von der Insel wissen. Der mächtig Sanguis-Orden, die Gemeinschaft der Zauberer Cantons, ist ihnen dicht auf den Fersen.
Coverbild : Wolfgang Pfensig / pixelio.de
Lasanta lag nun bereits weit hinter ihnen und die Küste Cantons war nur noch als ein blauer verwaschener Streifen am Horizont zu erkennen. Sie waren tatsächlich entkommen, dachte Eden, während sie über das Wasser zurück sah. Aber nicht ohne einen Preis…. Zachary saß neben ihr an der Reling. Den Kopf hatte er in die Hände gestützt und Eden wusste, dass er die Augen fest geschlossen hielt. Selbst das normale Tageslicht blendete ihn in seinen Zustand sicher fürchterlich. Die Gejarn
legte dem Jungen eine Hand auf die Schulter. „Hey…“ das sie absolut nichts für ihn tun konnte war das Schlimmste… nur darauf warten, dass es wieder besser wurde. Der junge Zauberer blinzelte träge. „Hey...“ seine Stimme war weniger als ein Flüstern und klang verzerrt. Als hätte jemand seine Stimmbänder durch ein Reibeisen ersetzt. „Geht es wieder?“ „Langsam….“ , murmelte er. „Ich hab immer noch Kopfschmerzen, das ist als… als würde einen jemand flüssiges Blei überkippen und zwar ständig.“ „Ich weiß.“ Tatsächlich konnte sie
nur schätzen, was der Junge grade durchmachte. Nachdem sie den Hafen von Lasanta verlassen hatten, war er einfach in sich zusammengebrochen. Schreiend vor Schmerzen. Der Preis der Magie… Lucien hatte sie ja gewarnt, dass es mit der Macht des Zauberers schlimmer werden würde. Aber das… Geister für eine Weile war sie sicher gewesen, das Zachary sterben würde. Sie hatte noch nie erlebt, dass jemand vor Schmerzen das Bewusstsein verlor und es überlebt hätte…. Und ihre Unfähigkeit irgendetwas dagegen zu tun, trieb sie schnell an den Rand ihres eigenen Zusammenbruchs. Erst vor wenigen Stunden war der
Magier endlich wieder zu sich gekommen. Blass und mit grau schimmernden Strähnen in den Haaren, aber scheinbar wieder ruhiger. Trotzdem würde sie das nicht noch einmal zulassen. Nicht, bevor sie nicht eine Lösung gefunden hatte, die nicht den Orden mit einschloss. Nach dem, was im Hafen geschehen war, wäre es ohnehin unsinnig auch nur darauf zu hoffen, die Zauberer würden ihr noch helfen. Und jetzt wo Lucien sie verraten hatte, wusste der Orden mit Sicherheit auch von Zachary…. Eden stand auf und schöpfte Wasser aus einem Fass, das an Deck stand, in einen Zinnbecher. Dann kehrte sie zu
dem Jungen zurück und hielt ihm das Gefäß hin. „Versuch was zu trinken ja?“ Zachary nickte und nahm ihr den Becher mit zitternden Fingern aus den Händen. „Danke…“, meinte er nur und leerte das Wasser in einem Zug. Eden ließ sich neben ihn auf das Schiffsdeck sinken. “Du hast dich beinahe umgebracht, oder?“ „Ich weiß es nicht aber… es hat sich so angefühlt.“ „Mach das bitte einfach nie wieder….“ Der Zauberer sah auf.
„Was hätte ich denn tun sollen? Nichts? Dann wären wir jetzt alle tot, Eden. Ich hab auf euch aufgepasst, so einfach war das.“ „Zac… ich meine auch nicht, dass das… falsch war.“ Der Zauberer nickte. „Das war es auch nicht. Wir achten aufeinander. Oder?“ „Und ich kann Dich auch nicht daran hindern.“, meinte sie mit einem schwachen Lächeln. „Ich will nur, dass Du mir versprichst, vorsichtig zu sein. Nur weil wir aufeinander aufpassen, heißt das nicht, dass einer von uns sterben sollte.“ Und das sie überhaupt nicht wüsste, was sie ohne Zachary noch
tun sollte, schoss es ihr durch den Kopf. Selbst diese ganze Reise diente letztlich, vor allem, ihnen beiden. Wenn Vance Erfolg hatte, konnte sie dem Jungen wenigstens eine sichere Zukunft garantieren. Mit dem Gold aus ihrem Anteil wäre ihre Flucht vorbei. Alleine könnte sie sich auch so durchschlagen, aber mit Zachary durch die Lande zu ziehen, war auf Dauer keine Lösung. Und nun waren sie endgültig unterwegs. Vor ihnen lagen, nach wie vor, mehrere Wochen auf See, aber solange der Orden sie nicht einholte, würde es wohl der leichteste Teil der Reise werden.
