Fantasy & Horror
Twisted Minds 2

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"Twisted Minds 2"
Veröffentlicht am 11. Juni 2014, 590 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

Also, dann will ich auch ein wenig von mir Preisgeben, damit ihr wisst was für ein Mensch eigentlich hinter den Geschichten steht ;) Ich hab schon geschrieben da war ich gerade mal 12 Jahre alt und ging noch zur Schule. Mich hat es irgendwie immer fasziniert in eigene Welten einzutauchen und diesen Form und Gesicht zu geben. Ob es einfache Fanfictions, oder eigene kleinere Ideen waren. Meine ersten Geschichten waren auch nicht mit Klassikern ...
Twisted Minds 2

Twisted Minds 2

Neue Wege

„Letzter Aufruf für alle Passagiere des Flugs 751 nach Quebec.“ Der 32-Jährige rannte die Halle entlang. Er atmete schwer. Die Jugendliche war jetzt nur noch ein paar Meter von ihm entfernt. Sie stieß allerdings alles, das sie zu fassen bekam um und legte es ihm in den Weg. Mit einem Satz sprang er über einen Koffer und setzte dem Mädchen weiter nach. Dwight war dicht hinter ihm und keuchte. „Scheiße...Das wird einfach, hast du gesagt....“ Das Mädchen hob jetzt ihre Hand und riss wie von Geisterhand den kompletten

Lüftungsschacht aus der Decke. Geräuschvoll krachte das Metall in ihre Richtung. Die beiden Männer konnten gerade noch ausweichen, um nicht zerquetscht zu werden. „....Eine einfache B-Patientin hast du gesagt....“ Die 16-Jährige schlitterte förmlich die Rolltreppe hinunter. Das rote Haar wehte dabei im Auftrieb. Sie hatte sich wieder ein kleines bisschen Vorsprung geschaffen. Ein Monat war seit der Sache mit Wilkins vergangen. Inzwischen hatte man Hammond ersetzt und sie waren wieder im Spiel. Ihr Auftrag hatte eigentlich relativ leicht geklungen:

Naiomi Winchester. 16 Jahre alt. Sie hatte die Fähigkeit Metall jedweder Art zu verbiegen. Ein nettes Mädchen. Dumm nur, dass Foster direkt mit erhobener Waffe auf sie zugeschritten war. Die Patientin hatte die Agentin mit einem Rohr K.O geschlagen und die Flucht ergriffen. Seitdem verfolgten die Männer sie. „Ist ja gut Dwight. Das kannst du mir später alles vorhalten.“ Die Kleine war flink und schlängelte sich wie ein Aal durch die Passanten auf dem Flughafen. Sie überhaupt zu finden war schon schwer genug gewesen. Es wäre wirklich ärgerlich, wenn sie ihnen jetzt entwischen würde. Ihre neue Chefin

war sehr deutlich gewesen dass sie so etwas nicht dulden würde, also war Scheitern hier keine Option. Es ging die Rolltreppe abwärts, zwischen zwei Leuten hindurch wieder über einen Koffer in die Haupthalle wo es von Menschen nur so wimmelte. Ethan brauchte einen Moment, ehe er die gelbe Kapuzenjacke in der Masse erblickte. „Da ist sie! Hinten am Service-Schalter!“ Dwight stürzte und blieb zurück. Jetzt war nur noch er übrig. Die Brust schmerzte bereits vom Rennen. Was das anging war er wirklich außer Übung. Dies war ihr erster Einsatz nach der langen Pause. Wenn er das gewusst

hätte, hätte er mehr Zeit ins Fitness-Studio investiert. Andererseits hatte ihm der Urlaub wirklich gut getan. Die Zeit mit Carrie und Sofia zu verbringen war etwas schönes. Da fiel es ihm nur um so schwerer zurück an seinen Arbeitsplatz zu gehen. Dennoch blieb ihm nichts anderes. Hammond war fort und noch immer trieben da draußen üble Gesellen ihr Unwesen. Leute wie Albert Wilkins zum Beispiel. Trotz angestrengter Suche war keine Spur von dem Blonden zu finden. Er war einfach abgetaucht. Irgendwann würde er sich wieder zeigen. Für diesen Tag mussten sie bereit sein. Jetzt allerdings galt es erst einmal die Entflohene

einzufangen. Die 16-Jährige rannte durch die Haupttür und verbog die Türgriffe ineinander als wären sie aus Butter. Der Arzt seufzte. „Na großartig!“ Er musste durch die Scheibe springen. Mit einem lauten Klirren brach das Glas. Im Gesicht hatte er etwas abbekommen aber das kümmerte im Moment nicht. Er blieb ihr dicht auf den Fersen. Sie sah sich um und fluchte. Es ging den Bürgersteig entlang, wo sie immer wieder Laternen und Parkuhren so verbog, dass sie ein Hindernis darstellten. Erinnerte ein wenig an einen Hürdenlauf aus dem Sportunterricht. Das

war schon damals nicht sein Fall gewesen und im Moment nervte es ihn einfach nur. Vor allem da die junge Frau kein Problem damit hatte ihre Kräfte einfach so in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Das würde gewaltigen Ärger geben. Er bog um die nächste Ecke, konnte gerade noch etwas gelbes sehen dass in die Gasse huschte. Warum mussten sie auch immer alle weglaufen? Er seufzte und ging ihr nach, nur um sich als nächstes einem Faustschlag gegenüber zu ziehen. Er taumelte rückwärts. Sie packte ihn am Kragen und schleuderte den Arzt gegen ein paar Mülltonnen. Ächzend kam er auf dem Boden auf. Das

hatte wehgetan. Er sah zu ihr auf. Naiomi war ebenfalls aus der Puste. Die Jagd hatte an ihren Kräften gezehrt. Vielleicht konnte er sie jetzt ergreifen. Langsam rappelte Ethan sich auf. „Warte...Ich will dir nicht wehtun...“ „Netter Versuch!“ Die junge Winchester war von zierlicher Statur. Dennoch wirkte sie mit allen Wassern gewaschen. In Abwehrhaltung stand sie vor ihm, machte aber keinerlei Anstalten ihn anzugreifen. Sie war nicht der aggressive Typ oder in irgendeiner Art verhaltensauffällig. Allerdings tat sie auch alles um zu verhindern dass man sie wieder in die Anstalt zurückbrachte: Sie nutzte falsche

Namen, hatte sich sogar die Haare rot gefärbt und trug offensichtlich Kontaktlinsen. Rote Augen fixierten den Arzt während die Teenagerin langsam auf ihn zu kam. „Ich will nicht zurück! Sie haben kein Recht mich einzusperren!“ Sie klang wütend. Durchaus verständlich. Sie war zwei Jahre in Willow Creek. Damals hatte ihre Mutter sie dorthin gebracht. In der Familie gab es immer Streit und nachdem Naiomis kleine Schwester unterwegs war, schien es eher so als wollten sie das Mädchen einfach nur abschieben, um finanziell besser dran zu sein. Natürlich nutzten sie dann ihre Fähigkeiten als Vorwand.

Keine schöne Geschichte. Ethan stand auf und schüttelte den Kopf. „Naiomi. Du weißt, dass das nicht so ist. Wir wollen nur helfen.“ Sie lachte nur und warf den Kopf in den Nacken. „Klar. Deshalb hat ihre Freundin mich auch mit ner Knarre bedroht!“ Ja, da musste er zugeben hatte Foster nicht ganz so schlau reagiert. Offensichtlich hatte sie ihm nicht zugehört als er sagte, dass sie hierbei umsichtig vorgehen mussten. Sie tat eben ihr bestes nicht auf das zu hören was er sagte. Ihr Verhältnis hatte sich nicht wirklich gebessert und das hier war nur ein Grund mehr die junge

Agentin nicht zu mögen. Verständlich dass die 16-Jährige nicht so gut auf ihn zu sprechen war. Er musste versuchen ihr Vertrauen zu gewinnen, aber das war einfacher gesagt als getan. „Hör zu. Das war alles ein dummes Missverständnis. Du kennst Mich oder? Ich habe dir niemals irgendwelche Lügen erzählt, oder dich falsch behandelt. Ich war immer ehrlich zu dir, oder Naiomi?“ Sie hielt einen Augenblick inne und nickte dann. Sie wirkte ein wenig unsicher was sie jetzt tun sollte. Sie tat ihm leid. So ein Schicksal hatte niemand verdient. Verstoßen von den Eltern und mit einer Fähigkeit leben zu müssen die

alles nur noch komplizierter machte. Früher hatte er sich oft gefragt wie es wohl sein würde solche Kräfte zu besitzen. Mittlerweile wusste er, dass sie meistens nur Leid und Kummer mit sich brachten. So trat er einen weiteren Schritt auf sie zu, als sie plötzlich den Kopf nach oben in Richtung der Feuertreppe richtete. Auch er musste sich unwillkürlich umdrehen. Foster stand dort gegen das Geländer gelehnt. In ihrer Hand hielt sie das Betäubungsgewehr. „NEIN!“ Der Schuss löste sich und er konnte sich gerade noch in die Bahn stellen, damit die Teenagerin nicht getroffen

wurde. Er fühlte einen kurzen Stich im Rücken und verzog das Gesicht. „Das...ist ja mal wieder wunderbar Foster...“ Er konnte gerade noch sehen wie die Patientin davon machte, bevor das Mittel wirkte und er das Bewusstsein verlor. So sollte die Sache mit Sicherheit nicht enden. -Zwei Stunden später „Also um noch einmal alles zusammen zu fassen: Sie haben nicht nur die Patientin entkommen lassen, sondern auch zugelassen dass sie ihre Kräfte in aller Öffentlichkeit wirkt? Über 500 Menschen haben gesehen wie Miss

Winchester ihre Kräfte nutzt während sie das Mädchen verfolgt haben. Hinzu kommen Beschädigungen am Flughafen, von Stadteigentum und sie waren so intelligent sich betäuben zu lassen. Liege ich da richtig?“ Alle drei standen jetzt im Büro der neuen Anstaltsleitung von Willow Creek. Seit Hammond ausgezogen war hatte sich hier einiges verändert: Der Raum hatte einen neuen Anstrich bekommen und leuchtete jetzt im sanften Beige. Kakteen und Palmen standen zur Dekoration in den Ecken, sowie ein kleiner Korb in dem ein Pudel schlief. Alles Mitbringsel von Roberta Heidenreich – Ihrer neuen Chefin. Sie

war Mitte 50, trug immer viel Make-Up und hatte die grauen Haare meistens hochgesteckt. Sie trug immer dieses beißende Parfum und diese 50er Jahre Klamotten. Das schlimmste jedoch war, dass sie überhaupt nicht mit Norman zu vergleichen war. Sie hatte zum Beispiel verboten dass Katherina sie weiter auf ihren Missionen begleitete. Das Mädchen war wieder in den D-Trakt gebracht worden. Laut ihrer Vorgesetzten war sie es ja überhaupt die für das Debakel verantwortlich war. Das stimmte zwar, aber sie hatte auch dazu beigetragen Patienten zurück zu bringen. Nur zu dumm dass die Chefin das nicht hören wollte. Jetzt saß sie

einfach nur auf ihrem Stuhl und rauchte eine Zigarette. Dabei benutzte sie diese Plastikaufsätze, die früher die französischen Frauen benutzt hatten. Alles in allem hochnäsig und arrogant. Ethan konnte immer noch nicht verstehen wie man sie einsetzen konnte. Ursprünglich saß sie in einem Komitee dass generell alle Anstalten überwachte die von derselben Natur wie Willow Creek waren. Nach der ganzen Geschichte mit Wilkins hatte sie persönlich darum ersucht hier tätig zu werden. Einiges hatte sich verändert. Dass sie noch nicht gefeuert worden waren glich eher einem Wunder. „Ma’am. Miss Winchester ist nicht

gefährlich. Sie hatte einfach nur Angst. Das ist alles. Sie ist keine Bedrohung für die Allgemeinheit. Immerhin wurde sie damals von ihren Eltern abgeschoben. Das lässt sich nicht einfach verkraften. Ich bin mir sicher, dass wenn wir ihr entgegenkommen, dass wir bei ihr gute Chancen haben, dass sie kooperiert.“ Die Alte blies ihm Qualm entgegen und feixte ihn an wie ein Piranha. „Ach wirklich? Wenn es ihnen darum geht, die Leute zu verhätscheln dann hätten sie lieber im Kindergarten arbeiten sollen Mr. Rain. Die Tage in denen sie unter Hammond ihre Disziplin vernachlässigt haben sind vorbei. Ich

erwarte effektive Arbeit von ihnen. Miss Winchester ist flüchtig. Sie ist ausgebrochen und eine Gefahr. Ihre Kräfte sind stark genug um großen Schaden anzurichten. Ein solches Risiko darf man nicht außer Acht lassen. Das wissen sie genau. Die einzige die sich hierbei richtig verhalten hat war Miss Foster. Sie hat die Bedrohung erkannt und gehandelt, nur sie haben mit ihrem dümmlichen Verhalten verhindert dass die Mission abgeschlossen werden konnte.“ War ja klar dass sie jetzt so kam. Eileen musste sich ja in diesem Moment unglaublich bestärkt fühlen. Die Agentin stand neben ihm und hatte die ganze Zeit

einfach nur zugehört. Nach diesem Lob allerdings war sie leicht errötet und lächelte sogar. Na toll. Diese blöde Kuh hatte alles ruiniert und wurde dafür sogar noch gelobt. Fantastisch. Dennoch würde er sich nicht so einfach geschlagen geben. Es musste doch einen Weg geben Heidenreich davon zu überzeugen dass man in dieser Situation auch anders verfahren konnte. „Miss Heidenreich. Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt dass nicht alle Patienten gefährlich sind. Katherina-“ „Katherina Compton hat überhaupt erst dafür gesorgt dass all diese Patienten fliehen konnten. Für mich ein Rätsel wie man sie überhaupt zu einem A-Patienten

machen konnte. Das Mädchen ist instabil und gefährlich. Ihre Kräfte sind unkontrollierbar. Allein der Gedanke dass sie damit leben konnten dass sie frei umher spaziert ist für mich unfassbar. Versuchen sie nicht mit mir zu diskutieren Mr. Rain. Naiomi Winchester wird wie jeder anderer Patient behandelt. Sie finden sie und bringen sie in die Anstalt zurück. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen. Von jetzt an wird Agent Foster den Einsatz leiten. Sollten sie wiedermal eine ihrer tollen Ideen haben, behalten sie diese für sich verstanden? Sie dürfen gehen!“ Das war doch nicht zu fassen! Nicht nur dass Sie nicht mal einen Augenblick

lang zugehört hatte. Nein, Sie hatte auch noch Foster als Leiterin der Mission ernannt. Ethan schloss die Bürotür hinter sich und marschierte durch den Flur geradewegs in sein Büro. Die Tür flog krachend ins Schloss. Er war wütend angesichts der Tatsache dass er nichts unternehmen konnte. Diese Frau ließ einfach nicht mit sich reden und handelte allein nach ihrem eigenen Ermessen. Kein Wunder dass die Patienten die Anstalt hassten wenn sie von so jemandem geführt wurde. Allerdings ließ sich dagegen kaum etwas unternehmen. Natürlich, er hätte einfach gehen können, aber Dwight mit der ganzen Sache alleine zu lassen kam nicht

in Frage. Foster und Heidenreich würden ihn in der Luft zerfetzen. Es war gut wenn er wenigstens ihn als Unterstützung hatte. Dennoch waren ihm die Hände gebunden. Alles hatte sich verändert. Katherina versauerte im D-Trakt, Patienten wurden jetzt wie Tiere gejagt und eine Besserung war nicht in Sicht. Er seufzte und zündete sich eine Zigarette an. Er war sich sicher dass er Naiomi hätte überzeugen können. Eileen hatte alles zunichte gemacht. Das passierte eben wenn man Leute auf die Sache ansetzte die überhaupt keine Ahnung von der Materie hatten. Sie war keine Psychologin oder Ärztin, sondern eine ehemalige

Regierungsbeamte die sich mit der Waffe besser verstand als mit Worten. Er konnte immer noch nicht fassen dass man ihr die Führung überlassen hatte. Der 32-Jährige setzte sich. Noch immer war ihm ein wenig schwummrig von der Betäubung. Die Ladung hatte ihn voll erwischt, aber wenigstens wusste er jetzt wie sich die Patienten fühlten. Angestrengt suchte er nach einer Lösung für die Situation. Vielleicht sollte er auf eigene Faust weiter suchen und Naiomi finden. Allerdings würde das Heidenreich nur noch mehr Kanonenfutter darbieten und das war nicht der Sinn hinter dem ganzen. Ungeduldig tippte er mit den Fingern auf

dem Tisch herum und zog an seiner Zigarette. Norman hätte niemals zugelassen, dass es soweit kommt. Dass man Katherina wieder in den D-Trakt sperrte. Er wollte gar nicht daran denken. Wie es ihr wohl gerade ging? Besuchen durfte er sie nicht und Informationen über ihre derzeitige Verfassung wurden ihm verschwiegen. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Er war machtlos dagegen. Es klopfte an der Tür. Dwight trat ein und schloss die Tür hinter sich. Der Afroamerikaner wirkte angespannt. Kein Wunder nach dieser Predigt. Der 23-Jährige ließ sich auf dem Stuhl gegenüber des Arztes nieder

und begann seine Brille zu putzen. Ein Seufzer entkam seiner Kehle. „Die alte kann echt garstig sein. Man. Jetzt ist Foster auch noch unser Boss. Wenn du mich fragst, müsste diese Heidenreich mal dringend ordentlich geschaukelt werden.“ Ethan nickte. Sich zu beschweren brachte allerdings nichts. Sie mussten sich ihrer Situation vorerst fügen. Mit Foster als Zugpferd war dies denkbar schwierig. Keiner der beiden Männer kam sonderlich gut mit ihr aus. Sie war stets nur auf den Job fixiert. Ein klassischer Erfolgstyp. So eine musste ihre neue Chefin ja lieben. Unfassbar, warum Hammond sie damals ins Team

geholt hatte. Okay, sie hatte sich als hilfreich erwiesen und ihm sogar das Leben gerettet. Jedoch hatte das alles nicht geholfen, um mit der jungen Frau warm zu werden. Sie zeigte höchstens Interesse daran ihren Vorgesetzten in den Arsch zu kriechen. Das war auch schon alles. „Kaum zu glauben dass Katherina nicht mehr mit macht. Sie wie eine Irre einfach wegzusperren. Hammond hätte das niemals zugelassen.“ „Hammond ist aber leider nicht mehr hier und wir müssen uns den Anordnungen des neuen Führungspersonals unterordnen, auch wenn mir das nicht gefällt. Wir können nichts machen. Mir gefällt das auch

nicht. Für’s erste ist es wie es ist. Wir müssen eben versuchen das beste aus der Situation zu machen.“ Der Schwarzhaarige drückte seine Zigarette aus. Ihm gefiel es ja ebenso wenig, aber sie konnten gegen Heidenreich nichts ausrichten. Jeder Versuch mit ihr zu reden wurde von der Frau einfach abgeschmettert. Mit ihr konnte man einfach nicht verhandeln. Was sie sagte war Gesetz. Klang zwar mehr nach einer Diktatur als nach allem anderen, aber ihnen waren die Hände gebunden. Sie mussten den Auftrag so erledigen wie es verlangt wurde, auch wenn das hieß Naiomi Winchester zu jagen und einzusperren anstatt ihr zu

helfen. Er schlug mit der Faust auf den Tisch. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Wie hatte er nur übersehen können dass sich mit einem mal alles so drastisch verändert hatte? War er wirklich so blind? Er stand auf. „Ich fahr nach Hause. Hier können wir heute eh nichts mehr machen. Du solltest auch fahren. Wir treffen uns dann morgen. Vielleicht fällt mir ja irgendwas ein wie wir Heidenreich überzeugen können die Schlinge nicht ganz so eng zu ziehen.“ Carrie umarmte ihn stürmisch, als er den Weg zur Haustür hinauf kam. Seine

Tochter umklammerte sein Bein. In der anderen Hand hielt sie wie üblich ihren Stoffelefanten Dumbo, der so aussah als hätte er mal dringen wieder einen Waschgang nötig. Ethan war froh wieder hier zu sein. Er gab seiner Frau einen Kuss und nahm Sofia auf den Arm, bevor er damit begann sie wild am Bauch zu kitzeln. Egal wie schwer ein Tag auf war. Seine Familie half ihm dabei diese Strapazen zumindest für eine Weile wieder zu vergessen. „Ihr habt mir gefehlt“, erklärte er langsam während die drei nach drinnen gingen. Eigentlich war es ja nicht seine Art und Weise einfach aufzugeben, aber für heute hatte er einfach genug.

Vielleicht würde ihm morgen etwas einfallen. Jetzt galt seine Aufmerksamkeit allerdings nur noch seiner Frau und seiner wunderschönen Tochter. Die beiden waren einander wie aus dem Gesicht geschnitten. Beide dieses rote Haar. Sofia hatte seine Augen. Das war aber auch alles was sie von ihm hatte. Das Mädchen summte vergnügt während es hinter ihrem Vater herwatschelte. Im Wohnzimmer angekommen ließ sich der Arzt seufzend aufs Sofa fallen. Den Aktenkoffer stellte er auf dem Fußboden ab. Carrie brachte ihm einen Kaffee und setzte sich neben ihm. Sanft schmiegte sie sich an seine Schulter. Sofia nahm

einfach auf seinem Schoß Platz. „Wie war die Arbeit Schatz?“ „Ach. Reden wir nicht drüber. Du weißt ja, mein Chef ist jetzt im Ruhestand und jetzt haben wir diese neue. Verhandeln ist nicht und sie ist stur wie ein Esel.“ „Klingt nach einer die mal ordentlich geschaukelt werden müsste.“ „Carrie! Sofia ist hier!“ Das Mädchen lachte nur und knuddelte ihren Elefanten. Er bemühte sich schon,+9 dass sie nicht jedes Wort nachplapperte dass sie hörte. Das war allerdings immer etwas schwierig. Besonders da sie den ganzen Tag im Kindergarten war, wo sie allerhand Blödsinn aufschnappte. Der

Familienvater nahm einen Schluck von seinem Kaffee und streichelte seiner Tochter durchs Haar. Ein Lächeln wanderte über seine Lippen. Wenn er so darüber nachdachte, konnte er sich wirklich glücklich schätzen. Er hatte eine Familie, die ihn über alles liebte. Was brauchte es mehr? Egal wie schwer es auch im Augenblick war: Das war etwas, dass ihm Heidenreich niemals nehmen konnte. Er stellte die Tasse auf dem Tisch ab, als es an der Tür klingelte. „Kommt deine Schwester heute noch zu Besuch?“ Carrie schüttelte den Kopf und stand auf um zu sehen wer das war. Ethan

stupste Sofia gegen die Nase. „Wir kriegen Besuch.“ Die Kleine lachte nur, als seine Frau wieder im Wohnzimmer auftauchte. Er war ziemlich erstaunt Naiomi neben ihr zu sehen. Sofort setzte er Sofia neben sich und stand auf. „Sie wollte dich sehen. Sie meint sie ist eine Patientin von dir.“ Er nickte. Dass sie hier auftauchte hatte er nicht erwartet. Stumm geleitete er das Mädchen in die Küche, wo er ihr einen Platz am Tisch anbot. Sie ließ sich dort nieder und zog ihre gelbe Jacke aus. „Haben sie was zu mampfen? Ich bin am verhungern!“, entkam es ihr nur, während sie ihre Füße auf einen der

anderen Stühle legte. Ethan war viel zu verwundert um ihr zu antworten. „Wie bist du an meine Adresse gekommen?“ „Hab mich in ihrem Kofferraum versteckt.“ Na großartig. Wenn Heidenreich davon Wind bekam dann konnte er seinen Job echt an den Nagel hängen. Vor allem sollte seine Frau niemals mit seinen Patienten konfrontiert werden. Er hatte immer gehofft diesen Teil seiner Arbeit vor ihr geheim halten zu können. Blieb nur zu hoffen dass die 16-Jährige nicht auf die Idee kam ihre Kräfte hier einzusetzen. Langsam schritt er zur Arbeitsplatte und reichte ihr die

Obstschale, aus der sie sich eine Banane nahm. Der Schwarzhaarige ließ sich am anderen Ende des Tisches ihr gegenüber nieder und faltete die Hände ineinander. Er hatte überhaupt keine Ahnung wie er damit umgehen sollte. Im Wohnzimmer war seine Familie und hier in der Küche eine seiner Patienten, von der er nicht wusste was sie im Schilde führte. „Also“, begann die Rothaarige schließlich nachdem sie die Bananenschale einfach auf den Tisch geworfen hatte. Mit Benehmen hatte sie es nicht so. Sogleich biss sie auch schon in einen Apfel und sprach einfach mit vollem Mund weiter. „Fie fhaben gefagt fie felfen mir. Alfo da

bin if.“ Darum ging es ihr also. Wie es schien war er zu ihr durchgedrungen. Das war gut. Vielleicht konnte er die Situation ja doch so lösen ohne dass Foster und Heidenreich sie auf brachiale Art und Weise zurück nach Willow Creek brachten. Fürs erste würde er niemandem davon erzählen. Es war besser wenn er diese Geschichte für sich behielt. „Natürlich. Dafür musst du mir aber erst einmal sagen was du genau von mir willst.“ „Wie schon gesagt: Ich gehe auf keinen Fall zurück. Ich wollte nie in die Anstalt. Das war alles diese

Wahnsinnsidee meiner Mutter. Nur weil sie sich von dem nächstbesten Typen vögeln lässt muss ich drunter leiden.“ Er hob die Hand und räusperte sich. „Naiomi bitte. Meine Tochter ist nebenan.“ Dieses Mädchen nahm wirklich kein Blatt vor den Mund. Das konnte ja heiter werden. Er konnte sich gut vorstellen dass sie nicht in die Anstalt zurückwollte. Vor allem wenn er bedachte wie Heidenreich sie behandeln würde. Sie würde die Teenagerin einsperren und den Schlüssel wegwerfen. Nicht wirklich ein Schicksal das er ihr wünschte. Fragte sich nur was die 16-Jährige jetzt

genau von ihm erwartete. Sie begnügte sich fürs erste jedoch einfach nur damit sein Obst zu verspeisen anstatt mit ihm zu reden. Sie sah müde aus. Vielleicht war es ganz gut ihr ein wenig Zeit zu lassen um zur Ruhe zu kommen. „Ganz der Papi hm? Also, ich hab n Onkel in Wisconsin. Da will ich hin. Dauert nur n bisschen bis ich alles geregelt habe. Sie haben nicht solange n Bett frei oder?“ Perplex sah er sie an. Das war doch jetzt nicht ihr Ernst? Er schüttelte nur den Kopf. „Das geht nicht.“ „Ach, auf einmal? Vorher warn sie noch so hilfsbereit und jetzt interessiert’s sie

n feuchten Dreck, wo ich unterkomme? Es ist nur für ein paar Tage. Mehr nicht. Ich fall gar nicht auf.“ Das kam überhaupt nicht in Frage. Vor allem – wie sollte er das seiner Frau erklären? Carrie würde dem ganzen mit Sicherheit nicht zustimmen. Nein. Da musste ihm etwas anderes einfallen. Vielleicht konnte er sie solange in einem Motel unterbringen, bis sie die Papiere hatte. Allerdings stellte sich da die Frage, ob Foster sie nicht vorher finden würde. Die Sache war kompliziert. „Wir haben ein Gästezimmer“, kam es plötzlich von seiner Frau, die im Türrahmen stand und die Arme vor der Brust

verschränkte. „Wenn sie nur ein paar Tage hier ist. Eine Frau mehr im Haus kann nicht schaden. Wenn sie deine Hilfe braucht wieso nicht?“ Er starrte sie an. „Was?! Nein sie kann nicht hierbleiben.“ Alleine von der Tatsache abgesehen dass Carrie überhaupt nicht wusste was Naiomi für Fähigkeiten hatte. Wie viel von dem Gespräch war ihr zu Ohren gekommen? Hoffentlich nicht alles. Das würde nur unangenehme Fragen geben. Vor allem wusste er nicht wie sich die 16-Jährige gegenüber seiner Familie verhalten würde. Wieso war Carrie dafür? Das musste wohl ihre gute Seite

sein. Sie konnte einfach nicht anders als den Leuten zu helfen. Sie würde wahrscheinlich auch einem Obdachlosen Unterschlupf geben der in ihrem Garten herumlungerte. „Ich helf auch im Haushalt. Ihre Alte hat nichts dagegen! Fällt gar nicht auf dass ich da bin!“ Er seufzte. Es brachte nichts gegen zwei Frauen gleichzeitig anzureden. Wohl oder übel musste er sich damit abfinden, dass die Teenagerin eine Weile bei ihnen bleiben würde. Natürlich nicht ohne ein paar Regeln. Sie durfte das Haus nicht verlassen. Das war zu riskant. Wenn Heidenreich herausbekam dass er einer Patientin Unterschlupf gab

würde sie garantiert wie ein Fass explodieren. Das beste war es überhaupt niemandem davon zu erzählen. Nicht einmal Dwight. Er wollte ihn mit dieser Sache nicht belasten. Das war seine Angelegenheit und in ein paar Tagen würde sich das erledigt haben. Besser sie kam bei ihrem Onkel unter als dass seine neue Chefin sie einfach wegsperrte. „Also gut. Nur ein paar Tage.“ Der 32-Jährige wandte sich zu seiner Frau um. „Lässt du uns einen Augenblick allein?“ Sie nickte und verließ die Küche. Ethan schloss die Tür und wandte seinen Blick Naiomi

zu. Nachdenklich kratzte er sich am Bart. Heute morgen hätte er sicherlich nicht gedacht dass sie jetzt bei ihm in der Küche sitzen und um Obdach ersuchen würde. Die Welt war manchmal eben ziemlich seltsam. Allerdings war es besser, denn hier konnte er sie teilweise im Auge behalten ohne sich Sorgen darüber zu machen was sie da draußen alles anstellte. „Haben sie ne Kippe? Ich bin am verschmachten?“ Er schüttelte den Kopf. „Reicht schon dass ich meine Prinzipien vergesse und dich bei mir wohnen lasse. Da muss ich nicht auch noch gutheißen

dass Minderjährige rauchen.“ „Hey! Ich werd in ein paar Monaten 17!“ „Trotzdem. Wo wir schon mal dabei sind. Solange du hier lebst gibt es Regeln an die du dich hältst. Du gehst nicht raus. Wenn du etwas brauchst sagst du meiner Frau oder mir Bescheid. In der Stadt besteht die Gefahr dass dich Leute vom Sanatorium finden. Hier bist du sicher. Zweitens: Deine Kräfte darfst du nicht benutzen. Meine Familie hat keine Ahnung davon dass es solche Leute wie dich gibt. Ich möchte sie nicht da mit hinein ziehen. Drittens: Keine Zigaretten.“ Schnaubend verschränkte die Rothaarige die Arme vor der Brust. Das schien ihr

zwar nicht wirklich zu gefallen, aber wenn sie hier leben wollte musste sie sich an die Regeln halten. Das war ja wohl das mindeste das man von ihr erwarten durfte. Immerhin setzte er einiges dabei aufs Spiel. Dessen war sie sich wahrscheinlich nicht einmal bewusst. Was sollte man aber auch anderes erwarten? Sie hatte ewig nur in Willow Creek gelebt. Sie brauchte nie für sich selbst oder für andere zu sorgen. Hier jedoch würde sie sich in die Gemeinschaft integrieren müssen. „Ist ja schlimmer als im Knast. Aber alleine pinkeln gehen darf ich schon noch oder?“ „Sehr witzig. Ich versuche dich zu

schützen. Das kann mich eine Menge kosten, also sei ein wenig dankbarer!“ Das war nicht viel verlangt. Er ging hinüber zum Fenster. Das hier war eine gute Entscheidung. Ihr zu helfen. Das sagte ihm einfach sein Gefühl. Nicht jeder der Patienten war gefährlich nur leider verstand Heidenreich das nicht. Für sie waren das alles Monster. Wenn er sie doch nur irgendwie zur Vernunft bringen könnte. Hammond hätte sicher keine Schwierigkeiten damit gehabt. Er vermisste den alten Mann sehr. Mit ihm war so vieles einfacher. Er hätte einfach zu ihm gehen und seinen Plan erzählen können. Die Zustimmung dafür hätte er alle Male bekommen. Soviel war sicher.

Da hätte er nicht hinterrücks die ganze Sache aufziehen müssen. Hinter sich konnte er die Teenagerin seufzen hören. „Sie sind nicht so gesprächig oder? Eher der grüblerische Typ. Jedenfalls, danke Doc. Dafür dass ich bei ihnen wohnen darf und so.“ „Gewöhn dich nur nicht zu sehr daran. Sobald du das okay von deinem Onkel hast musst du hier weg.“ Vielleicht würde sie dort ihren Frieden finden und ein einigermaßen normales Leben führen können. Das war etwas dass er sich für die meisten seiner Patienten wünschte. Solche Leute wie Naiomi oder Katherina waren nicht

gefährlich, auch wenn andere dieser Ansicht waren. Sie wurden dazu gemacht weil die Menschen ihre Kräfte nicht verstanden. Sie hatten Angst davor und sahen etwas böses darin. Er konnte sich gut vorstellen dass Heidenreich so dachte. Kaum vorzustellen dass es keinen Weg gab dem entgegen zu wirken. Im Moment musste er wohl solche Dinge einfach im geheimen regeln. Zumindest würde er sich besser dadurch fühlen. Er tat hier das richtige. „Können sie nicht irgendwas mit Hammond ausmachen? Der war doch immer so nett.“ „Hammond ist im Ruhestand. Die neue

Leitung geht anders vor.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Schon klar. Tod den Freaks. Sehr witzig. Ich hab nie darum gebeten so zu sein.“ Bitterkeit schwang in ihrer Stimme mit. Er konnte sich durchaus vorstellen wie sie sich fühlte. Man wurde einfach in diese Schublade gesteckt, obwohl man eigentlich gar nichts dafür konnte. Man konnte es sich nicht aussuchen wie man geboren wurde. Man musste nun mal damit leben. Das war nicht immer leicht und manchmal konnte das ganze Richtungen annehmen von denen es kein Zurück mehr gab. Albert Wilkins war ein Beispiel dafür. Von Hass zerfressen

würde er nie wieder der Mensch sein der er mal war. Zum Glück war Naiomi nicht auf solch einem Pfad. Bei ihr gab es eine Chance dass sie ein gutes Leben führte, wenn man sie nur ließ. Manchmal musste man eben einfach Beiseite treten und dem Leben eine Gelegenheit geben sich zu entwickeln. Man konnte nicht immer daneben stehen und eingreifen wenn man es gerade für richtig hielt. „Warum ist Hammond weggegangen?“, wollte die 16-Jährige schließlich wissen. Ethan seufzte. „Die Dinge haben sich anders entwickelt als gedacht. Jetzt ist Roberta Heidenreich die Leiterin von Willow

Creek und verfolgt eine andere Politik.“ „Das heißt sie könnten echt Ärger kriegen wenn das mit mir rauskommt. Wow. Das...das hat noch nie einer für mich gesagt. Ist irgendwie süß. Schade dass sie so alt sind Doc.“ „Sehr witzig.“ Noch hatte er überhaupt keine Ahnung, wie sich das hier entwickeln würde. Er konnte ihr helfen. Das stand außer Frage, aber er konnte dabei auch alles verlieren...

Die Nacht der Toten - I

„Süßes oder Saures Fettsack!“ Naiomi warf das Ei mit einer solchen Zielsicherheit dass der pummelige Junge nur knapp ausweichen konnte. Sofia lachte. Ethan seufzte einfach nur und schüttelte den Kopf. „Ich hab gesagt du kannst mitkommen, aber Herrgott benimm dich gefälligst!“ Sie schnaubte verächtlich und verschränkte die Arme vor der Brust. „Du bist n Spielverderber. Lass mich doch n bisschen Spaß haben!“ Inzwischen war Naiomi zwei Wochen bei ihm. In der Anstalt hatte man die Suche nach dem Mädchen vorerst

aufgegeben, was aber nicht hieß dass sie außer Gefahr war. Allerdings wurde sie es überdrüssig immer nur im Haus zu bleiben. Gut dass Halloween war. Es würde sicher nicht auffallen wenn sie sich unters Volk mischte. Sie hatte sich für das Kostüm eines Skeletts entschieden. Sofia ging als Hase. Ethan als Graf Dracula. Auf den Straßen tummelten sich Kinder die von Haus zu Haus huschten um etwas Süßes zu ergattern. Eigentlich gab es für ihn noch eine Menge Bürokram zu erledigen aber er hatte sich gedacht dass es gut wäre den Tag mit seiner Tochter zu verbringen. Außerdem brauchte seine neue

Mitbewohnerin unbedingt einen Aufpasser. Zwar hatte sie gemeint sie könne auch alleine auf Sofia achten, aber das kam überhaupt nicht in Frage. Wer wusste schon auf was für Ideen die 16-Jährige kam? Besser er ließ sie nicht all zu lange aus den Augen. Er hatte ja schon Angst wenn er mal für zehn Minuten aus dem Haus ging. Dieses Mädchen war einfach unglaublich und nicht nur das. Sie machte Dreck wie sonst keiner. Dumm nur dass Sofia sich das bei ihr abguckte und jetzt auch meinte sie könnte sich wie das letzte Ferkel benehmen. Die Teenagerin war wirklich kein gutes Vorbild. Schlimmer war allerdings die Tatsache dass er mit

niemandem darüber sprechen konnte. Die Sache war sein kleines Geheimnis. Zwar hatte er ein schlechtes Gewissen dabei Dwight zu belügen, aber ihm blieb nichts anderes übrig. Heidenreich hatte ihre Augen und Ohren überall. Besser man ging kein Risiko ein. Lange würde das Mädchen nicht mehr bleiben. Bald war sie bei ihrem Onkel in Wisconsin und würde ihm keine Schwierigkeiten mehr machen. Dann konnte er sich wieder in Ruhe seinen Angelegenheiten widmen. So schritten die drei den Bürgersteig entlang. Der Mond leuchtete am Himmel und wo man auch hinging, vernahm man das Lachen und Schreien von Kindern die

ihren Spaß hatten und sich gruselten. Lange hatte er keinen so unbeschwerten Tag mehr erlebt. Schade war es nur, dass Carrie über das Wochenende zu ihrer Schwester Leah gefahren war. So war er es der sich um die beiden Mädchen kümmern musste. Mit Sofia hatte er nie Schwierigkeiten, aber seitdem Naiomi bei ihnen lebte war es ein wenig komplizierter geworden. „Süßes oder saures“, flötete die Kleine an der nächsten Tür, wo eine alte Dame öffnete und freundlich lächelte. „Wie schön zu sehen dass ein Vater mit seinen Töchtern noch rausgeht. Die meisten sitzen lieber zu Hause. Sie dürfen stolz auf sich sein

Sir.“ Sie hatte die Tür so schnell wieder geschlossen dass er darauf gar nichts mehr sagen konnte. Die 16-Jährige lachte. „Ja Sir. Sie dürfen stolz auf sich sein“, äffte sie die alte Frau nach und hielt sich vor Lachen den Bauch. Obwohl sie nicht wirklich wusste worum es ging stimmte Sofia einfach mit ein. Der 32-Jährige seufzte einfach nur und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Ich frag mich ob der echte Dracula jemals solche Probleme hatte.“ Wohl eher nicht. Die Teenagerin kostete ihn wirklich nerven. Zum Glück war Sofia noch 10 Jahre von dieser Phase

entfernt. Ethan hatte sich seine Tochter in diesem Alter immer als strebsame Schülerin vorgestellt. Mit Stofftieren auf dem Bett und Postern von irgendwelchen Sängern. Wenn sie sich wie Naiomi entwickelte dann konnte er sich wirklich auf einiges Freuen. Von der großen Klappe ganz zu schweigen. Das Mädchen hatte es faustdick hinter den Ohren. Von ihrem mangelnden Respekt gegenüber Erwachsenen wollte er gar nicht erst anfangen. Manchmal war es wirklich schwierig mit der 16-Jährigen zurecht zu kommen. Carrie meinte zwar immer das sei die Pubertät aber wirklich trösten konnte ihn das dann auch nicht. Er warf einen Blick auf

die Patientin. Sie war gerade dabei Sofia am Bauch zu kitzeln. Wenn er sie so sah konnte er ihr allerdings nicht nachtragend sein. Sie wirkte so unbeschwert. Einen solch sorgenfreien Moment hatte sie sicherlich lange nicht mehr erlebt. Ethan hoffte inständig dass das mit ihrem Onkel klappte und sie ein neues Leben anfangen konnte. Das wünschte er sich für sie. „Was glotzt du denn so?“, fragte das Mädchen schließlich als sie seinen Blick erhaschte. Er schüttelte den Kopf. „Ach nichts.“ Sie lächelte süffisant und verschränkte die Arme vor der Brust. „Weiß deine Frau dass du auf kleine

Teenagerinnen stehst?“ „Sehr witzig.“ Ein Schrei unterbrach die beiden. Der 32-Jährige blickte die Straße hinab. Einige Leute zeigten erschreckt auf eine Gruppe die sich ganz offensichtlich als lebende Tote verkleidet hatte. Er grinste. Die Teenager heutzutage. Bei näherem Hinsehen allerdings stellte er fest dass hierbei etwas nicht stimmte. Die Art wie sich diese Leute bewegten und wie sie aussahen. Teile des Gesichts waren wirklich verwest. Je länger er diese Untoten studierte, desto mehr musste er feststellen dass sie wirklich tot waren. In seinem Kopf schrillten alle Alarmsirenen. Das war

wirklich nicht gut. Er wandte sich Naiomi zu. „Nimm Sofia und geh mit ihr nach Hause.“ Perplex starrte sie den Arzt an. „Was? Aber-“ „Kein Aber. Nach Hause. Sofort!“ Sie murmelte noch etwas, das er nicht verstehen konnte ehe sie die Kleine auf den Arm nahm und davon schritt. Ethan ging in Deckung um die Situation zu überprüfen. Das waren keine Leichen. Allerdings wirkten sie auch nicht aggressiv sondern jagten den Stadtbewohnern nur einen gehörigen Schrecken ein. Der 32-Jährige griff zu seinem Handy. Dwights Nummer war

schnell gewählt und der Afroamerikaner am Telefon. „Ja? Ethan was gibt es denn? Ich schaue gerade mit meinem Dad die Nacht der lebenden Toten.“ „Willst du es Live? Dann komm gefälligst in die Willings Road. Erinnerst du dich noch an die Akte über den Patienten der die Toten kontrollieren kann? Ich glaub ich hab ihn gefunden, oder zumindest die Toten.“ Es gab nur einen Patienten in der Anstalt der dazu fähig war: Michael Compton. Ein Junge von 16 Jahren. Ein B-Patient genau wie Naiomi und auch auf der Liste der Ausbrecher. Ein gruseliger Zeitgenosse so wie er sich

erinnern konnte aber nicht wirklich gefährlich. Wahrscheinlich nutzte er Halloween als Vorwand um seine Kräfte frei nutzen zu können. Keine schlechte Idee eigentlich, aber trotzdem zog es eine gewisse Aufmerksamkeit auf sich wenn auf einmal Verstorbene durch die Straßen humpelten. Zum Glück waren diese Kreaturen nicht wie die Monster aus den Filmen. Man verwandelte sich bei einem Biss nicht in einen von ihnen und sie waren auch nicht sonderlich kräftig. Es war als würde man mit Puppen spielen. Das bedeutete allerdings auch dass sich Michael in der Nähe aufhielt, denn zu weit von seinem Ziel durfte er sich nicht entfernen, denn

sonst funktionierte seine Kontrolle nicht. Am besten war es wenn er auf Dwight wartete damit sie den Jungen zusammen stellen konnten. Es dauerte eine viertel Stunde ehe der Afroamerikaner mit seinem Wagen vorfuhr. Als er Ethan in seinem Kostüm erblickte hob er fragend die Augenbraue. „Bist du nicht schon ein wenig zu alt dafür?“ „Man ist nur so alt wie man sich fühlt. Außerdem war ich mit Sofia unterwegs.“ Die Untoten waren inzwischen der Brennpunkt der Aufmerksamkeit der hiesigen Kostümierten. Alle wunderten sich darüber wie echt ihre Verkleidung

doch war. Ethan freute sich schon richtig auf die Panik die losbrach, wenn man erkannte dass diese Wesen echt waren. So etwas gehörte nun mal zu seinem Job dazu wenn seine Patienten kein Geheimnis aus ihren Kräften machten. Bis jetzt war das Ganze noch nicht aufgefallen. Gut für die Beiden, denn so konnten Sie sich zuerst auf Lambert konzentrieren. „Wen suchen wir denn genau?“, fragte plötzlich eine Stimme. Der 32-Jährige zuckte zusammen und auch Dwight erschrak. Die beiden Männer wandten sich um und entdeckten die Agentin Eileen Foster die mit verschränkten Armen vor ihnen stand. Wie üblich hatte

sie das rostbraune Haar zu einem Zopf gebunden. Ethan musterte die junge Frau neugierig. „Wie kommen Sie denn hierher?“ Sie grinste nur. „Netter Versuch mich auszuschließen. Denken sie ich bin so dämlich? Ihr Telefon.“ Das war zu viel des Guten. Im ersten Moment dachte er, er hätte sich vielleicht verhört aber dann erinnerte er sich wieder wie dreist diese Frau sein konnte. „Sie hören mein Handy ab?!“ Ein weiterer Punkt auf der Liste warum er diese Frau nicht mochte. Fehlte nur noch dass sie sein Haus überwachte. Er

sollte wirklich vorsichtiger sein. So war Naiomi nicht lange sicher bei ihm, wenn Eileen quasi schon seinen Vorgarten durchwühlte. Sie sah sich allerdings keiner Schuld bewusst. „Sie wissen dass Heidenreich mir die Leitung übertragen hat. Wenn sie auf etwas stoßen haben sie es mir zu aller erst mitzuteilen. Das wissen sie doch.“ Eine Neuerung die er zwar mitbekommen aber nicht akzeptiert hatte. Er würde er warten bis die Hölle zufror bevor er Foster als seine Vorgesetzte an erkannte. Jedoch blieb ihm im Moment nichts weiter übrig als sie zu erdulden. Außerdem waren sie zu dritt schneller und konnten den

B-Patienten zügiger finden. Dennoch hatte er sich den Abend mit Sicherheit nicht so vorgestellt. Schien beinahe so als wolle seine Arbeit nicht dass er ein Privatleben führte. Der Arzt seufzte und zündete sich eine Zigarette an. „Ich wusste gar nicht dass Dracula raucht“, kam es von der Agentin in schnippischem Tonfall. „Sehr witzig Foster. Also ich denke ich weiß mit wem wir es hier zu tun haben. Michael Lambert. 16 Jahre alt. Stammt eigentlich aus England. Er hat die Fähigkeit Tote wie Marionetten zu kontrollieren. Allerdings erfordert das auch dass er sich ganz in der Nähe aufhält. Wir könnten Glück

haben.“ Die beiden anderen nickten während Dwight das Betäubungsgewehr aus dem Wagen holte. Es war besser auf Nummer sicher zu gehen, auch wenn Ethan es für sinnvoller fand zu Anfangs mit dem Jungen zu reden bevor man ihm die Waffe unters Kinn hielt. Man konnte jedoch nie wissen wie sich der 16-Jährige ihnen gegenüber verhalten würde. Besser man sorgte für alle Eventualitäten vor um ein gewisses Risiko von Anfang an zu vermeiden. „Also die Untoten, sind die gefährlich?“ Er schüttelte den Kopf und zog an seiner Zigarette. „Nein. Sie können keinen großen

Schaden anrichten. Deshalb haben wir Lambert nie als besonders gefährlich eingestuft. Wenn wir ihn finden dann lassen sie mich zuerst mit ihm reden. Vielleicht kann ich ihn überzeugen widerstandslos mit uns zu kommen.“ „Natürlich. Das hat ja auch beim letzten Mal so gut funktioniert. Ich gebe hier die Anweisungen. Vergessen sie das nicht Rain.“ Schon wieder diese sinnlose Diskussion. Warum wollte sie ihm nicht auch nur einmal zuhören? Das brachte nichts. Eileen würde die Dinge auf ihre Weise regeln und das würde bedeuten dass Lambert in Gefahr war. Mit Vernunft war bei der Frau nicht durchzukommen.

