Kurzgeschichte
SGK-1 - Metamorphose

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"Länger leben!"
Veröffentlicht am 26. Juli 2014, 24 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Ich versuche mit guten Geschichten zu unterhalten. Hoffentlich glückt es. Ich bin Jahrgang 1958, in München geboren. Seit meiner Kindheit schreibe ich, habe aber nie eine Profession daraus gemacht. Meine zarten Versuche mal eine meiner Geschichten bei einem Verlag zu veröffentlichen sind gescheitert. Hier gibt es eine Auswahl von Kurzgeschichten aller Art. Sie sind in ihrer Kürze dem Internet und e-pub Medium angepasst.
Länger leben!

SGK-1 - Metamorphose

Randbeitrag

Diese Geschichte ist ein Randbeitrag der Forumsbattle 33.

Das Thema lautet: Metamorphose.

Pflichtworte waren:

Tischtennisarm [nicht verwendet], rudimentär, Schilddrüsenunterfunktion, antizipieren, angeln,glorreich, Schmetterling, Universum, Püree, Mimose, kariert, hingebungsvoll

[Wegen vieler, neuer Abonnenten wieder neu eingestellt. 27.08.2018]


Copyright: G.v.Tetzeli

Cover: Monika Heisig

1 Sensationelle Zeitungsmeldung!

Eine Hauptrolle bei der körperlichen Alterung spielt Insulin, sonst vor allem wegen seiner Funktion bei der Zuckerkrankheit bekannt. Dass ein Eingriff in den Insulinweg das Leben verlängern kann, ist schon seit längerem bekannt - ebenso wie die Tatsache, dass dies nicht nur bei Fadenwürmern, sondern erwiesenermaßen auch bei Fruchtfliegen, Mäusen und wahrscheinlich auch beim Menschen funktioniert. Letztes Glied in der Kette Der genaue Grund aber lag bisher im Dunkeln, denn das letzte Glied in der Reaktionskette, die das Insulin in Körperzellen

auslöst, war unbekannt. Diesen genetischen Schalter, der das Programm für die zelluläre Alterung unmittelbar steuert, haben die Freiburger Forscher Ralf Baumeister und Maren Hertweck jetzt gefunden: Es ist ein Gen, das ein Enzym mit der Bezeichnung SGK-1 bildet. Die Manipulation von SGK-1, entweder durch eine Mutation des Gens oder durch Stress und Chemikalien, hatte bei den Fadenwürmern durchschlagenden Erfolg: "C. elegans lebt normalerweise nur etwa 14 Tage und zeigt im letzten Drittel seines Lebens typische Alterserscheinungen", erklärt Baumeister. "Die Würmer, in denen wir SGK-1 manipuliert haben, sind dagegen auch nach zwei Wochen noch agil wie junge

Tiere." Die Manipulation von SGK-1, schreiben die Forscher in der Fachzeitschrift "Developmental Cell" (Ausg. 6, S. 577), verhindere den Start des zellulären Alterungsprogramms. "Es sieht sogar danach aus, als würden aktive lebensverlängernde Prozesse in Gang gesetzt", sagte Baumeister.

Chemisches Lebenselexier denkbar In der Medizin könnte die Entdeckung der Funktion von SGK-1 ungeahnte Möglichkeiten eröffnen. "Die wichtigsten Krankheiten sind von der Zellalterung abhängig", sagt der Biologe. "Die Wahrscheinlichkeit, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs oder Alzheimer zu sterben, steigt mit dem Alter drastisch an.

Wenn wir verstehen, wie Zellen altern, könnten wir diese Krankheiten gezielt behandeln."

(Quelle: aus Spiegel online entnommen!)

2 SGK-1

Es begann,

als Ich selber vorfuhr. Meinen Fahrer hatte ich absichtlich nicht beansprucht. Der Rolls Royce rollte vor dem futuristischen Gebäude der Xylo-Gen Corporation aus. Es war das Genlabor schlechthin.

Es besaß sogar Sicherheitsstufe vier. Nach den Formalien, den Fingerabdruckscanner und den üblichen Fisimatenten, wie Augenabgleich, landete ich schließlich, wie verabredet, bei Professor Kardeschian in seinem sterilen Büro.


Professor Kardeschian saß mir gegenüber und stützte die Hände auf.

„Und sie wollen wirklich?“ Ich bin nicht umsonst Milliardär und wollte doch Einiges gegenüber dem Professorchen klar stellen. „Ich subsumiere“, knurrte ich nachsichtig. „Ich will nicht das ewige Leben. So hirnrissig bin ich nicht. Ich will einfach nur länger leben."