Ab jetzt gab es nur noch einen Kurs für sie. Und der war direkt nach Westen. Die Nebelküste, die Klippen des zweiten Kontinents, die nur wenige Reisende jemals gesehen hatten. Eden fragte sich, ob sie wirklich so weit nach Westen mussten, oder die Stadt vorher finden würden. Sie stand auf und machte sich auf die Suche nach Vance. Der Kapitän hatte einen schweren Tisch aus seiner Kabine geräumt und auf Deck aufgestellt. Zusammen mit einigen anderen, stand er über einige Karten gebeugt. Zwischen den Papieren lagen verschiedene nautische Instrumente verteilt. Eden erspähte einen Kompass, einen
Spiegelsextant und eine Quecksilbersäule mit Skala, deren Zweck sie nicht kannte. „Wir müssen unseren Kurs etwas anpassen.“, meinte der Kapitän grade. „Segeln wir wie bisher, weiter geradeaus nach Westen, enden wir zu weit im Norden. Wenn das Alte Volk aber wirklich vom Maul des Drachens aus aufbrach, dann liegt der Ort den wir suchen, definitiv weiter südlich.“ „Seid Ihr Euch denn überhaupt sicher, dass Ihr das Suchgebiet richtig eingrenzt?“, wollte jemand wissen. „Ziemlich, ja. Aber so oder so, wir können nicht die gesamte Nebelküste absuchen. Mal davon abgesehen, dass die Gegend nicht kartographiert ist, haben
wir auch kaum genug Vorräte dafür. Sobald wir das Gebiet erreichen, haben wir zwei Wochen, vielleicht drei, wenn es euch nichts ausmacht etwas zu hungern. Dann müssen wir spätestens umkehren oder wir überleben die Rückfahrt nicht.“ „Ist, außer uns, denn schon mal jemand so weit draußen gewesen?“, wollte Eden wissen. Vance sah zum ersten Mal von seinen Karten auf. „Nicht das ich wüsste.“, gab er zu. „Die wenigen, die es gewagt haben, sind nicht zurück gekommen. Allerdings hatten die auch andere Ziele. Sie wollten den Kontinent erreichen. Wir nicht. Wir werden uns der Nebelküste nur so weit
wie nötig nähern. Vermutlich bekommen wir sie nicht mal zusehen.“ Damit war es wohl entschieden, dachte Eden. Die Zeit auf dem Schiff wurde schnell lang. Außer der täglichen Routine, gab es nicht viel zu tun und nachdem die Windrufer einmal auf Kurs war, blieb nur noch, ab und an ihre Position zu überprüfen und kleinere Korrekturen vorzunehmen. Die Ufer Cantons, die sie auf dem ersten Abschnitt ihrer Reise noch ständige Begleiter gewesen waren, verschwanden nun endgültig hinter dem Horizont und ließen nur eine endlose Fläche aus
wogendem Blau zurück. Wenigstens hielt sich das Wetter, dachte Eden. Ein Sturm hätte wenigstens etwas Abwechslung gebracht. Fast ertappte die Gejarn sich dabei, wie sie sich ein Unwetter, wie das, dass sie während ihrer Fahrt nach Lasanta durchquert hatten, herbeiwünschte. Es hatte etwas Faszinierendes gehabt, den Elementen einmal zu trotzen. Sie fragte sich, ob Vance sie schlicht für verrückt halten würde, wenn sie ihm davon erzählte, aber der Kapitän lachte nur freundlich. „Das… hab ich mir schon fast gedacht.“, meinte er eines Tages. Sie waren mittlerweile einen ganzen Monat auf See und nach wie vor, gab es nicht
einmal einen kleinen Hinweis darauf, dass sie sich wieder Land näherten. „Was gedacht?“ „Das Meer hat seine ganz eigene Faszination. Dem können sich die wenigsten ganz entziehen. Und manche verbringen ihr ganzes Leben damit, die See herauszufordern. Ich bin keiner davon, Eden. Ich mag es hier draußen, aber ich habe nicht vor, in den Wellen zu sterben… Ihr hingegen….“ „Was? Ich habe durchaus noch Pläne… und die haben wenig mit Wasser zu tun.“ Es sei denn, sie würde Andre de Immerson eines Tages ertränken…. „Kommt schon gebt es zu, Ihr wollt gar kein Land mehr unter die Füße