Dennoch musste es eine Chance geben diese Situation ohne Gewalt zu regeln. Erst einmal mussten sie Lambert finden und davon überzeugen dass ihm keine Gefahr drohte. Eine verzwickte Lage in der er sich hier befand. Die Agentin ließ einfach nicht mit sich reden. War sie so sehr von ihrem Drang nach Ehre und Pflicht geblendet dass sie dadurch auch ihre Menschlichkeit vergaß? Auch jemand wie sie musste einsehen dass Heidenreichs Methoden falsch waren. Man konnte diese Patienten nicht einfach wie Tiere jagen und einsperren. Das war falsch. Zumindest Dwight stand auf seiner Seite. Das wusste er, aber ihnen beiden waren die Hände

gebunden. Es gab nichts was sie dagegen tun konnten. So musterte er Foster kurz und verschränkte die Arme vor der Brust. „Und? Was ist der Plan?“ „Hickins wird sich um die Untoten kümmern und versuchen die Zivilisten vom Schauplatz fernzuhalten. Wir beide suchen Lambert und betäuben ihn. Das hat oberste Priorität.“ Klang zumindest schon mal nach einem Plan, auch wenn ihm die Ausführung des Ganzen nicht sonderlich gefiel. Er holte das Betäubungsgewehr aus Dwights Wagen und lud die Waffe. Nicht wirklich seine Art die Dinge anzugehen. Es würde Michael nicht

gefallen wenn er sie bereits bewaffnet kommen sah. Da war er sich sicher. Dass sie auch so stur sein musste. „Warum kann man das ganze nicht friedlich regeln?“, wollte er wissen. Vielleicht konnte er ja doch an ihre Vernunft appellieren, auch wenn er das eher bezweifelte aber einen Versuch war es wert. Foster zeigte sich allerdings nicht als kooperativ. „So wie bei Winchester? Damit noch ein Patient entkommt und Amok läuft? Das hätten sie wohl gern.“ Sie verstand es wirklich nicht. Der Schwarzhaarige ballte die Hand zur Faust und schnaubte verächtlich. Die Zusammenarbeit mit Foster war eine

Zerreißprobe. Sie spielte sich auf. Dabei war Er derjenige der deutlich mehr Erfahrung mit diesen Dingen hatte. Sie hatte einfach nur Glück dabei zu sein weil Hammond ihre Fähigkeiten für nützlich hielt. Jetzt war alles anders. Norman war fort und mit Heidenreich an der Spitze war er sich nicht mehr sicher, ob sein Job noch die Ideale vertrat die er eigentlich schätzte. „Hören sie Eileen. Nicht alle von ihnen sind Monster. Das wissen Sie genau so gut wie ich. Nur weil wir ihre Kräfte nicht verstehen heißt das noch lange nicht dass jeder von ihnen eine Bedrohung für uns darstellt, wenn sie das überhaupt jemals getan haben. Wir

maßen uns an zu verstehen, obwohl wir das überhaupt nicht tun. Lambert zum Beispiel. Der Junge ist harmlos. Das einzige was er braucht ist ein bisschen Anleitung. Nicht mehr und nicht weniger.“ Sie schüttelte den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust. Eileen zeigte sich nicht sonderlich kompromissbereit oder überhaupt in irgendeiner Art und Weise bereit ihm zuzuhören. „Er ist verhaltensauffällig und psychisch labil. Das wissen sie genau so gut wie ich. Ich habe die Akte gelesen und sie mit ihm zusammen gearbeitet. Wer sagt nicht dass er

irgendwann durchdreht und jemandem zu schaden versucht?“ Das brachte nichts. Er kehrte ihr den Rücken zu und seufzte. Natürlich konnte niemand wissen wie sich der Knabe entwickelte, aber wenn man ihm gar nicht erst die Chance dazu gab, was brachte das dann alles überhaupt? „Und Katherina? War sie für sie auch so jemand? Jemand der irgendwann durchdreht? Oder Holly?“ „Sie wissen genau dass man das nicht miteinander vergleichen kann“, kam es knapp von der Agentin. „Das hier bringt rein gar nichts Rain. Wir können noch stundenlang für das für und wider diskutieren. Wir haben

eine Order. Das ist was zählt.“ Da war sie wieder. Die folgsame junge Frau die einfach nur ihre Befehle befolgte. Er hätte es besser wissen müssen. Das konnte er vergessen. Sie zu überzeugen war unmöglich. Er überprüfte noch einmal das Betäubungsgewehr während er über eine Lösung in dieser Sache nachdachte. Inzwischen musste Dwight wohl das Chaos beseitigt haben denn in der Ferne war nichts mehr zu hören. Der wurde damit fertig. Allerdings hatte Ethan eher gehofft dass sich die Dinge nicht so zuspitzen würden. Alles in allem hatte er einmal auf einen ruhigen Abend gehofft aber das blieb ihm wohl

vergönnt. Sie suchten noch eine weitere halbe Stunde ohne Erfolg. Heute Nacht würden sie Lambert nicht mehr finden. Auch Dwight kehrte zurück und erklärte dass die Untoten in ihre Gräber zurück gekehrt waren. Der Patient war sicher weiter gezogen. Hier gab es nichts mehr zu tun, weshalb sich ihre Wege trennten und er den Heimweg antrat. Zu Hause angekommen musste er erst einmal mit ansehen wie die Mädchen den Wohnzimmerboden in ein Schlachtfeld verwandelt hatten. Überall lagen Süßigkeiten auf dem Boden herum und Sofia saß mitten drin. Fröhlich

mümmelte sie Schokolade, wobei sich ihre Schminke damit vermischt hatte und sie eher wie ein gruseliger Schoko-Clown aussah. „Papa ist wieder da!“ Ihr Elefant lag neben ihr und sah noch schlimmer aus als vorher. Naiomi lag auf dem Sofa und kaute an einer Lakritzstange, während sie im Fernseher herum zappte. Als sie Ethan erblickte hob sie leicht müde den Kopf und winkte ihm zur Begrüßung zu. „Und? Die Zombies zurück in die Hölle geschickt? Man sehen sie Scheiße aus Doc. Ich dachte immer Dracula sieht nicht so alt aus“, scherzte sie beiläufig. Er seufzte und zog seine Jacke auf, die

er achtlos über das Sofa warf, bevor er sich aus der Küche ein Bier holte. Für heute hatte er wirklich genug. „Krieg ich auch eins?“ „Bestimmt nicht.“ Sie setzte sich auf und er ließ sich neben ihr nieder. Er war müde und kaputt. Ein Blick auf die Uhr zeigte dass es bereits nach Mitternacht war. Höchste Zeit Sofia ins Bett zu bringen. So stellte er das Bier auf dem Tisch ab und hob die Kleine hoch. Natürlich musste auch Dumbo mit weshalb er sich den Elefanten einfach über die Schulter warf. Nach etwa zwanzig Minuten hatte er das gröbste an Schminke und Schokolade abgewaschen, wobei er aus

Verzweiflung seine Tochter einfach in die Badewanne gesteckt hatte. Frisch duftend trottete sie in ihr Bettchen. Der Pitschnasse Dumbo folgte. Ethan würde ihn sich später für eine Waschkur schnappen. Er beugte sich zu seiner Tochter hinunter und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Ein Lächeln huschte über die Lippen des 32-Jährigen während sie ihn mit ihren großen Augen musterte. „Ich wünsche dir eine gute Nacht meine Prinzessin. Träum was schönes.“ Sie lächelte vergnügt und knuddelte ihr Stofftier. Es schien ihr wirklich nichts auszumachen dass er triefnass war. Das musste wahre Liebe sein. So ein Kind

war eben in allem was es tat vollkommen unbeschwert. Er schaltete das Licht aus und verließ das Zimmer. Dann zog er sich um und schritt wenig später wieder einigermaßen normal aussehend ins Wohnzimmer zurück. Naiomi saß immer noch auf dem Sofa. In der Hand hielt sie jetzt ebenfalls eine Flasche Bier. Der Arzt verdrehte nur die Augen und nahm seine eigene in die Hand, bevor er sich hinsetzte. Eine Weile schwieg er einfach nur und sah mit ihr fern. Es war einer dieser alten Vampirfilme der gerade im Fernsehen lief. Nicht mal das konnte ihm Zerstreuung verschaffen. Er musste an Foster und ihre Engstirnigkeit denken

und darüber wie sehr ihn diese Frau immer wieder zur Weißglut brachte. Es musste doch einen Weg geben Lambert zu helfen. Natürlich musste er ihn dazu erst einmal finden. Vielleicht konnte er sich ja morgen noch mal in Ruhe in der Nachbarschaft umsehen. All zu weit dürfte er heute Nacht nicht mehr ziehen. Ethan nippte an seinem Bier und seufzte. Die 16-Jährige warf einen beiläufigen Blick zu ihm hinüber. Sie hatte sich keine Mühe gemacht sich die Skelett-Schminke zu entfernen. Zumindest das Kostüm hatte sie ausgezogen und saß jetzt da in roter Boxershorts und schwarzem Top. Ihre roten Augen wirkten ein wenig

träge. „Keinen so guten Abend gehabt was?“ Er schüttelte den Kopf. Eigentlich wollte er nicht darüber reden. Die 16-Jährige lehnte sich ein wenig zu ihm herüber. Ihr Atem roch leicht nach Bier. Sie hatte inzwischen fast über die Hälfte ihrer Flasche geleert. Ihre Wangen besaßen eine leichte rote Färbung. Wenn er es nicht besser wüsste, würde er sagen sie sei leicht beschwipst. „Ach komm schon. Warum denn immer so ernst? Immerhin müssen wir noch ne Weile miteinander aushalten. Da kannst du mir auch erzählen wo der Schuh drückt. Also Doc, was ist los?“ Sie setzte sich in den Schneidersitz und

drehte sich in seine Richtung. Der 32-Jährige griff in seine Tasche und holte seine Zigaretten hervor. Schnell war der Glimmstängel angezündet. Die Teenagerin streckte ihre Hand aus. Einen Moment musterte er sie ehe er seufzte und ihr ebenfalls eine anzündete. Fing ja gut an. Jetzt animierte er schon Jugendliche zum Alkoholkonsum und Zigaretten rauchen. Soviel zur Vorbildfunktion. „Es hat sich einfach viel geändert weißt du? Seitdem Hammond nicht mehr da ist verfolgt die neue Führung eine andere Politik.“ Sie grinste. „Jaja ich weiß schon. Jagd sie wie Tiere,

sperrt sie ein und schmeißt den Schlüssel weg. Deine Freundin kommt damit offenbar gut klar. Also die mit dem Zopf. Ist die immer so verkrampft?“ Er zuckte mit den Schultern. „Sie befolgt ihre Befehle, wobei die nicht immer ganz dem entsprechen woran ich denke. Ihr seid nicht alle gefährlich, aber das will niemand einsehen.“ „Tja und deshalb musst du mich hier bei dir zu Hause verstecken. Dumm gelaufen würd ich sagen. Und dein neuer Boss diese ähhh...“ „Heidenreich.“ „Genau. Kann man mit der nicht reden?“ Er schüttelte den Kopf und lächelte matt.

Auch wenn sie schon mitten in der Pubertät war, war sie dennoch ein Kind. „Leider bringt das nicht immer etwas. Glaub mir. Ich hab's versucht. Jetzt muss ich einen anderen Weg finden damit der nächste Patient nicht eingesperrt endet.“ Nachdenklich legte sie den Zeigefinger an die Lippe, ehe sie noch einen Schluck aus ihrer Flasche nahm. Dann zog sie an der Zigarette und entließ einen Schwall blauen Dunstes in den Raum. „Und wenn du ihn aufnimmst? So wie mich?“ Er lachte. „Soll ich jetzt sowas wie ein Reservat

aufbauen? Carrie wird mich umbringen wenn ich ihr noch mehr Leute anschleppe.“ Er hatte ja jetzt manchmal viel mit Naiomi um die Ohren. Die Teenagerin war manchmal wirklich nicht leicht zu handhaben. Er hatte schon Bange davor wenn Sofia irgendwann dieses Alter erreichte. Ihm war ja klar dass sie nicht immer seine kleine süße Prinzessin bleiben würde, aber irgendwo hoffte er dass sie sich nicht so wie die 16-Jährige entwickelte, wobei man das ja sowieso nicht miteinander vergleichen konnte. „Ich verstehe das sowieso nicht. Klar, ein paar von uns brauchen Hilfe weil sie echt nicht mehr alle an der Pfanne

haben, aber die meisten von uns tun doch niemandem was.“ Er seufzte. „Natürlich nicht, aber es ist eben so, dass Menschen fürchten was sie nicht verstehen. Sie verstehen nicht dass ihr eigentlich ganz normal seid, davon abgesehen dass ihr eben besondere Dinge könnt.“ Das Mädchen lächelte und leerte die Flasche. „Das hast du jetzt süß gesagt. Hör auf sonst fang ich wirklich noch an dich zu mögen.“ Und damit schmiegte sie sich an ihn. Perplex starrte er die Jugendliche an und schob sich von ihr

fort. „Okay. Ich glaube das war es für heute mit dem Alkohol. Außerdem ist es schon spät. Ab ins Bett. Morgen früh räumst du hier auf.“ Carrie würde es nicht gefallen über einen Berg von Süßigkeiten zu stolpern, wenn sie von ihrer Schwester zurück kam. Die Rothaarige erhob sich und gähnte herzhaft. Dabei musste sie sich bemühen das Gleichgewicht zu halten. „Kann ich nicht bei dir schlafen?“ „Nein.“ „Du bist so n Spielverderber!“, murrte sie und verließ das Wohnzimmer. Ethan erhob sich und schaltete den Fernseher aus. Höchste Zeit schlafen zu gehen.

Morgen würde er sich etwas wegen Lambert überlegen. Vielleicht fiel ihm ja doch eine Lösung ein. Langsam trottete er ins Schlafzimmer, wo er sich müde ins Bett fallen ließ. Carrie würde erst morgen wieder kommen. Sie war zwar nur ein paar Tage weg, aber trotzdem vermisste er sie. So war das eben wenn man eine Familie und Menschen hatte die einem am Herzen lagen. Man konnte nicht lange ohne sie, auch wenn die jetzige Situation ein wenig anders war als sonst. Mit Naiomi fühlte er sich fast so als hätte er eine weitere Tochter die ihm einiges am Kopfzerbrechen bereitete. Fragte sich natürlich nur was für Überraschungen das noch mit sich

bringen würde, bis sie endlich Nachricht von ihrem Onkel bekam. Sie mochte zwar manchmal einiges an Nerven kosten aber eigentlich war sie ganz in Ordnung. Vor allem wirkte sie gar nicht so anders, auch wenn sie eine besondere Kraft besaß. Eigentlich war sie ein ganz normales Mädchen dass ein normales Leben verdiente, so wie jeder von ihnen der dazu in der Lage war. Auch Lambert. Ihm musste der richtige Umgang mit seinen Fähigkeiten beigebracht werden. Das war alles. Heute wäre eine gute Chance gewesen ihn zu erwischen. Nach Halloween würde er sicherlich nicht mehr s einfach zu finden sein. Er hatte diesen

Augenblick um seine Kraft zu nutzen eigentlich gut gewählt. Sie hatten nicht eine Spur von ihm gefunden. Als wäre er unsichtbar. War wahrscheinlich auch besser für ihn. Mit Foster an seiner Seite hätte Ethan es schwer gehabt. Vor allem da es nicht einfach sein Plan war blind loszuballern und den Jungen zurück in die Anstalt zu schleifen. Gewalt war nicht immer die beste Lösung. Das war einfach so. Das brachte aber auch nichts wenn er sich das immer wieder selbst im Gedanken bestätigte. Foster und Heidenreich waren diejenigen die überzeugt werden mussten. Dwight stand auf seiner Seite das wusste er, aber sein Kollege war seit

knapp über einen Monat in der Anstalt beschäftigt. Ethan konnte es ihm also nicht verübeln wenn er sich mit seiner Meinung bedeckt hielt. Der Afroamerikaner war der einzige auf den er sich verlassen konnte. Er wollte nicht dass seine Chefin einen Grund hatte ihn zu feuern. Nachdenklich starrte der Schwarzhaarige in die Dunkelheit des Schlafzimmers. Zwar war er furchtbar müde aber der Schlaf wollte sich bei bestem Willen nicht einstellen. Zu viel schwirrte ihm im Moment im Kopf herum. Langsam rappelte er sich wieder auf und trottete zurück ins Wohnzimmer. Vielleicht würde er müde

genug werden wenn er sich noch einen Film ansah. Also lies er sich auf dem Sofa nieder und schaltete den Fernseher an. Das gute an Halloween war, dass viele der alten guten Horrorfilme liefen. Dracula, Frankenstein und sämtliche Vertreter. Früher hatte er sich als kleiner Junge immer heimlich solche Filme angesehen. Sie hatten eine gewisse Faszination auf ihn ausgeübt und auch heute war das noch so. Angst hatte er dabei selten verspürt. Wenn er allerdings an die letzte Zeit dachte, musste er zugeben dass er dieses Gefühl sehr oft verspürte. Er wusste nicht wie

es morgen aussehen würde. Da konnte schon ein ganz anderer Patient auf sie lauern. Schade dass ihnen Lambert heute durch die Finger geschlüpft war. Er kannte den Jungen. Manchmal ein wenig geistesabwesend. Nicht gerade ein Quell von Freude aber auch nicht gefährlich. Mit 16 Jahren war er genau so alt wie Naiomi. In solch jungem Alter bestand immer die Hoffnung dass die Patienten Vernunft annahmen. Sie waren von der Welt um sich herum noch nicht so sehr geformt worden wie zum Beispiel ein Albert Wilkins oder ein Viktor Waslow. Lambert war in dieser Stadt aufgewachsen. Schon in jungem Alter hatte er seine Kräfte entdeckt als

er bei der Beerdigung seines Großvaters dessen Körper kontrollierte. Damals war er gerade 10 Jahre alt gewesen. Nach diesem Ereignis hatte er angefangen seine Gabe zu entdecken. Tote Tiere waren dabei meistens seine bevorzugten Übungskandidaten. Irgendwann hatte sein Vater ihn dann im Garten erwischt und nach Willow Creek abgeschoben. Er war damit nicht klar gekommen. Hammond hatte sich des Jungen angenommen. Im B-Trakt war es so dass die meisten Patienten ein wenig Angst vor dem Jungen hatten. Nicht viele suchten Kontakt mit ihm. Naiomi kannte Lambert. Zwar auch nur vom sehen aber vielleicht konnte sie in dieser

Sache hilfreich sein. Allerdings musste er das behutsam angehen. Er konnte nicht riskieren dass Foster auf das Mädchen aufmerksam wurde. Dennoch war sie vielleicht gerade die Hilfe die er dabei brauchte um mit dem Jungen Kontakt aufzunehmen. Fragte sich natürlich immer noch wo er suchen sollte. Eine kleine Idee hatte er ja schon und noch war es mitten in der Nacht. Einen Versuch war es wert. So erhob er sich und schritt durch den Flur die Stufen hinauf bis ins Gästezimmer, wo die 16-Jährige auf dem Bett saß und nachdenklich aus dem Fenster starrte. In ihrer Hand hielt sie eine Flasche Bier. Ethan verschränkte die Arme vor der

Brust und schüttelte nur seufzend den Kopf. „Hab ich nicht gesagt es ist genug für heute?“ Unschuldig sah sie ihn an und legte den Kopf schief. Man hätte meinen können dass sie alleine aus Protest noch einen Schluck nahm. „Wasn? Is doch nich schlimm!“ Sie war wirklich angetrunken und in diesem Augenblick war es vielleicht doch keine gute Idee sie mitzunehmen. Allerdings war dies womöglich die einzige Chance an Lambert heran zu kommen. Es blieb ihm wohl nichts anderes übrig. „Zieh dich an. Ich setze einen Kaffee

auf. Wir haben was zu erledigen.“ Fragend musterte sie ihn. Dann huschte ein spielerisches Grinsen über ihre Lippen. „Bewerfen wir Häuser mit Eiern? Man Alter ich wusste ja dass du nich ganz so verklemmt bis wie du immer Glauben machen willst.“ Die Rothaarige stand vom Bett auf, wobei sie sich darin üben musste das Gleichgewicht einigermaßen zu halten. Das konnte ja heiter werden. Nicht gerade einer seiner besten Pläne eine angetrunkene 16-Jährige mit auf sie Suche nach einem Patienten zu nehmen, aber es gab auch schon unkonventionellere Methoden. Zu gut

konnte er sich noch an die Geschichte mit Erik Smith erinnern. Damals als das alte Team noch zusammen gearbeitet hatte. „HEY! Ziehst du dich wohl im Badezimmer um?!“ Sie lies das Top los und sah ihn perplex an. Die Hände stemmte sie leicht gegen die Hüfte. „Wasn? Du wills mir doch jetzt nich erzählen dass du sowas noch nie gesehn hast? Oder hassu Sofia adoptiert?“ Ethan verdrehte die Augen und deutete auf die Tür zum Gäste-Badezimmer, in welches Naiomi murrend abzog. Manchmal konnte sie einem wirklich die grauen Haare auf den Schopf treiben. Sie

war wirklich ein Fall für sich. Dieses freizügige Benehmen musste er ihr noch irgendwie austreiben. Obwohl – warum eigentlich? Er war ja nicht ihr Vater. Das war eine Sache um die sich ihr Onkel zu kümmern hatte, wenn sie bei ihm einzog. Der tat ihm ja jetzt schon leid. „Wo geht’s n eigentlich hin?“, flötete ihre Stimme aus dem Badezimmer. „Wir suchen Lambert. Ich hab eine Idee wo er sein könnte.“ „Der Typ aus der Anstalt oder? Is ja mal ganz was neues dass du mich mitnimmst.“ Ethan schob sich die Brille zurecht und machte das

Bett. „Nun ja. Er ist eben in deinem Alter. Vielleicht hast du ja einen besseren Draht zu ihm als ich.“ „Ahso. Soll ich ihn verführn?“ „Nein!“ „Hätt ja sein können.“ Die Rothaarige kam wieder aus dem Badezimmer hervor. Sie trug eine dunkle Bluse mit V-Ausschnitt. Volants rundeten das ganze entsprechend ab. Begleitet wurde das Oberteil von einem dunkelroten kurzen Rock und einer schwarzen Strumpfhose. Der Arzt hob die Braue. „Wo hast du solche Klamotten denn

her?“ „Internet? Du lässt deine Kreditkarte immer rumliegen und ich brauchte noch n paar Sachen.“ Beinahe fassungslos starrte er ihr nach während sich die Teenagerin ihre Schuhe anzog. Dieses Mädchen war wirklich unfassbar. „Was willst du denn mit dem Aufzug bezwecken?“ „Naja, immerhin ist es n Junge in meinem Alter. Vielleicht sieht er ja gut aus?“ Er verdrehte die Augen. „Das ist kein Dating-Ausflug.“ Trotzig verschränkte Naiomi die Arme vor der

Brust. „Gönn mir doch auch mal n bisschen Spaß.“ Er schüttelte einfach nur den Kopf und seufzte. Es wurde Zeit dass Carrie morgen nach Hause kam. Diese Göre raubte ihm den Verstand. Andererseits war es ihr wohl kaum zu verdenken. Immerhin hatte sie eine lange Zeit im Sanatorium verbracht. Wieder in der richtigen Welt zu sein war für sie sicher etwas besonderes dass sie auskosten wollte. Er konnte es ihr also nicht wirklich verübeln. Das einzige was er jedoch tun musste war seine Kreditkarte besser zu verstecken. Und das Bier. Was Alkohol betraf war das Mädchen erstens

zu jung und zweitens nicht sonderlich standhaft. Als sie in den Flur taumelte rieb er sich nachdenklich das Kinn. „Das kann ja heiter werden.“

Die Nacht der Toten - II

»Du hast echt keine Angst, dass die rausfindet, dass du mich bei dir zu Hause versteckst?« Ethan nahm einen letzten Zug von seiner Zigarette, bevor er sie auf dem Boden ausdrückte. »Wenn es danach geht, hätte ich den Job vor Jahren an den Nagel hängen müssen. Man kann nie sagen, was am nächsten Tag passiert. In dieser Welt ist nichts sicher, besonders nicht in meinem Beruf. Ich bin bis jetzt zwar immer gut durchgekommen, aber wer weiß schon, was morgen ist? Jeden Tag könnte etwas

passieren.« Sie lachte. »Man, man, man. Schon wieder so Ernst. Denkst du dass dieser Lambert so gefährlich ist?« Sie liefen die Straße entlang. Ihr Ziel war der Friedhof. Ethan vermutete, dass sie Lambert dort finden konnten. Zwar konnte er das nicht mit Sicherheit sagen, aber es war die beste Spur, die sie im Augenblick hatten. Besser so, als wenn er Foster in die Hände fiel. Dwight konnte er nicht informieren, da die FBI Agentin immer noch sein Handy abhörte. Also musste er zusammen mit Naiomi sein Glück versuchen. »Das nicht, aber du weißt genau so gut

wie ich, dass es auch andere gibt. Das heißt nicht, dass sie böse sind. Sie sind einfach nur das, was diese Welt aus ihnen gemacht hat. Das einzige was wir hierbei tun können, ist versuchen ihnen so gut wie möglich zu helfen.« »Ah. Ethan der strahlende Retter. Weißt du, die Idee mit dem Reservat klang wirklich nicht schlecht. Du kannst ja ein paar von uns bei dir auf dem Dachboden verstecken.« Er schüttelte nur den Kopf und zog sich die Jacke enger. »Bestimmt nicht. Ein unkontrollierbarer Teenager genügt mir für den Augenblick.« »Hey! So schlimm bin ich auch

nicht!« Der Arzt musste daran denken, wie seine Wohnung momentan aussah. Er seufzte nur und schüttelte den Kopf. Die Rothaarige war anstrengend. Immerhin schien sie wieder nüchtern zu werden. Das war ein Fortschritt. Außerdem würde sie sowieso nur so lange bei ihm bleiben, bis ihr Onkel sich meldete. Alles in allem, würde bald wieder Normalität im Hause Rain einkehren. Das war etwas, worauf er sich freute. »Natürlich nicht. Mein Heim sieht nicht aus wie der letzte Saustall, meine Tochter wird nicht negativ beeinflusst. Stimmt. Du bist nicht so

schlimm.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust und schnaubte. »Das ist jetzt ein bisschen verallgemeinert oder? Ich meine hey, immerhin kommt mal ein wenig Leben in deine Bude!Du bist sowieso viel zu verkrampft. Ich glaube dieses Doktorleben ist gar nichts für dich. Du tust ja ständig dasselbe und das Soll abstumpfen hab ich gehört.« »Glaub mir. Das ganze ist abwechslungsreicher als du denkst«, erklärte er ihr und zündete sich eine Zigarette an. Sie streckte die Hand nach der Schachtel aus, aber er ließ sie direkt wieder in seine Tasche

gleiten. »Du hast heute schon genug geraucht.« Trotzig sah sie ihn an. »Immer an die Regeln halten was?« Sie bogen in die nächste Straße ein. Der Friedhof lag jetzt unmittelbar vor ihnen. NIemand war hier zu sehen. Das Licht der Straßenlaternen verlieh dem Ort etwas schauriges. Es war nur eine Vermutung, aber der Junge konnte hier sein. Wo sollte er sonst hin? Das Gatter stand offen. Eine kühle Nachtbrise wehte ihm durchs Haar. Die Rothaarige hielt ihm am Arm fest. Verwundert sah er sie an und grinste. »Du hast doch nicht etwa Angst oder?« »Das ist immerhin ein Friedhof und

dieser Kerl erweckt Tote zum Leben! Hast du etwa keinen Schiss Ethan? Ich mach mir hier in die Hosen!« Er lächelte und zog an seiner Zigarette. Sie mochte zwar immer die Starke spielen, aber in solchen Momenten offenbarte sich ihre verletzliche Natur doch. Egal wie sehr sie versuchte diese Seite zu verbergen - irgendwann kam sie immer zum Vorschein. »Du tust doch sonst immer so taff. Wer wollte von uns beiden denn den Jungen verführen?« Sie schüttelte den Kopf und sah ihn angesäuert an. »Man kann sich irren. Ich hoffe nur,

dass das schnell geht. Ich frier mir den Arsch ab!« »Du kannst auch im Auto warten, wenn du willst.« Der Arzt drückte seine Zigarette aus und schritt auf das Tor zu. Einen Moment hielt Naiomi inne, ehe sie ihm folgte. »Sehr witzig. Klar. Ich warte im Wagen, bis die Zombies kommen, um mich aufzufressen. Geniale Idee Doc!« Sie legte die Arme um den Oberkörper, um sich vor der Kälte zu schützen. Die beiden schritten langsam zwischen den Gräbern hindurch. Einige waren gut gepflegt, die anderen vernachlässigt.

Herbstlaub lag auf dem Weg. Die Bäume standen blattlos auf der Wiese und verliehen der Szenerie einen zusätzlichen düsteren Pfiff. »Ich hasse Friedhöfe!« »Jetzt hör auf zu lamentieren! Es dauert nicht lange. Wir reden mit Compton und nehmen ihn mit.« Schnippisch sah sie ihn an. »Und das funktioniert so einfach? Sie ziehen ihre Psychonummer ab und der kommt freiwillig mit uns? Hat ja schon bei mir prima funktioniert. Lassen sie mich mit ihm reden. Sie sind der Feind schon vergessen? Der große böse Arzt.« Er schüttelte nur den Kopf und seufzte. »Sehr witzig. Du stellst dir das so leicht

vor, aber man kann nie wissen. Erstmal ist wichtig, dass wir herausfinden, warum Lambert die Toten beschwört. Die ganze Zeit hat er sich im Hintergrund gehalten. Dieser jetzige Wandel will mir nicht so recht klar werden.« Die 16-Jährige zuckte mit den Schultern und wischte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, ehe sie den Blick über den Friedhof schweifen ließ. Zumindest wirkte sie nicht mehr so ängstlich wie zuvor. Sie mussten beide die Nerven behalten. Michael durfte sie nicht als Bedrohung ansehen, wenn sie auf ihn eingehen wollten. Das war die oberste Regel. Ein Patient, der keine Angst hatte,

war nicht gefährlich. »Vielleicht war ihm ja langweilig? Ich meine, wenn ich die Toten kontrollieren könnte - man, ich wüsste gar nicht, wo ich anfangen sollte. Ich hab da noch so ne Liste. Typen, die mich in der Schule immer geärgert haben. Man, was würde Rosie Willis blöd gucken, wenn ich ihr die Armee der Toten auf den Hals hetze.« Er verzog das Gesicht und schloss die Augen. »Sicher. Als könntest du nicht schon genug Chaos anrichten.« »Hey. Auf den Shows von diesen Mental-Spinnern kam das immer gut an. Ich kann die Löffel ohne n blöden Trick verbiegen und die Leute kaufen einem das sogar ab. Scheiß auf Uri Geller. Der

ist sowieso nur n Trickser.« Selbstgefällig legte sie den Kopf zurück und grinste.Selbstbewusstsein hatte sie ja. Das musste er ihr lassen. Dennoch war er sich nicht sicher, ob das bei ihr übergroße Maß davon nicht ungesund war. Jetzt war allerdings nicht der Zeitpunkt um sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Ruhig schritt er weiter voran und sah sich bedächtig um. Es war ruhig. Zu ruhig für seinen Geschmack. Dann nahm er plötzlich eine Bewegung vor sich wahr. Erst erkannte er es nicht richtig. Naiomi trat einen Schritt zurück und weitete die Augen. »Schon wieder scheiß

Zombies!« Er legte ihr eine Hand auf die Schulter, um sie zu beruhigen. »Keine Sorge. Ich sagte doch, dass sie ungefährlich sind. Hab keine Angst. Ich bin bei dir.« Sie presste die Lippen aufeinander. »Klar. Jetzt bin ich sowas von erleichtert.« Es waren insgesamt vier dieser Wesen. Teilweise bis zur Unkenntlichkeit verwest. Ein paar trugen sogar noch den deutlich sichtbaren Beerdigungsanzug. Stöhnend bewegten sie sich auf Ethan und das Mädchen zu. In diesem Moment verfluchte er sich dafür, dass er das Betäubungsgewehr im Wagen gelassen

hatte. Nicht dass es ihm etwas nützte, aber es gab ihm ein Gefühl von Sicherheit. »Ganz ruhig. Lambert muss hier irgendwo sein.« Noch ehe er sprach, stürmte einer der Untoten nach vorne und packte die 16-Jährige am Arm. Vollkommen geschockt sah Ethan zu, wie er dem Mädchen in den Arm biss. Sie schrie auf und verpasste ihm einen Faustschlag. Der Tote wich zurück und fiel auf den Boden. Naiomi hielt sich den Arm. »Scheiße! Er hat mich gebissen. Man! Ich will kein Zombie werden!« »Wir sind hier nicht in Hollywood! Du wirst kein

Zombie!« »Ach, und wer versichert mir das? Verdammt tut das weh.« »Schnauze jetzt!« Er versetzte einem von ihnen einen Tritt, um ihn auf Distanz zu bringen, ehe er Naiomi an der Hand nahm und sie mit sich zog. Das Mädchen wirkte überhaupt nicht glücklich über diese Situation. »Was soll das Doc? Ich dachte, die Dinger wären ungefährlich! Haben sie das nicht eben noch gesagt?!« Er war ebenso überrascht davon wie sie. »Ja. Eigentlich schon. Verdammt. Wahrscheinlich hat er an seiner Fähigkeit

gefeilt.« »›Wahrscheinlich hat er an seiner Fähigkeit gefeiler‹. Schöne Scheiße! Wir werden hier aufgefressen und sie können nur blöde Kommentare abgeben. Wir brauchen ne Bazooka oder sowas!« Sie streckte die Hand aus und verbog eine der Laternen, um den Untoten den Weg zu versperren. Unbeholfen stolperten sie über das Hindernis. »Sehr witzig. Hast du zufällig eine?! Lauf lieber. Wir müssen uns eine Strategie überlegen! Wir brauchen eine Waffe!« »Versuchen sie doch mit einem Stock auf sie einzuprügeln, oder bitten sie freundlich, dass sie damit aufhören. Das

können sie doch so gut Doc!« Sie klang gereizt. Ihm schlug das Herz bis zum Hals und sie verbesserte die Situation nicht gerade. Sie hielt sich den Arm. Eine klaffende Wunde hatte sich gebildet. Rasch zog er sich den Gürtel aus der Hose. »Halt still!« Er band die Wunde ab, um die Blutung zu stoppen. Sie seufzte vor Schmerz auf. »Au! Können sie nicht n bisschen sanfter sein?!« »Klar. Hättest du gerne ein Dinopflaster?« Sie grinste über diesen Kommentar. »Hey Doc. Wenn sie wollen, dann

können sie ja ein echter Arsch sein!« Sie erreichten den Eingang des Friedhofs. Die beiden schlossen das Tor hinter sich. Außer Atem lehnte Ethan sich an den Zaun und ging in die Hocke. Naiomi sank in den Schneidersitz. Die Bluse war hin. Der Ärmel aufgerissen und der Stoff mit Blut verschmiert. Ihre Augen tränten vor Schmerz. Japsend hielt sie ihren Arm umklammert. Sorgevoll sah er sie an. »Wir fahren zu einem Arzt!« Sie sah ihn an und schüttelte den Kopf. »Bestimmt nicht! Warum muss ich zu nem Doktor? Bist du nicht einer?!« Der 32-Jährige verdrehte die Augen und legte Naiomi eine Hand auf die Schulter,

um sie zu beruhigen. Ihre derzeitige Verfassung war schon schlimm genug. »Ich bin zwar Arzt, aber ist dir schon mal aufgefallen, dass ich Psychologe bin? Aufgerissene Arme stehen nicht in meinem Empfehlungsbogen. Das muss sich jemand ansehen, bevor sich die Wunde entzündet. Sonst wird es nämlich nur noch schlimmer.« Vehement schüttelte Naiomi den Kopf. »Von wegen. Wie soll das denn bitte gehen du Genie? Dank dem Dauerurlaub, den ich bei euch hatte, bin ich hier doch nirgendwo mehr gemeldet. Außerdem: Schon mal darüber nachgedacht wie das aussieht, wenn wir da antanzen? Ich, total verletzt und du als Mann? Du wirst

verknackt und ich komm wahrscheinlich ins Frauenhaus. Super. So hab ich mir mein Leben garantiert vorgestellt.« Er winkte ab und half dem Mädchen auf die Beine. Ein letzter Blick ging zum Friedhof. Die Untoten kamen nicht durch den Zaun. Jaulend versuchten sie das Hindernis vor sich zu überwinden. Ohne Erfolg. Weit hinter ihnen stand jemand im Schatten. Die Hände hatte er in den Jackentaschen versteckt. Rain konnte sein Gesicht nicht genau erkennen, aber er wusste, dass Lambert ihn in diesem Moment genau beobachtete. »Was machen wir hier?«, fragte sie,

während sie ihre Jacke enger um sich zog. Langsam schritten die beiden durch den Vorgarten des kleinen Hauses am Stadtrand. Es wirkte ruhig. In der Ferne ging bereits die Sonne auf. Der Beginn eines schönen Tages. »Ins Krankenhaus ist keine Option.« Er zog ihr die Kapuze über den Kopf und schritt die Stufen zum Eingang hinauf. Von drinnen hörte er den Fernseher. Gut. Immerhin schellte er so niemanden aus dem Schlaf. Der Arzt betätigte die Klingel. Ein Rascheln. Etwas fiel um. Hastige Schritte nährten sich der Haustür, ehe sie sich öffnete. Dwight wirkte ziemlich verschlafen. Er wischte sich durch das Gesicht und sah

den Arzt an. »Man Ethan. Es ist 5 Uhr morgens. Bist du nicht schon zu alt für Süßes oder Saures?« Der Angesprochene grinste spöttisch und polierte einen Augenblick lang seine Brille. »Sehr witzig. Ich brauch deine Hilfe.« Er deutete auf die Verletzte. Lächelnd winkte sie dem Afroamerikaner zu. Der sah sie an, ehe er begriff, wen er hier vor sich stehen hatte. »Ist das Naiomi Winchester?!« Sie nickte und verneigte sich. »Leibhaftig. Sie sind doch der Schwarze vom Flughafen.« Die 16-Jährige schob ihn beiseite und

huschte nach innen. »Ich muss dringend mal pinkeln. Wo isn das Klo?! Warte. Habs gefunden!« Perplex sah der Afroamerikaner ihr nach. Er wandte den Kopf zu Ethan. Immer wieder öffnete sich sein Mund, schloss sich dann allerdings wieder. Er schien nicht sicher, was er auf diese Sache sagen sollte. Der Arzt schloss die Tür hinter sich und legte eine Hand auf die Schulter seines Kollegen. »Das ist eine lange Geschichte.« »Ach, wirklich? Vielleicht fängst du damit an, warum die Winchester hier ist! Mein Gott man! Wenn Heidenreich das rauskriegt, fliegst du raus. Scheiße. Wir beide fliegen

raus.« Mit den Händen fuhr er sich durch das Haar und stapfte im Eingangsbereich auf und ab. »Tut mir leid, dass ich dir bis jetzt noch nichts gesagt habe Dwight. Ich wollte dich damit nicht belasten. Sie kam zu mir und ich habe sie aufgenommen. Sie bleibt nur so lange, bis sich ihr Onkel aus Wisconsin meldet. Dann geht sie dahin. Ich konnte sie nicht einfach ausliefern.« Sein Gegenüber nickte und führte ihn ins Wohnzimmer. Es war ein wenig unordentlich, aber nicht dreckig. Der Raum war in dunklen Nusstönen gehalten. Der Fernseher zeigte gerade Dawn of the Dead. Wie passend fand

Ethan. Er ließ sich auf dem Sofa nieder und zündete sich eine Zigarette an. Seufzend musterte er seinen Mitarbeiter. Dwight schüttelte den Kopf. »Du siehst absolut furchtbar aus. Was ist passiert?« Er goss drei Gläser mit Wasser ein. Naiomi kam aus dem Badezimmer und ließ sich auf dem Sofa nieder, wo sie ihre Jacke auszog. Dwight schritt zu einer Kommode und holte einen Verbandskasten hervor. »Ich hatte da so eine Idee. Also bin ich mit Naiomi zum Friedhof. Die Untoten haben uns attackiert.« »Ich dachte, die sind ungefährlich.« Der Arzt zog an seiner Zigarette. Der

Andere begann damit den Arm des Mädchens zu desinfizieren. Als er das Mittel dafür auftrug, verzog sie schmerzhaft das Gesicht. Ethan atmete aus. »Das dachte ich auch. Einer von ihnen hat sie gezielt attackiert. Lambert hat seine Fähigkeiten verbessert. Wir konnten die Untoten zwar vorerst auf dem Friedhof halten, aber das war nur eine Ausweichlösung. Man kann nur hoffen, dass er keinen größeren Schaden anrichtet. Nicht auszudenken, was für eine Panik er verursachen könnte.« Nachdenklich sah er zum Fernseher. Die Sache war kritisch. Michael schien verändert. Zuvor war er nie so aggressiv

aufgefallen. Er hatte zwar seine Probleme, war aber sonst ein freundlicher und zurückhaltender Junge aus dem B-Trakt. Warum verhielt er sich jetzt so? Der Arzt suchte verzweifelt nach einer Antwort auf diese Frage. »Und was machst du jetzt?« »Ich muss nach Hause. Sofia ist allein.« »Und Lambert? Willst du den einfach rumlaufen lassen?« Der Angesprochene verzog angesäuert das Gesicht und warf die Zigarette aus dem Fenster. Naiomis Wunde war fertig verbunden. Zufrieden starrte sie auf das Ergebnis und nahm einen Schluck von ihrem Wasser. »Hast du auch Bier da?

