Kurzgeschichte
Bukowski hätte seinen Spass gehabt

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"Bukowski hätte seinen Spass gehabt"
Veröffentlicht am 07. April 2007, 10 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Bukowski hätte seinen Spass gehabt

Bukowski hätte seinen Spass gehabt

Bukowski hätte seinen Spaß gehabt

Alles in allem war es ein durchschnittlicher Montag, den ich –so wie die meisten Montage – im Kaffeehaus verbrachte. Eigentlich verbrachte ich jeden anderen Wochentag auch dort, aber diese Mal war eben Montag. Ein ganz besonders sonniger solcher sogar, aber irgendwie ließ sich auch heute eine gewisse Schwermut und Unzufriedenheit nicht gänzlich verleugnen.
So gegen Mittag hatte ich alle im Lokal aufliegenden Zeitschriften durch und bestellte mein erstes Bier. Das erste nach unzähligen Milchkaffee, die ich vormittags auch bitter notwendig hatte, um einen für andere Menschen brauchbaren Gemütszustand zu erreichen. Nicht, dass ich vorhatte, wen zu treffen, aber gerade, wenn man es am wenigsten plante, traf man üblicherweise die meisten Zeitgenossen.
Meine vom Kaffe leicht aufgeputschte Stimmung zu halten war ab Mittag dann stets die Aufgabe der österreichischen Bierbrauer. Üblicherweise kamen die ihrer Pflicht mir gegenüber bis zum frühen Abend nach, dann entließ ich sie und stieg auf internationale Suchtbefriedigung um. Heute würde es Wodka werden.
Wie gesagt. Mittags. Erstes Bier. Brauchbar gelaunt.
Ich hatte gerade die erste Seite für eine groteske Kurzgeschichte mit dem Titel Leben unter dem Spannteppich fertig, als mir die Tinte ausging. In der Schule hatte ich es nicht besonders leiden können, mit Feder und Tinte zu schreiben, aber mit dem erwachsen werden entwickelt man ja so seine Ticks. Meiner war, mit Feder zu schreiben.
Wenn andere ihre Notizen mit den Fingernägeln in einen briefmarkengroßen Communicator eintippten, schrieb ich mir das zu Merkende auf Zigarettenpackungen, Bierdeckeln und Rückseiten von Visitenkarten auf. Immer mit meiner Füllfeder. Und ich genoss es irgendwie, als wandelnder Anachronismus, inmitten von i-pods, lap-tops und Communicators, im Kaffeehaus aus einem Glasfass mit meinem Füller ein Stamperl Tinte aufzuziehen. Und gerade dieser altertümlich anmutenden Angewohnheit verdankte ich mein Montagsabenteuer.
Die Sonne, die nach Wochen wieder einmal zu scheinen wagte, ließ mich völlig kalt, die anderen Gäste waren mir ebenso gleichgültig – ich war mit meiner Geschichte beschäftigt.
Was mich aber nicht ganz so kalt ließ, war die Schwarzhaarige, die soeben das Lokal betreten hatte. Falsch! Sie hatte es nicht nur betreten, sie war erschienen.
Langes schwarzes Haar, das bis zu der genialen weiblichen Stelle zwischen Arsch und Kreuz reichte, riesengroße, ebenfalls schwarze Augen mit passenden Wimpern dazu und einer Figur, die ihresgleichen auf diesem bedauernswerten Planeten ein zweites Mal wohl vergeblich suchte, nahm sie an dem meinem Tisch gegenüber liegenden Platz.
Eigentlich bemerkte ich sie nur aus dem Augenwinkel, da mich das Schreiben voll und ganz in Anspruch nahm, aber hie und da sah ich dennoch auf – sei es nur, um zu prüfen, wie voll denn mein Glas noch wäre. Immer fast leer natürlich. Deshalb hatte ich mit der Kellnerin auch schon ein beinahe freundschaftliches Verhältnis – immerhin sprachen wir alle zehn Minuten miteinander.
„Das Glas ist kaputt!“ rief ich, wenn es leer war.
„Oh, mein Gott ich repariere es so–fort!“ war die übliche Antwort der zierlichen Blonden hinter der Bar.
Mein neues Bier kam und die Schwarzhaarige schenkte der Kellnerin und mir jedes Mal enorm aufmerksamen Blick, wenn wir unser belangloses Geplänkel abhielten. Geben und Nehmen. Geld gegen Bier – viel herzlicher wurden wir kaum.
Sieben oder acht Bier lang wandte die Schwarze nach längstens ein paar Sekunden ihren Blick wieder von uns ab, aber dann, bei Bier Nummer neun, sah sie plötzlich nicht mehr weg und lächelte mich an. Da ich höflich erzogen worden war, seinerzeit, lächelte ich zurück, maß ihrer Freundlichkeit keine weitere Bedeutung bei und widmete mich wieder der Entstehung meiner nobelpreisverdächtigen Geschichte. Gerne wäre ich fotografiert worden – denn so ein dumm glotzendes Gesicht wie meines sah man nicht alle Tage – als sich die Frau plötzlich zu mir an den Tisch setzte und sagte: „So konzentriert, wie Sie arbeiten, bemerken Sie das vermutlich sowieso nicht, wenn ich Sie beim Schreiben aus der Nähe betrachte, oder ?“
„Ist das Ihr Ernst?“ fragte ich, weil sie gerade mein Weltbild erschüttert hatte. Nicht durch ihre dumme Anmache, sondern dadurch, dass sie sich überhaupt mit mir an einen Tisch setzte. Auf einmal rechnete ich mir Chancen aus, sie ins Bett zu bekommen. Nicht, weil ich so umwerfend gut aussah – das war nicht einmal annähernd der Fall – sondern, weil ich das automatisch von jeder Frau annahm, die freiwillig mit mir ein Gespräch anfing.
„Ich habe schon lange niemanden mehr mit einer Füllfeder schreiben gesehen… wirkt ziemlich sexy, so was.“ Sagte sie so beiläufig, als hätte sie sich eben ein Glas Wasser bestellt.
Ich blickte kurz auf, sah ihr in die Augen, sagte nichts und wandte mich wieder meiner Arbeit zu. Das hatte ich auch wieder nicht nötig, dass ich mit der Schwarzen über Schreibgeräte schwafelte, noch dazu beim arbeiten.
Und im Rausch.
Zeitverschwendung.
Wenn sie mit mir schlafen wollte, sollte sie das, bitteschön, kundtun, aber nicht um den heißen Brei herum reden. Meine Geschichte musste bis morgen Mittag beim Verlag liegen, wenn ich ein bisschen Geld dafür sehen wollte. Und, wenn ich daran dachte, dass locker zwei Stunden für das Abtippen am Computer draufgehen würden, war ich ohnehin schon massiv unter Zeitdruck. Für offenherzige und sympathische Gespräche hatte ich keine Zeit. Heiute auf gar keinen Fall.
Klare Ansagen bitte! Wenn du ficken willst – okay, lass uns keine Zeit verlieren. Wenn nicht, Schatz, hol dir noch einen Kaffee und lass mich in Frieden!
Meine Gedanken konnte sie unmöglich verstanden haben – da tat ich mir meist selber schwer – also musste sie aus eigenem Antrieb gehandelt haben, als sie sagte: „Herr Schriftsteller, ich wohne drei Häuser weiter. Wollen wir nicht gemeinsam eine kleine Kreativpause einlegen?“
Ich sah von meinem Notizblock auf und zog ungläubig eine Augenbraue hoch.
„Schadet sicher nicht.“ Antwortete ich schließlich, packte mein Schreibzeug weg und rief der Kellnerin zu: „Zwei Wodka-Tonic!“ Sie nickte.
„Doppelte!“ mischte sich die Schwarze ungefragt, aber willkommen ein