bekommen, wenn es nach Euch geht.“ „Es geht aber nicht nach mir.“, erwiderte sie. „Ich kann das Zachary nicht zumuten.“ Vance nickte. „Denkt einfach darüber nach.“ Sie nickte und warf einen Blick zum Himmel Es zogen jedoch nur vereinzelte Wolken über den Himmel und der Wind brachte sie ihrem Ziel letztlich immer näher. Am Ende des zweiten Monats schließlich, warfen sie die ersten leeren Fässer und Kisten über Bord. Eden schätzte, dass sie gut ein Viertel ihrer Vorräte aufgebraucht hatten. Vance hatte wohl recht, mit seiner Befürchtung, dass sie einen engen Zeitrahmen für die
Suche haben würden. Als sie eines Tages den Laderaum betrat, war der Stapel aus Vorratsbehältern, schon deutlich in sich zusammengesunken. Aber das war es nicht, was ihr Sorge bereitete. Die Holzplanken waren klatschnass und das Wasser stand in einer niedrigen Pfütze über den Boden verteilt. Auf den ersten Blick waren die Kisten vom Schlimmsten verschont geblieben. Vermutlich nur ein kleines Leck, das sie leicht unter Kontrolle bringen konnten, wenn sie es erst einmal fanden. Die Gejarn rief durch die Ladeluke nach Vance und begann die Wände abzusuchen. Irgendwo musste das Wasser ja reinlaufen dachte sie. Aber wenn sie es nicht besser
wüsste, würde sie beinahe sagen, die Schiffswand war so dicht, wie sie nur sein konnte. Als Vance die Treppe hinab kam, beschlich sie ein Verdacht. Geister, bitte nicht… sie schöpfte mit einer Hand Wasser und probierte. „Vance… wir haben ein großes Problem.“ „Das sehe ich. Ich rufe die Leute um das Leck zu suchen. Wir….“ Eden schüttelte den Kopf. „Ich fürchte, das ist nicht nötig.“, erklärte sie. „Das ist… Süßwasser.“ „Was soll das heißen, das ist Süßw… Ahnen, die Wasserfässer.“ Der Kapitän stürzte an ihr vorbei zu einem der
schweren Holzbehälter und schob den Deckel beiseite. „Wenn wir es in diesem Leben zurück nach Canton schaffen, Eden“, begann er niedergeschlagen. „Werde ich einem gewissen Händler in Lasanta die Haut abziehen.“ Die Gejarn trat ebenfalls an das Fass heran und stellte fest, was Vance so erschreckt hatte. Und was sie bereits befürchtet hatte. Gähnende Leere. „Die Fässer waren undicht. Überprüft die anderen… wir müssen wissen, was wir noch haben. Und die leeren Fässer irgendwie abdichten.“ Eden nickte und bald kamen auch
weitere Matrosen dazu, mit deren Hilfe sie rasch die übrigen Behälter überprüften. Andere begannen, das Wasser vom Boden zurück in die leeren Fässer zu schütten um wenigstens zu retten, was zu retten war. Am Ende kamen sie auf weniger als ein Dutzend verbliebene Wasserfässer. „Vance?“ Sie drehte sich zu dem Kapitän um. „Das reicht nicht für den Rückweg.“, erklärte er sachlich. „Und vermutlich auch nicht mehr für den Hinweg. Aber die Nebelküste oder die Insel ist jetzt näher. Worauf immer, wir zuerst stoßen werden. Bis dahin… rationieren wir was wir noch haben.“
„Rationieren?“, fragte einer der Piraten. „Ihr habt es selbst gesagt, es wird niemals reichen.“ „Nun, es wird auch nicht besser davon, dass Ihr mich noch einmal darauf hinweist. Wir müssen es zumindest versuchen. Oder habt Ihr eine bessere Idee?“ Der Mann schwieg. „Dann macht euch an die Arbeit. Die Fässer die noch übrig sind, überprüfen. Und dichtet mir die leeren ab. Wir werden sie brauchen, wenn wir es an Land schaffen.“ Damit begann für alle an Bord wieder einmal das Warten. Doch nun, arbeitete die Zeit gnadenlos gegen sie. Die ersten