Das könnte ich im Moment eher als diese Plörre gebrauchen!« Dwight sah sie an. Ethan schüttelte den Kopf. »Nichts da. Jetzt geht es erstmal nach Hause.« »Spielverderber! Gib mir wenigstens ne Zigarette!« »Nein!« »Arsch!« Dwight grinste und ließ sich auf dem Sofa nieder. »Ihr beide seid ja beste Freunde Ethan. Freust dich sicher schon drauf, wenn Sofia in die Pubertät kommt.« »Sehr witzig Dwight. Pass auf: Ich bring Naiomi nach Hause. Dann treffen

wir uns am Friedhof. Vielleicht ist Michael noch dort. Ruf Foster an. Wir müssen das beenden, bevor es richtig anfängt.« »Ich soll echt die Foster anrufen?« Ihm gefiel es auch nicht, aber im Augenblick hatte er keine andere Wahl. »Ja. Besser das, als noch eine Predigt von Heidenreich. Außerdem ist jede helfende Hand gut. Wir wissen nicht, was mit dem Jungen passiert ist, oder warum er tut, was er tut. Besser wir gehen auf Nummer sicher.« Er seufzte. Früher war alles irgendwie einfacher. Seitdem Ausbruch der Häftlinge aus Willows Creek schien sich die ganze Welt verändert zu haben. Sein

ganzes Leben war auf dem Kopf gestellt. In Momenten wie diesen wünschte er sich Hammonds Rat. Der wusste immer, was zu tun war. Heidenreich verstand die Situation überhaupt nicht. Für sie waren die Patienten einfach nur Tiere, die man wieder einsperren musste. Mehr nicht. Sie sah nicht, dass sie auch nur Menschen waren. Das ärgerte ihn. Natürlich gab es Leute wie Albert Wilkins oder Viktor Waslow, deren Fähigkeiten unberechenbar waren. Aber auch sie wurden durch ihr Umfeld zu dem gemacht, was sie sind. »Gut. Ich mach mich fertig und ruf sie an. Wir sehen uns dann am

Friedhof.« Naiomi verschränkte die Arme vor der Brust. »Und was ist mit mir?« »Einer muss auf Sofia aufpassen.« »Klar. Jetzt bin ich der Babysitter oder wie?« »Genau.« »Toll!« Eine Stunde später kam Ethan am Friedhof an. Mittlerweile war die Sonne aufgegangen. Naiomi blieb zu Hause, wenn auch widerwillig. Er hoffte nur, dass sie keinen Blödsinn anstellte. Sofia guckte sich schon genug von der 16-Jährigen ab. Allerdings blieb ihm in

diesem Augenblick auf nichts anderes übrig. Seufzend verließ er seinen Wagen. Dwight stand schon draußen und trankt einen Kaffee aus einem Pappbecher. Foster stand daneben und wartete. Wie immer hatte sie ihr braunes Haar zu einem Zopf gebunden. »Ah. Rain. Wie schön dass sie auch mal hier auftauchen. Ich hab schon gehört. Sie haben Lambert gefunden. Es allein anzugehen ist nicht gerade der beste Plan oder?« Der 32-Jährige warf einen Blick zu seinem Kollegen. Er hatte nichts von Winchester erzählt. Das war gut. Ansonsten hätte Eileen wohl mit einem Sonderkommando bei ihm zu Hause

angeklopft. Keine angenehme Vorstellung.Langsam schritt Ethan auf sie zu. Sie ließ es sich wirklich nicht nehmen, ihm einen schnippischen Kommentar an den Kopf zu werfen. »Ihnen auch einen guten Morgen Foster!« Er warf einen Blick durch das geschlossene Tor. Die Untoten waren fort und von Lambert keine Spur. Dennoch mussten sie ja irgendwo anfangen. Die ehemalige Agentin öffnete den Eingang und schritt mit gezücktem Betäubungsgewehr voran. Sie blieb stehen, wo Naiomi zuvor die Laterne umgebogen hatte. Das hatte er vollkommen vergessen!

»Verbogen als wäre sie aus Käse. Wenn Ichs nicht besser, wüsste würd ich sagen, Miss Winchester war hier.Fragt sich nur, was sie hier gesucht hat.« Ethan zuckte mit den Schultern. »Wir hatten sowas schon. Die Patienten können einander spüren. Manche suchen andere auf. Vielleicht hat sie Lambert getroffen.« Nicht die beste Lüge, aber etwas anderes fiel ihm Moment nicht ein. Besser so, als wenn sie irgendwas herausfand. Dennoch gefiel es ihm nicht, dass sie schon wieder ihre Nase in solche Angelegenheiten steckte. Das hasste er an ihr. Sie war immer nur auf

Erfolg aus. »Möglich. Da vorne ist Blut. Sehen sie?« Sie kniete sich nieder. Tatsächlich. Eine feine Spur zog sich über den Weg. Von Naiomis Wunde. Das nächste Mal musste er wohl seine Spuren etwas besser verwischen. In der Aufregung hatte er allerdings nicht auch noch die Zeit sich um irgendwelche Details zu kümmern. »Vielleicht haben sie sich gestritten?«, vermutete Dwight. Er spielte mit. Sehr gut. Rain zündete sich eine Zigarette an und steckte eine Hand in seine Manteltasche. »Man kann noch so viel vermuten Foster. Tatsache ist, dass wir eigentlich

gar nicht wissen, was hier abgelaufen ist. Lambert ist wahrscheinlich schon über alle Berge und Naiomi auch.« Sie hob den Kopf. »Naiomi?« »Ihr Vorname. Sie wissen hoffentlich noch, dass ich eigentlich Arzt bin, der sich um seine Patienten kümmert. Zumindest war ich das mal, bevor ich zu dieser Hetzjagd geschickt wurde. Naiomi, Michael, Katherina. Sie alle sind meine Patienten. Sie verdienen mehr, als einfach nur mit einem Namen abgestempelt zu werden.« Die junge Frau stand auf und schüttelte abwehrend den Kopf. »Nicht schon wieder diese Lamentiererei

Rain. Sie haben ihren Standpunkt deutlich gemacht. Das ist angekommen. Tun sie einfach nur ihren Job. Wir finden Lambert und Winchester und bringen sie in die Anstalt zurück, wo sie keinen Schaden mehr anrichten können.« Er ballte die Hand zur Faust. Dwight warf ihm einen alarmierenden Blick zu. Er wusste genau, wie sein Kollege auf solche Worte reagierte. »Hören sie zu Foster: Sie mögen zwar das Kommando haben, aber trotzdem werde ich nicht zulassen, dass sie so von ihnen sprechen. Ich kann es ihnen tausend Mal sagen und sie verstehen es immer noch nicht. Das sind keine Tiere Eileen! Es sind Menschen verdammt!

Jemand wie sie und ich!« Sie legte den Kopf schief. Beide Hände lagen in der Tasche ihres Mantels. »Nicht schon wieder Rain. Sie haben es satt sich immer und immer wieder zu wiederholen. Ich habe es satt mir das immer und immer anzuhören. Wenn sie rumheulen wollen, gehen sie nach Hause. Ich hab keinen Platz für sowas! Wenn ich sage, dass wir die beiden in die Anstalt zurückbringen, dann tun wir das auch! Vergessen sie nicht die Rangordnung!« Er grinste einfach nur, bevor er einen letzten Zug von seinem Glimmstängel nahm und ihn auf dem Boden ausdrückte. Dann wandte er sich von ihr

ab und schritt den Weg weiter entlang. Sie sah ihm nach. »Hey! Ich rede mit ihnen!« Dwight sah dem Ganzen hilflos zu. Am liebsten hätte er etwas gesagt, um zu helfen, aber am Ende würde er wohl nur Öl ins Feuer gießen. Der Arzt sah zum Horizont hinauf. Eine Mischung aus Wut und Abscheu zierte seine Züge. Schon früher war er mit Foster nur schlecht ausgekommen, aber seitdem Heidenreich ihr die Führung übertragen hatte, war sie unausstehlich. »Lecken sie mich am Arsch Foster!« Dwight stand der Mund offen und auch Eileen sah ihn fassungslos an. Ihm war nicht mehr nach gutem Benehmen. Er

hatte keine Lust mehr ihr ständig alles wieder und wieder zu erklären. Vielleicht verstand sie ja so seinen Standpunkt. Anders schien es ja nicht zu funktionieren. »Was erlauben sie sich? Ich bin ihre Vorgesetzte!« »Hammond war mein Vorgesetzter. Er hat wirklich begriffen, dass man diesen Leuten helfen muss. Ihm gegenüber fühlte ich mich verpflichtet. Bei ihnen allerdings empfinde ich nur Mitleid, für ihre Sturheit. Sie wollen nichts begreifen. Ihnen ist nur ihr Erfolg wichtig. Machen sie nur so weiter. Sicher kommen sie dann noch ganz groß raus, aber lassen sie mich damit in Ruhe.

Ich habe ihnen nichts mehr zu sagen.« Sie schüttelte einfach nur den Kopf. Beide schenkten sich hier nichts. Der Afroamerikaner ließ sich seufzend auf einer Bank nieder und starrte in die Ferne. Foster fuhr sich durchs Haar. Sie versuchte die passenden Worte zu finden, sagte allerdings nichts mehr. Letztendlich durchbrach Dwight die Stille. »Leute? Ich will eure kleine Liaison ja nicht stören, aber wir kriegen Besuch!« Beide wandten sich um. Ein Untoter schritt auf sie zu. Ethan erinnerte sich. Es war derselbe, der Naiomi gebissen hatte. Er knurrte. Foster zog ihre Waffe und

zielte. »Ich dachte, die sind ungefährlich!« Ethan zuckte mit den Schultern. »Selbst ich kann mich irren!« »Sehr witzig!« Sie schoss. Der Leichnam ging zu Boden, nur um sich wenige Sekunden später wieder zu erheben. Dwight sprang auf. »Sie müssen ihm in den Kopf schießen!« »Klar Hickins! Wir sind hier nicht in einem Horrorfilm!«,blaffte sie und drückte erneut ab. Der Untote zeigte sich unberührt davon. Etwas hinter ihm stand wieder Lambert. Sein Haar war kurz geschnitten und gepflegt. Er trug neue Klamotten sowie

eine neue Brille. Nichtssagend musterte er die Situation. Ethan sah zu ihm herüber. Foster griff nach dem Betäubungsgewehr. Der Arzt ging dazwischen. »Warten sie Foster! Lassen sie mich mit ihm reden!« Sie schnaubte verächtlich. »Sicher. Bevor, oder nachdem die Zombies sie getötet haben? Gehen sie mir aus dem Weg Rain!« Ihre Stimme duldete keinen Widerspruch. Er allerdings blieb standhaft und griff nach dem Lauf des Gewehrs. Die blauen Augen funkelten sie an. »Es reicht Eileen! Lassen sie es gut

sein!« Sie senkte den Kopf. Erst schien es, als würde sie nachdenken, aber dann veränderte sich ihr Ausdruck. »Achtung!« Sie riss ihn aus dem Weg und sprang selbst zur Seite, um einer Ladung von Blitzen zu entgehen, die unkontrolliert auf dem Asphalt einschlugen. Dwight war hinter der Bank in Deckung gegangen. Ethan kam auf die Beine und sah sich um. Neben Lambert stand jetzt jemand, den er nur zu gut kannte: Wilkins hatte die Hand noch immer erhoben und grinste. Das lockige Haar war kurz geschoren. Ein Jackett verbarg das darunterliegende. Ansonsten war er

komplett in schwarz gehalten. Lächelnd sah er die beiden an. »Ethan. Es ist mir eine Freude sie wieder zu sehen. Wie geht es Norman?« Der Arzt atmete schwer. Foster hob das Gewehr, um auf ihn zu zielen, doch Rain hielt sie zurück. »Sie wissen genau so gut wie ich, dass das nicht funktioniert.« Er wandte sich zu dem D-Patienten. »Was wollen sie hier Albert?« Der Andere grinste. »Sehen sie das nicht? Ich treffe mich mit einem guten Freund.« Er legte Michael eine Hand auf die Schulter. Rain erschauderte. Unwillkürlich musste er an die letzte

Begegnung mit diesem Mann denken. Er selbst hatte nur knapp überlebt. Holly war gestorben und alles hatte sich verändert. Hammond war zurückgetreten. Albert hatte eine Menge zerstört und dennoch stand er hier vor ihm, als wäre das nichts. »Albert. Was auch immer sie vorhaben: Hören sie endlich auf. Es hat schon genug Opfer gegeben, finden sie nicht? Wer muss als Nächstes sterben?« Der Angesprochene überlegte einen Moment und lächelte anschließend süffisant. »Eigentlich nur sie.« Von neuem zuckten Blitze hervor. Ethan rollte sich zur Seite.

Es war sinnlos hierzubleiben. Das wusste er. Keiner von ihnen konnte sich mit Wilkins Fähigkeiten messen. Der D-Patient war zu stark. Eine falsche Bewegung und einer von ihnen würde sterben. Das Herz des Arztes schlug ihm bis zum Hals. Ein nur zu bekanntes Gefühl der Angst überkam ihn. Bei Binns hatte er sich damals ebenso gefühlt, als der Marionettenspieler kurz davor war, ihn zu töten. Diese Situation war ähnlich. Überall erhoben sich jetzt die Toten aus ihren Gräbern. Mit einem Mal waren sie umzingelt. Die Drei standen Rücken an Rücken. Dwight hielt das

Betäubungsgewehr. Foster hatte ihre Glock auf Wilkins gerichtet. Es gab keinen Ausweg. Die Agentin seufzte. »Was jetzt Rain?« Er zuckte mit den Schultern. »Sie sind doch hier die Anführerin. Ich dachte, sie hätten einen Plan!« »Sicher. Ich habe ein ganzes Buch dabei! Ich brauche freies Feld auf Wilkins!« Das war nahezu unmöglich. Die Untoten versperrten den Weg. Die beiden Patienten standen im Hintergrund. Noch bewegten sich die Leichen nicht. Es war, als würden sie auf etwas warten. Wilkins rieb die Hände aneinander. »Da bekommt Halloween eine ganz neue

Bedeutung. Also. Ethan. Sie sagen mir jetzt, wo sie Miss Winchester versteckt haben. Dann dürfen sie und ihre Freunde sterben.« Fassungslos starrte der Arzt ihn an. Woher wusste er das?! Ein Grinsen zierte die Lippen des Anderen. »Überrascht? Lambert hat mir erzählt wie sie vorher versucht haben sich gegen seine kleine Puppen zu wehren. Hat wohl nicht so ganz geklappt hm?« Foster sah zu Ethan. »Sie waren mit Miss Winchester hier?!« »Nicht jetzt Foster!« Seine Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt. Seine Gedanken waren bei seiner Familie. Hier würde er sicher

nicht mehr rauskommen. Wilkins hatte sie alle in die Ecke gedrängt. Eine Spur von Wehmut lag in seinen Augen, während er den Blick senkte. Irgendwie hatte er immer gewusst, dass sein Beruf sein Tod sein würde, aber erst in ein paar Jahren. Nicht so bald. Es gab so vieles, das er verpassen würde. Er würde nicht mit erleben, wie seine Tochter aufwuchs und ihren eigenen Weg durchs Leben fand. Carrie würde er nicht wieder sehen. Seine kleine Sofia nie mehr in den Armen halten. Es gab noch das ein oder andere, das er auch gerne zu seinem Vater gesagt hätte. Bitter presste er die Lippen aufeinander.

Wilkins stand immer noch stumm da. Die Arme vor der Brust verschränkt, während die Untoten auf Michaels Befehl warteten. Mindestens 20 von ihnen tummelten sich und knurrten bedrohlich. Es war wirklich wie in einem schlechten Horrorfilm. Foster sah zu Rain. Etwas verlorenes war in ihren Augen zu sehen. Er nickte einfach nur und zündete sich eine Zigarette an. Dwight streckte die Hand aus. »Mein Dad sagt immer, Rauchen bringt einen schneller ins Grab als eine Achterbahnfahrt. In diesem Fall ist es wohl egal.« Ethan reichte ihm eine Zigarette. Der

Afroamerikaner zündete sie sich an. »Wenigstens ist Katha nicht hier und muss das miterleben.«, erklärte Dwight und grinste. Der Arzt sagte nichts. Es kam ihm vor, als wäre es gestern gewesen, als die drei noch Fälle bearbeitet hatten. Hickins hatte Recht. Auch wenn Katherinas Schicksal nicht das beste war, so musste sie diese Situation immerhin nicht mit ansehen. »Hört ihr das?!« Perplex sah Rain zu Foster. Da war ein Motorengeräusch, das direkt vom Eingang des Friedhofs kam. Allerdings ließ sich nichts erkennen. Die Leichen versperrten den Weg. Albert wirkte

ruhig, auch wenn er nicht sicher schien. Lambert ließ ein paar Zombies umdrehen und zum Tor wandern, als plötzlich Musik ertönte. Erst war es nicht richtig zu deuten, aber dann tönten die Töne von Michael Jacksons ›Beat it‹ über den Friedhof. Mit einem Krachen brach Ethans blauer Toyota durch das Tor und mähte die Untoten über den Haufen. Erschrocken wandten die Drei sich um. Der Arzt konnte Foster und Dwight gerade noch aus dem Weg reißen, damit sie nicht überfahren wurden. Der Wagen kam neben ihnen zum stehen. Die Beifahrertür wurde geöffnet. Naiomi saß auf dem Fahrersitz und grinste. Hinter ihr saß Sofia im Kindersitz.

»Wollt ihr hier Wurzeln schlagen, oder steigt ihr jetzt ein?« Ethan stand der Mund offen. »Naiomi?! Was zum Geier machst du hier?!« »Ich rette deinen Arsch!« »Papas Arsch!« Er verzog das Gesicht, während die drei in den Wagen stiegen. Wilkins wollte gerade ein paar Blitze losschicken, als Naiomi im Wagen die Hand hob. Das umgefahrene Tor, das sich noch vor dem Wagen befand, flog in die Richtung der beiden Patienten, ehe das Fahrzeug zurücksetzte und davonrauschte. Von Fahrkunst war hier allerdings nichts

zu finden. Unbeholfen gurkte der Toyota die Straße entlang. Ethan schüttelte nur immer wieder den Kopf. Er saß auf dem Beifahrersitz. Foster hatte neben Sofia Platz genommen. Die 5-Jährige beäugte die Agentin misstrauisch, während sie ihren Dumbo fest umklammert hielt. »Sag mal spinnst du?! Wie kannst du meine Tochter hierher bringen? Was hast du dir überhaupt dabei gedacht?! Du kannst nicht mal fahren!« »Also für die Rettung hast gereicht. Gern geschehen übrigens. Soll ich noch mal zurück fahren und euch rauslassen?« Wütend sah er sie an. »Halt sofort

an.« Der Wagen kam mit einer Vollbremsung zum Stehen. Ethan wurde in den Gurt gedrückt und japste auf. Sie waren jetzt weit genug vom Friedhof entfernt. Wilkins würde keine Massenpanik verursachen, indem er ihnen die Zombies nachschickte. Im Augenblick gab es andere Dinge zu klären. Foster war ebenfalls aus dem Wagen gestiegen und begutachtete die Situation. »Rain? Was macht Miss Winchester hier mit ihrer Tochter? Können sie mir das Mal erklären?« Die 16-Jährige musterte die Agentin argwöhnisch. »Oha. Noch so n lebensfroher Geist.

Dankt mir bloß nicht alle auf einmal!« Der Arzt hob die Hand, um das Mädchen zum Schweigen zu bringen. Sein Blick ging zu Eileen. Dwight saß im Auto und kümmerte sich um Sofia. »Wie sie sehen, hat Miss Winchester uns gerade gerettet Foster, auch wenn ich ihr das sicher nicht erlaubt habe.« »Ach. Das ist alles?! Wie wäre es zum Beispiel damit, dass sie mich belogen haben? Sie war die ganze Zeit bei Ihnen nicht wahr?!« Fassungslos stemmte sie die Hände in die Hüfte. Ihr Gesicht war rot vor Zorn. Der Arzt lehnte gegen seinen Wagen. Die Front war völlig demoliert. Die Reparatur würde teuer werden. Das

wusste er jetzt schon. Er warf Naiomi einen bösen Blick zu, die sich jedoch unschuldig gab. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder Foster zu. »Ja, das war sie. Was wollen sie jetzt tun? Mich erschießen? Sie ist nicht gefährlich Eileen! Sie hat uns sogar das Leben gerettet!« »Das ist vollkommen egal Rain! Sie haben sich einer direkten Anordnung widersetzt, einem Patienten Zuflucht gewährt und sich über Mrs. Heidenreich hinweggesetzt. Hab ich noch etwas vergessen?« Das war unfassbar. Selbst jetzt noch beharrte sie auf ihren Standpunkt. Naiomi wischte sich eine rote

Haarsträhne aus dem Gesicht und sah die Agentin trotzig an. »Pass mal auf Alte! Ethan hat mich nicht mitgenommen. Ich bin zu ihm gekommen klar? Ich bleib nicht lange. Bald bin ich eh weg.« Sie schüttelte den Kopf. »Auf keinen Fall. Sie kommen mit nach Willow Creek.« Die Angesprochene grinste. »Im Leben nicht sie olle Regelfickerin!« »Wie bitte?!« »Sie haben mich schon verstanden!« Foster hob ihre Waffe, doch mit einer schnellen Handbewegung hatte Naiomi den Lauf verbogen und die Pistole unbrauchbar gemacht. Rain stellte sich

dazwischen. Seine Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt. »Schluss jetzt! Alle beide! Foster hören sie endlich auf damit. Und du junge Dame hüte deine Zunge! Meine Tochter sitzt im Wagen!« Er atmete einmal ein und aus. Ein Seufzer entkam seiner Kehle. »Naiomi ist nicht gefährlich. Sie ist ein ganz normaler Teenager. Abgesehen davon sind sie ihr was schuldig Foster. Wenn sie so etwas wie ein Gewissen besitzen, dann ist ihnen das bewusst.« »Kommen sie mir jetzt nicht so Rain! Sie ist ausgebrochen. Wenn sie sich mir in den Weg stellen, dann tragen sie die Konsequenzen. Und jetzt übergeben sie

mir Miss Winchester!« Sie sah ihn ernst an. Er schüttelte nur den Kopf und schob die Rothaarige wieder ins Auto. »Nein!« »Nein?!« Er schritt zur Fahrerseite des Wagens und öffnete die Tür. »Sie haben mich schon verstanden Foster. Tun sie was sie wollen. Vielleicht verstehen sie meinen Standpunkt ja doch irgendwann. Gehen sie ruhig zu Heidenreich. Erzählen sie ihr alles, wenn sie damit ruhig schlafen können. Vielleicht werden sie ja sogar befördert.« Und damit stieg er ein, ohne sie eines

weiteren Blickes zu würdigen. Der Motor startete. Foster schlug mit der Hand gegen die Scheibe, doch er reagierte nicht. Rauschend fuhr der Toyota davon. Foster stand am Bürgersteigrand und sah ihnen nach. »Sie sind gefeuert!« Heidenreich stand an ihrem Schreibtisch und rauchte eine Zigarette. Ethan war alleine in ihrem Büro. Robertas Hund knurrte ihn böse an. Nach der ganzen Sache hatte Foster natürlich gepetzt und ihr alles erzählt. Ihre Worte wurden mit einer solchen Endgültigkeit ausgesprochen, dass es keinen Raum für einen Widerspruch gab. Für ihn war das

auch nicht mehr wichtig. »Haben sie eigentlich eine Ahnung, was sie getan haben Rain? Eine Patientin bei sich zu Hause aufzunehmen und sie zu verstecken. Nicht nur das: Sie behindern ihre Mitarbeiter und verhindern so einen Erfolg der Mission. Ihr pubertäres Gehabe hat dafür gesorgt, dass drei Patienten entkommen sind. Vorne an Wilkins. Sie haben zugelassen, dass er weiter seiner Wege zieht!« Rain grinste nur und schüttelte den Kopf. »Natürlich. Haben sie schon mal versucht jemanden einzufangen, wenn 20 Untote um sie herum

stehen?« »Es wäre gar nicht dazu gekommen, wenn sie sich von Anfang an an die Regeln gehalten hätten. Ihre Eigenmächtigkeit ist schuld daran. Sie tragen dafür die Verantwortung. Sie hätten Lambert einfach festsetzen können, wenn sie Foster informiert hätten, aber nein: Stattdessen versuchen sie es auf eigene Faust und nehmen Miss Winchester mit auf ihre skurrile Tour. So etwas Unverantwortliches ist mir während meines Lebens noch nicht untergekommen!« Er zündete sich nun ebenfalls eine Zigarette an. »Dann haben sie wohl nie oft in den

Spiegel geschaut.« »Was?!« »Diese Leute sind nicht die Monster, die sie in ihnen sehen wollen Heidenreich. Hammond wusste das. Er hat immer versucht, ihnen zu helfen und sie zu beschützen. Sie allerdings jagen sie wie Vieh und sperren sie ein. Wenn jemand unverantwortlich ist, dann sie. Sie haben keine Ahnung, wie es in diesen Leuten aussieht. Es interessiert sie überhaupt nicht. Ich weiß nicht, ob das alles für sie nur eine perverse Sammlung ist, oder sie wirklich so kalt sind. Wie dem auch sei. Irgendwann werden sie sehen, dass ich Recht hatte. Dass Hammond Recht

hatte.« Er stand auf. »Wenn sie mich jetzt entschuldigen. Ich muss noch etwas erledigen.« Damit wandte er sich zur Tür um. »Warten sie! Wo ist Miss Winchester?« »Außerhalb ihrer Reichweite.« Nur wenig Leute drängten sich zur Mittagszeit auf der Armtrak Station. Ein Schaffner blies in seine Pfeife, während die Leute auf den ankommenden Zug warteten. Regen prasselte auf sie nieder. Ethan stand am Bahnsteig und rauchte eine. Naiomi trug ihre gelbe Jacke und einen Rucksack mit ihren Habseligkeiten. Dazu einen Koffer mit

Kleidung, die er ihr gekauft hatte. Sie rauchte ebenfalls eine Zigarette. Stumm musterte er das Mädchen. »Nervös?« Sie winkte ab. »Ach was! Ich doch nicht....Ja...« Heute war der Tag, an dem sie zu ihrem Onkel nach Wisconsin fahren würde. Nur noch wenige Minuten blieben, bis der Zug einfuhr. Das Mädchen wirkte unruhig. Rain konnte das gut verstehen. Dies war der Anfang für ein neues Leben. Alles würde sich ändern. »Ich kanns gar nicht glauben. Nicht mehr lange und dann bin ich schon in Wisconsin. Lebe bei meinem Onkel, gehe zur Schule wie jeder andere auch.

Man ich werd sogar auf nen beschissenen Abschlussball gehen! Meine Fresse!« Er hob tadelnd den Zeigefinger. »Vielleicht hast du ja bis dahin dein loses Mundwerk unter Kontrolle.« Sie grinste. »Schon möglich. Aber sie schreiben mir auf jeden Fall ne Postkarte klar? Sonst komm ich wieder und trete ihnen in den Arsch Doc.« Er nickte lächelnd. »Natürlich.« Der Arzt legte der 16-Jährigen eine Hand auf die Schulter. In der Fern fuhr bereits der Zug ein. Sie wirkte ein wenig geknickt. Ihr Blick ging zu Boden.

»Hör mal«, begann er, aber sie winkte abermals ab. »Lassen wir das. Ich bin nicht so der Wischiwaschi-Typ der sich unter Tränen verabschiedet klar. Ich wollte nur sagen, dass...danke. Sie haben mir echt geholfen. Ohne sie säße ich wahrscheinlich wieder in der Anstalt und würde in einer Zelle versauern.« Er schüttelte nur den Kopf. »Nein. Das hat niemand verdient und auch du nicht. Wie du schon sagtest: Ein paar von euch haben zwar einen an der Pfanne, aber es gibt auch welche die wirklich Hilfe brauchen. Ich hoffe für dich, dass du deinen Weg findest,

und sich dein Leben zum Guten entwickelt. Du hast es verdient.« Jetzt wirkte sie wirklich befangen. Er wollte sie umarmen, aber sie hob abwehrend die Hände. »Bloß nicht anfassen, sonst fang ich echt noch an zu heulen. Ich mein...ich weiß gar nicht was ich sagen soll. Sie waren einer der ersten, der wirklich nett zu mir war. Sie haben echt Eier Doc. Was sie für mich getan haben, das kann ich nie wieder gut machen. Sie haben alles für mich aufgegeben, nur um mir zu helfen. Sie sind wirklich ein guter Kerl.« Und dann tat er es doch. Langsam umarmte er sie, während der Zug auf

dem Gleis hielt. Er konnte ihr Schluchzen hören. »Ach verdammte Scheiße!« Ein Grinsen glitt ihm über die Lippen, ehe er von ihr abließ und sie sich zum Zugeingang bewegte. Kurz hielt sie inne, ehe sie sich noch einmal zu ihm umwandte. »Knuddeln sie Sofia von mir okay?« Er nickte. »Aber klar doch.« Sie lächelte. Die Türen schlossen sich. Der Arzt sah noch zu, wie der Zug langsam aber sicher Fahrt aufnahm, bis er letztendlich komplett in der Ferne verschwunden war. Zusammen mit ihm Naiomi, die nun einen neuen Pfad

beschreiten würde. Er wusste zwar nicht, wie dieser aussah, aber eines war sicher: Sie war stark. Und wenn jemand das schaffen konnte, dann sie.

Der Ruf des Meeres

»Waaaaal!«, flötete Sofia fröhlich und drückte ihre kleinen Hände gegen die Scheiben des großen Aquariums. Ethan kniete sich neben seine Tochter, während hinter ihm die anderen Besucher ihrer Wege gingen. Der Killerwal schwamm in großen Zügen durch das tiefblaue Wasser. Seitdem Heidenreich ihn gefeuert hatte, war ein Monat vergangen. Seit her hatte sich viel geändert. Er konnte mehr Zeit mit seiner Familie verbringen und hatte eine kleine Stelle als Psychologe in einer Schule angenommen. Das war eine willkommene Abwechslung im Vergleich

zur Arbeit in Willows Creek. Natürlich vermisste er Dwight. Ab und zu lud er seinen ehemaligen Kollegen zu sich ein. Über die Arbeit sprachen sie allerdings nie, denn Rain wusste um das Betriebsgeheimnis der Einrichtung. Auch heute war der schwarzhaarige Student mit von der Party und schleckte ein Eis. Der Arzt lächelte und streichelte der 5-Jährigen durch die roten Haare. Seine Frau stand daneben und beobachtete die Situation lachend. »Genau Schatz. Das ist ein Wal. Und wie machen Wale?« Die Kleine stellte sich jetzt auf und versuchte das Geräusch der Tiere zu imitieren, wobei sie sich allerdings nicht

ganz so geschickt anstellte. In der einen Hand hielt sie ihr Stofftier Dumbo, welches mal wieder eine dunklere Färbung angenommen hatte. Ethan hatte schon überlegt ihn zwischendurch ins Aquarium zu tauchen, aber Sofia ließ ihn heute nicht aus den Augen. Mittlerweile wusste sie um die Entführungen ihres kleinen Lieblings und bemerkte auch, dass er manchmal anders roch als vorher. »Sie wird noch mal eine richtige Tierexpertin«, erklärte Dwight, ehe er einen Blick in das Becken warf. Ein paar Taucher waren gerade damit beschäftigt die Tiere zu pflegen und zu füttern. Die Show hatten sie schon hinter sich

gebracht. Am faszinierendsten war natürlich der Wal Okoko. Sofia konnte gar nicht genug von dem Jungtier kriegen. Am liebsten hätte sie ihn wohl mit nach Hause genommen, sehr zu Ethans Missfallen. Erst hatte sie gequengelt, bis er es schaffte, sie mit einer Tüte Süßigkeiten abzulenken. Seit dem war das Thema einigermaßen erledigt. »Wird sich dann zeigen. Hauptsache sie wird keine Ärztin. Noch einen Kittelträger ertrage ich nicht«, scherzte Carrie, woraufhin ihr Mann den Arm um sie legte und lächelte. »Wie darf ich das denn verstehen?« »Du weißt genau, was ich meine. Bei

jedem kleinen Wehwehchen spielst du Dr. House.« Er zuckte unschuldig mit den Schultern. Das Verhältnis zu seiner Frau war ebenfalls besser geworden. Er musste jetzt keine Geheimnisse mehr vor ihr haben. Das war befreiend. Damals hatte er ihr die Dinge immer verschweigen müssen. Diese Tage waren vorbei. Natürlich hatte er manchmal ein schlechtes Gewissen. Da draußen waren noch so viele Patienten, die eigentlich Hilfe benötigten, aber auf der anderen Seite musste er auch an sich denken. Beim Letzten Mal war er einmal mehr knapp dem Tod entronnen. Das hatte ihn wachgerüttelt. Er wollte seine Familie

nicht so verlassen. Deshalb hatte er sich für das hier entschieden und er würde es für nichts in der Welt wieder eintauchen. So setzte er sich seine Tochter auf die Schultern und warf einen Blick in das Becken. Etwas war merkwürdig. Einer der Taucher wurde von einem der Tiere angestoßen. Die anderen sahen zu. Man hielt es erst nur für einen Zufall, doch als dann auch ein zweiter Wal auf ihn zuschwamm, setzte der Doktor ein alarmiertes Gesicht auf. »Da stimmt doch was nicht.« Er nahm Sofia so, dass sie nicht mehr in das Becken sehen konnte. Gerade noch rechtzeitig, denn im Wasser brach

die Hölle los, als sich drei Killerwale nun auf ein und denselben Taucher konzentrierten. Erst noch begnügten sie sich damit ihn zu stoßen und so zu verletzen, ehe er von ihnen entzwei gerissen wurde. »Furchtbar. Der arme Mann«, erklärte Carrie eine Stunde später. Sie saß auf einer Bank und wirkte ziemlich zerstört. Sofia schlief neben ihr. Das ganze hatte die Kleine sehr verwirrt. Inzwischen waren auch die Gesetzeshüter eingetroffen, worunter auch ein Mann vom FBI zählte. Peterson. Mitte 40 und sehr akribisch. Nach und nach befragte er die Leute. Dwight wirkte ein wenig

unsicher über die Lage. Mit verschränkten Armen stand er einfach nur da und beobachtete, wie der Mann gerade eine junge Frau befragte. »Das ist wirklich keine tolle Art abzutreten. Als Snack bei einem Waldreier.« »Dwight! Sofia ist hier!« Der Afroamerikaner sah ihn unschuldig an und schob sich seine Hornbrille zurecht. Auch Carrie warf ihm einen tadelnden Blick zu. »Tschuldige. Ich meine ja nur. Ist halt seltsam.« Ethan wusste genau worauf sein Gegenüber hinaus wollte. Er vermutete einen Patienten dahinter. Allerdings gab

es in Willow Creek niemanden mit solchen Kräften. Wahrscheinlich war es einfach nur ein Unfall. So etwas kam immer mal vor. Man konnte den Tieren eben nicht ins Gehirn gucken. »Die Leute werden sich schon darum kümmern. Carrie. Lass uns fahren. Wir haben schon alles gesagt und ich denke, dass wir alle ein bisschen Ruhe brauchen.« Sie nickte und erhob sich, während er Sofia auf den Arm nahm. Er war müde und der Tag sehr anstrengend. Jetzt freute er sich auf seine Couch und einen gemütlichen Abend mit seiner Familie. Allerdings versiegte seine Vorfreude jäh, als Eileen Foster am Ort des Geschehens

eintrat. Sofort deutete Dwight auf sie und setzte ein nichts sagendes Gesicht auf. Schnurstracks trat die junge Frau auf Hickins zu. »Wieso haben sie ihr Telefon aus? Und was machen Sie eigentlich hier Rain?« Wie immer hatte sie die Arme vor der Brust verschränkt. Man konnte ihr von der Nasenspitze aus ansehen, dass sie keinen Groll über seine Kündigung hegte. Er wusste zwar nicht, wie es jetzt in der Anstalt zuging, aber sein Weggang musste auch bedeuten, dass sie mehr Einfluss hatte. Gar nicht davon anzufangen, wie Dwight wohl unter ihr litt. Man konnte es ihm anmerken. Er beäugte sie nicht gerade wohlwollend.