Ich beugte mich nach vorne.

"Wir haben das doch alles schon besprochen." Kardeschian zupfte an seinem karierten Hemd und bekam ein Augenbrauenzucken. "Wir haben zwar das Gen isoliert, aber die Manipulation von dem Enzym SGK-1 steckt noch in den Kinderschuhen."

"Mimose", blaffte ich.

"Die Nebenwirkungen sind aber doch noch gar nicht..."

"Schluss mit dem Gewimmer!" Ein Seufzer entglitt ihm.

"Wie versprochen, habe ich für sie die Pillen hergestellt. Wir haben uns überlegt auf chemische Weise auf SGK-1 zuzugreifen." "Weiß ich. Ich habe schließlich 500 Millionen € dafür gezahlt." "Von meinem Risiko reden sie wohl nicht? Das ist illegal, was sie da von mir verlangen!"

Er seufzte erneut. "Aber sie müssen sich an unsere Abmachung halten", rief Kardeschian, "strikt!" "Hm." "Wir beobachten sie hier in unserem geschützten, unterirdischen Laboratorien. Sie haben alles zur Verfügung, was sie so brauchen und dürfen sich in den unteren

Stockwerken auch frei bewegen." "Für ein halbes Jahr", warf ich ein.

"Ja, aber sie dürfen niemals versuchen das Labor zu verlassen."

"Ich habe es versprochen", bestätigte ich. Ich erhob mich.

" Morgen geht’s los?"

"Ja, Morgen."


Am nächsten Tag

hatte ich die Sachen gepackt. Die Hausangestellten wussten Bescheid. Ich würde zur Erholung in ein Sanatorium gehen, um dort von den Geschäften zur Ruhe zu kommen. Nicht nur einen Kreislaufzusammenbruch hatte ich hinter mir, sondern es wurde auch eine

Schilddrüsenunterfunktion festgestellt. Am schlimmsten aber hatte mich getroffen, dass ich Krebs hatte. Gestreut hatte die Krabbe auch schon. Da hatte ich von SGK-1 gehört. Es soll nicht nur das Leben verlängern, sondern eindeutig auch den Krebs besiegen können. Kardeschian war die einzige, wirkliche Rettung. Ein viertel Jahr

ist es nun her, seit ich die Labor-Katakomben betreten habe. Ich habe keinen einzigen Sonnenstrahl, geschweige denn einen Schmetterling gesehen, aber die unterirdische Laboranlage war weitläufig. Tägliches Joggen gehörte genauso zum

Programm, wie die Blutentnahme. Ab und an CT, EEG. Für meine spezielle Herz- und Gefäßdiagnostik standen mehrere Elektrokardiographen, mehrere Ergometrieplätze mit Monitor bereit. Dazu kamen noch sicherheitshalber eine Defibrillationseinheit, sowie ein hochmodernes Farbdoppler-Echokardiographiegerät einschließlich der Möglichkeit zur transösophagealen Echokardiographie.


Während mir die erste Pille noch mit viel Brimborium glorreich übergeben wurde, fand ich sie nun in einem weißen Schälchen jeden Tag neben meinem gemütlichen Bett. Auch im Schlaf wurde ich überwacht und die

Gehirnströme gemessen. Tag und Nacht wurden auch hier unten durch Lichteffekte simuliert. Ich hatte eigentlich jeglichen Komfort. Nicht nur Fernsehen, auch Blue Ray und PC konnte ich nach Belieben benutzen. Das einzige, was fehlte, das war ein Spiegel. Kardeschian sagte, dass es, wie bei einer Schönheits-Op wichtig sei, nämlich vorher und nacher besser beurteilen zu können. Na gut, er musste es ja schließlich wissen. Natürlich kam man sich schon ein wenig wie im Gefängnis vor, aber es hat sich bis jetzt gelohnt. Ich fühlte mich einfach toll.


Das wöchentliche Meeting mit Kardeschian stand an. Er wirkte sehr aufgeräumt und

blätterte in seiner Kladde. Dann lächelte er.

"Herr Godwin! Sie sind dem Papier nach 69 Jahre alt, aber in medizinischer Hinsicht höchstens 45. Sie sind fit, wie ein Turnschuh, wenn ich das so lapidar sagen darf. Die Metastasen sind praktisch verschwunden und der Herd allenfalls nur noch rudimentär vorhanden. Ihr Training, auch auf dem Rad, hat sich bezahlt gemacht. Sie haben Muskelmasse aufgebaut und der Wasserhaushalt ist vorbildlich. Ich bin schlichtweg begeistert."

