Romane & Erzählungen
Telefon (Teil neun) - Serieller Onlineroman

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"Telefon (Teil neun) - Serieller Onlineroman"
Veröffentlicht am 11. Oktober 2008, 8 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Telefon (Teil neun) - Serieller Onlineroman

Telefon (Teil neun) - Serieller Onlineroman

Beschreibung

Wie werden bösen Jungs gemacht, wenn nicht in einer finstren Nacht ? _______ Ich empfehle, den Text in der Reihenfolge zu lesen. Titelbild: Gilbert G. Groud unter der Creative-Commons-Lizenz.

Kapitel vier : Interkulturelle Gedanken

Der Mann auf dem Feldbett hatte fast achtzehn Stunden geschlafen, einen flachen, traumlosen Schlaf, wie er ihn seit seiner Legionärszeit gewohnt war. Es war noch vor Sonnenaufgang, nur die unermüdlichsten Frühaufsteher innerhalb der lokalen Sperlingscommunity gaben bereits zaghafte Ansätze ihrer Sangeskunst zu Gehör. Mit einer einzigen schwungvollen Bewegung stand der Mann auf. Obwohl er dabei kaum ein Geräusch gemacht haben konnte, hörte er den Koreaner, der im vorderen Zimmer schlief, kurz schnauben und grunzen. Er war das schon von ihm gewohnt und deutete dies als sicheres Zeichen, dass er nun ins Bad gehen konnte, ohne eine überraschende Attacke seines Teamgefährten erwarten zu müssen. Der Koreaner war ihm von Anfang an zutiefst unsympathisch gewesen, aber sie waren beide Profis und wussten genau, wie wichtig der Beitrag des anderen für eine erfolgreiche Durchführung des Auftrags war. Er ließ etwas Wasser in das Handwaschbecken laufen, wusch sich, schaltete seine Taschenlampe ein und begann mit einer gründlichen Nassrasur.

Sein Gedanken schweiften weit über den Ozean, bis in die unendlichen Wälder seiner kanadischen Heimat, die er ganz sicher wiedersehen würde, wenn dieser Job erledigt war. Heimat, dieses Wort. Für seine in den fünfziger Jahren aus Deutschland eingewanderten Eltern war es stets ein besonderes, ja fast ein heiliges Wort gewesen. Besonders Mutter hatte immer nur mit leichtem Glanz in den Augen von der Heimat gesprochen, während der Vater mit aller Gewalt die deutschen Tugenden auf den einzigen Sohn zu prägen suchte und es dabei vor allem an der Gründlichkeit nicht mangeln ließ. Der Mann streifte das Rasiermesser am Beckenrand ab und musste unwillkürlich lächeln, als er an den tödlichen Unfall beim Baumfällen dachte, damals, als er mit seinem Vater ganz allein in den Wäldern war. Später war er von der Army nicht zuletzt wegen seiner Sprachkenntnisse nach Lahr im Schwarzwald versetzt worden. Ihm wurde recht schnell klar, dort seine sehr klaren Vorstellungen von effektivem Kriegshandwerk nicht verwirklichen zu können und so ging er nach seinem Wehrdienst zur Legion. Anschließend folgten verschiedene Einsätze mit einer südafrikanischen Privatarmee und seit einigen Jahren war er nur noch für seine jetzigen Auftrageber tätig. Und dieser Job, das hatte er unmissverständlich klar gestellt, würde sein letzter sein.
Zufrieden mit dem Ergebnis der Rasur, reinigte er das Messer und spülte das Becken aus. Zeit fürs Frühstück.

Der Koreaner schlief immer noch, und während er die Treppe hinunter stieg, dachte er kurz an jenes dubiose Restaurant in Manchester, das der Koreaner ganz sicher als erstes aufsuchen würde, wenn alles erledigt war. Einmal war er selbst dort gewesen, als sie das Team zusammenstellten. Ein Speiselokal der ganz besonderen Art, ausschließlich Stammkunden, von allen Katzen und streunenden Hunden der Nachbarschaft schon aus reinem Selbsterhaltungstrieb gemieden. Der Kanadier öffnete eine Büchse Dosenfleisch, nahm eine Packung Pumpernickel, ein kleines Glas Gewürzgurken und eine Flasche Orangensaft aus dem Küchenschrank und bereitete seine Mahlzeit.

