Sie lebt - nicht ganz freiwillig - auf der Straße, hat ein immer weiter wachsendes Problem und nur noch ihren Stolz … Doch der wird auf eine harte Probe gestellt, als ihr der große Blonde, der sie nach einem Unfall aus dem Wasser zieht, immer wieder ungefragt seine Hilfe aufdrängt!
Teil 5
Ich kramte in meinem Bündel, nach einer Decke, da plumpste mir plötzlich ein Päckchen Geldscheine entgegen.
Was zum ..? Das konnte ja nur von ihm stammen, von Rollen D. Rubel! Augenblicklich flammte heftige Wut in mir auf. Was bildete der sich eigentlich ein?!? Glaubte er, mit Geld könnte man alles richten, dieser reiche Sack?!
Dann fiel mir ein Zettelchen an dem Bündel DM-Scheine auf. Meine Neugier siegte und ich las die handschriftliche Nachricht:
<< Ich habe dir schon mal gesagt, ich kann dir ein Freund sein, wenn du es zulässt. Aber da du das störrischste und wütendste Mädchen bist, das mir je begegnet ist, schätze ich, das wird nicht der Fall sein. Ich bedaure das, aber ich muss es wohl akzeptieren.
Doch ich bin trotzdem der Meinung, dass du ein bisschen Hilfe gebrauchen kannst und sei es nur in Form dieser Geldscheine, die ich, da du dies nun liest, anscheinend erfolgreich in dein Bündel schmuggeln konnte.
Ich sehe dich direkt vor mir, wahrscheinlich sauer bis zum Anschlag,
aber versetz dich mal in meine Lage:
Ich stehe deiner Wut und deinem Leid hilflos gegenüber, weil du keine Hilfe annehmen willst. Deswegen sah ich das als die einzige Möglichkeit und wenn du kurz nachdenkst, siehst du vielleicht ein, dass es nicht schadet, das Geld anzunehmen.
Vielleicht brauchst du demnächst ein trockenes Plätzchen zum Schlafen oder Medizin (denk daran, in der Klinik läufst du immer noch unter meinem Namen! Geh dahin, wenn es sein muss!) oder was weiß ich.
Meine Telefonnummer hast du ja, aber
ich würde ziemlich viel gewettetes Geld verlieren*, wenn du tatsächlich anrufen würdest. Meine Freunde halten mich eh schon für verrückt. Bin ich vielleicht auch, aber egal.
Ich wünsch dir alles Gute.
Dein Rollen D. Rubel, eigentlich Jens Kosim >>
Ganz unten war noch mal ein * und eine hastig dazu gekritzelte Notiz << Hey, DAS sollte dich doch eigentlich genug motivieren! >>
Humor hatte er auch noch. Seine Überlegung war ja gar nicht so falsch, aus seiner Sicht, so wie ich mich benahm, die einzige Möglichkeit, mir was Gutes zu tun.
Nachdenklich schaute ich auf das Geld und spürte eine lange vermisste Wärme im Herzen. Da draußen gab es jemanden, der sich um mich sorgte und wenn es schon nicht meine Mutter war, dann doch mein Lebensretter, dem ich einfach nicht egal war. Manch einer könnte es zwar profan nennen, die Hilfe mit Geld lösen zu wollen, aber es war ein logischer Schritt gewesen.
Seufzend stopfte ich das kleine Päckchen wieder zurück. Wenn die Zeit gekommen war und ich wegen der fortgeschrittenen Schwangerschaft nicht mehr gut arbeiten konnte, würde ich es, so ungern ich Almosen annahm, sicher gut gebrauchen können.
In dieser Nacht, in sehr unbequemer Lage, träumte ich wieder von Rollen und schämte mich am nächsten Morgen dafür. Was ist die menschliche – oder weibliche – Psyche doch leicht beeinflussbar! Kaum dass ein Mann mal nett zu mir war, musste ich Gefühle für ihn entwickeln, dabei hatte er doch extra betont, dass er mir nur ein Freund sein wollte, wenn überhaupt. Außerdem war er einen Tick zu alt für mich!
Also schlug ich mir das aus dem Kopf, darin war ich ja inzwischen echt gut geworden. Mein Traum sollte lediglich sein, dieses Kind, das letztendlich nichts dafür konnte, auf die Welt zu bringen, es zur Adoption frei zu geben und dann zu versuchen, das Letzte, was mir noch aus einem besseren Leben verblieben war, mit
mir zu nehmen. Nur deswegen war ich überhaupt noch hier in der Stadt, trotz der Gefahr, von Tonis Männern geschnappt zu werden. Lächerlich, aber das Einzige, was mich durchhalten ließ.
Es folgte eine Schönwetterperiode, in der ich mich fast jeden Tag auf die versteckte Parkbank zurück zog. Man stelle sich meine Überraschung vor, als dort eines Abends plötzlich etwas lag, in Geschenkpapier eingewickelt und mit einem 'K' auf dem Anhänger. Da hatte mein Wohltäter anscheinend mal wieder zugeschlagen.
Unschlüssig drehte ich das Päckchen in der Hand, zögerte, es zu öffnen. Wenn es nun wieder Geld war? Das hätte ich als ziemlich demütigend empfunden
…
Irgendwann siegte die Neugier und es war zum Glück kein Geld. Es war ein Radio-Walkman mit ein paar Ersatzbatterien, irgendwie eine süße Idee. Rollen hatte auch wieder eine kleine Nachricht dazu geschrieben:
<< Hi, natürlich hast du nicht angerufen, trotz des Anreizes, den du hattest :-(
(Das Geld habe ich jetzt lieber anonym dem Abendroth-Haus gestiftet, für Mädchen, die vernünftiger sind als du.)
Ja ich weiß, du hast deine Gründe, die ich aber leider nicht kenne. Da mir Musik bei vielem hilft, dachte ich, du könntest dennoch eine kleine Ablenkungsmöglichkeit gebrauchen. Parfüm wirst du sicher nicht wollen, oder? (Hilfe, das soll um Himmels willen keine Anspielung sein!)
Ich bin jetzt ein paar Tage unterwegs,
also kein Stalking mehr. Ich hoffe aber, dass es dir gut geht!
Rollen aka Jens >>
Dieser Mann war einfach der Hammer. Die Gerüchte über seine Homosexualität mussten einfach wahr sein, wer konnte sonst so einfühlsam sein? Kein Ton mehr davon, dass ich mich bei ihm melden sollte, aber irgendwie noch immer eine ausgestreckte Hand, so kam es mir vor.
Das war so ein Gefühl, als hätte man einen total netten Brieffreund, weit weg, aber man wusste, er denkt ab und zu an dich. Hatte er nicht doch ein wenig Aufklärung verdient? Vielleicht hatte er mich mit dem Geschenk ja auch geschickt manipuliert, aber der Drang, meine Geschichte auf zu schreiben, war plötzlich übermächtig!
Deswegen wanderte ich am nächsten Morgen in ein Café, wo ich mir ein kleines Frühstück gönnte und dann um einen Bogen Papier bat.