"Und ich erst", strahlte ich zurück, wobei ich meine festen Fingernägel betrachtete.

"Noch was, Herr Godwin, ob sie es glauben, oder nicht: Sie bekommen neue Weisheitszähne!"

"Toll!"


Ein weiterer Monat

war vergangen. Ein spezieller Friseur war gekommen, um mich zu schneiden. Wieder kein Spiegel, aber ich sah die abgeschnittenen Haare herunter fallen. Sie waren kräftig und dunkel, keine grauen Flocken mehr. Außerdem kämmte der Meister an Stellen, wo früher eine Fliege hätte ausrutschen können.

Ich hatte die Hantelgewichte inzwischen verdoppelt und das Radpensum ebenfalls. Das Atmen ging wesentlich befreiter. Ich entwickelte mich praktisch zu einem Konditionsbolzen. Dass ich ein wenig mehr hechelte, ist bei Sportanstrengung doch normal. Der Krebs war besiegt, hatte

Kardeschian mitgeteilt. Noch zwei Monate, dann konnten die Anderen aber staunen.


Im folgenden Monat

stellte ich erstmals gewisse Merkwürdigkeiten fest. Ich hatte mehr Appetit, hauptsächlich auf Fleisch. Je weniger gar, also so roh wie möglich, desto lieber. Ab und an probierte ich beim Kottelett sogar den Knochen. Am Hintern hatte ich eine kleine Wulst. Kardeschian sagte aber, dass das wohl durch das viele Radfahren käme. Daher bekam ich einen Spezialsitz montiert. Er hatte zwischen den Auflagebacken eine Einkerbung. Auf was ich wirklich stolz war, das waren meine Nägel. Sie waren Klasse. Ich bearbeitete sie lange und hingebungsvoll mit einer Beißzange und

einer schweren Metallfeile.

Die Weisheitszähne waren nun sechs an der Zahl. Vorne war mir ein Zahn ausgefallen, ein Mordsbrocken, aber es wuchs bereits ein neuer nach.

Inzwischen musste ich aufpassen. Ein Teller war mir einfach so zerbrochen, als ich ihn abstellen wollte. Der gute Kardeschian ließ jetzt nur noch aus Stahltellern servieren und Getränke bekam ich nun in Zinnkrügen. Die Dusche benutzte ich schon seit längerer Zeit nicht. Das Wasser war mir irgendwie unangenehm, obwohl es mich immer wieder am Rücken juckte. Ansonsten könnte ich Bäume ausreißen, so unheimlich gesund und glücklich fühlte ich mich. Die Wulst war zum Glück nicht dicker

geworden, nur etwas länger. Ach ja, noch etwas! Neulich habe ich mich glatt am oberen Türholm gestoßen. Ist das nicht merkwürdig? Der Türrahmen konnte doch wohl kaum niedriger geworden sein, oder?


Nur noch einen Monat,

dann konnte ich raus. Dann war das halbe Jahr vorbei. In meinen Räumlichkeiten hatte Kardeschian die Tapeten entfernen lassen und die Betonwände mit speziellen Eisenplatten verkleidet. Die aufgerissenen Tapeten hatten nämlich inzwischen wirklich nicht mehr hübsch ausgesehen. Das Bad war ebenfalls restauriert. Metall fand ich außerdem geschmackvoller. Ich verrichtete nun meine

Notdurft im Stehen. Ging besser. Ob mir der Schlingel Kardeschian heimlich ein Haarwuchsmittel verabreicht hatte, weiß ich nicht. Jedenfalls konnte ich mich nicht beklagen. Einzig der Rücken machte immer noch Probleme, so dass es ab und an angenehmer war auf allen Vieren zu laufen. Das Fleisch, das mir gebracht wurde, war nun endlich roh. Mit Beilagen, wie Gemüse, oder gar Kartoffelpüree wurde ich nicht mehr malträtiert. Das mit den Tellern hatte sich ebenfalls erübrigt. Es war auch bequemer die Fleischstücke durch die Gitterstäbe zu angeln. Meinen Krallen entging nichts, das dürfen sie mir glauben. Ein klein wenig war ich betrübt, dass ich nicht mehr joggen konnte. Zuerst hatte ich die verschlossene Tür von

meinem Zimmer zertrümmern können, aber seit den Gitterstäben war auch das nur noch Makulatur. Das konnte niemand antizipieren, hatte Kardeschian salbungsvoll erklärt. Mir war nun öfters langweilig. Der Fernseher war längst verschwunden. Ich hatte sowieso nicht mehr alles verstehen können, weil sie so komisch brabbelten. So kratzte ich mich ausgiebig und versuchte Läuse zu fangen. "Aber eines kann ich euch versichern: Ich fühle mich sauwohl! Und so was von kräftig! Und so gesund! Da könnt ihr alle nur neidisch sein!" Nur noch 14 Tage!