Als der andere Mann aufwachte, war der Kanadier gerade nach draußen gegangen, um sein aus zahlreichen Liegestützen,Situps und Pushups bestehendes Training zu verrichten. Eigentlich war er gar kein Koreaner, sondern als Sohn eines Lao und einer Chinesin in einem kleinen Fischerdorf am Tonle-Sap-See in der kambodschanischen Provinz Siem Reap geboren. Seine Eltern waren bei der Evakuierung Battambangs von den Roten Khmer getötet worden, als er gerade elf Jahre alt war. Die Tante einer Nachbarin nahm sich des Jungen an und brachte ihn zu entfernten Verwandten nach Saigon. Wenig später wurde seine neue Familie verhaftet und zur Umerziehung in eines der Folterlager des Viet Cong gebracht. Er selber überlebte nur, weil er von einem Offizier, dessen Bursche auf eine Mine getreten war, im letzten Moment vom Laster geholt wurde. Drei Jahre danach marschierte er mit den vietnamesischen Truppen in Phnom Penh ein. Während der Besatzung fand er Gefallen am Soldatenleben, musste sich aber, nachdem er drei Kameraden im Streit die Kehlen durchgeschnitten hatte, nach Laos absetzen. Mittels gefälschter Papiere gelang es ihm einige Zeit später bei der südkoreanischen Armee unterzukommen. Danach war er einige Jahre lang für den Sicherheitsdienst eines Papierkonzerns in ganz Asien unterwegs gewesen, bis auch er zu seinen jetzigen Bossen weiter empfohlen wurde. Mittlerweile ein absoluter Experte für den Nahkampf, war er nur dann zufrieden, wenn er seine Kenntnisse zur praktischen Anwendung bringen konnte. Alles andere war ihm völlig gleichgültig.

Augenblicklich gab es für die beiden Männer nichts zu tun, als die Ankunft des Mannes aus Prag abzuwarten und die Ladung des Kleintransporters zu bewachen.
Sie hatten schon schlimmeres überstanden.
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Hagenbaeumer Re: Aha ... -
Zitat: (Original von Gunda am 16.02.2009 - 08:48 Uhr) ..(...)
Diese Art der charakterlichen Beschreibung, die du diesen beiden Herren hast angedeihen lassen, habe ich bei "dem Fahrer" und "dem anderen Mann" aus einem der vorigen Kapitel ein bisschen vermisst. (..)



tja, manchmal beschweren sich die figuren bei mir und bestehen darauf, etwas weniger eindimensional dargestellt zu werden... .
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Aha ... - ... gut, dass Lothar schon nachgefragt hatte ...
Diese Art der charakterlichen Beschreibung, die du diesen beiden Herren hast angedeihen lassen, habe ich bei "dem Fahrer" und "dem anderen Mann" aus einem der vorigen Kapitel ein bisschen vermisst. Ist ja aber auch immer die Frage, wie groß die Rolle noch sein wird, die die jeweiligen Leute in der Geschichte spielen.
Ich warte ab.
lg
gunda

Vor langer Zeit - Antworten
Arachova Was ist das? - Du bist noch immer auf? Auch schon gelesen.
Ich wĂŒnsche Dir eine schöne Woche.
Arachova
Vor langer Zeit - Antworten
Hagenbaeumer Re: Grins, grins... -
Zitat: (Original von Arachova am 30.10.2008 - 16:34 Uhr) ... und was ist das - ich sehe z.Zt. keine Verbindung zum Inhalt zum bisherigen Geschehen. Kommt noch, wirst Du jetzt sicher sagen.

Gruß Arachova



hmmmm,

also die klassische erzĂ€hlweise, die also immer funktioniert, in die von exposition-konflikt-auflösung. so betrachtet ist es bestandteil der exposition. allerdings hat dieses kapitel noch einen aspekt. die beiden figuren erhalten einerseits eine gewisse tiefe durch nĂ€here beschreibung und andererseits wird ihre bisherigen charakterisierung von einer gewissen ambivalenz verdrĂ€ngt, oder , einfacher ausgedrĂŒckt, sie sind halt nicht nur "die bösen", oder zumindest nicht einfach grundlos so gefĂ€hrlich wie bisher dargestellt.
das war mir wichtig.
Vor langer Zeit - Antworten
Arachova Grins, grins... - ... und was ist das - ich sehe z.Zt. keine Verbindung zum Inhalt zum bisherigen Geschehen. Kommt noch, wirst Du jetzt sicher sagen.

Gruß Arachova

Vor langer Zeit - Antworten
gaethke ... - Das wird ja immer abgefahrener. Wer sind denn die Typen jetzt? Sind ja inzwischen verdammt viele Personen geworden. Bin gespannt, wie und ob sich alles zusammenfĂŒgt.
Vor langer Zeit - Antworten
Christina_Maverik .... - ..getz gehtz zur sache ;-)
Bin gespannt wie es weitergeht..
LG Christa-tina
Vor langer Zeit - Antworten
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