»Ich war mit Dwight und meiner Familie hier. Ist glaube ich nicht verboten Foster!« Sie nickte einfach nur und sah sich um. Als sie Peterson erblickte, strahlte sie plötzlich übers ganze Gesicht. »Dirk? Meine Güte! Das ist ja Monate her!« Sofort trat sie auf ihn zu und umarmte ihn stürmisch. Auch er schien erfreut die junge Frau wieder zu sehen. Ethan vermutete alte Kollegen. »Das kann ich nur zurückgeben. Mensch Ellie. Was machst du hier? Ich dachte du bist jetzt in so ner neuen

Einheit.« »Bin ich auch. Das hier ist mein Partner, Dwight Hickins. Also. Was genau ist hier passiert?« Damit zog sie den Afroamerikaner auch schon mit sich. Ethan winkte ihm noch zum Abschied, ehe er sich seufzend seiner Frau zuwandte. Die sah ihn einfach nur lächelnd an. Er hob fragend die Braue. »Was denn?« »Du vermisst es. Deine alte Arbeit.« Er schüttelte den Kopf. »Unsinn. Foster ist ein Drachen und dem weine ich nicht nach. Außerdem sehe ich Dwight immer noch. Also, keine Sorge. Und vor allem hat das

Ganze ja etwas positives: Ich hab mehr Zeit für euch!« Er küsste sie auf die Lippen, ehe er sich zum Gehen wandte. Noch einmal sah er zu den Dreien, die gerade berieten. Dann verließ er mit Carrie den Schauplatz. »Ich kann das immer noch nicht fassen.«, erklärte seine Frau. Ethan zog an seiner Zigarette, während sie durch einen Rundbogen schritten. Um sie herum schwammen die Fische in einem großen Tank, der von dem der Orcas abgeschottet war. Sofia hatte sich an seine Brust gekuschelt und döste vor sich hin. Er war froh, dass sie das nicht

mit ansehen musste. Es war für alle ein Schock. So hatte er sich das Ende dieses Ausflugs wohl kaum vorgestellt. Egal wo er hin ging - die Arbeit schien ihn immer zu verfolgen. »In dem Job muss man immer damit rechnen, dass mal etwas schief geht, Schatz.« Sie schüttelte den Kopf und schmiegte sich an seine Schulter. »Aber diese Art und Weise. So systematisch wie eine Hinrichtung Ethan.« Ein unwohles Gefühl breitete sich in seiner Magengrube aus. Stumm sah er sie an und strich ihr durch das rote Haar. Um ihn herum gab es noch andere

Leute, die von dem Unfall gehört, oder ihn direkt mitbekommen hatten. In einer Ecke stand ein Mann, der versuchte seine beiden Töchter zu beruhigen. Grausam. Besonders in so jungen Alter, konnte diese Art von Erfahrung ihre Spuren hinterlassen. Sein Blick fiel auf eine einsame Frau, die im Neoprenanzug an der Wand lehnte. Das Gesicht wahr in der Hand verborgen. »Willst du vielleicht mit ihr reden?« Perplex sah er zu Carrie. »Was? Wieso?« Sie nahm Sofia aus seinem Arm. »Naja. Du bist Psychiater. Diese Frau sieht aus, als könne sie jetzt jemanden zum Reden

brauchen.« Er schüttelte den Kopf. »Nein nein. Wichtig ist, dass ihr jetzt nach Hause kommt.« »Ethan. Ist schon okay. Ich bringe Sofia nach Hause und koche uns was. Wir laufen dir nicht weg.« Er überlegte. Eigentlich war es nicht seine Aufgabe, aber wenn er ehrlich war, schlummerte die Neugierde in ihm. So verabschiedete er sich von seiner Familie und ging langsam auf die fremde zu. Ihr nasses Haar glänzte im Licht der Sonne, das durch die Dachfenster hineinschien. Die Arme hatte sie um den Oberkörper geschlungen. Der Arzt griff in seine Tasche und holte seine

Schachtel Zigaretten hervor, von denen er ihr eine reichte. Einen Moment sah sie ihn an, ehe sie dankend nickte. Er zündete ihr an und stellte sich neben sie. »Danke. Die kann ich jetzt gut gebrauchen«, erklärte sie mit brüchiger Stimme. Ihre Augen waren rot unterlaufen. Die Wangen glänzten noch vom Weinen. Sie hustete. »Sie rauchen nicht sooft oder?« Ein Kopfschütteln war die Antwort. »Nein. Eigentlich gar nicht. Gerade schien es irgendwie richtig zu sein.« Sie drehte sich zu ihm. »Michaela.«, stellte sie sich vor und wischte sich durch die glatten

Gesichtszüge. Die grauen Augen wirkten ein wenig verloren. Der Arzt schüttelte ihr die Hand und zog noch einmal an seinem Glimmstängel, ehe er diesen auf dem Boden ausdrückte. »Ethan. Das muss schrecklich sein. Ich habe alles mit angesehen. Sie waren im Aquarium, nicht wahr?« Sie nickte. Damit brachen die Tränen erneut aus ihr heraus. Das ganze bestürzte sie sehr. Mitfühlend legte er ihr die Hand auf die Schulter und reichte ihr ein Taschentuch. Innerlich seufzte er. »Ich habe erst gar nicht gemerkt, was eigentlich los war. Da war es schon zu spät und sie griffen Ryan an. Ich konnte

gar nichts tun. Ich dachte, ich wäre die Nächste.« »Ryan war ein guter Freund, nicht wahr?« Sie bestätigte knapp und presste die Lippen aneinander. Er fuhr sich durch die rabenschwarzen Haare. Er war immer froh, dass es in seinem Beruf nie einen seiner liebsten getroffen hatte. Der Gedanke für ihn war unvorstellbar und absurd. Michaela war gebrochen. Das sah man ihr an. Dennoch mühte sie sich um Fassung. »Ich hab davor noch mit ihm gesprochen. Alles war wie immer. Tumak, Sheila und Okoko. Sie waren nie aggressiv. Ryan hat schon zehn Jahre

mit den Tieren gearbeitet. Für sie war er wie ein Familienmitglied.« Verständnislos starrte sie ins Leere. Er schloss die Augen. Kein Wunder, dass sie so fertig war. So etwas war für niemanden einfach. »Sind die Tiere heute Morgen irgendwie unruhig gewesen? Haben sie sich anders verhalten als sonst?« Die junge Frau schüttelte den Kopf und sah ihn hilfesuchend an. »Nein. Nein sie waren wie immer. Vor der Show ist Ryan sogar noch mit ihnen geschwommen. Er konnte seinen Kopf in ihr Maul legen, ohne dass etwas passierte. Das war blindes Vertrauen. Ich, ich kann mir das einfach nicht

erklären.« Niedergeschlagen ging sie in die Hocke. In dem Moment preschte im Aquarium ein Delfin gegen die Scheibe und rollte sich ab. Erschrocken wich Ethan zurück. Michaela hob beschwichtigend die Hand. »Das machen sie manchmal. Keine Angst. Die Tiere sind wirklich nicht gefährlich.« Er nickte und half ihr aufzustehen. Es gab nicht viel, was er für sie tun konnte, außer ihr ein wenig Trost zu spenden. Sicher war hierbei nichts und ob sie das ganze verkraftete, war reine Spekulation. Dieser Mann war ihr wichtig gewesen. Das konnte er ihr

sofort ansehen. Niemand reagierte so extrem auf den Tod eines anderen, wenn da nicht auch Gefühle im Spiel waren. Das hatte ihn die Erfahrung gelehrt. »Kommen sie. Ich lade sie zum Kaffee ein. Das wird ihnen gut tun. Außerdem ist es besser, wenn sie jetzt nicht hier sind.« Sie sah ihn fragend an. »Sind sie Psychiater?« Er nickte nur. »Genau. Keine Angst. Ich gehör nicht zum FBI oder den Anderen, die hier rumstreifen. Eigentlich war ich mit meiner Familie hier. Ich sah sie und dachte mir, dass sie vielleicht ein paar aufmunternde Worte brauchen. Sie

müssen nicht, wenn sie nicht wollen. Es ist nur ein Angebot.« »Gerne. Ich glaube, sie haben Recht. Ich ziehe mir nur kurz etwas anderes an.« Er nickte. Sie schritt langsam in Richtung der Umkleiden davon. Sie tat ihm wirklich leid. Sie machte von Natur aus einen verletzlichen Eindruck. Wenn dann noch so etwas passierte, konnte das für die Psyche sehr schädigend sein. Deshalb war es besser, sie für’s Erste im Auge zu behalten. So ließ er sich auf einer Bank nieder, um auf Michaela zu warten. Wenig später stieß Dwight dazu und setzte sich neben ihn. Er wirkte zerzaust. Ethan

warf ihm einen grinsenden Blick zu. »Foster?« »Sie ist der Teufel Ethan. Die Leute sind sowieso schon fertig genug und was macht sie? Sie legt noch einen drauf. Verdächtigt hier und da und dieser komische Peterson springt noch darauf an. Wenn du mich fragst, dann hatten die beiden mal was am Laufen. Würd mich nicht wundern, wenn er sie abserviert hat. Sie ist ja nicht gerade für ihr liebliches Temperament bekannt.« Er nickte zustimmend. »Eileen wird sich nie ändern. Sie wird immer auf ihre Prinzipien beharren. Egal was es kostet. Das war schon bei Naiomi

so.« »Apropos, wie geht es ihr?« »Gut. Wir telefonieren öfter. Ich musste mir sowieso ein neues Handy zulegen, nachdem Foster mein letztes abhörte. Sie geht jetzt zur Schule, hat allerdings noch so ihre Probleme. Ihr Onkel meinte, sie war in einer Woche dreimal beim Direktor.« Dwight sah ihn an. »Klingt doch gut. Naja, das letzte nicht, aber immerhin gliedert sie sich ein. Das hast du echt gut gemacht Ethan. Heidenreich hatte kein Recht dich zu feuern.« Der Arzt seufzte und schob die Brille

gerade. »Das Leben ist nicht immer fair. Sonst würde Ryan zum Beispiel noch leben.« »Der Tote. Woher weißt du das denn?« Fragend sah der Afroamerikaner ihn an. »Ich habe mit Michaela gesprochen. Sie arbeitet hier und war unter den Tauchern, als der Angriff geschah.« »Meine Fresse. Die arme. Foster denkt direkt, dass hier ein Patient seine Finger im Spiel hat und verheddert sich in allerhand banalen Vermutungen.« Ethan schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. In Willow Creek gibt es keine Patienten, die auch nur ähnliche Fähigkeiten besitzen.« »Das wär wie

Aquaman.« Perplex sah der 32-Jährige den Studenten an. »Aquaman?« »Der Comic Ethan! Du weißt schon: Der Superheld, der die Meerestiere kontrolliert!« Der Arzt seufzte. »Dann frag ich mich was der Superheld sich dabei dachte, einen Tierpfleger umzubringen. Außerdem habe ich immer nur Batman gelesen, als ich klein war. Wie dem auch sei. Wenn es danach geht, dann kann jeder der Verantwortliche sein Dwight. Du kennst das. Die Leute prahlen nicht gerade in aller Öffentlichkeit mit ihren Kräften. Es sei

denn, sie fühlen sich bedroht.« »Oder jemand hatte Frust und sich gedacht: ›Verarbeite ich den guten Ryan doch mal zu Fischfutter!‹ »Herr Gott Dwight. Ein bisschen Feingefühl schadet ab und an nicht. Lassen wir das. Es bringt nichts sich darin zu verstricken. Außerdem hab ich gekündigt, schon vergessen? Du solltest dich mit Foster beraten. Nicht mit mir.« Hilfesuchend sah der Andere ihn an. »Sehr lustig. Die hört überhaupt nicht auf mich. Ich bin wie ein Chihuahua, der von den Frauen in ihren Handtaschen herumgetragen wird. Glaub mir: Ich hab hier nicht wirklich was zu sagen. Außerdem hole ich mir bei dir nur

ein paar Ratschläge. Das ist nicht verboten.« Er lehnte sich zu dem Schwarzhaarigen herüber. »Meinst du, dass diese Michaela vielleicht was damit zu tun hat?« »Wohl kaum. Sie hat diesen Mann geliebt.« Dwight grinste. »Naja. Vielleicht hat er ja in einem fremden Teich gefischt. Da kann man schon mal ausrasten oder?« Ethan sah ihn tadelnd an. »Das hier ist keine Dramaserie Dwight. Du klingst ja schon wie Foster, die akribisch nach einem Schuldigen sucht.« »Jaja. Jedenfalls solltest du aufpassen:

Wenn die Michaela in die Finger kriegt, dann wird sie auch solche Schlüsse ziehen. Du weißt, wie sie ist.« In dem Moment kam die Tierpflegerin aus den Umkleiden zurück. Sie trug jetzt eine Jeans und eine beige Jacke. Das Haar war glatt nach hinten gekämmt. Dennoch sah sie weiterhin fertig aus. Selbst ein wenig Schminke konnte die Trauer nicht einfach wegwischen. Rain stand auf und lächelte. »Sind sie so weit? Ich kenne da ein gutes Café in der Stadt.« Sie nickte. »Gerne.« »Und das ist ein Hard Rock

Café?« Ethan öffnete ihr die Glastür, so dass sie hindurch schritt. Am Nachmittag war der Laden immer gut besucht. Er selbst war schon lange nicht mehr hier gewesen. Ihm fehlte einfach die Zeit dazu. Früher war er oft mit seinem Vater hier gewesen, bevor die Demenz des alten Mannes zu schwerwiegend geworden war. Eigentlich hatte er nicht damit gerechnet, noch einmal hier aufzutauchen, aber man wusste eben nie, was das Schicksal für einen bereit hielt. »Genau. Eigentlich ein ganz netter Laden. Die Bedienungen sind alle sehr nett und die Preise auch in

Ordnung.« Er steuerte mit ihr auf einen freien Tisch zu und nahm ihr die Jacke ab. Dann ließ er sich auf dem dunklen Holzstuhl nieder. Er fingerte nach seiner Zigarettenschachtel und zündete sich eine an, bevor er Michaela die Schachtel hinhielt. Die schüttelte den Kopf. »Ich glaube eine genügt. Sonst gewöhne ich mir das Rauchen noch an.« Weiterhin sprach sie mit dieser gebrochenen Stimme. Auch wenn sie jetzt ein wenig gefasster wirkte, wusste Ethan, dass sich die Trauer so schnell nicht abschütteln ließ. Sie würde noch ein paar Tage so sein. Ob sie das ganze letztendlich verkraftete, war nur zu

vermuten. »Da haben sie auch wieder Recht. Allerdings kann es manchmal ein hilfreiches Laster sein.« Ihr entfuhr ein mattes Lächeln, während sie nickte und die Hände ineinander faltete. Ein beleibter Kellner brachte die Getränkekarte und begrüßte die beiden. »Ethan. Dich habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Wie geht es deinem Vater?« »Gut, wenn man die Umstände bedenkt.« Sie bestellten beide ein Wasser, wobei Michaela wohl einfach nur seiner Geste folgte. Sie sah unbehaglich aus. Er fühlte sich ebenfalls ein wenig seltsam. Es war, als würde er wieder arbeiten.

Wichtig war jedoch im Augenblick nur, ihr zu helfen. Es schien niemanden zu geben, an den sie sich sonst wenden konnte. Sonst wäre sie nicht so einfach mit ihm mitgegangen. In solchen Fällen zogen die Leute Vertrautheit vor, anstatt eines Fremden. »Sie haben ihren Vater erwähnt. Sind sie oft mit ihm hier gewesen?« Er nickte matt und spielte mit einem Bierdeckel. Dabei verzog er leicht den Mundwinkel. »Ja. Allerdings war das früher. Mein Vater ist schwer krank. Demenz in hohem Stadium. Er kann nicht mal mehr richtig sprechen. Er ist gerne hierher gekommen. Rock ›n Roll war immer

seine Leidenschaft. Er hat all die alten Platten. Rolling Stones, Led Zeppelin und wie sie nicht alle heißen. Das ist eigentlich alles, was er noch aus seinem Leben hat. Und mich.« Sie sah ihn mitfühlend an und trank einen Schluck aus dem Glas. »Ich war oft mit Ryan aus. Allerdings nie in solchen Läden. Er mochte die Musik nicht. Er wollte aus allem immer etwas Besonderes machen. Wir sind mindestens zwei mal die Woche irgendwo Essen gegangen. Heute wäre es wieder so weit gewesen. Er hatte sogar schon einen Tisch reserviert.« Einzelne Tränen liefen ihr über die Wange.

»So ist das wohl. Wenn die Menschen die wir mögen nicht mehr da sind, bleibt uns nur noch die Erinnerung.« Er seufzte. Eigentlich war er derjenige, der sie beruhigen wollte und jetzt dachte er selbst an die alten Zeiten. Erst war seine Mutter gestorben. Das hatte sein Vater nie wirklich verkraftet. Zwar hatte er sich immer noch als der starke Mann und das Oberhaupt gegeben, aber im Innern litt er. Das hatte Ethan ihm immer angesehen. Als er dann krank wurde, vergaß er sogar, dass sie überhaupt gestorben war. Manchmal, da rief er ihren Namen. Stundenlang. Heute war von dem Mann der er einst war, nur

noch ein Schatten übrig. Kein Schicksal, dass er sich für sich selbst wünschte. In Augenblicken wie diesen hasste er sich dafür, dass er nicht mehr Zeit mit ihm verbrachte. Er zwang sich zu einem Lächeln und setzte sein Glas an. »Es klingt so, als wäre Ryan ein sehr netter Mensch gewesen.« Sie nickte. »Ja. Ja das war er. Er konnte den Leuten nie etwas abschlagen. Hat immer einen Gefallen angenommen, wenn man ihn darum bat. Die Tiere mochten ihn. Er war einfach...er war...« »Etwas besonderes.« Ein heftiges Nicken, sowie die

anschließende Tränenflut kam als Antwort. »Und es gab niemanden, der ihm ein solches Schicksal gewünscht hätte?« Perplex sah die junge Frau ihn an und schüttelte den Kopf. Innerlich rügte er sich selbst für diesen Ausrutscher. »Nein. Warum denn? Das war ein Unfall. Die Leute liebten ihn. Ich liebte ihn.« Dwight hätte das jetzt ein taktisches Eigentor genannt. Er musste seine Arbeit wirklich aus seinem Kopf kriegen. Leider ließen sich Gewohnheiten nicht so einfach ablegen, wie er es wohl hoffte. Michaela sah ihn immer noch mit diesem fragenden

Ausdruck an. Er lächelte und hob beschwichtigend die Hand. »Tut mir leid. Ich wollte ihnen nicht zu nahe treten. Ich hab wohl einfach zu viele Krimis gesehen.« »Ist schon gut. Der Tag war für uns alle sehr hart. Sie waren mit ihrer Familie da?« Er nickte. »Mit meiner Frau und meiner Tochter. Die Kleine hat es nicht gesehen. Dafür habe ich gesorgt. Daran will ich nicht mal denken. Ich meine, wie soll man einer 5-Jährigen so etwas erklären?« »Das kann man nicht. Selbst ich kann mir das nicht erklären. Ich bin immer noch wie paralysiert. Ich weiß nicht was

ich tun oder denken soll. Wie es jetzt weitergeht. Es fehlt einfach ein Stück.« Unweigerlich musste er an Katherina denken. Seit Hammonds Rücktritt hatte er das Mädchen nicht mehr gesehen. Ihr Schicksal war ein Mysterium und irgendwie wurde er das Gefühl nicht los, dass auch sie für immer fort war. Ein bitterer Gedanke. Sie hatte ihr Schicksal nicht verdient. Er wollte gar nicht daran denken, was sie im Augenblick wohl durchmachen musste. Er schob das tief in sein Inneres. Das machte die ganze Sache leichter. »Unsere Wege verlaufen leider nicht immer so, wie wir es uns erhoffen. Auch wenn das so endgültig klingt.

Denken sie an die guten Zeiten, die sie mit ihrem Freund hatten. Halten sie ihn so in Erinnerung und vergessen sie die Bilder, seiner letzten Sekunden. Das war nicht der Eindruck den sie von ihm behalten sollten.« Sie presste die Lippen aufeinander und trank noch einen hastigen Schluck. Sie mied seinen Blick. Es war unangenehm darüber zu sprechen. Auch ihm lag das Thema schwer auf dem Magen. Er konnte sich einfach zu sehr damit identifizieren. Zwar war niemand in der letzten Zeit in seinem Umfeld gestorben, aber Verlust fand man auf viele Arten. Ethan brachte Michaela noch nach

Hause, ehe er selbst heimwärts zog. Für heute hatte es genug Aufregung gegeben. Der Himmel hatte eine kaminrote Farbe angenommen. Carrie stand bereits draußen im Vorgarten, als er mit dem Toyota in die Garage fuhr. Mittlerweile war der Wagen repariert worden. Nach der Geschichte auf dem Friedhof hatte der Arzt wenig Hoffnung gehabt, dass der Mechaniker das gute Stück noch einmal hinbekommt. Dennoch: Es gab immer Überraschungen im Leben. Er stieg aus und wurde sogleich stürmisch von Sofia umarmt, die an ihrer Mutter vorbeihuschte. Dabei hatte sie ihren Teddybären achtlos auf den

Gehweg geworfen. Sofort gab der 32-Jährige seiner Frau das Zeichen dafür, dass es mal wieder Zeit für die Waschmaschine war. Lächelnd strich er Sofia durch die Haare. »Na mein Schatz. Hast du schon auf Papa gewartet?« Sie nickte eifrig. Der Mund war mit Marmelade verschmiert. Sie wirkte ein wenig traurig. Fragend sah er die Kleine an. »Was ist denn los Liebling?« »Papa? Wann kommt Nanoi wieder?« Sie vermisste die 16-Jährige sehr. Immerhin hatte sie im letzten Monat so etwas wie eine große Schwester gehabt und selbst ein Kind in ihrem Alter vergaß

das nicht so schnell. Er hob seine Tochter auf den Arm und Schritt mit ihr in Richtung Eingang. Eine leichte Brise wehte ihm durchs Haar. Es wurde frischer. Heute war es zwar noch einmal schön gewesen, aber der November zeigte langsam aber sicher sein kühles Antlitz. »Naiomi hat viel zu tun, weißt du? Sie ist jetzt in der Schule.« »Kann ich auf ihre Schule gehen?« Er lachte. Manchmal wünschte er sich, es würde wirklich alles so simpel funktionieren, wie es sich Kinder wünschten. Dann gäbe es wohl deutlich weniger Probleme. Sie gingen ins Innere. Die Kleine sah sich einen

Moment um und kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf. »Papa. Dumbo ist weg!« Er setzte ein gespieltes schockiertes Gesicht auf, während Carrie aus der Waschküche kam und den Daumen hob. »Keine Sorge. Dumbo macht sicher eine Pause. Morgen früh ist er sicher wieder da.« »Das ist doof! Immer wenn er weggeht, dann stinkt er so komisch.« Er musste sich das Grinsen verkneifen. Behutsam setzte er sie auf dem Boden ab. Anschließend begab sie sich direkt auf die Suche nach ihrem Teddy. Ethan zündete sich eine Zigarette an und watschelte ins Wohnzimmer, wo er sich

auf dem Sofa niederließ. Seine Knochen taten ihm weh. Langsam schien sich das Alter bemerkbar zu machen. Carrie stand hinter ihm und massierte seine Schultern. »Und? Wie ist es gelaufen?« »Naja. Es geht ihr ein bisschen besser, aber so leicht vergisst man diese Dinge nicht. Wie geht es Dir?« Sie winkte ab. »Schon etwas besser. Ich bin nur froh, dass Sofia das nicht gesehen hat. Sie will morgen schon wieder dahin. Sie hat einen echten Narren an diesem ähhh....Okuko-« »Okoko.« »Genau. Sie ist richtig vernarrt in das

Tier.« Sie schritt in die Küche und holte ihm ein kühles Bier. Genau das, was er jetzt brauchte. Er nahm einen großzügigen Schluck aus der Flasche und seufze vergnügt, ehe er an seiner Zigarette zog. Carrie setzte sich daneben und schmiegte sich an ihn. Sofia saß im Flur und spielte mit Bauklötzen, wobei sie eine kleine Stadt aufbaute und diese dann als großes Monster wieder zerstörte. »Dwight hat angerufen und nach dir gefragt. Ich hab ihm aber gesagt, dass du noch nicht zu Hause bist. Er wollte uns nur einen schönen Abend

wünschen.« Ethan nickte. Wahrscheinlich wollte der Student ihn wegen Michaela befragen. Morgen würde er sich darum kümmern. Allerdings war er nicht sicher, in wieweit sie für diese Geschichte von Nutzen sein konnte. Ganz davon abgesehen, ob dieser Fall wirklich etwas für sie war, oder ob Heidenreich und Foster sich nicht zu sehr in die Sache hineinsteigerten. Es klopfte an der Tür. Fragend warf Ethan einen Blick in Richtung Eingangstür. Wer konnte so spät noch hier sein? Dwight war sicher zu Hause, oder unternahm etwas mit seinem Vater.

Blieb eigentlich nur einer. Foster. Carrie ging an die Tür und öffnete. Jedoch war es nicht die Agentin, die ihn besuchte. Eine männliche Stimme begrüßte seine Frau. »Guten Abend Mrs. Rain. Entschuldigen sie die späte Störung. Mein Name ist Dirk Peterson. Darf ich rein kommen?« Der Arzt stand auf und schritt zur Tür. Es war der Mann aus dem Aquarium. Leger gekleidet. Schwarzes Hemd und die dazu passende Hose. Nun hatte Ethan die Chance sich ihn mal etwas genauer anzusehen. Er hatte wirklich markante Gesichtszüge. Eisblaue Augen und diesen Dreitagebart, den manche Frauen sehr charmant fanden. Der

32-Jährige zog an seiner Zigarette und schüttelte dem Fremden die Hand. »Hallo. Was kann ich für sie tun?« »Keine Sorge. Ich bin nicht im Dienst hier. Naja, irgendwie schon, aber eher aus eigenem Interesse. Darf ich?« Er deutete mit seiner Hand nach innen. Rain nickte und ließ ihn ein. Er roch nach Parfum und Haarwachs. »Möchten sie n Bier?« »Gerne.« Carrie kümmerte sich derweil darum Sofia ins Bett zu bringen, während er den Gast ins Wohnzimmer führte. Dann schritt er in die Küche, um zwei Flaschen zu holen. Peterson öffnete sein mit einem Ring, den er am Mittelfinger

trug, und prostete dem Psychiater zu. Rain sah ihn nachdenklich an und drückte seine Zigarette aus. »Wie kann ich ihnen helfen?« »Bitte. Nenn mich Dirk, Ethan. Wie schon gesagt: Total eigennützig und so gut, wie ihr Bier schmeckt, sollte ich wohl öfter bei ihnen vorbeikommen.« Der Angesprochene grinste nur und lehnte sich in das Sofa zurück. »Ich dachte schon, Foster hätte sie mir auf den Hals gehetzt.« Der Agent schüttelte den Kopf und hob die Hand. »Nein, nein. Obwohl sie sich ziemlich über sie ausgelassen hat. Ihr beide seid wohl keine besten

Freunde.« »Nicht in allen Paralleluniversen die es gibt.« Damit stellte er sein Bier ab und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. Er warf einen Blick durch den Raum. Seit Naiomi weg war, sah es hier auch wieder ordentlicher aus, so dass er ohne Sorgen spontanen Besuch einlassen konnte. Peterson schien sich allerdings eher für das Bier zu interessieren. Er lächelte süffisant und hob den Zeigefinger. »So war sie schon früher. Ein richtiger Besen. Zu Karriereversessen. Ihr fehlt der Blick für die wichtigen Dinge. Das fand ich immer sehr schade. Aber was

Solls. Ich bin nicht hier um über Eileen zu sprechen. Sie haben ja vorher mit ihr und Hickins zusammengearbeitet. In dieser Spezialeinheit. Die beiden waren wirklich Geheimniskrämer. Ich meine, das ganze war ein Unfall, wenn auch ein ziemlich makaberer wie ich hörte. Der Tote, ein Freund von Michaela Wood. Foster hat sich aufgeregt, dass sie wohl mit ihr verschwunden sind. Keine Angst, ich hab mir ihr gesprochen. Konnten sie wenigstens was Brauchbares herausfinden?« Ethan schüttelte den Kopf und leerte seine Flasche. Auch Dirk war mit seinem fertig. »Noch

eine?« Sein Gegenüber nickte und der Arzt wanderte zum Kühlschrank. Binnen zwei Sekunden saß er wieder auf dem Sofa. »Naja. Wie soll ich sagen? Wood hatte eine Beziehung mit Ryan. Sie war sehr aufgelöst und in meiner Position als Psychiater hielt ich es für angemessen sie zu beruhigen. Immerhin hat sie heute einen wichtigen Menschen verloren. Das ist für niemanden einfach.« Peterson nickte. »Da haben sie Recht. Die Leute, die ich befragt habe, bestätigten das. Ich glaub auch nicht daran, dass da mehr dran ist als ein unglücklicher Schlag des Schicksals, auch wenn es bitter

klingt.« »Ändern können wir sowieso nichts mehr daran, auch wenn ich nicht glaube, dass Foster einfach aufgibt. Dafür kenne ich sie mittlerweile zu gut. Es würde mich nicht wundern, wenn sie morgen vor meiner Tür auftaucht.« Dirk lachte nur und kratzte sich am Kinn. »Jaja. So war sie schon früher. Unsere Eileen. War nicht immer leicht mit ihr. Dennoch ist sie ein guter Mensch, wenngleich sie auch andere Vorstellungen hat als sie und ich. Nehmen sie zum Beispiel mal an, sie wollen mit ihr in den Urlaub fahren. Sie sind derjenige, der am Pool liegen will,

um zu entspannen und sie besteht darauf mit ihnen in die Berge zum Wandern.« »Klingt ja beinahe so als waren sie ein Paar.« Sein Gegenüber nickte. »Das ist schon etwas her. Es war schön, aber auch anstrengend. Wie die Frauen eben sind. Sie hatte immer Angst, ich hätte etwas mit der jungen Frau aus der Buchhaltung. Das hat sie richtig fuchsig gemacht.« Der Arzt lächelte. Die gute alte Eifersucht. Das konnte so manche Beziehung zerstören. Er führte das Bier zum Mund und hielt plötzlich in der Bewegung inne. Sein Instinkt meldete sich. Peterson betrachtete ihn.

»Ihnen ist gerade etwas eingefallen!« »Nicht direkt. Es ist eine Ahnung! Ich muss mal kurz telefonieren!« Er verließ das Wohnzimmer und schritt in den Vorgarten. Schnell hatte er Dwights Nummer gewählt. »Ethan? Was ist los?« »Dwight! Hatte dieser Ryan vielleicht ein Verhältnis mit einer anderen Mitarbeiterin? Hat sich jemand dazu geäußert?« Es herrschte ein Moment des Schweigens. »Lass mich mal überlegen. Naja da war dieses junge Ding aber...Halt! Meinst du etwa, der hat im falschen Teich

gefischt?« Der Arzt nickte in sich hinein und nahm einen Schluck aus seiner Flasche Bier. Er wirkte sehr beunruhigt. »Scheiße. Eigentlich war das total klar! Denk doch mal nach: Er flirtet mit der jungen unschuldigen Tierpflegerin, Michaela findet das raus-« »Und verfüttert ihn an Free Willy!« »Hoffen wir das nicht. Wo ist diese Pflegerin jetzt?« »Im Aquarium glaub ich. Sie wollte ein paar Becken reinigen und sich um die Tiere kümmern.« Sämtliche Alarmglocken klingelten. Sollte er wirklich Recht haben, dann war er vollkommen blind gewesen, was

die junge Frau anging. Er hatte es einfach ignoriert. Wollte seinen alten Job so weit wie möglich weg schieben. Peterson kam nach draußen und sah ihn fragend an. »Was ist los?« »Können sie noch fahren?« Der Agent leerte die Reste seines Biers und lächelte. »Wo geht’s denn hin?« Es war komplett dunkel, als der Wagen auf dem Parkplatz des Aquariums vorfuhr. Ethan stieg aus und klopfte sich den Mantel zurecht. Peterson legte eine Hand aufs Autodach und sah ihn fragend an.

»Also, nur um das richtig zu verstehen: Sie glauben Miss Wood hat was damit zu tun?« Sie setzten sich in Bewegung. Rain zündete sich eine Zigarette an und nickte knapp. »Glauben sie mir. In meinem alten Job gab es die größten Überraschungen.« Plötzlich zog Dirk ihn zurück und drückte seinen Kopf nach unten. Erst wirkte der Arzt ein wenig geschockt, doch dann deutete der andere zum Eingang. Michaela ging hinein. »Ich hasse es, wenn jemand mit solchen Dingen Recht hat.« Er rüstete sich mit Handschellen und

Pistole aus. Ethan legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Ganz ruhig. Wir sollten versuchen mit ihr zu reden. Sie darf sich nicht bedroht fühlen!« Das wäre ganz schlecht. Besonders wenn Dwight mit seiner Vermutung über ihre Fähigkeiten Recht hatte. Jemand der Meerestiere kontrollieren konnte. Dieser Gedanke war absolut banal. Warum hatte bisher niemand davon gewusst? War sie wirklich so gut darin, das zu verstecken? Unsicher betraten die beiden den Eingang. Es dauerte keine zwei Sekunden, da traf auch Hickins ein. Er wirkte abgehetzt. Ihm folgte Foster.

»Rain! Peterson? Was machen sie hier?!« Dirk legte einen Arm um die junge Frau und lächelte. »Nachforschen. Ethan hatte da eine Idee. Es kann sein, dass Wood etwas damit zu tun hat. Ryan hat wohl fremd gepokert. Sie könnte die Tiere unter Drogen gesetzt haben, damit sie ihn angreifen.« Perplex sah Eileen ihn an. Dann fiel ihr Blick auf den Arzt. »Und Sie? Was tun Sie hier?! Sie sind gefeuert! Schon vergessen? Sie haben hier überhaupt keine Befugnis Rain!« Er wollte gerade den Mund öffnen, doch wieder schritt Peterson für ihn ein.

»Ganz ruhig Ellie. Er hilft mir in beratender Position. Immerhin ist er Psychiater. Er kann Miss Wood davon überzeugen, keinen Schaden mehr anzurichten. Keine Angst. Ich hab ihn im Auge.« Sie knirschte mit den Zähnen. Das schien ihr überhaupt nicht zugefallen. Erheitert lächelte Rain. Sie schritten den ersten Korridor entlang. Um sie herum benahmen sich die Tiere vollkommen normal. Von Michaela oder der Mitarbeiterin war keine Spur zu entdecken. Ein Schrei durchbrach die Stille. Die Vier setzten sich in Bewegung. Es ging

zum Orcabecken. Auf einem Steg stand Michaela. Ihr gegenüber eine blonde junge Frau. Um sie herum zogen die Wale durch das Wasser. Wood wirkte wütend, was sich offensichtlich auf die Tiere auswirkte. »Du hast ihn mir weggenommen!«, brüllte sie. Die andere schüttelte nur den Kopf. »Nein! Nein! Das ist doch gar nicht wahr. Michaela bitte!« »Blödsinn! Lüg mich nicht an!« Einer der Wale rammte jetzt den Steg. Die junge Pflegerin klammerte sich am Steg fest, um nicht ins Wasser zu fallen. Ethan trat vor. Foster wollte ihn zurückhalten, doch Peterson brachte sie

mit einem ernsten Blick zum Schweigen. »Michaela!« Die junge Frau wandte sich um und sah zu Ethan. Ihr Blick verwandelte sich in Überraschung. »Ethan? Was machst du denn hier?« »Ich will nur mit dir reden.« Er hob beschwichtigend die Hände und machte einen Schritt auf sie zu. Die Tiere schienen wieder ruhiger zu werden. Vollkommen sanft schwammen sie jetzt im Becken herum. »Michaela. Du kannst etwas, das keiner sonst kann, oder?« Die Angesprochene sah ihn unsicher an und machte einen Schritt zurück. Die Pflegerin kauerte mittlerweile auf dem

Boden und wimmerte. Sie waren gerade noch rechtzeitig gekommen, um Schlimmeres zu verhindern. »Ich weiß nicht, was du meinst.« »Doch das tust du. Du musst keine Angst haben. Ich weiß wie das ist. Ich kann dir sagen, du bist damit nicht allein. Es gibt viele Menschen auf dieser Welt, die ähnlich sind wie du. Sie können Dinge, die sich nicht einfach so erklären lassen. Der eine kann zum Beispiel gemaltes zum Leben erwecken. Ein anderer kann Tote kontrollieren. Es gibt so viele verschiedene Facetten. Allerdings ist das nichts Schlechtes.« Er machte einen weiteren Schritt auf sie zu. Sie fixierte

ihn. »Bleiben sie weg von mir!« Einer der Wale stieß wieder gegen den Steg. Ethan umklammerte das Geländer. Foster hob ihre Waffe, doch Dwight hielt sie zurück. Der Arzt blieb vollkommen ruhig. Langsam aber sicher verstand er. »Du kannst es nicht steuern. Stimmt das? Es passiert einfach, ohne dass du Kontrolle darüber hast. Ist das auch bei Ryan passiert?« Michaela begann zu weinen. »Ich...Ich war so wütend. Ich habe gedacht er betrügt mich mit dieser Schlampe! Ich wollte nicht, dass das passiert. Ich war im Becken. Wir haben

gestritten, bevor wir reingingen und ich dachte mir einfach nur, wie er so ruhig bleiben kann. Als würde ihm das ganze überhaupt nichts bedeuten.« »Und du hast dir seinen Tod gewünscht.« Sie nickte heftig. Er ging weiter auf sie zu. Dieses Mal blieb sie ruhig. »Ich wollte das nicht.« »Es ist nicht deine Schuld. Weißt du, deine Gefühle übertragen sich auf die Tiere. Alles, was im Wasser lebt. Deine Wut hat sich in diesem Moment auf die Wale übertragen. Sie wollten dich beschützen, so wie sie es auch jetzt tun. Wenn du wütend, oder traurig bist, denken die Orcas du bist in Gefahr. Du

musst dich beruhigen und ihnen zeigen, dass kein Grund zur Besorgnis besteht.« Er war jetzt etwa noch zwei Meter von ihr entfernt. Die Tiere waren wieder unruhiger geworden. Einer streifte mit seiner Flosse den Steg. Ethans Herz raste. »Ich kann dir helfen, Michaela. Wir sind nicht deine Feinde. Es gibt einen Platz. Da helfen wir Menschen mit besonderen Kräften diese zu kontrollieren, und mit ihnen zu leben. Das kannst du auch.« Er kam wieder näher und streckte seine Hand aus. Stumm beobachteten die anderen den Arzt. Sie wirkte sehr unsicher. Ihr Blick fiel auf die Tiere um sich herum, ehe sie einen Schritt auf ihn

zu machte und ihn in den Arm nahm. »Ich wollte das wirklich nicht!« Behutsam strich er ihr über den Rücken, während Peterson an ihm vorbeiging, um die andere Pflegerin zu beruhigen. »Ich weiß. Ich weiß.« »Nun«, begann Heidenreich und stand am Fenster ihres Büros. Sie sah nach draußen. Der Morgen graute. Man konnte die Vögel zwitschern hören. Ihr Pudel schlief in seinem Körbchen. Ethan saß zusammen mit Dwight und Foster vor dem Schreibtisch. »Also hat Mr. Rain den Einsatz zu einem guten Ende gebracht. Dieser Peterson, er hat ebenfalls seinen Anteil geleistet

Foster?« Die junge Frau nickte. »Er war sehr hilfreich ja. Dank ihm wurde Rain auf die Tatsache aufmerksam, dass Miss Wood unser Ziel ist. Ohne ihn hätten wir es wohl nicht so schnell herausgefunden.« Die Chefin nickte und zog an ihrer Zigarette. »Gut gut. Miss Wood kommt in den A-Trakt. Hier kann sie keinen Schaden anrichten. Ich werde mich mit diesem Peterson in Verbindung setzen. Mir scheint, als wäre er eine gute Verstärkung für unsere Gruppe.« Die Anwesenden nickten. Ethan bemitleidete den FBI-Agenten jetzt

schon. Das ganze war kein einfacher Job. Heidenreich hatte keine Ahnung, was sie ihm damit antat. Dennoch stand es ihm nicht zu, darüber zu urteilen. Er hatte hier nichts mehr zu sagen. Er wunderte sich sowieso, warum er überhaupt hier war. »Mr. Rain. Ich weiß, dass wir unsere Differenzen hatten. Dennoch besteht kein Zweifel daran, dass sie für diese Einrichtung unabkömmlich sind. Deshalb frage ich sie: Wollen sie wieder für uns arbeiten? Ich stelle sie wieder ein.« »Miss Heidenreich ich-« »Bei doppeltem Gehalt.« Er schüttelte den

Kopf. »Nein ich-« »Und - sie dürfen frei über die Patienten verfügen. Sie dürfen die Therapien aussuchen und entscheiden, wie mit ihnen verfahren wird. Als erste Amtshandlung, verfüge ich auch, dass Miss Compton wieder in den A-Trakt verlegt wird.« Ihm stand der Mund offen. Damit hatte er wirklich nicht gerechnet. Was sollte er tun? Eigentlich wollte er nicht wieder hier arbeiten, aber diese Aussicht. Er konnte endlich wieder so arbeiten wie er wollte, wenn sich Heidenreich wirklich an ihre Abmachung hielt. Er zögerte einen Moment. Dann nickte er

schließlich. Irgendwie würde er das Carrie schon beibringen. Die alte Frau lächelte. »Gut. Sie fangen direkt damit an, Miss Wood die Anlage zu zeigen. Sie dürfen gehen. Schönen Tag noch!« Einen Moment noch sah er aus, als hätte ihn jemand mit einer Torte beworfen. Dann erhob er sich und verließ das Büro. Zielsicher ging er auf sein altes Büro zu. Ein Lächeln zierte seine Lippen.

Poltergeister

»Und Lou? Bist du jetzt dabei oder nicht?« Er kratzte sich an seinem fülligen Hinterteil und zog die Mutter mit dem Schraubenschlüssel fest. Mit einem Tuch wischte er sich den Schweiß von der Glatze. Der Mechaniker hasste es, früh am Morgen in der Kammer zu arbeiten. Vor allem verstand er den Sinn dahinter nicht. Dieser Ort diente nur dazu, um das Gedächtnis von Patienten zu formatieren. Dumm nur, dass die Zwillinge nicht mehr hier waren, um sie mit Energie zu speisen. So warf Lou einen Blick auf seinen hageren Kollegen:

Joe war Mitte 60, dünn wie eine Lauchstange und hustete ständig. Der Alte machte es sicher nicht mehr lange. Sie arbeiteten jetzt beinahe 20 Jahre hier zusammen. Das wirklich Spannende in letzter Zeit war der Ausbruch der Insassen gewesen. Sonst, war der Ablauf eher öde. »Ich muss noch Geschenke besorgen. Wer hätte gedacht, dass die Tage so schnell vergehen? In einer Woche ist schon Heiligabend.« Der andere legte den Kopf schief und zündete sich einen Zigarillo an. Seine Hände waren vom Rauchen bereits gelb verfärbt und er stank nach Nikotin. Der lange graue Bart war verfilzt.