Oder waren es doch.... ? Ich komme beim Zählen immer mehr

durcheinander. Jedenfalls steht Kardeschian hinter den Gitterstäben und hat ein Blasrohr.

"Wir werden ihn einäschern müssen", sagt er zu seinem Gehilfen.

"So können wir ihn nicht einsargen."

"Dann sagen wir eben, dass er leider doch an Krebs gestorben ist."

"Genau", bestätigt der Professor.

"Wollen wir ihm nicht doch vorher in den Spiegel blicken lassen?"

Kardeschian erschrickt.

"Sind sie wahnsinnig? Nehmen sie doch Rücksicht!"

"Entschuldigung!"

Dann bekam der Assistent einen Ausdruck, wie ein Pfarrer, wenn er ein Schäflein verliert.


"So soll ihn denn ein anderes, besseres Universum aufnehmen, damit er seinen Frieden findet."



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Hörbuch

Über den Autor

welpenweste
Ich versuche mit guten Geschichten zu unterhalten.
Hoffentlich glückt es.
Ich bin Jahrgang 1958, in München geboren.
Seit meiner Kindheit schreibe ich, habe aber nie eine Profession daraus gemacht. Meine zarten Versuche mal eine meiner Geschichten bei einem Verlag zu veröffentlichen sind gescheitert.

Hier gibt es eine Auswahl von Kurzgeschichten aller Art. Sie sind in ihrer Kürze dem Internet und e-pub Medium angepasst.

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Willie Ob ich als Testperson geignet bin? Mal sehen was der Herr Professor meint.
Muss aber noch überlegen, ob ich ein so hohes Alter erreichen möchte. Man weiß ja nicht wie sich die Dinge in Deutschland (und der Welt) entwickeln. Moslem werden und mich im hohen Alter beschneiden lassen- nein, das würde mir nicht so sehr gefallen.
LG
Willy
Vor langer Zeit - Antworten
CHM3663 Absolut toll geschrieben und echt fesselnd!
Tja, man soll der Natur eben besser doch nicht zu sehr ins Handwerk pfuschen!
Jetzt bin ich doppelt froh darüber, daß ich nie irgendwelche Medikemente nehme...:-)
LG, Chrissie
Vor langer Zeit - Antworten
welpenweste Wir greifen schon viel zu viel in die Natur ein, ohne dass wir uns über die Folgen im Klaren sind.
Günter
Vor langer Zeit - Antworten
CHM3663 Und genau darin liegt ja die große Gefahr!
Toll und wichtig, daß Du auf so eine nette, unterhaltsame Art daran erinnert hast!
Richtig gute Geschichten mit ernstem Hintergrund - Was könnte besser sein!?
Vor langer Zeit - Antworten
Nereus 
gern gelesen danke
die evolution lässt uns älter werden und die pharmaindustrie lässt es uns ertragen
Vor langer Zeit - Antworten
GertraudW 
Also ich war dermaßen gefesselt von dieser verrückten Geschichte,
dass ich gar nicht gemerkt habe, wie lang sie (für mich) ist ... grins*.
Unheimlich toll geschrieben.
Liebe Grüße und ein geruhsames Wochenende
Gertraud
Vor langer Zeit - Antworten
welpenweste 
Ich musste die Veränderungen genussvoll darstellen. Hat mir diebischen Spaß gemacht!
Danke vielmals für das Lob!
Herzlich
Günter
Vor langer Zeit - Antworten
Ameise Nette Geschichte, schade nur das der Krebs dann doch noch gesiegt hat. Zumindestens Offiziell. LG Ameise
Vor langer Zeit - Antworten
NORIS Eine verrückte Gechichte aber sehr gut und unterhaltsam erzählt ... eines weiß ich jedoch: der Professor Kardeschian sieht mich nie ... ich verzichte lieber auf die ewige Jugend und altere in Würde bis ich 120 bin ... lach!
Lieben Gruß
Heidemarie
Vor langer Zeit - Antworten
Rajymbek Her mit dem Zeug und ich werde zweihundert Jahre alt. MMhh - dann muss ich wohl noch lange arbeiten, denn meine Rente wird sehr kanpp ausfallen.

VLG Roland
Vor langer Zeit - Antworten
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