Tage waren für Eden noch hinnehmbar. Vance ließ nur eine einzige Flasche Wasser für jeden zu, die ihm für mehrere Tage reichen musste. Es war wenig, aber es reichte, die Leute bei Kräften zu halten. Etwas, das genauso wichtig war, wie jetzt zumindest irgendeine Küste zu erreichen. Mit der Zeit wurde das unangenehme Gefühl, immer ein wenig Durst zu haben, zur Qual, die Eden kaum noch ausblenden konnte. Zachary machte das Ganze, letztlich am meisten zu schaffen. Der junge Zauberer hatte sich, nach wie vor, noch nicht richtig erholt und der Wasserentzug trug auch nicht grade dazu bei. Immer öfter schmuggelte Eden einen
Teil ihrer Wasserration, zu der des Jungen dazu. Sie wusste, er würde das nie einfach hinnehmen, wenn sie ihm etwas abgab. Aber er hatte jeden Tropfen nötiger als sie, dachte Eden. Auch wenn das für die Gejarn bedeutete, das aus dem leichten Durst, Feuer wurde. Und das der Himmel nach wie vor kaum Wolken aufwies, trug nicht grade dazu bei, dass es ihnen besser ging. Die Temperaturen waren milder als in Lasanta, aber die Sonne war unerbittlich. Bis zum Ende der ersten Woche, war sie die einzige, der ein Sonnenbrand erspart blieb. Nichts sehnten die Leute mehr herbei, als den Abend, wenn das Licht langsam dunkler
wurde und sie endlich in Frieden ließ. Eden ihrerseits, nutzte das Halbdunkel um einen Schluck Wasser aus ihrer fast leeren Flasche in Zacharys umzufüllen. Vorsichtig um bloß nichts zu verschütten…. „Warum tust Du das?“ Eden hielt grade noch die Flaschen fest, die ihr vor Schreck, fast aus der Hand gefallen wären. Zachary hockte ein paar Schritte entfernt an Deck und sah zu ihr herüber. „Weil ich keine Wahl habe.“, meinte sie schuldbewusst. „Und ich werd auch nicht damit aufhören.“ Eden stand auf, verschloss die Flaschen wieder und setzte sich zu dem Jungen.
„Wir schaffen es nicht, oder?“ Sie zögerte mit einer Antwort. Aber… die Wahrheit war wohl das Beste. „Nicht, wenn nicht ein Wunder geschieht. Und daran glaube ich, ehrlich gesagt, nicht.“ „Ich auch nicht… aber ich glaube der Wind frischt auf.“, bemerkte Zachary. „Der Wind…“ Eden konnte es spüren. Der Junge hatte recht. Ihre Haare wehten, in der aufkommenden Briese und sie atmete einmal tief ein. Sie konnte es sogar schmecken, stellte sie fest. Salz... und noch etwas anderes. Feuchtigkeit. Bevor die Gejarn lange darüber nachdenken konnte, schlug direkt neben ihr, ein einzelner Wasserstropfen auf die
Planken. Es begann zu regnen…. Ein zweiter Tropfen folgte, dann ein dritter… und plötzlich war die gesamte Luft mit Wasser erfüllt, das rasch ihre Kleidung durchnässte und in dichten Fäden von den Segeln lief…. Vance sprang aus seiner Kabine und sah sich einen Moment ungläubig um. Dann fing er an zu lachen und gleichzeitig Befehle zu brüllen. Ein Anblick, der Eden selber zum schmunzeln brachte. „Bewegung, Bringt mir alle Fässer rauf, die wir haben, alles an Tassen, alles an Eimern, jeden Behälter den ihr finden könnt. Und von mir aus auch alles an Stoff, das wir haben. Das wird ein
richtiger Sturm Leute und ich will, das ihr jede Sekunde davon zum Wassersammeln nutzt.“
Der Regen hatte die Lebensgeister der meisten wieder geweckt und Vance sah scheinbar zufrieden, wie sich alle sofort an die Arbeit machten. Über ihnen am Himmel zuckte der erste Blitz auf und tauchte kurz alles in grelles Licht.
„Unser nächster und letzter Halt ist die Stadt des alten Volkes….“
abschuetze Tolle Idee von dir, das mit dem Wasser. Sowohl die lecken Fässer als auch der Regen, auf den ich auch gewartet hätte. :)) |
EagleWriter Auf der Reise muss ja nochmal was passieren :-) lg E:W |