Sechs oder sieben doppelte Wodka-Tonic später erklommen wir die Stiegen zu ihrer Dachgeschoßwohnung nächst dem Kaffeehaus. Sechster Stock, hatte sie behauptet. Mir kam es vor, wie die Erstbesteigung des Donauturmes. Mein Zigarettenkonsum von drei Packungen täglich machte es nicht wirklich leichter, die vier Millionen Stufen zu bewältigen – ich schnaufte, wie eine Dampflok.
Während der Wodka, die wir miteinander getrunken hatten, war es unmöglich gewesen, NICHT zu reden, aber so hatte ich zumindest erfahren, mit wem ich heute Nacht schlafen würde. Veronika, verwitwete Zahnärztin, sechsunddreißig Jahre alt, kinderlos, ausreichend bemittelt, mit einem leichten Hang zur Bohème – da kam ich ihr gerade recht.
„Kannst nimmer, oder magst nimmer?“ fragte sie mich im vierten Stockwerk des Gründerzeithauses schnippisch, presste sich an mich und ihre Zunge in meine Luftröhre. Eine unglaublich lange Zunge, wohlgemerkt. Sie konnte sich damit vermutlich locker den Hals waschen. Innerhalb von Sekundenbruchteilen versteifte sich mein Penis zu nie gekannter Größe und Härte und wurde von ihren dunkelrot lackierten Fingernägeln durch meine Hose hindurch brutal gereizt.
Lustvoll gequält stöhnte ich kurz, dass das ganze Stiegenhaus minutenlang widerhallte und fasste im Gegenzug ihre langen schwarzen Haare mit der Faust zusammen und riss sie daran kräftig zu Boden. Sie stöhnte ebenfalls, hatte aber sofort begriffen, worum es mir ging. Mit ihren überlangen Fingernägeln zog sie mir kniend den Reißverschluss meiner Jeans auf, befreite mein aufs Höchste erigierte Glied von der Feinrippunterhose und stülpte ihren Mund darüber, wie einen glühenden Ring. Dann spielte sie, ohne die Lippen zu bewegen, eine unendliche Zeit lang mit ihrer Monsterzunge an meiner Eichel herum und bescherte mir ganz nebenbei mit ihren Nägeln an Rücken und Arsch einige respektable Fleischwunden.
Gerade, als ich vergessen hatte, wo wir uns befanden, klangen aus der Ferne ein paar undeutlich genuschelte Worte an meine Ohren heran, die so ähnlich klangen, wie: „Grüß Sie, Frau Doktor, wünsche des weiteren noch einen vergnüglichen Abend…“
Veronika erhob sich nicht etwa, wie man das vielleicht erwartet hätte – sie ließ mich nur kurz aus, um dem ungeliebten Nachbarn hörbar die Zunge zu zeigen, danach machte sie umgehend weiter, als ob nichts gewesen wäre. Sie saugte, leckte, streichelte, kratzte und biss noch ein paar Minuten weiter, dann war es um mich geschehen. Ich explodierte quer durch das Stiegenhaus und sank anschließend ob meiner weichen Knie beinahe in mich zusammen.
„Schade“ , sagte sie, als sie meine Hose wieder schloss und sich das Gesicht mit dem Ärmel ihrer Weste notdürftig abwischte, „ich habe geglaubt, wir schaffen es bis in den sechsten Stock.“ Dann stand sie auf, drehte sich um und verschwand im Stiegenhaus.
Ohne Grußworte.
Charles Bukowski hätte seine Freude gehabt.



***

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scheerzeit

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Milan01 Sehr gute Geschichte und endlich einer der Bukowski kennt. Super Schriftsteller. Deine Story erinnerte mich an ihn.
5*
Lg Milan01
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