»Mensch, Mensch, Mensch. Mach dich doch nicht verrückt. Besorg deiner Frau n paar Blumen. Das hilft immer. Ich versteh sowieso nicht, warum die Leute darum immer so einen Aufriss machen. Das Ganze ist doch sowieso nur ein Mittel der Großfirmen, um Geld einzuheimsen.« Da konnte Lou nicht zustimmen. Er stand auf und schritt zur Zelle im Zentrum des Raumes. Es war eine Art Scheibe, auf der die Patienten festgeschnallt wurden. Kabel und Elektroden führten von hier aus in alle Ecken und auch unter den Raum. »Pass du mal lieber auf, dass dich nicht

drei Geister besuchen mein Freund. Du bist viel zu verkniffen bei der Geschichte. Nur weil du keine Angehörigen Hast, denen du etwas schenken musst.« Der alte Mann paffte an seinem Zigarillo und fuhr sich mit der Hand durch das lange Haar. »Das würde ich auch so nicht machen. Aber wie gesagt: Ist dein Geld.« Der Dicke nickte und prüfte die Verbindungen des Kerns. Einen Moment flackerte das Licht im Raum. Er seufzte. Die Technik hier war wirklich veraltet. Ständig stimmte was nicht. In den letzten Tagen sowieso nicht.So legte er seinen Schraubenschlüssel

beiseite und wandte sich wieder seinem Mitarbeiter zu. »Scheint als spinnt da unten wieder ne Sicherung rum. Ich seh mir das mal an. Sieh du hier solange nach dem Rechten. Und schmeiß den Stummel nicht wieder in die Filteranlage. Das gibt jedes mal ne Riesensauerei.« »Jaja!« Die Hauptversorgung lag unterhalb der Kammer. Hier war es feucht und roch muffig. Die Rohre waren alt und zogen sich wie Schlangen die Wände entlang. Auf dem Boden hatten sich Pfützen gebildet. Das Licht war hier nur noch an ein paar Stellen vorhanden. Ständig

flackerte es auf. Das zwischen aus den Rohren ließ den Mechaniker aufschrecken. Er hasste sowas. Allerdings gehörte das nun Mal zum Job. Also, schnell rein, die Stromversorgung prüfen und dann wieder rauf. Hoffentlich stellte Joe nichts an. Wobei, wahrscheinlich nutzte er die Zeit, um zu schlafen. Noch so eine Alterserscheinung. Lou musste bei dem Gedanken daran grinsen. Er stieg die Stufen ins Untergeschoss hinab. Irgendwo piepte eine Ratte. Garstige Biester. In den letzten drei Wochen hatten sie vier Mal den Kammerjäger gerufen. Hier traute sich nur niemand mehr runter und so langsam wusste er

warum. Er hasste die Kellerräume. Das hatte immer sowas von einem Gruselfilm. »Für sowas bekomm ich wirklich zu wenig Geld«, murmelte er in sich hinein und bog um die nächste Ecke. Von irgendwoher tropfte Wasser auf dem Boden. Die alten Wände waren undicht, so dass der Wind einen Weg ins Innere fand. Ein grausiges Geräusch, das ihm durch Mark und Bein ging. An einer Kreuzung blieb er stehen. Der Strom fiel aus. Super. Er griff zu seinem Funkgerät, dass er am Gürtel trug. »Joe! Komm mal runter hier. Und bring ne Taschenlampe mit. Die Lampen

spielen wieder verrückt.« »Pisst sich da jemand in die Hosen?«, kam es schnippisch über die Leitung. Der Mechaniker verzog das Gesicht. »Sehr witzig. Jetzt komm.« »Bin schon unterwegs.« Lou seufzte und wischte sich über die Stirn. Er musste unbedingt mal mit Heidenreich darüber reden, mehr Geld in die Instandhaltung dieser Korridore zu stecken. Da konnte auch gleich um eine Gehaltserhöhung bitten. Langsam bahnte er sich den Weg nach vorne. Die Augen gewöhnten sich allmählich an die Dunkelheit. Mit den Händen tastete er die Wand entlang. Das hier unten war wirklich ein Labyrinth. Eine Karte

brauchte er trotzdem nicht. Er war oft genug in den Katakomben, um zu wissen, welchen Weg er einschlagen musste. Der Hauptkern war nicht mehr weit weg. »Hey Lou. Wo bist du? Ich seh hier unten n Scheiß!« »Dann mach die Taschenlampe an.« Dieser alte Sack war wirklich nicht mehr zu fassen! Ständig konnte er nur rummosern. Zum Glück stand bei dem bald die Rente an. Lou musste leider noch ein paar Jahre warten, aber er freute sich schon sehr darauf, denn so konnte er den Lebensabend mit seiner Frau verbringen. Joe war soweit er wusste allein. Seine Lebensgefährtin war

schon 10 Jahre tot. Danach hatte er nicht noch einmal geheiratet. Er fühlte sich zu alt dafür. »Bin jetzt im Hauptkorridor. Wo bist du denn?« »Gleich am Kern. Wir treffen uns dann da.« Es rauschte auf der anderen Seite. Perplex starrte der Dicke auf das Funkgerät. »Joe?« Keine Antwort. Er schlug ein paar Mal mit der Hand auf das Gerät. Nichts tat sich. »Schöne Scheiße! In dem Laden funktioniert überhaupt nichts!« Er ging weiter. Inzwischen war es

komplett dunkel um ihn herum. Man konnte die bloße Hand vor Augen kaum sehen. Lou hielt inne. Er spitzte die Ohren. Jemand sang. Was war das denn? War noch jemand hier unten? »Hallo?!« Die Antwort war schweigen. Er ballte die Hand zur Faust. »Joe! Wenn du dir hier nen Scherz erlaubst, dann gibst was auf die Fresse! Das ist nicht lustig!« Wieder nichts. Er ging weiter. Das Lied summte in seinen Ohren. ›London Bridge is Fallling Down.‹ Es war eine kindliche Stimme. Ihm wurde langsam mulmig. »Ist da jemand? Hier unten ist der

Aufenthalt verboten!« Jetzt lachte irgendwo ein Kind. Toll. Wahrscheinlich war irgendwo ein Riss in der Wand und sie waren dadurch reingekommen. Er hatte keine Lust sich jetzt noch mit irgendwelchen Bälgern herum zuschlagen. Der Gesang wurde lauter. Hinter seinem Rücken, nahm der Mechaniker eine Bewegung war. Als er sich umwandte, war jedoch niemand da. »Joe? Hör auf mit dem Scheiß!« Er wandte sich wieder um - und blickte direkt in das Antlitz zweiter Kinder, die ihm gegenüber standen. Im Dunkeln konnte er sie nicht richtig erkennen. Sie trugen alte abgetragene Kleidung. Er fasste sich und sah streng in ihre

Richtung. »Kinder, ihr dürft nicht hier unten sein! Kommt. Ich bringe euch nach oben!« Einer der beiden kicherte nur. Dann beide, während sie ihn mit ihren düsteren Augen ansahen. »Ethan!« Die Blondine kam über den Korridor hinweg auf ihn zugerannt und sprang dem Arzt mit voller Wucht in die Arme. Es riss ihn von den Füßen. Ein Lächeln glitt ihm über die Gesichtszüge, während er ihr durch das Haar strich. Dwight stand neben ihm und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ist ja gut Katha. Ich hab dich auch

vermisst.« Die 16-Jährige hob den Kopf. Tränen standen ihr in den Augen. Die Zeit im D-Trakt hatte Spuren hinterlassen. Sie war mager und ihre Augen unterlaufen. Dennoch war sie noch immer das lebhafte Mädchen. »Nicht mehr allein lassen!« Er schüttelte den Kopf und rappelte sich auf. Dann half er ihr auf die Füße. »Nein Katha. Ich lass dich nicht mehr allein!« Damit glitt ihre Aufmerksamkeit zu Hickins. Sie begrüßte ihn mit einer stürmischen Umarmung. »Der braune Mann!« Es hatte noch etwas gedauert, bis die

letzten Formalitäten erledigt waren. Nun war Katherina wieder im A-Trakt untergebracht. Die anderen Patienten beobachteten die Situation. Ein paar lächelten sogar. Die Blondine griff sogleich nach einem Kugelschreiber in Dwights Hemdtasche und malte sich eine Eiswaffel. Im D-Trakt hatte man ihr sämtliche Stifte verboten. »Eis!« Sie reichte dem Afroamerikaner eine Waffel, bevor sie sich selbst eine herzauberte. Sie schien wirklich ganz die Alte. Er war froh, dass Heidenreich eingelenkt hatte. Dort unten versauerte sie nur. Jetzt konnte er sich wieder

ausgiebig auf ihre Therapie konzentrieren. Vielleicht konnte er sie mit Miss Wood zusammenlegen. Das würde Michaela sicher gut tun, auch wenn sie vom Alter 10 Jahre auseinanderlagen. »Also Katha. Wie geht es dir?« Sie lächelte über beide Ohren. Innerhalb der letzten fünf Sekunden hatte sie es geschafft, sich das Gesicht mit Schokoladeneis vollzuschmieren. »Katha ist müde und hat Hunger. D-Trakt böse! Gruselig!« Er verschränkte die Arme vor der Brust und lächelte, ehe er sich eine Malboro anzündete. Sie hustete und schlug sich den Qualm weg, bevor sie ihn tadelnd

ansah. »Rauchen ist böse!« Sie versuchte ihm die Zigarette mit ihren Fingern zu entreißen. Er hob sie einfach ein wenig in die Höhe, so dass sie den Glimmstängel nicht erreichen konnte. Dwight nahm dem Mädchen den Kugelschreiber wieder ab und verstaute diesen in seiner Tasche. »Hör auf das Mädchen Ethan. Sie weiß genau, was gut für einen ist.« Damit schleckte er wieder an seiner Eiswaffel. Der Arzt legte die Hände an die Hüften und schüttelte den Kopf. Um sie herum waren ein paar der Patienten damit beschäftigt den Trakt weihnachtlich zu schmücken. Auch eine

Therapiemethode. Es half den Kontakt zur Außenwelt nicht gänzlich zu verlieren. Unter ihnen war auch Karl Collins, der Opernsänger, den sie zu Beginn ihres Auftrags gefangen hatten. Ihm half Michaela. Sie wirkte noch ein wenig schüchtern, aber so langsam schien sie sich hier einzuleben. »Rausgehen?«, war die erste Frage der 16-Jährigen, wobei sie die beiden mit großen Augen ansah. Das war gut nachzuvollziehen. Er konnte sich gar nicht ausmalen, wie es für sie wohl im D-Trakt gewesen sein musste. Er würde allerdings auch nicht danach fragen, wenn sie es nicht von sich aus erzählte. Es war besser, wenn man solche

Erfahrungen nicht wachrüttelte. »Bald Kleines. Erst mal wollen wir doch, dass du wieder auf dein Zimmer kommst oder?« Sie nickte heftig und strahlte über beide Wangen hinweg. Sofort nahm sie beide an der Hand und führte sie den Flur entlang. Den Weg kannte sie noch im Schlaf und sogleich standen sie vor der Tür, die mit Blumen verziert war. Ethan hatte verboten, dass sie entfernt waren. Er war überrascht, dass nach seinem Rauswurf sich noch jemand daran hielt. Allerdings war es so besser für Katherina. Vorsichtig öffnete sie die Tür und trat ein. Die Vorhänge waren zugezogen. Es war kalt. Die Betten

waren frisch bezogen. Auch hier waren die Malereien nicht entfernt worden. Die 16-Jährige hielt inne. »Zu Hause«, flötete sie und trat langsam ein. Der Arzt sah ihr nach. Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie er Dwight damals das Zimmer gezeigt hatte. Der 32-Jährige erinnerte sich daran, als sei es gestern gewesen. Bis auf ein paar Reinlichkeitsarbeiten war nichts verändert worden. Die Blondine setzte sich auf ihr Bett und vertilgte den Rest vom Eis. Etwas trauriges lag in ihren Augen. Behutsam legte er ihr eine Hand auf die Schulter. »Was ist los Katha?« Ihre blauen Augen suchten seinen

Blick. »Katha hat euch vermisst.« Damit kullerten einzelne Tränen über ihre Wangen. Auch Dwight schien ein wenig befangen von der Situation, denn er vergrub das Gesicht in der Hand. Ethan sah zu ihm und zog an seiner Zigarette. »Weinst du Dwight?« Er schüttelte den Kopf. »Ach was. Mir ist nur n bisschen Zigarettenqualm in die Augen gekommen!« Ethan lächelte und warf einen Blick zum Fenster. Er erbleichte und wandte sich um. Einen Moment sah es so aus, als hätte noch jemand im Raum gestanden.

Da war aber niemand. Fragend musterte sein Partner ihn. »Was ist los Ethan?« Der Arzt schüttelte den Kopf und fuhr sich durch das schwarze Haar. »Ach, nichts. Mein Verstand hat mir wohl einen Streich gespielt.« Es war beinahe so, als hätte er die Zwillinge gesehen, aber das konnte nicht sein. Wahrscheinlicher war es, dass er einfach nur übermüdet war. Er war ja auch schon 6 Stunden hier. Seit er wieder angefangen hatte in Willow Creek zu arbeiten, war nicht mehr viel mit Schlafen. Auch zu Hause war er weniger. Auf einer Seite freute sich Carrie natürlich für ihn, dass er seinen

Job wieder hatte, aber es lief nicht mehr so harmonisch wie vorher. Irgendwie schien sie ihm das auch übel zu nehmen. Er hoffte, dass die Weihnachtstage die Wogen wieder glätten konnten. Die Tür öffnete sich. Peterson betrat den Raum. Dicht gefolgt von Foster. »Hier seid ihr ja. Ich hab schon überall nach euch gesucht.« Die Agentin winkte Katherina zu, aber die drehte den Kopf weg und verschränkte die Arme vor der Brust. Dirk grinste. »Da scheint dich jemand nicht gut leiden zu können.« Er ging auf die 16-Jährige zu und kniete sich vor ihr auf den Boden. Aus seiner

Hemdtasche holte er einen Schokoriegel hervor, den er dem Mädchen reichte. »Hier. Das ist für dich. Ich bin Dirk. Und wie heißt du?« »Katha!«, flötete sie und nahm die Süßigkeit lächelnd an. Damit hatte der Agent das Eis gebrochen. Eileen sah das nur kopfschüttelnd mit an. »Immerhin muss ich die Leute nicht bestechen, damit sie mich mögen. Rain. Heidenreich will uns sehen. Dringen hat sie gesagt!« Er nickte und seufzte. Dann schritt er langsam in Richtung Tür. Sofort stand Katherina auf. »Mitkommen?« Alle Blicke gingen in ihre Richtung. Sie

sah Ethan mit ihren großen Rehaugen an. Er nickte. Foster schüttelte den Kopf. »Was? Sie kann nicht mitkommen! Das ist eine wichtige Besprechung!« »Katherina hat den geistigen Verstand einer 5-Jährigen. Sie hat keine Ahnung, wovon wir eigentlich sprechen Foster. Also keine Sorge.« Murrend verließ die junge Frau den Raum. Die Blondine sah ihr nach und streckte die Zunge heraus. »Hexe!« »Wir haben ein Problem«, erklärte Heidenreich zehn Muten später in ihrem Büro. Ethan saß zusammen mit Katherina

vor dem Schreibtisch. Die Anderen mussten stehen, weil es nicht genug Platz gab. Zwar hatte die Anstaltsleiterin die 16-Jährige kritisch beäugt, als sie eingetreten war, aber das kümmerte den Arzt nicht. Sie war ein Mitglied der Gruppe und dieser Umstand änderte sich nicht, nur weil sie ein paar Monate ausgefallen war. »Zwei Handwerker sind vorhin in den Korridoren unter der Kammer gefunden worden. Keiner von ihnen war in der Lage zu sprechen, oder die Situation zu erklären. Sie waren vollkommen verstört. Dort unten spielt der Strom zur Zeit verrückt. Auch andere Mitarbeiter haben sich über seltsame

Ereignisse beschwert.« Ethan hob fragend die Braue und lehnte sich nach vorne. »Wer? Und was für Ereignisse?« Die alte Frau zog an ihrer Zigarette. Ihr Pudel stand neben ihr und ließ sich von ihr streicheln. »Joe Hawkins und Lou Tillman. Die anderen aus der Kammer erzählten nur, dass Lou in den Keller gegangen ist, um eine Störung zu überprüfen. Joe ist ihm später gefolgt. Als man dann nachsah, hat man sie in diesem Zustand gefunden. Ansonsten erzählen die Leute, dass sie angeblich zwei Kinder dort unten gesehen hätten.« Ihm stockte der Atem. Er nahm seine

Brille ab und fuhr sich mit der Hand durch sein Gesicht. Skeptisch sah seine Chefin ihn an. »Gibt es da etwas, das sie mir vielleicht sagen möchten?« »Die Zwillinge. Ich hab sie auch gesehen. Vorhin in Katherinas Zimmer!« Heidenreich wirkte alarmiert. Die Anderen tauschten nervöse Blicke aus. »Die beiden? Das ist unmöglich! Wie sollten sie bitte auf das Gelände kommen?« Ethan hob die Hände, um sie zum Schweigen zu bringen. »So dürfen sie das nicht verstehen. Es war schon immer so, dass die Kraft der Zwillinge die Kammer gespeist hat.

Durch ihre Kräfte war es uns möglich, das Gedächtnis der Patienten zu verändern. Nach ihrer Flucht funktionierte alles noch, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis es dazu kommt. Wissen sie. Unter der Kammer befindet sich der Hauptkern. Essentia. Ich hab auch nie wirklich gewusst, wie er funktioniert, aber ich glaube, sie haben ihn in eine Art Gleichgewicht gehalten. Ihre ganze Kraft fließt durch diesen Kern. Bei einer Störung tritt Energie aus. In diesem Fall die Kraft der Zwillinge.« Roberta schloss die Augen. Sie wirkte überhaupt nicht erfreut über diese Informationen. Foster trat einen Schritt

nach vorne. »Wer sind diese Zwillinge eigentlich?« Rain warf ihr einen Blick zu. »Lesen sie eigentlich die Patientenakten Foster, oder gehen sie einfach nur auf die Jagd?« Die Frau sah ihn angesäuert an und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. Der Arzt zündete sich eine Zigarette an und runzelte die Stirn. »Wie dem auch sei: Beide sind Patienten der D-Kategorie. Lucas und Rebecca Adams. Sie sind hier, seitdem sie Babys waren. Davor lebten sie mit ihren Eltern in Tilbury. Allerdings waren ihre Fähigkeiten schon damals so weit ausgeprägt, dass sie die Persönlichkeit

eines ganzen Blocks verändern konnten. Daher hielt Hammond es für besser, sie in seine Obhut zu nehmen. Beide sind jetzt 13 Jahre alt. Rebecca kann das Gedächtnis einer Person löschen. Teile einfach herausnehmen, wie aus einem Puzzle. Lucas kann neue Dinge hinzufügen, die eigentlich nie passiert sind, aber dem Betroffenen genau so vorkommen. Kombiniert haben wir die Fähigkeit für die Kammer benutzt. Allerdings war es immer ein Risiko mit ihnen zu arbeiten. Mithilfe von Essentia waren wir in der Lage ihnen die Fähigkeiten zu entziehen. Sie quasi auf Eis zu legen.« »Essentia kann einem Patienten die Kraft

entziehen?«, fragte Dwight verwundert. »Ja, aber sie nicht vollständig auflösen. Als sie ausgebrochen sind, waren sie noch keine wirkliche Gefahr. Mittlerweile befürchte ich allerdings, dass sie wieder ihr volles Potenzial ausschöpfen können.« Heidenreich nickte und ließ sich auf ihrem Stuhl nieder. »Das weiß ich. Deshalb war es eigentlich immer höchste Priorität, dass die beiden früh gefangen werden. Allerdings scheinen sie, wie vom Erdboden verschluckt.« Ethan zog an seiner Zigarette. »Das letzte mal habe ich sie in Detroit gesehen. Das war, nachdem wir Collins

gefasst hatten. Es ist wahrscheinlich, dass sie andere Patienten gefunden haben. Ich war schon damals von der Vermutung bestärkt, dass die Patienten untereinander spüren können und deshalb einander suchen.« »Und wie hilft uns das bei unserem Problem?«, wollte Foster wissen. »Wenn ihre Energie austritt, dann ist die ganze Anstalt gefährdet. Kann man Essentia nicht abschalten?« Rain schüttelte den Kopf. »So einfach ist das nicht. Es ist keine Maschine, die einen Ausschalter besitzt. Selbst Hammond konnte mir nie wirklich sagen, wie der Kern funktioniert. Es muss etwas ins Ungleichgewicht geraten

sein. Diese Schwankungen, die Lou untersucht hat, könnten der Auslöser gewesen sein. Das bedeutet, etwas stimmt mit der Stromversorgung nicht.« »Klasse, dann rufen wir doch den Elektriker«, scherzte Peterson und grinste dabei. Heidenreich warf ihm einen bösen Blick zu. »Also stellen wir die Versorgung wieder her.« »So einfach ist das nicht. Das System ist wie die Wurzel eines Baumes. Man müsste einen gezielten Energiestoß auslösen, der die Linien wieder in die richtige Richtung lenkt. Mir fällt in diesem Fall nur ein Mensch ein, der uns wirklich helfen

kann.« Er machte eine Pause, in der die Anderen ihn abwartend anblickten. »Norman Hammond.« Hammond brauchte beinahe zwei Stunden, ehe er endlich in der Anstalt angekommen war. Seit seinem Rücktritt hatte Ethan ihn nicht mehr gesehen. Er wirkte gesünder. Der Ruhestand stand ihm gut und hatte für Fülle gesorgt. Er trug einen einfachen Mantel sowie eine Melone. Komplett in Schwarz. Katherina war die Erste die aufstand, und den alten Mann umarmte. Er lächelte matt und setzte seinen Hut ab, bevor er ihr mit den Fingern über die Wange

strich. »Hallo Katherina. Es ist schön, dich wiederzusehen. Wie geht es dir?« »Katha Okay!« Nicht jeder empfing ihn so herzlich. Heidenreich war mit ihren Formularen beschäftigt. Er hingegen reichte ihr sofort die Hand zur Begrüßung. Sie sah auf und nahm sie an. »Roberta. Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte. Es klang am Telefon sehr dringend.« Die alte Frau nickte und erhob sich von ihrem Stuhl. Dabei streichelte sie ihren Pudel, der Hammond böse anknurrte. Der bebrillte ließ sich davon nicht aus der Fassung bringen. Er war ruhig. Wie

früher. Ethan sah ihn genauer an. Etwas an seinem Ausdruck hatte sich verändert. Er versteckte es gut. Noch konnte der Arzt nicht deuten, was mit dem alten Mann los war, aber ein ruhiges Gespräch würde sicher etwas Licht in die Sache bringen. »Das ist es Norman. Essentia spielt verrückt. Die Versorgung der Kammer schwankt stark und wie es scheint sind dabei Kräfte der Zwillinge freigesetzt worden. Ein paar unserer Mitarbeiter sind bereits Opfer davon geworden. Wir haben sie ins Krankenhaus bringen lassen. Allerdings wissen wir nicht ob und wann sie wieder genesen. Mr. Rain war so freundlich uns über alles was er

weiß in Kenntnis zu setzen. Es war sein Anraten, dass uns dazu brachte, sie zu kontaktieren.« Der alte Mann sah zu Ethan und nickte. Dann schritt er zu Hickins und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Es freut mich sehr zu sehen, dass sie immer noch hier arbeiten. Es ist immer schwer gute Menschen zu finden.« Er wandte sich zu den Anderen. »Das gilt auch für sie Eileen. Und das wird wohl ein Neuer sein!«, schloss er mit prüfendem Blick auf Peterson ab. Auch der nickte und schüttelte ihm die Hand. »Es freut mich, sie kennen zu lernen. Ich habe bereits eine Menge von ihnen

gehört Mr. Hammond.« Ethan stand auf und bot dem Neuankömmling seinen Stuhl an. Dieser ließ sich nieder und hielt einen Augenblick Inne, um die Situation auf sich wirken zu lassen. »Nun. Ich habe befürchtet, dass so etwas irgendwann passiert. Essentia ist schwer zu verstehen. Ursprünglich dachten wir, wir könnten die Kräfte der Patienten dauerhaft ausschalten, aber es kompensiert sie nur. Deshalb haben wir die Kraft der Zwillinge für die Kammer benutzt und sie blockiert. Das war möglich. Jedoch funktioniert das nur, solange sich jemand direkt dem Kern aussetzt. Die anderen Trakte sind nicht

betroffen. Bei ihnen hatten wir stets die Hoffnung die Insassen wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Nur D-Patienten wurden dem Einfluss von Essentia ausgesetzt.« Heidenreich nickte interessiert und goss sich eine Tasse Tee ein. »Mr. Rain meinte, dass ein gezielter Energiestoß das Problem lösen könnte. Das würde alles wieder in die richtigen Bahnen lenken.« Hammond schüttelte den Kopf und setzte seine Brille ab. Dann kratzte er sich an der Nase und sah sie an. »Für den Augenblick. Auf Dauer wird das jedoch nicht helfen. Die Kraft der Zwillinge ist überhaupt der Grund,

warum die Kammer und der Kern funktionieren. Ihnen mag das vielleicht nicht gefallen, aber ohne die beiden werden in Willow Creek bald die Lichter ausgehen. Für immer.« Es wurde still im Raum. Alle Blicke waren auf den alten Mann gerichtet. Selbst Ethan wusste nicht, dass die Situation so ernst ist. Es gab wohl eine Menge, dass sein alter Mentor ihm über die Jahre verschwiegen hatte. Die Lage war denkbar kritisch nicht nur dass die Maschine verrückt spielte. Nein. Sie brauchten auch noch die Zwillinge, um sie wieder zum Laufen zu bringen. »Dann wird von jetzt an oberste Priorität

sein Rebecca und Lucas Adams zu finden. Rain sagte er habe sie zuletzt nach einem Fall in der Stadt gesehen. Gibt es sonst irgendwelche Anhaltspunkte?« Schweigen war die Antwort. »Das dachte ich mir. Haben sie irgendwelche Vorlieben? Etwas, das sie anzieht?« »Ich kann mir eigentlich nur vorstellen, dass sie sich andere Patienten gesucht haben. Sie wollten auch zu Collins, bevor wir ihn einfangen konnten«, erklärte Ethan. Das sorgte nicht gerade für Hochstimmung. Dirk grinste. »Also gehen wir davon aus, dass wir nicht nur sie, sondern auch den

schlimmsten Haufen von Patienten finden, wenn wir nach ihnen suchen. Ich habe schon ein paar Akten gelesen. Klingt ja nicht gerade rosig. Dieser Wilkins und dann noch der Russe. Wasilli?« »Waslow«, berichtigte Hammond. »Rain hat Wilkins zuletzt mit Mr. Lambert angetroffen. Laut seiner Aussage ist Albert noch mächtiger geworden. Wir wissen auch nicht, wofür er den Jungen benutzt. Allerdings hat er die Fähigkeit des Knaben stark gefördert. Zum Beispiel können seine Toten jetzt auch Leute verletzen. Das Ganze ist wie ein Pulverfass und ich weiß nicht, wann es

hochgeht.« Heidenreich sprach mit ernster Stimme und nippte an ihrer Tasse. Hammond sah sie kurz an. »Wilkins ist von Hass zerfressen. Er macht mich für den Tod seiner Frau verantwortlich. Das hat er beim letzten Mal nur allzu deutlich gemacht. Ihm ist nicht einfach beizukommen. Seine Kräfte liegen nicht umsonst in der D-Kategorie! Und bei den Zwillingen ist es sogar noch mal schwieriger. Sie sind viel stärker als Wilkins.« Wieder meldete sich Peterson. »Wenn ich mal stören darf: Haben wir nicht auch einen D-Patienten?« Er deutete auf Katherina, die ihn fragend

ansah. »Helfen?« »Nun, zugegeben. Sie hat einen Maulkorb bekommen, aber ihre Kräfte sind doch immer noch dieselben. Außerdem haben sie doch auch noch andere Patienten mit besonderen Fähigkeiten.« Ethan musterte ihn skeptisch. Dieser Gedankengang gefiel ihm nicht. Der Arzt schritt etwas näher an den anderen heran, der sich am Hinterkopf kratzte.Der 32-Jährige schüttelte nur den Kopf und blickte den Anderen durch seine Brille an. »Und ich dachte, sie besäßen etwas mehr Ethik unter ihrem braunen Schopf.

Das sind Menschen, die unsere Hilfe brauchen und keine Kampfhunde, die wir für uns trainieren.« Dirk sah ihn schuldig an. Ethan selbst wollte ihn nicht anfahren. Peterson wusste es nicht besser. Er war auch noch nicht so lange hier. Dennoch hatte diese Idee etwas in dem Arzt ausgelöst. »So hab ich das nicht gemeint. Entschuldige Ethan. Ich bin wahrscheinlich auch noch nicht lange genug hier, um mir ein Urteil zu erlauben.« Nun war es Foster, die einschritt und ihre Hände auf die Lehne von Katherinas Stuhl legte. Sie nickte bestätigend, doch der 32-Jährige wusste, dass er mit

Sicherheit nicht gemeint war. »Peterson hat durchaus Recht, wobei Miss Compton nicht meine erste Wahl wäre. Sie mag spezielle Fähigkeiten besitzen, aber mit ihrem geistigen Verstand nützt uns das nichts.« Sie begann im Raum auf und ab zu schreiten, wobei Katherina ihr die Zunge hinter dem Rücken herausstreckte. Das Mädchen konnte die junge Frau wirklich nicht leiden. Noch ein Sympathiepunkt für die Blondine. Dwight grinste ebenfalls und kratzte sich am Stoppelbart. Der alte Hammond legte skeptisch den Zeigefinger vor die Lippen und sah sich die Situation an. Bisher hatte er geschwiegen. Blieb

allerdings abzuwarten, ob er immer noch so ruhig war, wenn Eileen so weitermachte. »Es mag ihnen vielleicht nicht gefallen Dr. Rain, aber wir befinden uns in einer misslichen Situation. Die entflohenen Insassen-« »Patienten!« »Wie auch immer. Sie sind entkommen, weil sie selbst zu nachsichtig waren. Sie haben die Kräfte von Katherina unterschätzt und die Quittung bekommen.« Er ballte die Hand zur Faust. »Was wollen sie denn jetzt damit sagen?« »Was wohl? Miss Compton mag zwar nicht die Hellste sein. Dennoch ist sie an

der Misere überhaupt. Daher sollte sie auch einen Anteil dazu leisten, die Entflohenen wieder zurückzubringen.« Das war zu viel des Guten. Zorn flackerte in seinen Augen auf. Bestimmend setzte er auf sie zu, doch Dirk stellte sich dazwischen. Behutsam legte er ihm eine Hand auf die Schulter. »Glauben sie mir. Wegen der wollen sie keinen Ärger bekommen Doktor. Wenn sie jemanden schlagen wollen, dann mich. Ich habe die Idee überhaupt erst losgetreten. Außerdem wissen sie ja, dass Ellie schon immer gut darin war, mit dem Finger auf die Leute zu zeigen.« Entrüstet sah seine Kollegin ihn an. »Fällst du mir jetzt etwa in den

Rücken?!« »Ruhe jetzt! Und zwar alle! Benehmen sie sich Rain. Miss Foster, hören sie mit diesen Provokationen auf! Im Augenblick können wir uns das nicht erlauben! Und jetzt Schluss damit! Wir sind hier nicht im Kindergarten. Ihr Balzverhalten geht mir langsam auf die Nerven!« Heidenreichs Stimme donnerte durch das Büro. Sie fuhr sich mit der Hand durch das silbrige Haar und seufzte. Ethan wusste, dass sie sich sonst immer um ihre Souveränität bemühte. In diesem Fall allerdings war die Lage Ernst und da konnte man die Zeit nicht mit irgendwelchen Kindereien

verschwenden. »Also. Wir werden erst einmal die Lage wieder stabilisieren. Danach können wir uns immer noch um die Zwillinge kümmern. Norman. Kann Katherina mit ihren Fähigkeiten diese Schockwelle auslösen, von der wir sprachen?« Der alte Mann nickte. »Das kann sie. Sie braucht nur einen Stift. Das wissen sie doch!« Die Blondine rutschte nervös in ihrem Stuhl auf und ab. Euphorie zog sich über das ganze Gesicht. »Katha helfen!« Vorsichtig öffnete Ethan die Tür zum D-Trakt. Seit der Massenflucht diente

der Korridor hauptsächlich zur Ablage von Unterlagen. Kisten mit Akten standen in den Fluren ohne wirkliche Ordnung. Ansonsten war es ruhig. Blätter lagen auf dem Boden verstreut. Der Wind fegte durch den Gang. Heidenreich hatte das Personal aus dem Trakt evakuiert, solange die Störungen auftraten. Besonders in diesem Bereich der Anlage waren sie stark. Rain hatte Katherina an die Hand genommen, die zögernd hinter ihm herkam. »Gruselig!«, jammerte sie nur. Dwight beäugte sie mitfühlend. Neben ihm war nur noch Hammond mitgekommen. Es war besser, wenn sie nur wenige waren. Außerdem kannten

sich Foster und Peterson nicht so gut mit der ganzen Sache aus. Vor allem war die Stimmung gerade nicht sonderlich gut zwischen ihr und dem Arzt. Es war gut, wenn er ihre Visage nicht die ganze Zeit sehen musste. So schritten sie vorsichtig den Gang entlang. Ein Pappbecher lag achtlos auf dem Boden und hatte eine Pfütze Kaffee hinterlassen. Die Leute hatten reißaus genommen. Kein Wunder. »Und was machen wir, wenn die Zwillinge auftauchen? Also äh, die Geisterzwillinge meine ich. Sind sie eigentlich Geister?« Hammond schüttelte den Kopf. »Eine Kopie ihres Selbst trifft es eher

Hickins. Genau das ist unser Problem. Sie haben keinen Körper. Dennoch funktionieren ihre Kräfte. Wir können ihnen keinen Schaden zufügen. Das macht die ganze Geschichte ja so gefährlich.« Der Afroamerikaner runzelte die Stirn. »Noch so eine Sache, die nicht im Infoschreiben stand. Wie gehen wir vor?« »Wir versuchen natürlich, die Katakomben zu erreichen. Katherina muss den Schock direkt im Kern von Essentia ausführen.« Sie stiegen die Stufen hinab in den Korridor, der zur Kammer führte. Das Licht flackerte immer wieder auf. Es

dauerte nicht lange, bis das Lachen von Kindern an ihre Ohren drang. Dann folgte Gesang. Der Arzt wusste, dass sie nicht lange unbeobachtet blieben. Er warf einen Blick um die Ecke. Nichts. Die 16-Jährige hielt ihn am Arm fest. »Katha mag das Lied nicht. Es macht Katha Angst!« Er sah sie fragend an, ehe er verstand. Anscheinend war sie schon zuvor diesen Bildnissen ausgesetzt gewesen, wenn auch nicht stark. Jetzt ergaben ihre Aussagen auch einen Sinn. Vor allem war sie eigentlich noch ganz sicher. Die Zwillinge hätten keinen Nutzen darin, sie auszuschalten. Auch wenn es nur ihre Abbilder waren, so vermutete er,

dass sie auch den Verstand der Kinder besaßen. Sie erreichten die Treppe zu den Katakomben. Dort unten war es stockfinster. Er wandte sich zu Katherina und reichte ihr einen Kugelschreiber. »Malst du mir eine Taschenlampe?« Sie lächelte und sogleich war das Objekt herbeigerufen. Er leuchtete durch den Gang und schritt die Stufen hinab. Dwight und Hammond blieben dicht hinter ihm. »Sie haben also Wilkins getroffen Ethan?« Er nickte langsam. »Ja. Wissen sie. Es ist alles nicht so

leicht, seitdem sie weg sind. Heidenreich verfolgt eine etwas andere Philosophie als sie. Auch wenn sie mir Freiheiten lässt, glaube ich nicht, dass sie ohne weiteres die Kontrolle abgibt. Sie will mich im Auge behalten. Deshalb hat sie mich wohl überhaupt erst wieder eingestellt.« Überrascht sah der alte Mann ihn und fuhr sich durchs Haar. »Ich wusste gar nicht, dass man sie gefeuert hat.« »Das ist eine längere Geschichte. Irgendwann konnte ich mein Gewissen nicht mehr mit diesen Handlungsweisen vereinbaren.« »Das ist noch milde ausgedrückt, Sir.

Ethan ist ein Held. Er hat Naiomi Winchester bei sich aufgenommen und dafür gesorgt, dass sie bei ihrem Onkel in Wisconsin unterkommt, um ein eigenes Leben aufzubauen. Außerdem hat er Michaela Wood, eine neue Patientin, davon überzeugt, das wir ihr helfen können.« Zufrieden lächelte der ehemalige Anstaltsleiter. »Ich wusste, dass ich die Anstalt in ihrer Obhut lassen kann Ethan. Sie haben den wahren Sinn von Willow Creek verstanden. Nehmen sie sich ein Beispiel an diesem Mann Hickins. Sie werden nirgendwo eine freundlichere Seele finden als hier. Es ist wichtig, dass

sie ihn unterstützen, auch wenn es manchmal schwer ist. Zusammen können sie eine Menge bewirken.« Dwight nickte. Katherina mischte sich ein. »Katha auch!« »Ja, Katherina. Du auch.« Ethan blieb abrupt stehen. Die Kammer lag direkt vor ihnen. Von hier an würde es sicher nicht mehr so einfach werden. Als der Arzt weiter voranschritt, hielt die A-Patientin ihm am Arm fest und schüttelte vehement den Kopf. »Nein, nein! Katha will nicht!« Sie wirkte mit einem Mal richtig lethargisch. Energisch riss sie sich von dem 32-Jährigen los und machte ein paar

Schritte rückwärts, wobei sie mit dem Rücken gegen Dwight stieß. Ethan ging vorsichtig auf sie zu. »Schon gut Katherina. Alles ist gut.« Dwight hob fragend die Braue. »Was hat sie denn?« »Das fragst du noch? Ich habe dir doch einmal erzählt, dass Katherinas Verstand neu geformt wurde. Das war hier. Sie mag zwar jetzt vollkommen anders sein als früher, aber Erinnerungen lassen sich niemals vollständig auslöschen.« Das Mädchen kauerte an der Wand und weinte. Umsichtig kniete er sich vor ihr nieder und wischte ihr eine blonde Strähne aus dem Gesicht. »Keine Sorge Katha. Dir passiert nichts.

Ich bin bei dir. Niemand tut dir weh!« »Können sie ihr das denn wirklich versprechen, Doktor? Ich dachte immer, man darf nicht lügen!« Er erschauderte. Die anderen beiden Männer warfen den Blick zum Ende des Korridors. Dort stand das Mädchen mit den blonden langen Haaren und diesem düsteren Ausdruck auf dem Gesicht. Unschuldig hatte sie die Arme vor ihrer Patientenkleidung zusammengefaltet. »Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Auch wenn er dann die Wahrheit spricht!« Lucas kam von der anderen Seite. Beide Zwillinge lächelten. Das war denkbar schlecht. Rebecca deutete auf den alten

Mann. »Guck mal! Guck mal Bruder. Hammond ist zum Spielen gekommen!« Der ehemalige Anstaltsleiter wandte sich ihr zu. Ethan war immer noch damit beschäftigt, Katherina zu beruhigen. Sie hatte die Augen geschlossen und schüttelte den Kopf. »Nein! Sie sollen weggehen! Ich mag sie nicht! Sie sind böse!« Dwight stand indessen vor Lucas. Ihm war die Angst ins Gesicht geschrieben. Der Junge kratzte sich an der Lippe und musterte ihn argwöhnisch. »Wer ist das denn? Ist der neu? Haben sie uns ein Spielzeug mitgebracht

Doktor?« »Ich war mal ein Spielzeug, wenn es dich interessiert«, erklärte der Student und mühte sich darum standhaft zu bleiben. »Oh. Hörst du das, Schwester? Er war mal ein Spielzeug. Geht das überhaupt?« Rebecca grinste und hüpfte ein paar Schritte auf Hammond zu. Dieser hob beschwichtigend die Hände. »Es ist genug. Es muss niemand mehr verletzt werden. Ich weiß, dass ihr das verstehen könnt. Ich weiß auch, dass es nicht immer leicht für euch war. Es war stets nur zu eurem Besten.« Jetzt lachten beide synchron. Das verlieh der Situation eine zusätzliche

gruselige Note, auf die jeder von ihnen gerne verzichten konnte. »Hast du das gehört? Er wollte uns nur helfen Bruder. Ist Hammond nicht niedlich?« Der Andere nickte. »Ja. Und weißt du was? Es macht sicher sehr viel mehr Spaß mit ihm zu spielen, als mit den anderen.« »Au ja!« Inzwischen hatte Ethan Katherina auf die Beine geholfen. Das Mädchen zitterte am ganzen Körper. In ihrer Verfassung konnte man sie wohl kaum als Hilfe bezeichnen. Dennoch blieb ihm keine Wahl. Er musste sie weiter antreiben.

»Katha. Du musst dich jetzt konzentrieren. Für mich. Mal mir etwas, okay?« Sie nickte. »Ich will dass du mir eine Falltür malst, damit wir nach unten können. Verstehst du? Wir müssen runter!« Er reichte ihr seinen Bleistift, den sie zögernd in die Finger nahm. Lucas legte den Kopf schief und hob tadelnd den Zeigefinger. »Nanana. Nicht weglaufen. Es wird doch gerade lustig. Das ist unfair. Immer wollen sie einem den Spaß verderben! Das ist nicht nett! Sie schulden uns war Doc. Immerhin haben

sie uns angelogen! Lügen ist nicht nett. Stimmts Schwester?« Rebecca nickte bestätigend. »Nein nein. Das ist es nicht.« Dwight sah fragend in seine Richtung. »Was meinen die damit Ethan?« »Nicht jetzt Dwight. Katherina! Male!« Die Blondine hockte sich auf den Boden und begann die Falltür auf den Stein zu kritzeln. Ihre Hand zitterte. Mit einem Mal stand Rebecca direkt vor ihr und schüttelte den Kopf. »Du bist ein ganz böses Mädchen!« Und damit legte sie ihr die Hand auf den Kopf. Sie schrie. Die Hand der 13-Jährigen glühte. Ethan versuchte sie wegzustoßen, doch griff er nach Luft.

Das Abbild blieb stehen und agierte weiterhin. »Scheiße Ethan! Tu was!«, raunte Dwight Die 16-Jährige hielt sich mit beiden Händen an den Kopf. »Aufhören! Bitte aufhören!« Jetzt war auch Lucas da und lächelte. Unschuldig blickte der den Arzt an. »Das wird ein ganz lustiges Spiel Doktor!« Dann legte er seine Hand ebenfalls auf ihren Kopf. Grelles Licht ergoss sich durch den Korridor. Ethan hörte nur Katherinas Schreie. Dann wurde er wie von einer Schockwelle auf den Boden gerissen. Alles drehte sich. Mit einem

Mal herrschte Stille. Der Arzt brauchte einen Moment, ehe er wieder klar sehen konnte. Die Zwillinge waren weg. Das Licht funktionierte wieder. Dwight saß im Flur und atmete schwer. Katherina hockte einfach nur da. Hammond sah zu. »Was ist passiert?« Fragend sah der Student die beiden anderen Männer an. »Als die Zwillinge ihr volles Potenzial nutzten, muss das offensichtlich etwas in Essentia ausgelöst haben. Sie haben den Kern wieder aufgeladen!« »Heißt das, es ist vorbei?« »Für den Augenblick!« Ethan hörte ihnen gar nicht zu. Seine

Aufmerksamkeit galt voll und ganz der 16-Jährigen, die in die Leere starrte. In ihrer Hand hielt sie immer noch den Bleistift. Vorsichtig legte er ihr eine Hand auf die Schulter und sah sie väterlich an. »Katha? Hörst du mich?« Sie zitterte gar nicht mehr. Wie ein Stein saß sie einfach nur da, ehe sie den Blick zu ihm wandte und ihn musterte. Auch Hammond und Dwight nährten sich jetzt der Szene. Das schlimmste war überstanden. »Keine Angst. Alles wird wieder gut. Du bist hier in Sicherheit.« Ein Lächeln glitt über ihre Lippen. »Ich schon. Du

nicht!« Der Bleistift zischte nur so durch die Luft, ehe der Arzt einen stechenden Schmerz in der Brust spürte. Er fühlte die Feuchtigkeit von Blut und presste die Hand japsend auf die Stelle. »ETHAN!« Der Afroamerikaner eilte herbei, doch wieder hob die Blondine ihren Stift, malte Ketten, die ihn an die Wand pinnten. Langsam erhob sie sich und warf den Blick auf Hammond. Mit schnellen Handbewegungen klopfte sie sich den Staub von der Kleidung. Der Arzt lag auf dem Boden. Die Verletzung war schwer. Der Schmerz bohre sich förmlich in seinen

Brustkorb. Er sah, wie Sie auf den alten Mann zuging. »Hammond. Oder soll ich Norman sagen?« Schwarze Punkte tanzten vor den Augen des 32-Jährigen auf und ab. Er kämpfte gegen die Ohnmacht. Was hatten die Zwillinge gemacht? Ihm schwante böses. Jedoch war er nicht in der Verfassung einen klaren Gedanken zu fassen. Dwight kämpfte mit den Fesseln. »Ethan! Bleib wach Ethan!« Er sah nur noch, wie Katherina auf den alten Mann zutrat und ihn mit einer Malerei fesselte. Sie wandte sich zu ihm um und lächelte.

»Wir sehen uns!« Damit glitt er tiefer in die Schwärze hinab. Dwights Stimme immer noch in seinem Kopf hörend. »Ethan! Du musst Wachbleiben!« Dann umfing ihn Dunkelheit. »ETHAN!«

Kopflos - I

Wie lange er schlief, konnte Ethan nicht genau sagen. Die Erinnerungen lagen brach im Kopf. Im Körper herrschte das Gefühl von Ermattung. Er öffnete die Augen. Das dämmrige Licht eines Krankenzimmers begrüßte ihn. Der Herzmonitor piepte monoton. Auf dem Nachttisch standen Rosen. Höchstens einen Tag alt. Neben dem Bett ein leerer Stuhl, auf dem eine Jacke hing. Die Brust war nackt und mit einem Verband versehen. Nachdem er versuchte sich aufzusetzen, zog ein stechender Schmerz durch den Oberkörper. Nach Luft schnappend hielt er die Stelle für

einen Augenblick, bevor er seine Brille suchte. Das Bild wurde klarer. Wahrscheinlich war es früher Nachmittag, so wie das Sonnenlicht in den Raum schien. Etwas später wurde die Tür aufgeschoben. Dwight betrat das Zimmer. »Ethan. Du bist wach! Ich dachte schon, du willst Weihnachten verschlafen!« Er wirkte erleichtert. Der Afroamerikaner nahm Platz und trank einen Schluck aus dem Becher Kaffee, den er in der Hand hatte. Der Verletzte runzelte die Stirn und gab sich nach einem weiteren Versuch, in die Sitzposition zu gelangen, geschlagen und

verharrte liegend. Ein klarer Gedanke war im Augenblick unmöglich. Dafür, war er noch zu müde. »Was ist passiert? Wie lange bin ich hier?« »Fünf Tage. Ich wechsle mich mit Carrie ab. Die ist allerdings gerade zum Bahnhof. Naiomi abholen.« Stimmt. Das war ihm vollkommen entfallen. Über die Feiertage war die junge Winchester eingeladen. Er konnte gar nicht glauben, dass er beinahe eine Woche außer Gefecht gesetzt war. Katherina hatte ihm übel zugesetzt. Bitter verzog er die Mundwinkel. Das wahrzuhaben war schwer. Die Wunde schmerzte sehr. Immer wieder musste er

sich bemühen, nicht zu tief zu atmen. Das linderte die Pein ein wenig. »Und was sagen die Ärzte?« »Die sind ratlos. Bis jetzt ist nichts von dem Schnitt geheilt. Hätten sie es nicht fachmännisch genäht, würdest du Bluten wie ein aufgeschlitztes Schwein.« Er nickte bedächtig. Ein weiterer Nachteil der Fähigkeiten des Mädchens. Was gemalt war, war unumkehrbar, solange man nicht das Objekt zerstörte, dass es geschaffen hatte. »Was ist mit Hammond?« Ein Kopfschütteln war die Antwort des Studenten. Er nahm einen Schluck von seinem Heißgetränk und seufzte. »Nichts. Er ist verschwunden. Wo auch

immer sie ihn hingebracht hat, es ist gut versteckt. Wir haben keine Ahnung, was sie vorhat Ethan. Seit der Sache im D-Trakt hat sie niemand gesehen, oder eine Spur. Foster sucht zusammen mit Peterson, aber bis jetzt ohne Erfolg.« Ethan schloss die Augen und schüttelte den Kopf. Er deutete auf eine Flasche Wasser, die auf dem Tisch stand. Dwight goss ihm etwas in ein Glas und reichte es dem Verletzten. Großzügig trank er daraus. Sein Hals war total trocken. Als hätte er Monate lang geschlafen. Das Getränk verschaffte allerdings wenig Linderung im Angesicht der Tatsache, dass sie vor einer Wand standen.

»Kaum zu glauben, dass das alles wirklich passiert. Ich mein, es ist Katherina. Die steht auf Zauberei, malt gerne und verschlingt Pizza in Massen, bei denen anderen die Galle hochkommt. Ich verstehe das einfach nicht.« »Die Kraft der Zwillinge. Die Abbilder besaßen auch ihr Bewusstsein. Sie haben ihr Gedächtnis wieder hergestellt und damit unsere ganze Arbeit zu Nichte gemacht.« Er biss sich auf die Lippen. Das alles wirkte wie einer dieser banalen Alpträume, aus welchen es kein Entrinnen gab. Die 16-Jährige sollte jetzt ihre Gegenspielerin sein? Allein der

Gedanke war absurd. Auch Dwight war betroffen. »Was heißt hier Arbeit? Katha ist eine Freundin. Ich kenne sie, seitdem ich in Willow Creek angefangen habe. Sie zu jagen wie ein Tier. Das will ich nicht.« »Ich weiß. Das wahrzuhaben ist schwer. Dennoch ist sie ein Risikofaktor. Sie hat Hammond entführt und tut ihm weiß Gott was an. Sie könnte im Augenblick überall sein und wir wissen nicht, wie ihre ersten Schritte aussehen.« Der Afroamerikaner leerte seinen Kaffeebecher. »Aber du weißt, wie sie tickt Ethan! Du hast schon mit ihr zusammengearbeitet,

bevor ich ins Sanatorium kam!« »Das kannst du nicht vergleichen. Wir reden hier von zwei vollkommen verschiedenen Menschen. Die Katherina, die du kennst, besitzt ein ganz anderes Bewusstsein. So, wie wir sie kannten, war sie nur, weil wir sie so gemacht haben.« Sein Blick war geradeaus gerichtet. Die Hände lagen auf seinen Oberschenkeln. Der Student sah ihn einfach nur an und schüttelte den Kopf. »Es gibt wohl eine Menge Dinge, über die ich noch nichts weiß.« Es klang beinahe wie eine Anklage. Ethan fuhr sich mit der Hand durchs Haar und sah zu ihm.

»Es ist nicht immer alles so einfach, Dwight. Diese Welt ist weitaus komplizierter, als du denkst. Es sind Dinge am Werk, die die normalen Menschen einfach nicht verstehen. Deshalb gibt es Willow Creek. Zum Einen, damit die Welt nichts über diese Leute weiß und zum anderen, damit wir diesen Individuen helfen können. Manchmal gelingt uns das. Manchmal versagen wir. Wir können nicht alle von ihnen retten Dwight. Das ist nun mal so. Wir müssen dann andere Wege finden. Bei Katha hat es nur so funktioniert. Sie war zu zerfressen von ihren negativen

Gefühlen.« Dwight hob fragend die Braue. »Wie meinst du das?« »Bevor Katherina nach Willows Creek kam, führte sie ein ganz normales Leben. Sie war ein nettes junges Mädchen, das friedlich bei ihren Eltern aufwuchs. Sie hatte Freunde in der Nachbarschaft, ging zur Schule, wie jeder andere auch. Ein aufgewecktes Kind eben. Ihre Kräfte entdeckte sie erst im Alter von 12 Jahren. Da benutzte Sie sie zum ersten Mal. Von einem Augenblick auf den Anderen, sahen die Menschen um sie herum sie nur noch als Monster. Sie verabscheuten sie regelrecht. Sie hassten sie für etwas,

das sie nicht verstehen konnten. Selbst ihre besten Freunde verachteten sie. Ihre Eltern, schlossen sie ein, misshandelten sie. Weil sie anders war. Das ließ sie verbittern. Sie begann, die Menschen zu hassen. Sie machte die Welt für ihr Leiden verantwortlich. Das erste Mal wurde Hammond auf sie aufmerksam, als Sie drei Mitschüler tötete. Damals hatte ich noch einen Partner. Frederik Brown. Doppelt so alt wie du. Er hat mir alles beigebracht, was ich wissen muss. Neben Norman, war er der beste Mentor, den ich hatte. Zusammen stießen wir auf diesen außergewöhnlichen Fall. Drei enthauptete

Kinder.« Er machte eine Pause. Die Erinnerung daran lag weit zurück, doch wirkte alles noch genau so, als wäre es gestern gewesen. 3 ½ Jahre früher - Sommer 2001 »Und? Läuft Sofia mittlerweile?« Brown nippte an seinem Kaffee, ehe er sich wieder seinem Heidelbeerkuchen zuwandte. Mittlerweile war es Nachmittag geworden. Im Aufenthaltsraum des A-Traktes von Willow Creek herrschte reges Treiben. Die Patienten saßen am Tisch und begnügten sich mit ihrer Kaffeepause.

Ethan nickte und kratzte sein Kinn. »Sie wird immer sicherer. Allerdings gefällt das Carrie nicht sonderlich. Sie muss die ganzen Sachen jetzt eine ebene höher platzieren!« Sein Gegenüber lachte. Frederik Brown war mitte 40 und durch seine ständige Kuchennascherei etwas pummelig. Das Haar an einigen Stellen schon ergraut. Falten zeigten sich in seinem aufgedunsenen Gesicht. Die Dicke Nase war schon immer ein Aufhänger auf der Arbeit. Allerdings besaß er das Talent, diesbezügliche Kommentare einfach zu ignorieren. »Tja. So sind Kinder, wenn es ins richtige Alter geht. Bei Polly hatten wir

auch so unsere Probleme, aber glaub mir: Das ist noch gar nichts. Warte mal ab, bis deine Kleine in die Pubertät kommt!« Er grinste und schob sich mit der Gabel ein weiteres Stück Kuchen in den Mund. »Dann kannst du nämlich gar nichts mehr richtig machen. Egal wie sehr du dich anstrengst. Sie wird dann ständig an dir rummeckern. Sie wird dir vorhalten, dass dein Musikgeschmack aus der Steinzeit kommt, genau wie deine Klamotten. Von den Jungs will ich gar nicht erst anfangen. Jeder Versuch das Beste für sie zu wollen, wird von ihr sofort als Angriff auf sie angesehen. Und dann ist da natürlich noch die Sache

mit der Knete. In zwei Jahren hat Martha Pollys Taschengeld dreimal erhöht. Außerdem wollte sie dann unbedingt dieses neumodische Mobiltelefon. Mittlerweile sind sie ja sogar dabei die Dinger mit ner Kamera zu versehen. Man. Wenn man die Technik so sieht, dann fühlt man sich echt wie ein alter Sack.« Ethan lachte. »Du bist ein alter Sack Fred. Und hör auf damit ständig den Kuchen in dich reinzuschaufeln! Deine Frau meckert schon genug. Wie hoch ist dein Blutzucker?« Sein Gegenüber zuckte mit den

Schultern. »Keine Ahnung. Solange ich nicht umfalle, kann ich noch die kleinen Freuden des Lebens genießen oder? Lass mir doch wenigstens diesen kleinen Aufheller. Solltest du übrigens auch mal probieren. Es geht nichts über ein Stück Kuchen. Am besten mit Sahne oben drauf.« »Klingt für mich nach einem Freifahrtschein für Diabetis« Im Radio lief der neue Lifehouse Song. Hanging by a Moment. Die ganze Woche rauf und runter. Die Patienten mochten es. Ethan grinste nur und schob sich seine Brille zurecht. »Du hast überhaupt keinen Sinn für ein

gutes Laster.« »Muss ich auch nicht. Es reicht, wenn einer von uns sich mit Kuchen vollstopft, raucht und Whiskey trinkt, wie ein Profi.« Fred hob die Hand. »Hey. Es geht nichts über ein gutes Gläschen Jack Daniels nach der Arbeit und eine Malboro. Hörst du dir eigentlich selber zu? Du klingst schon wie Martha.« »Mit dem Unterschied, dass ich wahrscheinlich attraktiver bin.« »Das stimmt wohl.« Brown verdrückte den Rest seines Kuchens und rieb sich die Hände. Er wirkte zufrieden. Rain hatte noch nie

jemanden mit so guter Laune getroffen. Es gab kaum etwas, dass seinen Freund zum Rasen brachte. Wie die Ruhe selbst. Einfach erstaunlich. »Also, was steht noch an?« »Die Patientengespräche sind für heute durch. Ich glaub ich mache noch ne Stunde und fahr dann nach Hause. Carrie will in diesen neuen Film gehen. A Beatiful Mind. Du weißt ja, wie sie auf Russel Crowe abfährt.« »Ja. Das weiß ich. Man. Ganz der Familienpapi was? Wann gehen wir denn mal wieder weg? Du schuldest mir noch nen Abend im Hard Rock Café. Kannst ja deinen alten Herrn mitbringen.« Ethan nickte.

»Klar. Am Wochenende hätte ich Zeit. Das heißt natürlich, wenn deine Frau dir die Ketten abnimmt.« »Du mich auch Ethan. So. Ich hab noch n Gespräch mit Waslow vor mir. Wir sehen uns dann spätestens morgen früh in alter Frische. Mach nicht zu lang Kurzer!« Fred wollte gerade aufstehen, als der Lautsprecher ertönte. »Ethan Rain und Frederik Brown bitte sofort in das Büro des Direktors. Ich wiederhole: Ethan Rain und Frederik Brown bitte sofort in das Büro des Direktors!« »Und das war’s wohl mit dem freien

Abend!«, erklärte Frederik, und nahm seine Jacke vom Stuhl. Der Arzt runzelte die Stirn. Neugierig war er ja schon, was Hammond um die Zeit noch wollte. Allerdings bedeutete das auch, dass er zu spät zu seiner Verabredung mit Carrie kam. Leah passte extra auf Sofia auf. Das würde Ärger geben. Im Büro des Anstaltsleiters angekommen, ließ sich Ethan auf einem Stuhl nieder. Fred zündete sich eine Zigarette an und stützte sich an die Lehne. Hammond trankt gerade eine Tasse Kaffee und warf einen Blick auf einen Zeitungsbericht. »Meine Herren. Ich weiß, dass es

eigentlich schon spät ist, aber wir haben da etwas. Die Pioneer High School in Ann Arbor. Drei Schüler sind tot. Enthauptet.« Brown kratzte sich an seinem Bart. »Klingt ja rosig. Und wie kommen sie darauf, dass das was für uns ist?« »Die Mitschüler und einige Lehrer beschuldigen eine Schülerin für die Taten. Sie erzählen, dass sie das was sie malt zum Leben erwecken kann.« Ethan wurde hellhörig. Er hatte hier zwar schon so manches erlebt, aber das war selbst für ihn ein wenig seltsam. »Geht das überhaupt?« Frederik legte seinem Kollegen eine Hand auf die Schulter und lächelte

matt. »Das fragst du noch? Du weißt, wo wir arbeiten. Hier ist leider nichts unmöglich. Wir haben hier einen Typen, der alles um sich herum zu Eis gefrieren lassen kann. Ein anderer ist ein laufendes Elektrizitätswerk. Also Ethan. Ja ich denke schon, dass das geht.« Er wandte seinen Blick zu Norman. »Haben wir auch einen Namen?« Der Anstaltsleiter legte ihm ein Foto hin. Es war ein hübsches Mädchen mit blonden langen Haaren, das in die Kamera lächelte. »Katherina Compton. Tochter von Rose und Bernhardt Compton. 13 Jahre alt. Eine der Besten in ihrem

Jahrgang.« »Wirkt für mich wie ein unschuldiges Kind. Naja was Solls. Wir werden uns umhören. Ethan. Tut mir leid, aber du musst für heute absagen. Carrie versteht das sicher!« Der Angesprochene seufzte. Er hätte wissen müssen, dass so etwas passierte. Der Wagen bog langsam in die Norfolk Avenue ein. Der späte Nachmittag hatte Einzug gehalten. Vor einem weißen einstöckigen Haus machten sie halt. Ein Bann war gerade dabei den Rasen zu bewässern. Brown legte die Hände auf das Lenkrad und sah sich das ganze in Ruhe an.

»Man. Dieses Vorstadtspießerleben muss ja echt lustig sein. Ich frag mich immer, was die Leute davon haben so zu leben. Man kriegt doch gar nichts vom Leben mit. Es ist wie ein sicheres Nest.« »Ist es nicht das, was eigentlich jeder will?«, warf Ethan ein. Der Andere schüttelte den Kopf und sah ihn an. »Wenn du mich fragst, gibt es nichts Langweiligeres, oder willst du so enden?« Er deutete auf den Mann im Vorgarten. »Schön im Vorgarten, eine kleine Bierplauze, den Rasen wässern und schön unter dem Pantoffel der Ehefrau. Wahrscheinlich noch vier Kinder. Das

wär doch sicher dein Traum Ethan.« »Naja. Carrie und ich wollen irgendwann schon noch eins, wenn Sofia alt genug ist.« Der Andere grinste nur und schüttelte den Kopf. »Manchmal frag ich mich, wie du eigentlich durch den Tag kommst. Was Solls. Fühlen wir Papi mal auf den Zahn!« Er stieg aus dem Camaro aus und zündete sich eine Malboro an. Beide schritten über den Rasen hinweg auf den Mann zu, der sie skeptisch ansah. In der Hand hielt er weiterhin den Gartenschlauch. Er war Mitte 30. Vorne etwas kahl. Ethan konnte sich nicht

vorstellen so zu enden. Vor der hünenhaften Gestalt Browns, machte der Mann einen Schritt rückwärts. »Kann ich ihnen helfen, Sir?« »Vielleicht. Mein Name ist Frederik Brown und das hier ist Ethan Rain. Wir kommen wegen ihrer Tochter Mr. Compton.« Der Angesprochene nickte bedächtig und schaltete das Wasser ab. Er führte sie zu ein paar Gartenstühlen, die vor dem Haus standen. »Setzen sie sich. Möchten sie ein Glas Limonade? Rose macht die beste in der Nachbarschaft. Es gibt glaube ich sogar noch Kuchen.« »Dazu sage ich nicht

nein!« Der Mann nickte und ging ins Haus. Rain seufzte nur und ließ sich auf dem Stuhl nieder. Die Beine legte er übereinander. »Du sagst wirklich nie nein oder?« Fred zuckte mit den Schultern. »Wenn er es mir doch anbietet? Warum soll ich die gute alte Gastfreundschaft von Ann Arbor ausschlagen? Außerdem bringt er Mami gleich mit und wir können in Ruhe mit beiden reden.« Es dauerte auch nicht lange, bis die beiden Eheleute nach draußen kamen. Bernhardt hielt zwei Teller mit Kuchen in der Hand. Rose folgte mit der Limonade.

»Also. Sie sind wegen Katherina hier?« Rose klang nervös, während sie den beiden zu trinken eingoss. Fred machte sich sofort über den Kuchen her und nickte. »Ja. So ist es. Wir hörten, dass man sie mit dieser Tragödie in der Schule in Verbindung bringt. Ist das Pflaumenkuchen?« Die Frau nickte nur und lächelte. »Ja. Selbstgebacken.« »Großartig!« Ethan seufzte nur und schob seinen Teller von sich. Er hatte wirklich keinen Hunger. Die Situation war auch nicht eine derer, in der man sich zurücklehnen

und mit Backwaren vollstopfen konnte. Er verstand nicht, wie sein Partner nur so ruhig bleiben konnte. »Sind sie vom FBI?«, wollte Bernhardt wissen. Fred schüttelte lachend den Kopf und holte einen gefälschten Ausweis aus seiner Tasche. Das war in ihrem Gewerbe üblich. »Schulaufsichtsbehörde. Der Stadtrat meint, wir sollen uns die Sache mal genauer ansehen. Also. Erzählen sie mir etwas über ihre Tochter.« Nachdenklich fuhr sich Rose mit der Hand den Hals entlang. »Naja. Wo soll ich anfangen? Katherina war eigentlich immer ein liebes Mädchen wissen sie? Gute Noten, immer höflich

zu allen. Naja, bis diese Sache anfing.« »Sache?« Die Frau seufzte. Man konnte ihr ansehen, dass ihr das Thema nicht besonders behagte. Ihr Mann hüllte sich in Schweigen. Ethans Blick wanderte zu einem der Fenster. Ein Mädchen beobachtete sie. Als er sie entdeckte, zog sie schnell die Vorhänge zu. »Sie malt gerne. Das hat sie schon als kleines Kind gemacht. Das war ihr liebstes Hobby. Naja und dann passierte dieser Unfall in der Schule. Ich hab es erst für einen Witz gehalten. Die Lehrerin erzählte, Katherina hätte einen Vogel gemalt und den zum Leben erweckt. Vollkommen banal nicht

wahr?« Fred schüttelte nur den Kopf. »Naja. Sie wissen nicht, was heutzutage alles möglich sein kann. Wenn es schon schnurlose Telefone mit Kameras gibt, warum nicht das?« Das war seine Art und Weise, die Sympathie der Leute zu gewinnen und bei den Comptons schien das zu funktionieren. Sogleich wurden sie etwas entspannter. »Ja, schon. Aber, stellen sie sich das Mal vor: Die Leute erzählen plötzlich, dass ihre Tochter Dinge zum Leben erwecken kann.« »Ich wäre froh, wenn es bei meiner Tochter nur das wäre. Sie ist 17 wissen

sie. Schwieriges Alter. Also, sie glaubten das nicht?« Bernhardt schüttelte den Kopf. »Zuerst nicht, nein. Sie ist immerhin unsere Tochter und wir lieben sie. Als dann die anderen Schüler damit anfingen, sie zu hänseln und fertig zu machen, verschlechterte sie sich natürlich in der Schule. Wir sprachen sie darauf an und in einem Ausbruch, passierte es auch hier. Es war keine Lüge, verstehen sie? Katherina malt etwas und es erwacht zum Leben.« Brown nickte, während Ethan aufstand. »Wo ist hier die Toilette?« »Einfach geradeaus. Die Haustür ist

offen!« »Danke.« Das war der perfekte Zeitpunkt. Während Fred die Eltern ablenkte, konnte er sich in aller Ruhe dem Mädchen widmen. Vielleicht gab das ja mehr Aufschluss. Immerhin war sie die Betroffene. So betrat er das peinlichst aufgeräumte Haus der Comptons. Sofort fand er den Raum, von dem aus das Mädchen ihn beobachtet hatte. Es war das typische Zimmer einer 13-Jährigen. Poster, Musik CDS. Allerdings auch viele Malereien. Auf dem Boden saß sie und zeichnete gerade etwas. Langsam beugte sich Ethan über sie und sah ihr dabei zu. Sie roch nach Parfum. Die

Nägel waren schwarz lackiert. Das Gesicht blass geschminkt und die Augen schwarz umrandet. »Das sieht gut aus. Was wird es denn, wenn es fertig ist?« Sie sah nicht zu ihm auf, sondern beschäftigte sich weiter damit, die Konturen zu zeichnen. »Ein Elch.« »Ah. Malst du gerne Tiere?« Sie nickte. »Ich mag sie. Sie sind ganz anders als die Menschen. Sie haben keine Vorurteile.« Sein Blick wanderte durch den Raum und fiel auf einen Stapel Bücher. Geschichten aller Art. Eine richtige

Leseratte also. Einen Moment lang fragte er sich, wie Sofia wohl in diesem Alter sein würde. »Menschen, sind auch nur Tiere, wenn man es von einem gewissen Standpunkt aussieht. Haben sie dir gegenüber etwa Vorurteile?« »Sie hassen mich, weil ich anders bin.« »Weil du Dinge kannst, die sie nicht können?« Sie hob den Kopf und musterte ihn. »Genau. Ich wollte das selber auch nicht. Es ist einfach passiert. Seitdem tun sie alle so, als wäre ich ein Monster. Selbst meine Eltern tun das.« Er ließ einen Blick über das Mädchen schweifen. Am Nacken konnte er einen

blauen Fleck erkennen, sowie auch an ihren Handgelenken. Besorgt sah er sie an. »Waren das deine Eltern?« Sie senkte den Kopf. »Sie haben Angst vor mir. Sie denken, dass ich ihnen etwas antun könnte, aber sie verstehen nicht, dass ich das niemals tun würde. Sie sind meine Eltern. Trotzdem behandeln sie mich wie Dreck. Ich hasse sie dafür! Genau wie die Anderen!« »Haben die Anderen dir auch wehgetan? Die Kinder in deiner Schule?« Sie wandte den Blick ab und stand auf. Die Lippen hatte sie fest zusammengepresst und die Hände zu

Fäusten geballt. »Sie sind die Monster. Nicht ich. Sie waren alle meine Freunde, bevor das passierte. Dann zeigten sie ihr wahres Gesicht.« Sie schob ihren Pullover nach oben und zeigte ihm den Rücken. Schlagspuren zogen sich über die Haut, als hätte sie jemand mit einem Stock geschlagen. Einige waren sehr frisch. »Sie haben sich einen Spaß daraus gemacht. ›Schlagen wir Katherina, bis sie blutet. Vielleicht kann sie ja auch mit ihrem Blut malen!‹ Sie haben mich ausgelacht. Immer und immer wieder haben sie mich geschlagen, bis ich nicht mehr bei Bewusstsein war. Dann

schlugen sie mich immer noch. Die Lehrer tun nichts. Meine Eltern tun nichts.« Zorn wanderte in ihren Blick. »Bis mir klar wurde, dass ich nicht allein bin. Ich kann Dinge, die kein anderer kann. Ich mache mir selbst Freunde. Freunde, die mich niemals enttäuschen. Die immer zu mir stehen, und die mich beschützen.« Ihr Blick ging an die Wand. Das dort hängende Bild zog direkt seine Aufmerksamkeit auf sich. Ein Hügel, umringt von Toten Bäumen. Auf dessen Spitze ein schwarzer Hengst mit rotglühenden Augen. Der Reiter kopflos. »Eine Interpretation der Geschichte von

Sleepy Hollow. Ein Kriegssöldner, der enthauptet wird und dem Grab entsteigt, um jene, die ihm das antaten, zu bestrafen.« Der Arzt senkte den Blick. »Hat er auch die Kinder bestraft?« »Er beschützt mich. Er ist immer für mich da. Er ist ein wahrer Freund. Er hat keine Vorurteile. Er existiert nur für mich. Er ist mein Schutzengel.« Sie lächelte bei diesen Worten. Sein Magen verkrampfte. Sie hatte es wirklich getan und sprach darüber, als ob es gar nichts wäre. Hammond hatte sie genau zum richtigen Ort geführt. Allerdings stellte sich jetzt die Frage, wie er weiter vorging. Behutsamkeit war

das richtige Zauberwort. »Weißt du Katherina. Du fühlst dich sicher allein damit. Mit diesen Kräften. Aber, das bist du nicht.« Fragend sah sie ihn an. »Was meint ihr damit?« »Nenn mich Ethan. Und ich meine damit, dass es andere gibt, die ebenfalls besondere Dinge können. Vielleicht können sie nicht das, was du kannst, aber sie sind auf ihre Art und Weise speziell.« Er setzte ein warmes Lächeln auf. Sie bot ihm einen Platz auf ihrem Bett an, wo er sich niederließ. Das schien sie neugierig gemacht zu haben. Interessiert musterte sie ihn.

»Und was sind das für Leute?« »Kinder, Jugendliche oder Erwachsene. Sie leben alle zusammen an einem besonderen Platz weißt du? Dort gibt es niemanden, der sie für das was sie sind verurteilt. Dort sind sie ganz normal.« Das Mädchen verzog bitter das Gesicht. »Normal. Das wäre ich gerne. Ein Kind wie alle anderen. Dann wäre das alles nicht passiert. Ich hätte immer noch meine Freunde. Meine Eltern würden mich nicht einsperren. Manchmal hoffe ich, all das hier ist nur ein böser Traum, aus dem ich irgendwann wieder aufwache.« »Manchmal geschehen Dinge, die wir

einfach nicht ändern können Katherina. Wir können nur lernen, mit ihnen zu leben. Es ist nicht immer einfach, aber diese Sachen sind es die uns ausmachen. Sie zeigen, wer wir wirklich sind.« »Monster.« Sie schritt auf eine ihrer Zeichnungen zu. Es war ein Hund. Ein Bernhardiner, der fröhlich herumtollte. Sie hob das Papier auf und nahm es in die Hand. Dann wandte sie sich dem Doktor zu. »Möchten sie es sehen?« Er nickte. Sie legte die Hand auf das Papier. Es begann zu leuchten und mit einem Mal saß dort neben ihr ein Hund und hechelte fröhlich, mit raushängender

Zunge. Ihm blieb die Spucke weg. Er hatte schon so manches gesehen, aber das hier war wirklich etwas Neues. Sofort kam der Bernhardiner auf ihn zu. Er streichelte dem Tier über den Kopf. »Na. Was bist du denn für ein feiner Kerl? Hat er auch einen Namen?« »Bodo.« »Hallo Bodo! Ich bin Ethan. Findest du nicht auch, dass Katherina ein ganz nettes Mädchen ist?« Er bellte vergnügt und schlabberte ihm über die Hand. Just in diesem Moment wurde die Tür aufgestoßen. Mr. Compton kam mit hochrotem Kopf herein. Dicht gefolgt von Frederik. Sofort schritt er auf das

Mädchen zu und schlug sie. »Ich habe dir gesagt, du sollst das nicht mehr tun!« Ethan stand auf und hob die Hände. »Hören sie damit auf Mr. Compton!« Er sah ihn zornfunkelnd an. »Erklären sie mir nicht, wie ich meine Tochter zu erziehen habe! Sie ermutigen sie noch zu diesen Dingen!« Bodo knurrte böse und stellte sich schützend vor Katherina. Die hilt sich die Wange. Ihre Nase blutete. Der Blick war leer und ausdruckslos. Rain ging auf sie zu, aber sie wandte sich von ihm ab, schritt schnurstracks zum Bild des kopflosen Reiters.

»NEIN!« Es war zu spät. Mit einem wiehernden Geräusch brach der düstere Reiter aus dem Bild hervor, wobei er Ethan und Fred zu Boden warf. Katherinas Vater stand mit offenem Mund vor der Schöpfung seiner Tochter. Die Blondine stand neben dem Pferd und strich ihm über den Hals. Finster sah sie ihren Vater an. »Du wirst mich nie wieder anfassen!« Er hob beschwichtigend die Hände. »Katherina. Mach doch keinen Unsinn! Wir reden darüber! Ich bin doch dein Vater!« »Ein Vater schlägt seiner Tochter

nicht!«, erklärte Brown und erhob sich vom Boden. Er und Ethan hielten gebührenden Abstand zum Reiter, der sich Katherina zuwandte und auf etwas zu warten schien. Sie sah ihn ausdruckslos an. Einen Moment lang schien sie zu überlegen. Rain trat einen Schritt auf sie zu, doch sofort blockierte der Reiter seinen Weg. Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Insgesamt ragte der Kopflose über zwei Meter in die Höhe. Natürlich nur, weil er auf dem Pferd saß, aber dennoch war es einschüchternd. »Katherina. Das musst du nicht tun. Ich weiß, dein Vater hat dir sehr wehgetan, aber das ist nicht der

Weg.« Nun war auch Rose ins Zimmer gekommen. Beim Anblick der Kreatur stieß sie einen spitzen Schrei aus. Das Ross stieß Dampf aus seinen Nüstern. Die ganze Situation war zum Bersten gespannt. Die Blondine warf einen Blick auf ihre Eltern. Mit einem Mal schien das Mädchen von vorhin verschwunden. »Töte sie alle!« Der erste Hieb kam schnell und trennte Bernhardts Kopf von den Schultern. Ethan konnte nur geschockt zusehen, während Brown ihn und Rose am Arm hinter sich her Zog. Es ging in den Vorgarten. Richtung Auto. Der Reiter brach einfach aus dem Fenster hervor

und mit zwei mächtigen Schritten seines Rosses, hatte er sie eingeholt. Die Klinge sauste erneut nieder. Katherinas Mutter fiel. Fred und Ethan erreichten den Wagen. Der Motor startete und das Fahrzeug setzte sich in Bewegung. »SCHEISSE!« Mehr konnte er nicht sagen. Im Rückspiegel sahen sie, wie der Reiter Katherina aufs Pferd half, ehe er die Verfolgung aufnahm. Gegenwart - 2005 »Fred und ich sind nur knapp entkommen. Der Reiter folgte uns bis zur

Grenze von Ann Arbor. Wir hatten Glück. Katherinas Eltern allerdings nicht. Hingeschlachtet von der eigenen Tochter. Ich dachte wirklich, ich wäre zu ihr durchgedrungen, aber ich habe mich getäuscht.« Wehmütig sah Ethan ins Leere. Diese Erinnerungen plagten ihn, jetzt wo ihn die Vergangenheit wieder einzuholen schien. Wie Hammond sich wohl mit Albert gefühlt hatte? Wahrscheinlich genauso, wie er es tat. Ein Seufzer entkam seiner Kehle. Einfach nur Hierzusitzen und nichts tun zu können, war die Hölle. Katherina war da draußen und sie hatten keine Ahnung, wie ihre nächsten Schritte aussahen. Mit

Hammond in ihrer Gewalt konnte sie nahezu überall sein. »Und dein Partner? Was ist mit Frederik passiert?« Ethan senkte den Blick. »Wir waren dem Reiter knapp entkommen. Noch nie hatten wir einer solchen Situation gegenüber gestanden. Nach der Geschichte gingen wir direkt ins Sanatorium zurück, um Hammond mit unseren neusten Erkenntnissen zu konfrontieren. Fred war denkbar aufgebracht.« 3 ½ Jahre früher - Sommer 2001 »Verflucht nochmal Norman! Ethan und

ich sind nur knapp dem Tod entkommen! Dieses Mädchen hat ihre Eltern kaltblütig ermordet. Dieser Reiter hat uns quer durch Ann Arbor gehetzt. Das hättest du uns wohl nicht vorher sagen können oder?« Brown ließ sich auf dem Stuhl nieder und zündete sich eine Zigarette an. Die Erschöpfung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Auch Rain war fertig mit den Nerven. Das Mädchen hatte einfach alles, was er bis jetzt kannte über den Haufen geworfen. Solch eine Kraft war ihm noch nie untergekommen. Wie sollten sie es mit ihr aufnehmen? Sie waren nur zwei stinknormale Männer, die nicht wirklich viel zu bieten hatten.

Hammond saß ruhig da und warf noch einmal einen Blick auf die Zeitungsberichte. »Das sind denkbar schlechte Nachrichten. Miss Compton scheint stärker zu sein, als ich angenommen hatte.« »Ach wirklich Norman?«, raunte Brown. »Dieses Mädchen kann alles, was sie malt, und ich meine alles, zum Leben erwecken. Wie sollen wir uns dagegen zur Wehr setzen? Es ist ein Wunder, dass wir beide überhaupt noch unseren Kopf auf den Schultern tragen. Ganz zu schweigen davon, dass die Kleine mit ihrem Feldzug sicher noch nicht fertig

ist.« »Ethan nickte zustimmend. »Sie sinnt auf Rache. Das ist eindeutig. Die drei Schüler und ihre Eltern waren erst der Anfang. Sie wird weitermachen, bis all ihre Peiniger aus dem Weg geräumt sind.« Norman sah ihn über seine Brille hinweg an. »Das müssen wir unter allen Umständen verhindern. Ich werde ein Team zusammenstellen, dass sie unterstützt. Finden sie das Mädchen und bringen Sie sie her.« »Und was dann? Was wenn sie hier ist?« Der Anstaltsleiter senkte den Blick. »Wir werden versuchen ihr zu helfen.

Schon jetzt denke ich, dass sie definitiv in die D-Kategorie gehört. Wir müssen ihre Kräfte mit Essentia unterdrücken. Vielleicht, so Gott will, kann man sie wieder heilen, so dass sie den Schrecken, der ihr widerfahren ist vergisst. Das müssen wir einfach hoffen.« »Und wenn nicht?« »Dann bleibt wohl nur eines. Dann werden wir die Kammer nutzen müssen.« Frederik lächelte müde und zog an seiner Zigarette. »Dafür müssen wir das Mädchen erst einmal haben. Das ist mir zu viel Spekulation. Was bringt ein Team gegen eine solche Macht? Das sind nur noch

mehr kopflose Leichen. Ich werde niemanden, wie die Lämmer zur Schlachtbank führen Norman. Das ist zu groß für uns. Das hättest du wissen müssen. Das ist mit einem Viktor Waslow nicht vergleichbar. Sie ist viel mächtiger, wenn sie erst lernt ihre Fähigkeiten richtig zu nutzen. Dann gibt es niemanden, der es mit ihr aufnehmen kann.«

Kopflos - II

3 ½ Jahre früher - Sommer 2001 Frederik nahm einen Schluck aus seinem Whiskeyglas. Im Hardrock Café war viel los. Üblicher Wochenendbetrieb. Die Bedienungen hatten Probleme, mit den Bestellungen hinterher zu kommen. Die beiden Ärzte ließen deshalb in weiser Voraussicht die Flasche an den Tisch bringen. Nach dem Tag konnte Ethan das gebrauchen. Gute alte Rockmusik füllte seine Ohren und der Alkohol betäubte die Sinne. Im Moment genau das richtige. Auch Brown zauderte nicht mit dem guten Schnaps. Mittlerweile

schenkte er sich zum 6. Mal ein. Das Gesicht war bereits rötlich verfärbt. Nach dem Gespräch mit Hammond waren sie direkt hierher gekommen. Es lenkte von der Tatsache ab, dass zwei Menschen vor ihren Augen ermordet worden waren. Sie hatten nichts tun können. Am Ende waren die Comptons gestorben. Ein Opfer ihrer eigenen Tochter. Unvorstellbar, dass so etwas wirklich passierte. Eigentlich waren solche Dinge Stoff für einen Thriller im Fernsehen. Rain zitterte. Die Gesamtsituation wirkte surreal. Sie war noch ein junges Mädchen. Nicht mal wirklich erwachsen. Er sah auf sein Glas und

seufzte, bevor er den Whiskey hinunterkippte. »Und? Weißt du jetzt, warum ich das Zeug so gerne trinke?«, wollte sein Gegenüber wissen. Ethan nickte nur und goss sich wieder ein. Brown schien mit der Sache besser zurecht zu kommen als er. Er war allerdings auch länger dabei. Er hatte schon aller Hand gesehen und erlebt. Dennoch stellte sich ihm die Frage, ob solche Dinge auch dazugehörten. Sein Kollege warf ihm einen mitfühlenden Blick zu und kratzte sich am Bart. »Wie lange bist du jetzt im Sanatorium Ethan? Etwas über 4 Jahre? Solche Sachen passieren zwar nicht immer, aber

sie passieren. Es ist nicht einfach damit umzugehen, aber sich davon umwerfen zu lassen ist nicht der richtige Weg.« Brown zündete sich eine Zigarette an, und hielt seinem Kollegen die Schachtel hin. Ein Kopfschütteln war die Antwort. »Nur weil ich angefangen habe dieses Zeug in mich hineinzuschütten, heißt das nicht, dass ich all meine Prinzipien vergesse.« »Vernünftig. Was ich aber sagen will, ist: Dieser Job ist nun mal nicht mit den Anderen zu vergleichen. Diese schrecklichen Dinge passieren und meistens können wir nur tatenlos zusehen. Es ist grausam und furchtbar endgültig, aber letztendlich sind wir

dafür da, um zu verhindern, dass sich solche Tragödien wiederholen. Manche unserer Patienten sind eben so Ethan. Sie tun diese Dinge, weil sie keinen anderen Ausweg für sich sehen. Wir sind diejenigen, die stark sein müssen. Wenn wir nicht mehr weiterkämpfen, wer tut es dann?« Der Angesprochene zuckte mit den Schultern und stieß mit seinem Glas an. Die Worte klangen wie Luft in seinen Ohren. Im Moment wollte er nichts davon hören, sondern einfach nur betrunken werden. Das war die beste Art, solche Dinge zu verarbeiten, wenn einem sonst nichts einfiel. Trotzdem schienen sich diese Bilder in sein Gehirn

eingebrannt zu haben. Wie ihre Köpfe rollten und ihre Körper wie Puppen zu Boden fielen. Katherina hatte es nicht gekümmert. Kaltblütig hatte sie die beiden einfach umgebracht. »Manchmal frage ich mich, wie du das schaffst. Diese ganze Scheiße passiert und trotzdem bist du immer noch hier Fred. Wieso?« Sein Gegenüber grinste. »Irgendeiner muss es ja tun. Außerdem sorgt die Arbeit dafür, dass ich meine beiden Frauen nicht 24 Stunden um mich herum habe. Das sorgt für ein gutes Familienklima. Glaub mir. Irgendwann wirst du das auch verstehen. Du bist noch jung Ethan. Dein

Leben hat noch nicht mal richtig angefangen. Lass dich von sowas nicht zerfressen. Es zerstört dich.« Der Schwarzhaarige starrte auf sein leeres Glas. Ihm war, als hätte sämtliche Kraft seinen Körper verlassen. Er konnte sich nicht vorstellen, diese Arbeit über Jahrzehnte hinweg zu verrichten, wenn die Aussicht nur noch mehr Kummer war. Wenn es da draußen noch mehr wie Katherina gab, dann war dies nicht das letzte Mal, dass er solch einen Alptraum hatte mit ansehen müssen. »Und was machen wir jetzt? Das Mädchen ist sicher noch nicht fertig. Wie Hammond schon sagte: Wenn ihre

Kräfte weiter wachsen, dann können wir nichts mehr tun.« Brown leerte den letzten Rest aus seinem Glas und goss beiden neu ein. Mittlerweile war es nach Mitternacht. Draußen schienen die Straßenlaternen und die Lautstärke hatte den entsprechenden Pegel erreicht. »Für’s erste habe ich anonym eine Bombendrohung für die High School zukommen lassen. Da wird kein Unterricht stattfinden und Hammonds Leute überwachen die Klassenkameraden. Für heute Nacht dürften wir unsere Ruhe haben.« Ethan nickte. Dennoch wurde er dieses mulmige Gefühl in seiner Magengegend

nicht so leicht los, wie er angenommen hatte. Das Mädchen und ihr Reiter waren immer noch da draußen und konnten jederzeit wieder zuschlagen. So leicht ließ sich dieser Umstand nicht aus der Welt schaffen. Auch nicht nach 8 Gläsern Whiskey. »Du denkst wirklich an alles.« Sein Gegenüber grinste nur und legte die Hände hinter den Kopf. »So bin ich nun mal. Allzeit vorausschauend. Dennoch müssen wir uns etwas überlegen. Ich habe mir Gedanken über die Fähigkeiten dieses Mädchens gemacht. Wir müssen weiter denken. In welchem Spektrum kann Katherina ihre Kräfte nutzen? Wie

agieren die Figuren, die sie schafft? Anscheinend folgt der Reiter genau ihren Anweisungen. Wie trennen wir diese Verbindung, oder noch besser: Wie erledigen wir diesen Kerl?« Ethan zuckte mit den Schultern und nahm einen Schluck aus seinem Glas. »Frag mich was Leichteres. Wir kommen wohl nicht noch einmal so nahe an sie heran, um das herauszufinden.« Brown zog an seiner Malboro und tippte sich nachdenklich mit dem Zeigefinger gegen die Stirn. Ein herzhaftes Gähnen entkam ihm, ehe er die Glieder von sich streckte. »Wir sollten uns heute nicht mehr darüber den Kopf zerbrechen. Du solltest

nach Hause gehen. Ich hoffe, Carrie ist nicht allzu böse wegen des Kinobesuchs. Richte ihr meine Grüße aus. Und versuch sie nicht direkt mit deiner Whiskeyfahne anzuhauchen. » Er klopfte einmal auf den Tisch und erhob sich. Fred hatte Recht. Für heute Abend genügte es. Außerdem mussten sie sich auf den Fall konzentrieren. Das ging nicht, wenn man einen Kater hatte. Generell bekam Ethan immer schnell Kopfschmerzen nach einer durchzechten Nacht. Brown hatte irgendwie nie Probleme damit. Auch etwas, weswegen er seinen Partner beneidete. Rain hob die Hand zum Abschied. »Wir sehen uns dann. Und lass dir nicht

von deiner Tochter auf der Nase rumtanzen!« Sein Gegenüber streckte Stolz die Brust hervor. »Ha. Der Mensch, der mir auf der Nase herumtanzt, muss erst noch geboren werden. In diesem Sinne: Bis morgen.« Er ging davon und Ethan sah ihm noch einen Moment nach, ehe er den letzten Schluck aus seinem Glas hinunterkippte. Gegenwart - 2005 »AU! Nicht so wild!« Naiomi ließ wieder von ihm ab und rieb sich peinlich berührt am Hinterkopf. Das verspielte Grinsen konnte sie sich

natürlich nicht verkneifen. Carrie saß am Bettende und lächelte. Sie waren gerade erst gekommen und hatten Dwight wieder abgelöst, der im Laufe des Abends noch ein paar Dinge erledigen wollte. Die 16-Jährige ließ sich auf dem Stuhl nieder und schlug die Beine übereinander. »Man Ethan. Da bin ich mal n paar Wochen nicht da, und du wirst direkt zum Krüppel. Auch nicht schlecht. Wenigstens kann ich dich jetzt wieder gesundpflegen. Ist das nicht schön?« Sie lächelte süffisant und wischte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Seine Frau fand das nicht sonderlich lustig und räusperte sich. Unschuldig sah das

Mädchen zu ihr herüber. »Ach Car. Ich mach doch nur Spaß! Er ist ganz dein, aber in den Arm nehmen darf ich ihn doch, oder? Immerhin hab ich ihn lange nicht gesehen. Wie ist das eigentlich passiert? Hast du dir ne Katze angeschafft?« Ethan schüttelte den Kopf und seufzte. »Du magst zwar gerne deine Nase überall reinstecken, aber es gibt auch Dinge die dich nichts angehen.« »Jaja. Du mich auch Ethan! Und, was krieg ich zu Weihnachten?« »Einen Gratiskurs in Benimmregeln.« Sie lachte und griff zu ihrem Rucksack, aus dem sie sich eine Flasche Wasser hervorholte. Ethans Frau stand auf und

warf sich ihre Jacke wieder über. »Ich komme später noch mal vorbei. Ich will nur nach Sofia sehen und Leah ein bisschen Ruhe gönnen. Lass dir nicht zu sehr von ihr die Laune verderben.« Er schüttelte den Kopf und gab ihr zum Abschied einen Kuss, ehe sie das Zimmer verließ und er alleine mit der ehemaligen B-Patientin zurückblieb. Die trank einen Schluck aus der Flasche, ehe sie sich näher zu ihm beugte und hinter vorgehaltener Hand flüsterte. »Also. Jetzt wo sie weg ist, kannst du mich ruhig küssen.« »Sehr witzig.« Die junge Winchester grinste nur und

bohrte sich in der Nase, woraufhin er nur das Gesicht verzog. Der Arzt ließ sich wieder in sein Kissen zurücksinken und sah an die Decke. »Wie läuft es in der Schule?« »Ganz gut. Ist zwar alles n bisschen kompliziert, aber ich komm klar. Es gibt zwar Idioten, aber das kriege ich auch hin.« »Dein Onkel hat mich vorher angerufen. Du warst in deiner ersten Woche dreimal bei der Direktorin.« Brüskiert stemmte die junge Frau die Hände in die Hüften und schnaubte. »Also bitte. Die Mitchell hat mich doch aufm Kieker. Dämliche alte Vettel. Nur weil ihr Mann sie nicht mehr bürsten

will.« »Naiomi!« »Ist doch wahr. Und dann diese aufgeblasenen Cheerleader. Gott, wie ich diese Hühner hasse.« Ethan grinste nur. »Du machst es ihnen sicher auch nicht einfach. Du musst eben versuchen, sich einzufügen, auch wenn es nicht immer leicht ist. Sieh so: Du hast endlich ein Leben, das du frei bestimmen kannst.« Sie lächelte. »Ja. Ich kann dir nicht oft genug dafür danken. Ohne dich säße ich jetzt wahrscheinlich wieder in der Anstalt. Du bist echt mein Ritter auf seinem weißen Pferd. Zu dumm, dass du

verheiratet und ein Greis bist.« Er verdrehte nur die Augen und schüttelte den Kopf. Was diese Art anging, so hatte sie sich kaum verändert. Wenigstens ging es ihr gut. Das war die Hauptsache. Naiomis Sachlage zeigte ihm, dass nicht alles was er tat umsonst war. Man konnte den Patienten helfen, wenn man nur hart genug kämpfte. Früher, war er noch nicht dieser Auffassung gewesen. Heute allerdings, dachte er anders darüber. Er war weiser und erfahrener als damals. »Also. Raus mit der Sprache Doc. Warum bist du hier?« Sein Blick wurde wehmütig. Er legte die Hände ineinander und starrte einen

Moment lang ins Leere. »Es ist nicht einfach Naiomi. Viel ist passiert, seitdem du weg bist. Es gibt neue Patienten, und die alten machen es einem nicht immer leicht.« »Klingt ja nach nem großen Haufen Ärger. Ich dachte, du hast Dwight der dir hilft, wenn deine Chefin und die alte Foster mal wieder aus der Reihe tanzen. Sind die noch ungenießbarer geworden? Wusste gar nicht, dass das geht.« Er schüttelte den Kopf. »Das wäre nichts, mit dem ich nicht umgehen könnte. Immerhin hab ich ja auch dich ertragen.« »Du mich auch,

Ethan.« Sie stützte das Kinn auf der Faust ab und ließ den Blick einen Augenblick lang durch den Raum schweifen. »Nett hast du’s hier. Wie lange musst du noch bleiben?« Er zuckte mit den Schultern. »Hoffentlich nicht allzu lange. Es gibt viel zu tun. Außerdem stehen die Feiertage vor der Tür. Mit der Verletzung ist das allerdings leichter gesagt, als getan. Der Arzt war ziemlich deutlich, als er sagte, dass ich mit meinem Hintern im Bett bleiben soll.« Sie lachte. »Tja. Schon ein komisches Gefühl, wenn

man von den Kittelträgern untergebuttert wird.« Sie warf einen Blick auf seinen Verband und rutschte näher an sein Bett heran. »Ich hab Carrie und Dwight reden hören. Es heilt nicht, oder? Klingt ganz danach, als ob einer von uns dafür verantwortlich ist.« Zögerlich nickte er. Sie war gut darin, sich Informationen zu erschleichen. Sorge wanderte in ihren Blick, ehe sie aufstand und den Verband ein wenig nach oben schob. Unter dem genähten war noch immer das rote Fleisch zu erkennen. Einzelne Blutstropfen sickerten zwischen den Fäden hervor. Nachdenklich betrachtete sie das ganze

und legte den Kopf leicht schief.Ein Lächeln glitt ihr über die Lippen. »Ich kanns besser machen. Dann blutet es nicht mehr.« Er sah sie fragend an. »Wie soll das denn gehen?« Selbstgefällig legte sie den Kopf in den Nacken. »Schon vergessen? Ich bin großartig!« Damit legte sie ihre Uhr ab. »Deine brauch ich auch und sonst noch alles was du nicht an Metall brauchst.« Skepsis wanderte in seine Züge. Was hatte sie denn jetzt vor? Widerwillig reichte er ihr seine Armbanduhr ebenfalls. Sie hielt beide Stücke in den Händen, bevor sich diese verflüssigten.

Naiomi sah ihn an. »Das wird jetzt ein wenig wehtun.« Sie ließ das flüssige Metall auf die genähte Wunde tropfen. Es war kalt. Er schüttelte sich. Das Mädchen konzentrierte sich, womit die Flüssigkeit begann, durch die Öffnung in seiner Brust zu fließen. Er presste die Zähne zusammen. Ethan musste sich zusammenreißen, um nicht zu schreien, während er spüren konnte, wie sich das Metall unter der Haut wieder verhärtete. Nach ein paar Sekunden war alles vorbei. Zufrieden betrachtete die Rothaarige ihr Werk. »Das wird besser halten. So tritt kein Blut mehr aus. Zumindest, bis wir eine

bessere Lösung gefunden haben. Allerdings würde ich mich an deiner Stelle ab jetzt von irgendwelchen Detektoren festhalten, wenn du die Dinger nicht in die Luft jagen willst! Kannst dich ja mit nem Abendessen bedanken.« Sie zwinkerte ihm zu und trank einen Schluck aus ihrer Wasserflasche. Ein wenig verblüfft zog er den Verband wieder nach oben. Es tat auch nicht mehr so weh, wie noch zuvor. »Danke.« »Keine Ursache. Das ist das mindeste, was ich tun konnte. Und jetzt erzähl: Wie ist es dazu

gekommen?« 3 ½ Jahre früher - Sommer 2001 »Denkst du, dass wir hier wirklich noch etwas finden? Ich glaube nicht, dass Sie hierher zurückkommt, Fred.« Sie waren wieder in die Avenue gefahren. Draußen hörte man das Zwitschern der Vögel. Mittlerweile war das Haus der Comptons ein Tatort und dementsprechend abgesperrt. Kein Hindernis für die beiden. Um diese Uhrzeit war es ruhig. Im Zimmer des Mädchens erinnerte nur eine Kreidebemalung an das Schicksal von Bernhardt. Viele der Bilder fehlten. Dirk

zündete sich eine Malboro an und warf einen Blick ins Regal. Prüfend musterte er die verschiedenen Fotos. Mal eine lachende Katherina. Mal eine, die Grimassen schnitt. Ethans Partner fuhr sich durch das leicht ergraute Haar und seufzte. »Wenn man sich das so ansieht, dann frage ich mich, was schief gelaufen ist. Das Mädchen wurde geschlagen, sagst du?« Er nickte nur und putzte währenddessen seine Brille. Der junge Arzt saß auf dem Bett. Der gestrige Abend hing ihm noch schwer in den Knochen. Dennoch war nicht an einen freien Tag zu denken. Diese Schülerin war irgendwo da

draußen. Jeder Hinweis konnte helfen, sie zu finden. »Sie sagte zwar, dass das erst wirklich anfing, als sie ihre Kräfte entdeckte, aber das halte ich für eine Lüge. Ein paar der Blessuren waren schon älter. An der Zimmertür, da ist ein Riegel. Den Rest kannst du dir zusammenreimen.« Brown schüttelte den Kopf und setzte ein mürrisches Gesicht auf. »Was sind das nur für Leute, die ihrem eigenen Kind so etwas antun? Ich meine, Polly ist manchmal auch schwierig, aber deswegen setze ich kein Vorhängeschloss an ihre Tür. Da ist es kein Wunder, dass Mum und Dad die nächsten waren.

« Er zog an seiner Zigarette und schritt zum Fenster. Es ließ sich jedoch nicht öffnen. Resignierend schnaubte er und legte die Hand ans Fensterbrett. Der jüngere sah ihn an. Gestern war alles viel zu schnell gegangen, um auf solche Details zu achten. Jetzt allerdings ließ sich vieles besser verstehen.Aber warum hatte sie ihn belogen? Sie hätte ihm von Anfang an die Wahrheit sagen können. Hatte sie sich zu sehr geschämt? Er war sich nicht sicher. Hier gab es viele offene Fragen, und es würde sicher einige Zeit dauern, bis sie die Antworten darauf fanden. »Stell es dir selbst mal vor Fred: Du bist

ganz allein, unfähig dich wirklich zu wehren. Wahrscheinlich ging das schon ihr halbes Leben so. Jeden Tag eingesperrt. Immer geschlagen, wenn man nicht spurt. Es ist wie ein Alptraum. Bis man dann plötzlich entdeckt, dass man die Kraft hat, diese Pein zu beenden. Da fragt man nicht lange nach, ob das richtig oder falsch ist. Man will nur, dass es aufhört.« »Du hast Mitleid mit ihr.« Er nickte und setzte seine Brille wieder auf. »Ist das verwunderlich? Niemand verdient so eine Behandlung Fred.« Der Andere schüttelte den Kopf und drückte seine Zigarette in einer

Schublade aus, bevor er den Stümmel in der Tasche verschwinden ließ. »Natürlich nicht. Aber das ist nicht der einzige Grund oder? Du denkst an dich selbst, und an deinen Dad.« Ethan hob abwehrend die Hand. »Das gehört jetzt nicht hierher. Es hat mich nur ein wenig daran erinnert.« Brown ließ sich neben seinem Freund nieder und faltete die Hände ineinander. Eine Weile schwieg er und starrte stumm geradeaus. »Und heute ist dein Vater so etwas wie dein bester Freund. Das hab ich auch nie wirklich verstanden.« »Ich habe ihm vergeben Fred. Das alles ist lange her. Damals war er ein anderer

Mann. Trotz allem ist er immer noch mein Vater.« Fred nickte. »Und jetzt wird sein Gehirn immer Weicher. Wie Kartoffelsalat. Ist wohl Gottes Art ihm zu zeigen, dass er Mist gebaut hat. Nichts für ungut.« »Schon okay. Jedenfalls, als ich klein war, habe ich natürlich auch mal so gedacht: ›Was, wenn er einfach weg wäre?‹ Kat hat das sicher auch oft gedacht. Anders als bei mir, bekam sie die Möglichkeit sich zu wehren. Aber es war nicht richtig. So ein Schicksal verdient niemand. Ich wünschte, wir hätten sie früher gefunden. Vielleicht hätte man das Schlimmste verhindern

können.« Brown zuckte mit den Schultern und warf ihm einen kurzen Blick zu. »Das sagt man immer, aber wissen tut man es nicht. Wenn ich mich so umsehe, glaube ich das nicht. Bernhardt und Rose haben ihr Schicksal schon besiegelt, als sie damit anfingen, ihrem Kind so etwas anzutun. Da hätten wir nichts mehr machen können. Manchmal ist es einfach so, dass unsere Wege schon festgelegt sind. Egal was wir tun, oder versuchen. Was wir jetzt machen können, ist dem Mädchen zu helfen. Wir finden sie.« Er stand wieder auf und griff in seine Manteltasche, aus der er einen

Notizblock holte. Schnell fuhr ein Bleistift über das Papier und kritzelte ein paar Informationen darauf. »Und was machen wir, wenn wir sie gefunden haben? Sie hat den Reiter. Außerdem kann sie jedes beliebige andere Wesen erschaffen.« Brown grinste. »Da habe ich mir schon ein paar Gedanken gemacht. Mal darüber nachgedacht, was passiert, wenn wir zum Beispiel die Bilder zerstören? Dann hätte die Kreatur keinen Entstehungspunkt mehr. Ich glaube nicht, dass ihre Schöpfungen vollkommen unabhängig sind. Jede Kraft hat einen Anker. Wir müssen ihn nur

finden.« Das war leicht gesagt. Sie hatten keinen Anhaltspunkt auf den Verbleib des Mädchens. Das war die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Dennoch war Aufgeben keine Option. »Was meinst du, wo sie ist? Sie muss doch einen Rückzugsort haben.« Brown zuckte mit den Schultern. »Die Schule ist zu. Wir sollten uns da mal umsehen. Ich rufe Hammond an. Der soll Verstärkung schicken, für den Fall, dass da wirklich was ist.« »Ist da nicht das Bombenräumkommando, wegen deiner Drohung?« »Ethan. Das sind Beamte. Die werden

wohl kaum um 6 Uhr morgens in eine Schule gehen.« Tatsächlich hatte man die Schule von Ann Arbor für heute geschlossen. Nirgends ein Zeichen dafür, dass jemand hier war. Dennoch mussten sie ihr Glück versuchen. Das war die beste Spur die sie hatten. Ein Gefühl sagte Ethan, dass das Mädchen diesen Ort aufsuchte. Er zog seine Jacke enger. Eine kühle Morgenbrise wehte ihm durchs Haar. Brown rauchte eine Zigarette und sah sich um. »Von außen wirken die immer so friedlich. Kaum daran zu denken, dass

hier echte Arschlöcher aufwachsen. Immerhin kann Katherina sich nicht an ihren Mitschülern auslassen. Wahrscheinlich wartet sie irgendwo.« »Denkst du, sie hat von der Drohung etwas mitbekommen?« Der Andere schüttelte den Kopf. »Wie denn? Nein. Ich denke, dass sie warten wird. Wir müssen uns jetzt nur einen Plan überlegen, wie wir sie eintüten und mitnehmen.« »Sie ist doch keine Sammelfigur Fred!« Der Ältere zuckte mit den Schultern und zog an seiner Malboro. »Erinnert aber ein bisschen daran. Das ist wie mit den Schlümpfen damals. Jeder hat eine besondere

Eigenschaft.« »Der Vergleich ist abartig.« »Aber er kommt hin. Was soll’s. Wir teilen uns am besten auf und suchen getrennt.« Er schritt zum Kofferraum seines Wagens und holte ein Betäubungsgewehr daraus hervor. »Hier. Das habe ich besorgt. Für den Fall der Fälle.« »Was glaubst du, was wir hier machen? Das ist keine Nashornjagd!« Ihm gefiel das überhaupt nicht. Protestierend verschränkte er die Arme vor der Brust und sah seinen Partner stirnrunzelnd an. Fred lächelte süffisant und schulterte die Waffe.

»Besser, als mit leeren Händen da rein zu gehen. Ich mag meinen Kopf gerne auf seinen Schultern. Also, sobald wir drinnen sind, suchen wir Korridor für Korridor ab. Pass auf, dass wir uns nicht aus den Augen verlieren.« Und damit betraten sie das Gebäude. Brown knackte eines der Fensterschlösser, wodurch sie ins Innere gelangten. Das Klassenzimmer war ruhig und verlassen. Ethan sah sich um. Nichts ließ darauf schließen, dass Katherina hier war. Also ging es weiter hinaus auf den Flur. Ein beißender Geruch drang dem Arzt in die Nase. »Was ist das

denn?« Der Boden war nass und man musste aufpassen, dass man nicht ausrutschte. »Etwas früh für die Putzfrau. Das ist Benzin.« Jetzt sah er die schimmernde Oberfläche. Der ganze Flur war voll davon. Brown runzelte die Stirn und grinste. »Super. Scheint als hat die Kleine eine Grillparty geplant.« Hinter sich hörten die beiden Schritte. Rain wandte sich zuerst um. Katherina stand am ende des Ganges. Neben ihr der Hund, den sie gemalt hatte. Bodo knurrte die beiden an. Fred fuhr sich mit der Hand durchs Haar und seufzte.

»Na das ist doch mal ein Empfang.« Das Mädchen sah sie düster an. Ihre Augen leuchteten in allen Farben des Regenbogens. So etwas hatte Ethan noch nie gesehen. »Ihre Kräfte wachsen« In der Hand hielt sie eine Art Block. Auf der ersten Seite war ein Benzinkanister abgebildet. So hatte sie es also angestellt. Gar nicht so dumm. Das musste man ihr lassen. Dennoch durften sie nicht zulassen, dass sie ihren Plan verwirklichte. Langsam trat der Arzt auf sie zu und hob beschwichtigend die Hände. »Katherina. Wir wollen dir nichts

tun.« Das Mädchen warf einen Blick auf Brown. »Und warum hat der dann ein Gewehr?« Fred sah sie unschuldig an. »Für den Fall, dass dein köpfender Freund auftaucht.« »Der kommt nicht, wenn ich ihn nicht rufe.« Sie wirkte absolut selbstsicher. Ethan und Frederik waren im Nachteil. Wer wusste schon, was sie genau im Schilde führte? Vorsicht war geboten. »Willst du das wirklich tun? Es wird keiner kommen, Katherina. Deine Bemühungen waren umsonst.«, erklärte der Arzt und sah sie dabei mitfühlend an.

Kaum auszudenken, was im Moment wohl in ihr vorging. Sie wirkte so distanziert. Als würde sie nicht kümmern, was sie ihren Eltern angetan hatte, oder was sie im Begriff war zu tun. Ohne Reue. Ethan fragte sich, wie jemand so werden konnte. Er selbst hatte ebenfalls eine harte Vergangenheit hinter sich. Dennoch bekam er die Kurve. Sie konnte das mit Sicherheit auch, wenn man ihr nur den richtigen Weg zeigte. »Waren sie nicht. Alles ist genau so, wie ich wollte.« Perplex sahen beide Männer sie an. Das Mädchen holte ein Feuerzeug aus ihrer Tasche hervor. Brown sah zu

Ethan. »Sie hat uns hierher gelockt. Es ging nicht um ihre Mitschüler. Diese Falle war für uns.« Hinter sich hörten die Männer Hufgetrappel. Der Reiter blockierte den Flur. Vor ihnen stand die Blondine. Sie saßen fest. Ethan hatte Angst. Fred legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Ganz ruhig.« Das Mädchen legte den Kopf schief. Etwas fragendes wanderte in ihren Ausdruck, während sie den alten Mann musterte. »Ganz ruhig? Haben sie denn gar keine Angst?« »Warum sollte ich? Das hier endet nicht

so, wie du dir das vorstellst!« Irgendwo war ein polterndes Geräusch zu hören. Schritte hallten auf dem Boden nieder. Es dauerte nicht lange, bis die ersten um die Ecke kamen. Hammonds Männer. Alle mit Betäubungsgewehren bewaffnet. Inmitten von ihnen stand der Anstaltsleiter. Gefasst wie immer. Väterlich ließ er seine Augen über das Mädchen schweifen und legte die Hände hinter den Rücken. »Du bist sicher Katherina. Mein Name ist Norman. Ich bin hier, um dir zu helfen. Das hier muss nicht so enden, und das weißt du auch. Es muss niemand mehr sterben. Das hier kann

friedlich ausgehen.« Das Mädchen schüttelte vehement den Kopf. »Glauben sie das wirklich? Sie verstehen überhaupt nichts! Ihr urteilt einfach über mich! Ihr seid genau wie die Anderen!« Sie zündete das Benzin an und die Feuerwalze brach los. Just in dem Moment schoss einer der Soldaten und traf das Mädchen mit einem Betäubungspfeil. Sie ging zu Boden. Fred und Ethan wandten sich um, doch der Reiter war immer noch da und stieg von seinem Pferd ab. Die Klinge gezückt. »Scheiße. Er ist außer Kontrolle!« Ethan sah den Reiter an. Hinter sich

spürte er die aufsteigende Hitze. Fred schoss, doch es brachte nichts. Der Kopflose zog den Pfeil aus seiner Schulter und warf ihn achtlos weg. Er holte zum ersten Streich aus und traf den Arzt am Arm. »Hammond! Verbrennen sie den Block!«, brüllte Fred, der sich jetzt der Klinge des Reiters gegenüber sah. Wenige Momente später ließ der dunkle Krieger seine Waffe fallen. Er verharrte in seiner Position, ehe er, genau wie sein schwarzes Ross zu schmelzen begann. Ethan sah zu Hammond. Der hielt den Block in die Flammen. Auch das Feuer verlosch. Mit einem Mal war es still auf dem Flur. Rain seufzte erleichtert auf

und sah zu Brown. Der Blick wurde starr. Der Körper seines Partners lag leblos auf dem Boden. Es war, als würde eine Welt für ihn zusammenbrechen. Der Reiter hatte nur seinen Hals erwischt. Sofort war er an seiner Seite und drehte ihn auf den Rücken. Frederik spuckte Blut und hielt sich die Kehle. »Er hat mich wohl voll erwischt!«, presste er hervor. »Still. Du darfst nicht so viel reden.« Brown grinste. »Ethan. Ich bin nicht blöd.« Er hustete und griff in seine Hosentasche. Die Schachtel Malboro fiel ihm aus den Händen. Der jüngere half

ihm und steckte ihm die Zigarette in den Mund. Sofort verfärbte sich der Filter rötlich. Währenddessen schafften Hammonds Männer Katherina fort. Ethan zündete seinem Freund die Zigarette an. Der ergriff seine Hand. »Weißt du noch, was ich dir über den Job gesagt habe?« Er wurde kreidebleich. Langsam aber sicher, wich immer mehr Leben aus ihm. Ethan hasste sich selbst dafür, dass er sich nicht daran erinnern konnte. Tränen liefen ihm über die Wange. Brown lächelte matt und zog an seiner Zigarette, ehe er erneut hustete. »Lass dich davon nicht zerfressen Ethan. Denk daran: Wenn wir nicht mehr

weiterkämpfen, wer tut es dann?« Und damit fiel ihm die brennende Zigarette aus dem Mund. Fred wirkte friedlich, während er die Augen zum letzten mal schloss. Ethan griff nach der Schachtel Malboro und zündete sich nun selbst eine an. Frederik hatte Recht. Wenn sie nicht mehr kämpften, wer sollte es dann tun? Gegenwart - 2005 Ethan saß im Garten des Krankenhauses und rauchte eine Malboro. Dwight und Naiomi saßen neben ihm. Das Mädchen weinte. Der Afroamerikaner wirkte sichtlich geknickt.

»Kaum zu glauben. Und dann habt ihr sie in die Kammer gebracht?« Er nickte. »Es gab keine andere Möglichkeit. Sie war einfach zu sehr von ihren negativen Gefühlen zerfressen. Das konnte man mit normaler Therapie nicht reparieren. Also taten wir, was wir für das beste hielten. Ihr Gedächtnis wurde gelöscht und neu aufgezogen. Danach war sie die Katherina, die wir kennen. Das liebe nette Mädchen, das gerne Pizza isst und Pandafiguren sammelt.« Der Arzt seufzte und starrte auf das Gras vor seinen Füßen. Der Abend war über sie hereingebrochen. Nur Stille war

zu hören. »Für Fred kam leider jede Hilfe zu spät. Seine Frau hat das nicht verkraftet. Ein halbes Jahr später hat sie sich mit Schlaftabletten das Leben genommen. Polly kam in eine Nervenheilanstalt. Katherina hatte damals mehr Schaden angerichtet, als sie wahrscheinlich wusste. Seitdem arbeitete ich allein. Versuchte weiter zu machen. Das hatte ich ihm versprochen. Manchmal, ist es allerdings einfach zu schwer. Nicht immer findet man die richtige Lösung. Und wenn, dann gefällt sie einem nicht.« Eine einzelne Träne lief ihm übers Gesicht. Lange Zeit hatte er nicht mehr daran gedacht. Es geradezu verdrängt.

Normalerweise hätte er nie wieder einen Partner angenommen, aber Hammond bestand darauf. Deshalb war Dwight gekommen. Er war beinahe so wie Ethan damals und er sah sich in Frederiks Rolle. Er war der Mentor, der dem Studenten den Weg weisen musste. Allerdings wusste Rain selbst nicht, wie dieser im Moment aussah. »Dennoch darfst du ihn nicht vergessen Ethan. Ein Teil von dir lebt immer in ihm weiter«, erklärte Dwight nur und lächelte freundlich. »Und solange wie beide zusammenhalten, kann auch nichts schiefgehen.« »Wie

herzerweichend!« Schockiert wandten sie sich zu einem der Bäume. Katherinas Regenbogenaugen leuchteten ihnen entgegen. Sie sah beinahe aus wie damals. Geschminkt. Schwarze Kleidung. Richtig düster. Nichts erinnerte mehr an das lebensfrohe Mädchen, das sie vorher war. »Eine tolle Geschichte Ethan. Ich wusste gar nicht, dass ich Fred auch erwischt hab. Das erspart mir einiges. Ich hätte es gerne gesehen. Dumm dass Hammonds Männer mich schon vorher betäubt hatten.« »Wo ist Hammond

Katherina?« Sie lächelte matt. »Außerhalb deiner Reichweite.« Naiomi stand auf und stellte sich schützend vor den Arzt. Die Blondine hob die Hand. »Ganz ruhig. Wer bist du eigentlich? Mein Ersatz? Ist ja süß. Ich wusste gar nicht dass du auf jüngere stehst Ethan. Was sagt deine Frau denn dazu?« Die junge Winchester ballte die Hand zur Faust. Dwight hielt sie an der Schulter fest. »Mach jetzt nichts dummes!« Sie schnaubte verächtlich. »Pff. Die Alte verdient gehörig auf die

Fresse!« Ethan schüttelte den Kopf. »Nein. Du kannst sie nicht besiegen Naiomi. Sie ist viel zu stark!« Katherina grinste süffisant und fuhr sich durch das blonde Haar. »Wenigstens einer hat es begriffen. Keine Angst. Ich tu euch nichts. Noch nicht. Du siehst gut aus Ethan. Tut’s noch weh?« Sie deutete auf ihre Brust. »Hätte ja nicht gedacht, dass du danach überhaupt noch laufen kannst.« Sie verspottete ihn. Wahrscheinlich wollte sie, dass sie etwas unüberlegtes taten. Deshalb war es wichtig, dass sie alle drei ruhig blieben. Die Luft war zum

Zerreißen gespannt. Rain konnte nicht sagen, was als nächstes passierte. Dennoch schien sie nicht auf einen Kampf aus zu sein. »Was willst du hier Katherina?« »Ich will nur einen kleinen Plausch halten. Immerhin sind wir doch Freunde, oder? Ich erinnere mich an alles Ethan. Die Zeit in der wir drei rumgezogen sind, und meinesgleichen gejagt haben. Das war schon etwas nettes. Allerdings weiß ich auch, dass du mich einfach im Stich gelassen hast. Sie haben mich in den D-Trakt gesperrt wie ein Tier. All die Wochen lang. Und du hast nichts dagegen getan.« Ihre Stimme klang anklagend. Er hob

beschwichtigend die Hände und stand auf. »Ich konnte nicht Katherina. Mir waren die Hände gebunden.« »Ach. Aber Naiomi Winchester läuft frei herum. Das geht. Nur ich muss in einer Zelle versauern. Schon komisch.« »Bei mir ist eben nicht Hopfen und Malz verloren du krankes Miststück!«, fauchte die Rothaarige. Die Andere lachte. »Witzig. Dabei bist du nicht anders, oder? Genau so krank wie ich. Denkst du echt, dass du jemals richtig frei bist? Sobald du aus der Reihe tanzt, sperren sie dich ein und werfen den Schlüssel

weg.« Naiomi schüttelte den Kopf. »Versuch nur mich gegen die anderen aufzubringen. Das klappt nicht. Ich weiß, wo ich stehe.« »Ist das so? Interessant.« »Das reicht jetzt Katherina. Ich weiß dass du wütend bist, aber das hier ist keine Lösung. Wir können dir helfen, wenn du uns nur lässt. Das habe ich dir schon damals gesagt.« Sie sah ihn an. »Und schon damals klang es ziemlich hohl. Ich kenne das. Ihr macht Versprechungen, die ihr gar nicht einhalten könnt. Ich frage mich, ob ihr eigentlich selbst an das glaubt, was ihr

sagt.« Sie war stur. Keines seiner Worte schien sie zu erreichen. Es war bitter. Wie sollte er ihr helfen, wenn sie sich so von ihm abschottete? Frederik hatte Recht. Manchmal waren die Wege einfach vorherbestimmt, ohne dass man etwas dagegen tun konnte. Katherina musterte ihn. »Warum so traurig Ethan? Ist das nicht ein besonderer Augenblick? Wie in einem schlechten Drama.« »Und in einem schlechten Drama, kriegt das böse Flittchen immer das was sie verdient!«, erklärte Naiomi. »Sicher. Aber nicht heute. Das heben wir uns für später

auf« Sie wandte sich von ihnen ab. Ethan sah sie ernst an. »Ich werde nicht aufgeben Katherina. Nicht bis ich einen Weg gefunden habe, dir zu helfen.« Sie hielt inne. Der Wind wehte ihr durchs Haar, während sie in dieser Position verharrte. Dann schritt sie davon und ließ die Drei einfach zurück. Der Arzt sah ihr nach. Dwight legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Keine Sorge Ethan. Wir helfen ihr. Sie ist eine von uns.« Er nickte. Sie würden einen Weg finden. Er würde das Mädchen nicht einfach ihrem Schicksal überlassen. Es gab

immer eine Lösung und die würde er finden.

Das zerbrochene Band - I

»Wissen sie? Ich habe schon immer gerne gemalt. Das hat mit Märchenfiguren angefangen. Rotkäppchen, Hänsel und Gretel, Dornröschen. Ich fand das sehr interessant. Schließlich begann ich auch eigene Werke zu Zeichen. Ich war überrascht davon, zu welchen Leistungen, die Fantasie imstande ist. Als ich dann diese Fähigkeiten entdeckte, wusste ich: Meine Grenzen sind

endlos.« »Nimm deine Füße vom Tisch!« Einen Tag vor dem Heiligen Abend kam Ethan wieder nach Hause. Gegen Mittag hatten sich die Ärzte endlich dazu erweichen lassen. Über die Feiertage wollte er nicht im Krankenhaus bleiben. So wurde er von seiner Tochter als Erstes gegrüßt, die stürmisch das Bein ihres Vaters mit einem Arm umklammerte. In der anderen Hand hielt sie Dumbo, der anscheinend eine Wäsche nötig hatte. »Papa ist da!« Naiomi saß auf dem Sofa und hatte die Füße auf dem Tisch abgelegt. Die

Aufforderung ignorierte sie einfach. Zur Begrüßung hob die Rothaarige nur die Hand und sah weiter Fern. Carrie stand in der Küche und kochte gerade das Mittagessen. Ein köstlicher Duft von Eintopf wehte durch das ganze Haus. Hinter ihm brachte Dwight seinen Koffer in den Eingangsbereich. »Man. Du bist zur richtigen Zeit entlassen worden«, erklärte er, als ihm der Geruch des Essens in die Nase drang. Der Doktor grinste nur und zog sich die Jacke aus. Er war froh, daheim zu sein, auch wenn die Umstände nicht die besten waren. Die Begegnung mit Katherina ging ihm nicht aus dem Kopf.

Sie war genauso verbittert wie früher. Als wäre ein Schalter umgelegt. Wie sollte er so zu ihr durchdringen? Sie war da draußen und sann auf Rache. Jederzeit konnte sie zuschlagen. Diese Furcht lauerte in seinem Inneren. Dennoch tat er alles, sich nichts davon anmerken zu lassen. So nahm er Sofia auf den Arm und trat die Küche. Seine Frau rührte gerade im Eintopf herum. Langsam trat sie auf ihn zu und umarmte ihn. Sofia schmiegte sich zwischen ihren Eltern und lächelte. »Willkommen zu Hause. Endlich bist du wieder hier.« Sie ließ von ihm ab und strich ihrer Tochter mit der Hand durchs Haar.

»Naiomi ist nicht gerade einfach. Du hast kein Bier mehr, und Sofia hat ein neues Wort gelernt.« Er hob skeptisch die Braue und setzte die 5-Jährige auf dem Boden ab. Lachend eilte sie wieder ins Wohnzimmer. »Was denn für ein Wort?« Seine Frau lehnte sich langsam vor und flüsterte ihm ins Ohr. Ihm stand nur der Mund offen, ehe er den Kopf schüttelte und seufzte. »Super. Ich bin ein paar Tage nicht da, und Naiomi verwandelt unseren kleinen Engel in des Satans jüngste Tochter. Hast du nicht versucht mit ihr zu

reden?« »Sie ist ziemlich stur. Erinnert mich ein bisschen an dich. Dafür putzt sie aber.« Entgeistert sah er sie an. »Sie putzt?!« Als sie bei ihm war, hatte sie nicht einen Finger gerührt. Das Haus war ein Meer aus Chaos. Wie hatte seine Frau es geschafft, dass sie sich an solche Regeln hielt? Er ließ sich auf einem der Küchenstühle nieder und zündete sich eine Zigarette an. Carrie machte sich daran, den Tisch zu decken. »Ja. Ohne Aufforderung. Ich musste sie sogar schon zur Seite nehmen, weil sie um 6 Uhr morgens das Wohnzimmer saugen

wollte.« »Sicher, dass das unsere Naiomi und nicht ein Klon ist?« Sie lachte. »Naja. Man kann sagen, sie und ich haben eine kleine Abmachung getroffen. Wenn sie im Haushalt mithilft, habe ich ihr erlaubt, dass sie in die Weihnachtsdisco gehen darf.« »Du hast sie bestochen!« Sie zuckte mit den Schultern. »Es hat funktioniert.« Er grinste und schritt zum Kühlschrank, wo er eine Flasche Traubensaft hervorholte. Bier war wirklich keins mehr da. Naiomi hatte seinen gesamten Vorrat vernichtet. Es war wohl besser,

wenn er ein Schloss kaufte. Allerdings würde das wohl wenig bringen. Es sei denn, es war eins aus Gummi. Oder er vergrub seine Vorräte im Garten. War auch eine Überlegung wert. Im Gedanken daran nahm er einen Schluck aus seiner Flasche, als Dwight in die Küche kam. »Hallo Dwight. Bleibst du auch zum Essen?« Er nickte und ließ sich auf dem Stuhl an der Tür nieder. »Gerne. Wegen morgen. Darf ich meinen Vater mitbringen? Er wäre sonst allein zu Hause.« »Natürlich. Ethans Vater kommt auch. Das tut den beiden sicher gut, wenn sie

jemanden in ihrem Alter haben.« Ethan stellte die Flasche ab und rauchte sich eine Zigarette. »Dann musst du aber noch anbauen. Leah kommt doch auch, oder? Rechne mal auf. Sie, ihr Mann und die Jungs? Wo willst du die denn noch unterbringen?« »Es kommen Jungs?« Naiomi wanderte langsam in die Küche und lehnte sich gegen den Türrahmen. »Das ist kein Dating-Abend Naiomi. Die Jungs sind 8 und 10.« »Schade. Ist schon ein bisschen unfair oder? Alle haben jemanden, der so alt ist wie sie selbst, nur ich muss dumm aus der Wäsche

gucken!« Der Arzt zog an seiner Zigarette und stellte seinen Traubensaft auf der Arbeitsplatte ab. »Hast du keinen Freund in Wisconsin?« Sie schüttelte nur den Kopf. »Nee. Die sind alle total versnobt. Oder sie sind pottenhässlich. Nicht wirklich was für mich. Da gabs zwar einen, man war der süß, aber was kam dabei raus? Schwul. Alle netten Jungs sind irgendwie schwul.« »Ich bin auch nett«, erklärte Dwight. »Ganz ruhig Opa. Ich bin 16.« »So war das Jetzt nicht gemeint.« Der Afroamerikaner errötete. Ethan und seine Frau lachten nur, während die

junge Winchester süffisant grinste und sich neben ihm auf einem der Stühle niederließ. »Wobei, gut aussehen, tust du ja, Dwight. Stehst du auf jüngere?« »Naiomi!«, flötete Ethan. »Ist ja gut. Ich mach nur Spaß. Ich hab mich schon damit abgefunden, als alte Jungfer zu sterben. Für mich gibst irgendwie nicht den passenden Typen. Wenns heißt, dass zu jedem Topf ein Deckel passt, dann muss mein Topf wohl 9-eckig sein.« Carrie legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Denk mal nicht so. Du bist noch sehr jung. Ich hab Ethan auch erst kennen

gelernt, als ich Anfang 20 war.« »Und dann hat er dich geschwängert, und du hattest keine andere Wahl als bei ihm zu bleiben.« »Naiomi!« »Was denn?« Der 32-Jährige verdrehte die Augen. Er hoffte wirklich, dass sich Sofia nicht so entwickelte. Die saß vor dem Fernseher und gab ihr neu gelerntes Wort zum Besten. »Blödsack, Blödsack, Blödsack!« Der Schwarzhaarige sah die 16-Jährige fragend an, während diese nur unschuldig mit den Schultern zuckte. »Was denn? Ich kann auch nichts dafür, wenn sie mir alles

nachplappert.« »Erinnern sie sich noch an unser erstes Treffen?« Die Blondine kniete auf dem kargen Steinboden in der Halle und malte. Sie waren seit Stunden hier. Hammond saß gefesselt an einem Farbfass. Er wirkte ausgemergelt und halb verhungert. Sein rechtes Auge war angeschwollen und Blut lief ihm aus der Nase. Dennoch schien der Anstaltsleiter nichts von seiner Inneren Ruhe verloren zu haben. Bedächtig musterte er sie und nickte. »Das tue ich. Ann Arbor. Damals warst du verloren Katherina, und ich dachte, dass wir dir helfen können, einen Weg zu

finden, dir zu helfen. Damit du für dich selbst Stabilität in deinem Leben findest.« Das Mädchen grinste. In der Hand hielt sie ein Airbrush Gerät. Die Lederjacke war achtlos auf den Boden geworfen worden. Sie trug nur das schwarze Top und eine schwarze Lederhose. Schuhe hatte sie keine an. Die lagen ebenfalls unbeachtet in der Ecke. Die 16-Jährige warf einen kurzen Blick auf ihr halbfertiges Werk, ehe sie fortfuhr. Ein Lächeln huschte ihr über die Lippen. »Stabilität? Die hatte ich mal. Ich hatte ein Leben. Es war vielleicht nicht so harmonisch, wie das von Anderen, aber ich hatte alles. Ein Heim. Mutter und

Vater. Das hat nicht jeder. Wie war das bei ihnen?« Der alte Mann hob den Kopf. Ihm tat alles weh. Dennoch bemühte er sich um Fassung. Wichtig war jetzt, dass er versuchte zu dem Mädchen durchzudringen. Sie war noch nicht verloren. Das wusste er. Daran glaubte er. Irgendwo in ihrem Innern war die alte Katherina. Er musste sie nur erreichen. »Ich wuchs bei meinem Großvater auf. Er war ein weiser Mann, der mir viel beigebracht hat. Meine Eltern waren beruflich viel auf Reisen. Bis zu meinem 12. Lebensjahr habe ich sie kaum gekannt, aber das war nicht schlimm.

Man braucht keine Eltern, um Liebe zu erfahren. Es reicht, wenn man Menschen hat, die einem etwas bedeuten.« Sie ließ sich im Schneidersitz nieder und legte die Hände auf die Oberschenkel. Die Regenbogenaugen fixierten ihn. Ihre Kraft war gewachsen. Das wusste er. Bald würde niemand mehr ihr Widerstand leisten können. »Freunde. Die hatte ich auch. Zumindest so lange, bis das alles anfing. Dann verstießen sie mich. Nannten mich Monster.« »Das meine ich nicht Katherina. Wahre Freunde bleiben bei dir, auch wenn sie all deine düsteren Geheimnisse

kennen.« Sie legte den Kopf schief. »Sie meinen Ethan. Den tollen Doktor. Der hat sich doch nie für mich interessiert. Genau so wie Sie Norman. Sie waren genauso falsch. Sie taten zwar immer so, als würde ihnen unser Wohl am Herzen liegen, aber am Ende haben sie nur denen geholfen, die sie mochten.« Er seufzte. Diese Vorwürfe hatte er in seinem Leben schon oft gehört. Es stimmte. Man konnte nicht jedem von ihnen helfen. Auch wenn man es noch so sehr versuchte. Es gab einfach Fälle, bei denen es keine Lösung gab. Das waren diejenigen, die ihm am meisten zu

Herzen gingen. Leute wie die Zwillinge, oder Viktor Waslow. Er hatte Jahre damit zugebracht, einen Weg zu suchen, um auch ihr Leiden zu lindern. Erfolglos. »Man kann nicht allen helfen, Kat. Das weißt du. Ich wünschte ich könnte es. Ich wünschte, vieles in meinem Leben wäre anders gelaufen. Es gibt Dinge, die ich sehr bereue und die ich gerne ändern würde, aber es geht nicht. Mit dieser Erkenntnis muss ich leben.« »Jetzt werden sie aber mitleiderregend. Wo sie aber gerade davon sprechen: Ich hab tatsächlich jemanden gefunden, der mit ihnen sprechen will. Er ist erpicht darauf sie wieder zu

sehen.« Sie grinste, als hinter ihr jemand aus dem Schatten schritt. Ein Mann, mit blondem kurzen Haar, der einen langen schwarzen Wintermantel und die dazugehörigen Handschuhe trug. Ruhig sah er auf den Anstaltsleiter hinab. »Hallo Norman. Es ist schön, dich wiederzusehen. Ich hoffe, das Mädchen hat dich nicht zu sehr verletzt.« Wilkins hatte sich seit dem letzten Treffen verändert. Er wirkte ruhiger und souveräner. Norman hatte von Ethan zwar gehört, dass er ihm auf dem Friedhof begegnet war, aber das war alles. »Ich würde dich gerne entsprechend

begrüßen Albert, aber wie du siehst, sind mir die Hände gebunden.« Der D-Patient lachte. Katherina wandte sich wieder ihrer Malerei zu. Albert sah ihr zu und stellte sich neben sie. Die Hände legte er hinter den Rücken. »Ist das wirklich nötig, ihn so zu behandeln?« »Besser, als ihn hier frei herumlaufen zu lassen.« Sie ließ sich auf nichts ein. Sie hatte ihre eigene Meinung an der sie festhielt. Ein starker Charakter, an dem jemand wie er zu knabbern hatte. Hammond wusste nicht, wie dieser Tag endete, aber das Auftauchen von Albert Wilkins, hatte die Situation

verändert. »Was hast du vor Albert? Ich dachte, du wolltest dich an mir rächen. Wie genau passt Miss Compton in deinen Plan?« Er lächelte matt und strich der 16-Jährigen durch das lange Haar. »Nun Norman. Sie ist essentiell wichtig für mich. Für dich ist sie nur eine Akte, aber ich sehe so viel mehr. Potenzial, das nur darauf wartet, ausgeschöpft zu werden. Ihre Kräfte sind so einzigartig. Die Welt steht uns damit offen. Das hast du nur nie realisiert. Genau wie bei mir damals. Als es dir zu heikel wurde, hast du mich weggesperrt. Als hätte dir das nicht genügt, war es dir sogar gleichgültig, ob Eva dabei ihr Leben

lassen musste.« Der alte Mann biss sich auf die Lippen. Das hatte Albert ihm nie verziehen. Der Tod von Eva nagte an ihm. All die Jahre. Sie war einer der wenigen Menschen, die ihn so angenommen hatte, wie er war. Trotz ihrer Fähigkeiten. Ihr Verlust hatte den Mann zerstört, der er einst gewesen war. Zurück blieben nur Scherben. Der Mann, der einmal ein guter Freund war, war verschwunden. »Evas Tod war für uns beide ein schmerzhafter Verlust. Sie war eine gute Freundin.« »Und sie hat den Preis bezahlt. Sie und mein Sohn, den ich nie in den Armen

halten durfte.« Der Blonde trat auf ihn zu und ging vor ihm in die Hocke. Mit einer Hand klatschte er ihm sanft gegen die Wange. »Aber keine Sorge Norman. Bald kriegen alle genau das, was sie auch verdienen. Und du darfst dabei zusehen.« Was auch immer Wilkins im Schilde führte. Es schien nichts gutes zu sein. Leider konnte er in seiner jetzigen Verfassung nichts dagegen tun. Die Anderen waren außerhalb seiner Reichweite. Wer wusste schon, ob Ethan und die Anderen ihn fanden? Sicher würden sie nicht aufgeben, aber er selbst wusste ja nicht einmal, wo er sich im Augenblick befand. Außerdem

hatte er keine Ahnung, wie es Rain gerade ging, oder ob er noch lebte. Das letzte Mal, als er ihn lebend sah, hatte Katherina ihm schwer zugesetzt. Es würde einem Wunder gleichen, wenn er sich von dieser Verletzung wieder erholte. Dennoch würde Hammond seinen Glauben nicht verlieren. Er kannte diese Leute und wusste, wozu sie fähig sein konnten. Vielleicht verstanden sie einander nicht immer sehr gut, aber Hickins, Rain und Foster waren ein gutes Team. Mit diesem Peterson als Neuzugang, waren sie noch stärker. Zwischen ihnen gab es ein starkes Band. Etwas das Albert nicht sah und niemals zerstören konnte. Dafür

war sein Blick viel zu sehr nach Innen gerichtet. „Du bist von Zorn zerfressen Albert. Du benutzt Katherina um deine eigenen Pläne zu verfolgen. Genau wie Lambert. Der Junge hat damit nichts zu tun und dennoch hast du ihn damit reingezogen. Ist er ein weiterer unschuldiger, der für deine Gier nach Rache geopfert wird?“ Wilkins lächelte süffisant. „Über Andere zu urteilen ist dir schon immer denkbar leicht gefallen Norman. Deine Arroganz ist unangefochten. Lambert und Compton sind bei mir, weil sie bei mir sein wollen. Wir sind gleich. Wir achten einander und haben keine Vorurteile. Nicht wie du und

deinesgleichen, die überhaupt nichts über uns wissen, und sich dennoch anmaßen es zu tun. Das habe ich schon immer an dir gehasst. Du denkst, du verstehst diese Welt. Unsere Kräfte und unser Wesen. Dabei tust du es nicht. Du spekulierst nur und es ist dir egal, wer am Ende darunter leidet.“ Hammond seufzte und schloss die Augen. Wilkins war so sehr von seinem Kummer zerfressen, dass er mit Vernunft bei ihm nichts ausrichten konnte. Er würde keinem seiner Worte Gehör schenken. Am Ende würde er ihn wahrscheinlich sogar töten. Allerdings spielte Katherina in dieser Rechnung eine wichtige Rolle. Wenn sie seinen Tod

gewollt hätte, wäre es für sie kaum die Mühe wert gewesen, ihn aus der Anstalt zu schaffen. Er wusste zwar noch nicht, was sie letztendlich im Schilde führte, aber dass er noch lebte hatte einen Grund.So sah er zu, wie sich der D-Patient nun wieder damit begnügte, der Blondine bei ihrer Arbeit zuzusehen. Langsam hockte er sich neben das Mädchen. Die war vollauf mit ihrem Werk beschäftigt. „Such Michael. Im Moment lenkst du mich nur ab, mit deiner Balzerei.“ Angesäuert verzog der Blonde das Gesicht und erhob sich, ehe er nach draußen Schritt. Hammond blieb mit dem Mädchen

zurück. Die 16-Jährige schüttelte den Kopf. „Ich war solange eingesperrt, und trotzdem hat sich die Arroganz der Erwachsenen kein bisschen geändert. Dabei hätte man denken können, dass sich in den Jahren zumindest etwas tut, nicht wahr?“ Sie sah ihn fragend an. Etwas unschuldiges lag in ihren Augen. Er nickte nur. „Manchmal sind die Leute nicht in der Lage, über den Horizont ihrer Gefühle hinaus zudenken Katherina. Albert hat viel in seinem Leben verloren. Das hat ein Loch hinterlassen, welches er zu füllen versucht. Jedoch erkennt er nicht,

dass das unmöglich ist. Nicht auf diese Weise. Ich versuchte ihm zu helfen. Vergeblich. Bei dir besteht allerdings Hoffnung. Das muss nicht auf diese Weise enden. Habe ich dir jemals wirklich geschadet? Stets war ich um das Wohl meiner Patienten bedacht. Dazu gehörst auch du. In Willow Creek war stets ein Platz für dich. Die Leute haben dich immer so genommen, wie du warst. Wir sind nicht deine Feinde.“ Bitte lächelte sie und hielt inne. „Das mag sein, aber verstanden hat man mich nie. Als sie sahen, was ich wirklich konnte, hatten sie Angst davor. Sie haben mir einen Maulkorb angelegt und mich domestiziert. Das war ihre Art,

zu helfen. Willow Creek war ein Gefängnis. Das ist es noch. Menschen, die so sind wie ich, finden dort keinen Frieden. Sie werden dort eingesperrt wie Vieh. Sie reden sich das alles schön. Versuchen sie es nicht Norman. Ich weiß wie diese Welt funktioniert. Sie müssen mir kein anderes Bild von ihr vorheucheln.“ Sie legte das Airbrush-Gerät zur Seite und lächelte zufrieden, ehe sie sich in den Schneidersitz niederließ. Das Mädchen pustete sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und reckte die Glieder. „Fertig. Haben sie Hunger? Malen macht mich immer ziemlich

hungrig.“ „Wie kannst du bei dem Wetter hier draußen sitzen? Es ist arschkalt!“ Ethan saß im kalten Gras seines Gartens und lauschte dem Klang der Vögel. Die Nachmittagssonne hatte sich über Detroit gesenkt. Alles wirkte friedlich. Naiomi ließ sich neben ihm nieder und reichte ihm eine Dose Bier. „Wo hast du das denn her?“ „Gekauft? Du weißt schon: Das ist das, wo man in einen Laden geht und Geld gegen Ware eintauscht! Wenn du's nicht willst auch gut. Bleibt mehr für mich.“ Kopfschüttelnd nahm er die Dose an und öffnete sie. Die Rothaarige zündete sich

eine Zigarette an. Nach dem Essen war Dwight wieder nach Hause gefahren. Sofia lag drinnen auf dem Sofa und gönnte sich ein kleines Päuschen, während ihre Mutter noch ein paar Sachen besorgte. Ein angenehmer Moment der Ruhe, den man auskosten musste, denn man konnte nie wissen, was als nächstes auf sie zukam. In der letzten Zeit schienen solche Augenblicke immer trügerisch. Wie eine Lüge, die einem sanft ins Ohr geflüstert wurde. Der Arzt nahm einen Schluck von dem Bier. Die Kälte tat gut im Hals. Es schien Ewigkeiten her, dass er sich Zeit für sich genommen hatte. Naiomi seufzte und legte sich mit dem Rücken

auf die Wiese. „Was willst du jetzt machen? Ich mein wegen deiner Freundin. Kann man ihr wirklich helfen? Sie wirkte sehr überzeugend.“ Er zuckte mit den Schultern und zog die Beine an. Das war eine Frage, die er im Moment nicht beantworten konnte. „Ich konnte sie nicht erreichen. Nach all den Jahren ist sie wie eine Fremde, die ich nicht verstehe. Du kennst Sie. Katherina war immer fröhlich, aufgeweckt und hat sich nie etwas zu Herzen genommen.“ „Sie war höchstens Mal traurig, als sie im Garten auftauchte, und meinen Pudding haben wollte, den ich dann vor

ihren Augen aufgegessen habe.“ Er grinste. „Erinnere mich nicht daran. Es hat ewig gedauert, bis sie sich wieder beruhigt hat. Ich musste einen aus der Küche stibitzen. Sie hat gestrahlt wie ein Baby, als ich ihr dann den Nachtisch brachte. Allerdings hat sie über dich geflucht, auf ihre Art und Weise versteht sich. Ihre Welt war immer sehr simpel. Wenn die Sonne schien war alles gut. Sie hatte nie schlechte Laune, oder einen miesen Tag. Und sie war für alles zu Begeistern.“ Naiomi nickte und trank einen Schluck Bier. Dann nahm sie einen Zug von ihrer Zigarette und blies den Qualm gen

Himmel. Über ihnen zogen die Wolken dahin. Einzelne Schneeflocken rieselten auf sie nieder. Wie es aussah, würde es doch weiße Weihnachten geben. Zumindest etwas positives. „Ich möchte gerne helfen, aber ich weiß nicht ob ich das kann Ethan. Sie ist sehr stark. Ihre Kräfte übersteigen meine bei weitem. Ich kann nur Metall verbiegen und keine Monster erschaffen. Wenn ich so darüber nachdenke, scheint die Sache ziemlich aussichtslos. Natürlich bin ich kein Freund von Schwarzmalerei. Pessimisten sind Scheiße, aber sehen wir den Tatsachen mal ins Auge. Du bist n halber Krüppel und Dwight kann nicht mal n Grashalm umknicken. Rechne

unsere Chancen aus.“ Sie grinste und kratzte sich am Kinn. „Du strotzt ja förmlich vor Optimismus.“ „Ich sag nur wie's is. Wir sind doch so oder so am Arsch. Überleg doch mal: Da draußen ist nicht nur Katha. Da sind noch andere Freaks und wir wissen nie, wann die zuschlagen. Oder denkst du die machen mal ne Pause, weil morgen Heiligabend ist? Wohl kaum.“ Sein Handy klingelte. Langsam erhob er sich und nahm noch einen Zug aus seiner Bierdose, ehe er annahm. „Ethan. Dwight hier. Foster hat mich angerufen. Sie hat Lambert gefunden. Belle Island. Sie ist mit Peterson schon dort. Offenbar gehen ein paar üble Bilder

durch die Nachrichten. Er zieht wieder seine Thriller-Nummer ab. Verletzte gibt es zwar noch keine, aber wir sollten uns beeilen.“ Er nickte in sich hinein. „Wir treffen uns dann da.“ Er legte auf und sah zu Naiomi. „Ich muss los. Wir haben Michael Lambert gefunden. Wenn Carrie wieder da ist, kommst du sofort nach. Solange musst du nach Sofia sehen.“ „Aber die pennt doch!“ „Keine Widerrede!“ „Arsch! Aber lass noch was für mich übrig!“ Es dauerte keine halbe Stunde. Dwight

wartete bereits am Ende der einzigen Brücke, die nach Belle Island führte. Leute waren keine zu sehen und es wirkte friedlich. Keine Spur von irgendwelchen Untoten. Fragend ging er auf den Afroamerikaner zu und sah ihn an. „Wo ist Foster Dwight? Ich dachte Lambert wäre hier.“ Der Student zuckte mit den Schultern und schob seine Hornbrille zurecht. „Keine Ahnung. Wir sollten uns hier mit ihnen Treffen. Das ist alles was ich weiß. Vielleicht sind sie woanders in Schwierigkeiten.“ Der 32-Jährige nickte und zündete sich eine Zigarette an. Eine kühle Winterbrise

wehte ihm durchs Haar, während er mit seinem Partner die Straße entlang schritt. Es war ruhig. Zu ruhig. Keine Menschenseele. Nur die Bäume, die sich rhythmisch im Wind hin und her wiegten. Das roch geradezu nach einer Falle. Es stellte sich nur die Frage, ob er sie zuschnappen lassen sollte, oder die Zeit abwarten, bis Naiomi zu ihnen stieß. Dwight und er konnten nicht viel gegen Lambert ausrichten, wenn er auftauchte. Die Untoten waren schon tot. „Hast du das Betäubungsgewehr mitgenommen?“, wollte Rain wissen. Der Andere schüttelte den Kopf. So etwas sah ihm nicht ähnlich.

Normalerweise war das das erste, das er einpackte, wenn es an so einen Auftrag ging. „Habs vergessen.“ Ethan nickte und distanzierte sich einen Schritt von dem Anderen.Ein seltsames Gefühl überkam den 32-Jährigen. „Sag mal, wie war der Ausflug mit deinem Dad heute?“ Fragend sah er seinen Gegenüber an und zog an seiner Zigarette. „Ganz gut. Wieso fragst du?“ „Weil du bei mir warst!“ Der Andere hob überrascht die Braue und grinste. Gewissheit machte sich breit. Das hier war nicht Dwight. Hinter ihm tauchte Lambert auf, gefolgt von

einigen Untoten. Ethan seufzte. 'Klasse. Das hat nach einer Falle geschrien, und du trittst mitten rein.' Er war nicht vollständig ohne Bewaffnung gekommen. Ein Revolver. Zwar nicht seine Art, aber zumindest ein Druckmittel. Der falsche Dwight lachte nur. „Nettes Schießeisen.“ Rain drückte ab. Die Kugel bohrte sich durch die Schulter des Afroamerikaners. Farbe lief aus der Schulter. „Wie ich mir dachte.“ Das war nicht unbedingt eine Situation in die er geraten wollte. Alleine dem Feind gegenüberstehend. In solchen Momenten wünschte er sich manchmal

eigene Fähigkeiten. Das würde einiges erleichtern. Leider war er nicht mit diesem Los geboren. So blieb ihm nichts anderes übrig, als das ganze in die Länge zu ziehen, bis Naiomi eintraf. Das würde zumindest die Fronten ein wenig glätten. „Woher hast du eigentlich meine Nummer?“ „Von mir!“ Wilkins trat hinter Lambert hervor. Das hätte Ethan sich ja denken können. Das machte die Sache nicht leichter. Er sah sich um. Von Katherina war nichts zu entdecken. Wahrscheinlich hielt sie sich bei dieser Geschichte im Hintergrund. Das war auch gut so. Zwei reichten

vollkommen aus. „Nette Idee. Ist die dir alleine eingefallen Albert? Wo ist Hammond?“ „Dem geht’s gut. Noch jedenfalls. Was man von dir allerdings nicht mehr lange behaupten kann Ethan.“ Diese Überheblichkeit kotzte ihn an. Genau wie die Tatsache, dass sein Gegenüber nicht zögerte, ihm zur Begrüßung eine elektrische Ladung entgegenzujagen. Der ersten konnte er noch ausweichen. Die zweite zwang ihn in die Knie. Die Zigarette fiel ihm aus der Hand und rollte über den Boden, während die Untoten den Kreis um ihn enger zogen. Es waren zwar nicht viele, aber dennoch war er im Nachteil. Blut

lief ihm aus der Nase und seine Brust schmerzte. Das Metall in ihm, war offensichtlich ein guter Stromleiter. Umso schlechter für ihn. Es zerriss ihn beinahe. Das war leider ein Nachteil bei Naiomis Geschenk. Gegen Albert war er machtlos. Das bekam er in vollem Ausmaß zu spüren. Der D-Patient grinste. „Schon am Ende? Ich dachte sie haben für solche Gelegenheiten immer ein Ass im Ärmel!“ Er trat einen Schritt auf ihn zu. Ethan hob den Revolver und drückte ab. Er schoss meilenweit daneben und traf stattdessen eine der Leichen, die murrend stehen blieb, und sich davon

eher unbeeindruckt sah. „Netter Schuss. Das war wohl nie deine Stärke oder? Bei dem ganzen Schreibtischkram bleibt wohl nicht viel Zeit, um das zu üben!“ Ein zweiter Schuss löste sich. Jedoch kam der nicht von Ethan. Urplötzlich gingen die Untoten in die Knie und sanken leblos zu Boden. Es dauerte ein paar Sekunden, ehe die Situation überschaubar war: Ein Betäubungspfeil steckte in Lamberts Hals. Überrascht zog er ihn heraus, ehe er das Bewusstsein verlor. Suchend sah Wilkins zu der Stelle, aus der der Schuss erfolgt war und entdeckte Foster. Neben ihr standen Naiomi,

Dwight und Peterson. Letztere ebenfalls mit einem Betäubungsgewehr bewaffnet. Hinter ihnen standen 20 andere Männer. Wahrscheinlich von Heidenreich geschickt um sie zu unterstützen. „Es ist vorbei Albert! Geben sie auf!“, raunte die ehemalige FBI-Agentin. Der D-Patient schloss die Augen und grinste. „Wieder falsch. Aber netter Versuch.“ Die Untoten erhoben sich wieder. Perplex sah Ethan zu Lambert. Aus seinem Hals lief ebenfalls Farbe. „Noch eine Attrappe.“ „So wie diese schlechte Kopie von mir da vorne?“ „Genau

Dwight.“ Anscheinend war Wilkins der einzige, der hier echt war. Lambert versteckte sich sicher irgendwo und kontrollierte von dort aus die Leichen. Naiomi trat vor und zog die Ärmel ihrer Jacke hoch. Peterson stellte sich neben sie und hob seine Waffe. Die Luft war zum zerreißen gespannt.Albert fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Das wird interessant.“ Und damit brach der Sturm los. Die Untoten stürzten sich auf sie. Ethan konnte einem ersten entgehen und ihm ein Bein stellen. Er ging zu Boden. Ein zweiter packte den Arzt am Kragen, wurde jedoch durch einen Kopfschuss zu

Fall gebracht. Blitze zuckten zwischen den Kämpfenden hindurch und trafen auf ein paar der Männer, die sich vor Schmerzen krümmten. Naiomi setzte direkt auf Wilkins zu. Mit einer Seitwärtsrolle entging sie einem Stromangriff, ehe sie dem D-Patienten einen Schlag mit der Faust verpasste. Er packte sie direkt am Kragen und verpasste ihr einen Kopfstoß. Rain war zur Stelle und griff Albert von hinten an. Der schickte eine Ladung Strom durch seinen eigenen Körper, um die beiden wieder auf Distanz zu bringen. Wieder durchzog ein brennender Schmerz Ethans Brust. Naiomi sah ihn sorgevoll an. Wilkins setzte direkt nach

und trat ihn gegen das Zwerchfell, was ihn auf den harten Steinboden schickte. Der Arzt brauchte einen Moment um sich zu fassen. Schwarze punkte tänzelten vor seinen Augen. Diesem Gegner war er nicht gewachsen. Er suchte die Anderen. Peterson und Foster waren eingekesselt, schlugen sich aber gut. Dwight kämpfte gegen seinen Doppelgänger und verpasste ihm gerade einen Kinnhaken. Ethan hustete und rappelte sich wieder auf. Die Rothaarige Winchester versuchte gerade Wilkins mit seiner eigenen Halskette zu erwürgen, indem sie ihre Fähigkeiten einsetzte. Das fand allerdings wieder ein jähes Ende, durch eine Ladung Blitze. Sie

wurde regelrecht durch die Luft geschleudert. Das war sein Moment. Rain setzte los und brachte den Blonden zu Fall, indem er sich einfach auf ihn stürzte. Dann schlug er ihm mehrmals ins Gesicht. Der Patient lachte nur. „Mutig Ethan. Wirklich mutig.“ Er schockte ihn. „Aber vergeblich.“ Der Arzt sackte zur Seite weg, während sich sein Gegner wieder erhob und nun über ihm stand. Naiomi wollte zu ihm, doch ein paar Untote schnitten ihr den Weg ab. Er war auf sich gestellt. Gleichzeitig kämpfte er gegen die Bewusstlosigkeit an. „Muss das nicht ein beschämendes

Gefühl sein? Zu wissen, dass du eigentlich keine Chance hast, das hier zu überstehen? Sieh dich an Ethan. Du bist alt und verbraucht. Trotz allem was du hier versuchst, bist du nur ein schwacher jämmerlicher Mensch. Gegen jemanden wie mich, wirst du nie-“ Naiomi war wieder zur Stelle und verpasste ihm einen Fausthieb. Die Nase des D-Patienten brach mit einem lauten Knacken, ehe Albert zurücktaumelte. Wütend sah er sie an. „Du mieses Flittchen!“ Er hob seine Hand. Blitze zuckten zwischen seinen Fingern hin und her. Der Arzt schüttelte den Kopf. Die Lage war aussichtslos. Sie war ihm nicht

gewachsen. Zumindest nicht so. Sie sah ihn an und grinste, ehe sie sich wieder auf den anderen warf. Albert umfasste sie und jagte ihr Elektrizität durch den Körper. Sie schrie. Er lachte nur. „Siehst du, was dir das einbringt, wenn du dein Leben für so jemanden wegwirfst?“ Sie setzte ein schmerzverzerrtes Grinsen auf. „E-Eine Menge! E-Ethan?“ Er sah zu ihr. Mittlerweile lief ihr Blut aus Nase und Ohren. Ein seltsames Gefühl machte sich in seiner Brust breit. „Sorry.“ Mit einem Schrei des Arztes schoss das

Metallstück aus seiner Brust hervor und durchbohrte den Blonden in einem Streich. Albert verharrte, während sein Angriff endete. Ungläubig starrte er auf das Loch in seinem Oberkörper. Das Metallstück war in einem Laternenpfahl hinter ihm eingeschlagen. Blut lief ihm aus dem Mund. „Miese...Schlampe!“ Damit sank er zu Boden. Naiomi ging in die Knie. Ethan lag auf dem Boden. Blut lief in Strömen aus seiner Brust. Sofort war sie bei ihm und drückte die Wunde ab. Um sie herum wütete noch immer der Kampf. „Ruhig Ethan.“ Er hustete. Mit aller Kraft stemmte sie

sich auf die Wunde, ehe ein Schwert sie von hinten durchbohrte und in die Höhe hob. Fassungslos musste er mit ansehen, wie die 16-Jährige vor Schmerz aufschrie. Die Klinge verlief durch ihre Brust. Geführt vom Kopflosen Reiter. Hinter ihm stand Katherina. „NEIN!“, presste Ethan hervor, ehe er einen Schwall Blut erbrach. Dann verlor er das Bewusstsein.

Das zerbrochene Band - ii

»Und das ist ihr vollständiger Bericht Miss Foster?« Sie nickte. Eileen gefiel die Geschichte ebenso wenig wie Heidenreich. Inzwischen war es neun. Sie war müde und erschöpft. Schürfwunden zeichneten im Gesicht der jungen Frau ab. Ein Arm wurde durch eine Bandage abgestützt. Peterson stand neben ihr und lauschte einfach nur. Keiner der beiden hätte gerechnet, zu überleben. Dennoch konnten sie aus diesem Alptraum entkommen. Danach war die ehemalige Agentin direkt in die Anstalt gefahren, um die Chefin über die neusten

Wendungen in Kenntnis zu setzen. Die Erleichterung blieb aus. Sie war ausgezehrt und am Ende der eigenen Kräfte. Roberta zündete sich eine Zigarette an und sah nachdenklich auf den Schreibtisch. »Naiomi Winchester ist im Krankenhaus und wird dort von den Ärzten behandelt. Wilkins ebenfalls, wobei dessen Verfassung um einiges instabiler ist. Die Mediziner sind unsicher, ob er überlebt. Hickins ist nach Hause. Ich bezweifle, dass er wiederkommt. Das war für uns alle ein Schock«, erklärte sie langsam. Die Stimme zitterte bei jedem ihrer Worte. Sie war kaum imstande, die Hand ruhig halten. Sie hatte immer versucht,

souverän und unnahbar zu bleiben. Die Hölle auf Belle Island hatte ihr das genommen. Es war unklar, was passiert wäre, wenn Katherina das Gemetzel nicht beendet hätte. Das Mädchen rettete ihnen dadurch das Leben. Wahrscheinlich etwas, das sie bald schon korrigieren würde. »Und Miss Compton erschuf diesen Reiter, der Winchester schwer verletzte?« »Genau. Wir konnten ihm nichts entgegensetzen, egal was wir versucht haben.« Die Frau runzelte die Stirn und warf einen Blick auf ein paar Personalakten. »Das erklärt auch, warum alle meine

Männer tot sind. Das ist ein Desaster Foster. Die Presse hat sich eingeschaltet, und untersucht den Vorfall. Sie können von Glück reden, dass sich dort keine Zivilisten aufhielten. Kaum auszudenken, wie hoch die Opferzahl hätte sein können.« »Das weiß ich Ma’am. Peterson und ich werden nicht aufgeben. Wir haben Wilkins. Das ist ein Sieg, auch wenn der Preis dafür teuer war. Ich habe bereits veranlasst, dass wir ihn bekommen, wenn er soweit genesen ist. Das ist ein Problem weniger, um das wir uns kümmern müssen.« Heidenreich teilte diesen Enthusiasmus nicht.

»Eines. Und dafür haben wir noch zehn Andere.« Sie wirkte absolut nicht begeistert über die Situation, was sich nicht verdenken lies. Die Sache geriet allmählich außer Kontrolle. Sie waren dem nicht gewachsen. Das wusste jeder im Raum, traute sich allerdings nicht das zuzugeben. Mit einem Gegner wie Katherina Compton, hatten sie es noch nie zu tun gehabt. Foster konnte nicht verstehen, warum Heidenreich das Mädchen aus dem D-Trakt geholt hatte. War es nur, um Rain zu ködern? Da hätte es andere Mittel und Wege gegeben, die weniger gefährlich waren.

Am Ende hatte es sie eine Menge gekostet. Viele Leben waren umsonst verschwendet. War das Roberta egal? Diese Frage geisterte in Eileens Kopf herum. »Und was sollen wir jetzt tun?« »Sie werden in Bereitschaft bleiben. Ich weiß, dass morgen Weihnachten ist, aber diese Sache ist wichtig. Hammond befindet sich in Miss Comptons Gewalt. Mr. Rain ist verschwunden und wir müssen davon ausgehen, dass er tot ist. Jetzt liegt es an ihnen Eileen. Sie und Dirk bilden die Speerspitze. Ich hoffe, sie sind sich dessen bewusst.« Sie nickte und spielte mit ihrer Halskette. Mit dem Daumen fuhr sie

Glied für Glied ab, während sie den Anhänger zwischen ihren Fingern hielt. »Wer wird Rain und Hickins ersetzen? Sie wissen, dass wir jemanden brauchen, der mit den Patienten sprechen kann. Peterson und ich sind dafür nicht wirklich geeignet.« Heidenreich nickte und fuhr sich mit der Hand durch das ergraute Haar. »Ihnen wird ein neuer Partner zugeteilt. Begeben sie sich am besten sofort in den B-Trakt. Sie werden künftig mit Leland Akerman zusammen arbeiten. Ein Eigenbrötler, aber ebenso qualifiziert wie Rain. Ich habe bereits alles mit ihm besprochen. Er wird sie erwarten.« Skepsis wanderte in Fosters Blick. Sie

hatte zwar schon ein paar Mal von diesem Mann gehört, war ihm aber noch nie persönlich gegenübergetreten. Eigenbrötler war hier wohl auch nicht das richtige Wort. Rain hatte ihn immer als exzentrisch beschrieben, wenn er über ihn sprach. Sie hielt zwar nichts davon, plötzlich mit einem neuen Partner zu arbeiten, aber im Augenblick blieb ihr nichts anderes übrig. »Doktor? Könnten Sie sich diese Akte noch ansehen?« Er nickte, und stützte zwei Finger an die Wange. Mittlerweile war es spät. Morgen stand Weihnachten auf dem Plan und er verbrachte seine Zeit in der

Anstalt. Nun gut, es gäbe auch nicht wirklich jemanden, mit dem er die Feiertage verbringen konnte. Lelands Familie war nicht sonderlich gut auf ihn zu sprechen, nachdem er das Erbe seines Vaters in einem Kasino in Las Vegas verspielt hatte. Sämtliche Versuche ihnen das zu erklären - ohne Erfolg. Und da hieß es immer, er sei stur. Die Familie Akerman war sowieso nie seine bevorzugte Umgebung. Der eine Bruder war Banker in Japan, die Schwester Mode Designerin in Paris. Oh, wie hatten sie sich das Maul über ihn zerrissen, als er Psychologe geworden war. Besonders seine Mutter war nicht mit seiner Berufswahl

zufrieden gewesen. Allerdings spielte das keine Rolle. Die verrottete mehrere Meter unter der Erde, direkt neben seinem Vater. Der Rest der Verwandtschaft war aus dem Leben des 44-Jährigen gestrichen. Allesamt Leute, die er nur besuchte, wenn die hausgemachten Brechmittel ihre Wirkung verloren. So griff er zur Akte und ließ seinen Blick über die junge Dame schweifen. Wie war ihr Name noch gleich? Olivia. Das musste es gewesen sein. Hübsches Ding. Ein nettes Lächeln. Vor allem war der Vorbau nicht zu verachten. Gab also doch noch gute Gründe hier zu bleiben, auch wenn sich die Sachlage seit

Hammonds Rücktritt ein wenig verändert hatte. Jetzt hatten sie diese frigide alte Kuh an die Spitze gesetzt. Auch nicht schlecht. Damit schuf man freie Arbeitsplätze. »Wer hat eigentlich den Kaffee gekocht Liebes?« Er hatte schon lange nicht mehr eine solche Brühe vorgesetzt gekriegt. Er verzog das Gesicht, als das koffeinhaltige Getränk seine Lippen benetzte. Zum Kotzen. »Ich Sir.« »Oh wirklich? Er ist ausgezeichnet!« Er lächelte, wobei die gelben Zähne zwischen seinem Vollbart hindurchblitzten. Die junge Frau

errötete. Innerlich triumphierte Leland. Noch ein bisschen mehr und so würde er zumindest den heutigen Abend nicht alleine verbringen. Er warf einen Blick auf die Akte. Michaela Wood. Ein Neuzugang. Sehr sexy. Allerdings war ihre Fähigkeit weniger attraktiv. Wenn er sich vorstellte, was sie mit ihrem Exfreund gemacht hatte, würde er wohl nicht in diesem Revier jagen. Der eigenen Gesundheit wegen. Außerdem wollte er seinen Geschwistern nicht die Genugtuung verschaffen, vor ihnen ins Gras zu beißen. »Miss Wood ist ab Morgen ihre neue Patientin.« »Wenn ich dazu komme. Heidenreich hat

mir ein neues Aufgabengebiet zugeteilt. Ich muss Mr. Rain ersetzen. Er ist wohl gesundheitlich verhindert.« Wirklich gefallen tat ihm das nicht. Das war typisch für die weiblichen Führungskräfte. Denen war es egal, wie sehr man sich den Arsch aufriss. Am ende taten sie irgendetwas, dass einem absolut nicht in den Kram passte. Allerdings hatte er schon vorher erkannt,dass Heidenreich die Verkörperung eines weiblichen Arschlochs sein konnte, wenn sie wollte. »Mr. Rain? Oh er ist so brillant finden sie nicht? Wussten sie, dass er sogar ein Buch geschrieben hat? Man das war so

aufregend. Schade, dass er verheiratet ist.« Leland verdrehte die Augen. Rain war zwar einer seiner Kollegen, aber ein ziemliches Weichei, wie er fand. Daher konnte er auch nicht nachvollziehen, dass jemand so viel unverschämtes Glück hatte. Eine gutaussehende Frau, ein eigenes Haus und eine Tochter. Da fragte sich Leland, was er all die Jahre immer falsch machte. »Hm. Es schwimmen genug Hechte da draußen Kind. Man sollte die Angel nicht nur in einem Teich auswerfen. Eine junge attraktive Frau wie sie, findet sicher noch den passenden Mann für

sich.« »Sie finden, dass ich hübsch bin?« Er sah auf ihre Hakennase. Außerdem schielte sie, wenn sie ihre Brille nicht trug. »Ja, aber natürlich. Olivia, du bist eine liebreizende junge Frau.« »Vanessa.« »Hm?« »So heiß ich.« Er hob die Brauen. Mist. »Oh. Entschuldige. Ich habe in letzter Zeit mit so vielen Leuten zu tun, da vertausche ich schon mal etwas. Ich hoffe, das ist nicht schlimm. Ich lade dich auf einen Kaffee ein. Als

Entschuldigung.« Es klopfte an der Tür. Man wartete gar nicht erst darauf, dass er die Leute einließ. Foster und Peterson stürmten einfach in sein Büro, was dafür sorgte dass Olivia sich mit einem Lächeln verabschiedete. Der Engländer faltete die Hände vor dem Gesicht und schloss die Augen. Eileen war nicht wirklich jemand, mit dem er zusammenarbeiten wollte. Eine richtige graue Maus. Hinzu kam dass sie Roberta ziemlich tief in den Arsch kroch. Peterson, naja der würde sie wohl direkt hier auf dem Tisch nageln, wenn sie es ihm anbieten würde. Beide nicht die beste Wahl, aber

man musste nehmen, was man kriegen konnte. Er nippte an seinem Kaffee und wies sie mit der Hand an, sich zu setzen. »Foster. Peterson. Roberta war so freundlich mir die Situation zu erklären. Sie haben sich fabelhaft angestellt. Ein Kollege kündigt wahrscheinlich seine Arbeit, ein anderer ist vielleicht tot und zwei Patienten liegen im Krankenhaus. Und ich dachte immer, sowas wäre mein Metier. Nur wundert es mich, dass sie beide offenbar ohne einen Kratzer davon gekommen sind. Schon komisch. Was Solls. Ich bin nicht hier, um zu urteilen. Also: Schießen sie los, wie genau wollen sie

vorgehen?« Angesäuert verzog Foster das Gesicht. Dirk wirkte ein wenig perplex über die Worte des Arztes. Äußerlich machten die beiden nicht gerade den fähigsten Eindruck. Sie waren beide noch zu neu. Warum also teilte Heidenreich nicht jemand mit mehr Erfahrung ein? Da gab es mehr Auswahl. Manners aus dem C-Trakt zum Beispiel. Der hatte immerhin die Eier für sowas. Aber nein. Man war auf ihn zugekommen. Eigentlich sollte er sich ja bestätigt fühlen, aber das bedeutete auch, dass sein freier Abend versaut war, und zwar, weil sie ihren Job versaut hatten. »Wir gehen nach Belle Island zurück. Es

ist gutmöglich, dass wir dort noch einen Anhaltspunkt finden. Miss Compton hatte einen Grund, uns nicht zu töten. Sie und Lambert sind noch da draußen. Zwar ist Wilkins wieder so gut wie in Gewahrsam, aber das bedeutet absolut gar nichts. Das Mädchen ist mit ihren Fähigkeiten um ein vielfaches gefährlicher als er und- »Ich kenne Miss Compton Eileen. Sie müssen mir keine Unterrichtsstunde geben. Und sie sollten sich selbst nicht so viel Bedeutung beimessen. Miss Compton hat sie nicht getötet, weil sie wahrscheinlich damit beschäftigt war Mr. Rain zu entführen. So einfach ist die Rechnung. Jetzt hat sie nicht nur

Norman Hammond in ihrer Gewalt, sondern auch einen unserer renommiertesten Mitarbeiter. Nicht gerade eine Bilanz, die sich gut in ihrem Führungszeugnis macht oder? Und sie Peterson, was haben sie eigentlich gemacht?« Foster wollte aufstehen, doch ihr Kollege hielt sie am Arm fest. »Schon gut Ellie. Also, ich habe Hickins und die Männer unterstützt so gut ich konnte. Ich hatte kein freies Blickfeld auf Rain oder Wilkins. Ich wusste erst, was passiert war, als es zu spät war.« Er hob fragend die Braue und nickte schließlich. Dabei kratzte er sich am Bart.

»Ah.Wenigstens einer der sein Versagen zugibt. Sagen sie mal, läuft was zwischen ihnen?« Eileen klappte die Kinnlade hinunter, und auch Dirk wirkte verblüfft über diese Frage. »Wie bitte?!« »Naja. Ich meine, mich geht es nichts an, ob sie sich gegenseitig vernaschen. Ich muss prüfen, ob sie nicht zu befangen sind, wenn sie zusammenarbeiten. Da draußen kann es manchmal hitzig zugehen. War selbst eine Weile unterwegs da draußen, bis einer von denen mein Bein zertrümmert

hat.« Er holte eine Krücke unter dem Tisch hervor. »Seitdem bin ich auf dieses Schätzchen angewiesen. Manchmal treuer als eine Frau Peterson. Wie dem auch sei. Belle Island ist die falsche Adresse. Jedes Grundschulkind weiß, dass wir jetzt unsere Trümpfe ausspielen müssen.« Sie verzog das Gesicht. Eine Hand hatte sie zur Faust geballt. Er lächelte nur darüber. »Was für Trümpfe?« »Albert Wilkins? Ich dachte, wir haben ihn. Da wundert es mich, warum ihn noch niemand befragt hat.« »Er ist noch nicht wieder bei

Bewusstsein, und die Ärzte wissen nicht, ober überlebt.« »Ah.« Er nahm seine Jacke von der Stuhllehne und zog sie sich über, bevor er den Rest des Kaffees in den Mülleimer kippte. Langsam erhob der Engländer sich und stützte sich auf seine Gehhilfe. »Wollen wir dann?« »Können sie bitte damit aufhören auf ihren Busen zu starren?« Leland sah zu Foster. Inzwischen hatten sie das Krankenhaus erreicht. Naiomi war an mehrere Apparaturen angeschlossen, die ihre Lebensfunktionen überwachten. Das

Mädchen wirkte ziemlich mitgenommen. Er kannte sie durch ein paar Gespräche. Nettes junges Ding. Schade, dass sie nicht mehr in der Anstalt war. Sie war immer ein Hingucker, auch jetzt, als sie ihr halb geöffnetes Krankenhausleibchen trug. »Ich habe mir nur angesehen, in welchem Ausmaß sie verkabelt und verletzt ist. Sehen sie das? Wilkins Kräfte in vollem Ausmaß. Das hat ihre Nervenenden gegrillt. Eine Schwester war so nett, mir das zu verraten. Wenn sie wieder aufwacht, dann wirds lustig. Sie wird nie wieder etwas spüren. Keine Schmerzen, keinen Juckreiz. Hm. Beinahe ein bisschen einladend finden sie

nicht?« »Sie sind ein Arschloch. Kommen sie jetzt. Wilkins liegt am Ende des Flurs.« Im Korridor war sonst niemand. Die Schwestern hielten sich im Dienstzimmer auf. Gut. So wurde niemand unnötig auf das Ganze aufmerksam. An der Tür zu Wilkins Zimmer standen zwei Männer. Extra abgestellt von Heidenreich, um den D-Patienten zu überwachen. Leland warf einen Blick in den Raum. Es sah ähnlich aus wie bei Miss Winchester, nur dass er deutlich mehr verkabelt und verbunden war. Die komplette Brust war bandagiert. Alber wurde mit Hilfsgeräten beatmet. Der 44-Jährige

hielt inne. Die genauen Umstände hatte man ihm noch nicht erläutert. Allerdings musste es ein harter Kampf gewesen sein, wenn er sich den Mann so betrachtete. Der Blonde schlief tief und fest. Noch. Aus seiner Manteltasche holte der Arzt eine Spritze hervor. Fragend hob Foster den Arm. »Warten Sie. Was ist das?« »Adrenalin.« »Sie wollen ihn aufwecken?« »Natürlich. Wie soll ich ihn denn sonst befragen?« Das hasste er an diesen Normalos. Sie machten sich gar nicht erst die Mühe, selbstständig zu denken, sondern ließen

sich alles von den Anderen auf ihr Brot schmieren. Nicht wirklich etwas, das er mochte. Sich darüber den Kopf zu zerbrechen brachte im Augenblick wenig. Er stellte sich ans Kopfende des Bettes und zog die Schutzhülle von der Nadel. Ein süffisantes Lächeln wanderte auf seine Lippen, ehe er den Kopf schief legte und die beiden Anderen musterte. Neugierig warfen die Männer von draußen einen Blick in das Zimmer. Skeptisch beobachteten sie die Situation. Akerman hob beschwichtigend die Hand. »Keine Sorge meine Herren. Der wird keine Schwierigkeiten bereiten!« Und damit rammte er ihm die Spritze in

die Brust. Mit einem keuchend schreckte Wilkins hoch, nur um durch den eigenen Schmerz wieder in die Liegeposition gezwungen zu werden. Leland reagierte schnell und legte ihm beide Hände an die Schläfe. Der Patient wurde ruhig und rührte sich nicht mehr. Argwöhnisch musterten seine Kollegen ihn. »Was machen sie da?« »Ruhe jetzt bitte. Albert. Sie werden jetzt eine Stimme hören. Lauschen sie nur darauf und antworten sie, wenn sie können. Sobald sie verstanden haben, nicken sie.« Er nickte. »Gut. Wissen sie, wo sie

sind?« Er schüttelte den Kopf. »Sie sind im Krankenhaus Albert. Alles ist gut. Hier sind Leute, die sich um sie kümmern. Es wird ihnen bald wieder besser gehen. Sie müssen mir nur ein paar Fragen beantworten, ist das in Ordnung?« Abermals nickte Wilkins. Fassungslos beobachtete Foster die Situation. Sie verstand natürlich nicht, was er da tat. Das musste sie auch nicht. Außerdem hatte er jetzt keine große Lust, ihr alles haarklein zu erklären. Das würde nur unnötig Zeit verschwenden, die sie alle nicht hatten. »Wissen sie, wo Norman Hammond und

Ethan Rain sind?« Der Angesprochene zögerte einen Moment, ehe er mit dünner Stimme antwortete. »Ich weiß, wo Norman ist. Er ist in einer Lagerhalle im Ostdistrikt. Sie werden ihn dort finden.« »Gut Albert. Jetzt dürfen sie weiterschlafen!« Und damit ließ er wieder von ihm ab, und kratzte sich am Hinterkopf. Das funktionierte besser als erwartet. Dennoch konnte er sich nicht gegen die perplexen Gesichtsausdrücke der beiden erwehren. Er lächelte matt und presste die Lippen aneinander. »Wenn ich mehr Zeit habe, dann erkläre

ich ihnen, was ich gerade getan habe. Jetzt müssen wir uns wichtigeren Dingen zuwenden. Ich kann mir gut vorstellen welche Lagerhalle er meint. Wahrscheinlich wird Hammond an einem stillgelegten Ort festgehalten, wo niemand ihn vermutet. Da gibt es nur eine in der Nähe.« Er stützte sich auf seine Krücke und schritt langsam aus dem Raum. »Sie besitzen eine Fähigkeit. Ist dem nicht so?« Fosters dämliche Frage sorgte für weitere Kopfschmerzen, von denen er ohnehin schon genug hatte. Leland wollte die ganze Geschichte einfach nur hinter sich bringen, damit er danach in

aller Ruhe vor dem Fernseher sitzen konnte. So plante er die Abende. Arbeiten, nach Hause kommen, Glotze. Ein guter und geregelter Ablauf. Daran war nichts auszusetzen. Es zeugte von Bodenständigkeit, wenn man einen geregelten Tagesablauf besaß. Der Engländer blieb im Türrahmen stehen und stützte den Körper auf der Krücke ab. Er war Eileen keine Rechenschaft schuldig. Trotzdem war es wohl besser, ihre Neugierde für’s erste zu befriedigen. Vielleicht hielt sie dann den Mund. »Eigentlich ist das ein gut gehütetes Geheimnis. Nur Hammond, Rain und Heidenreich selbst wissen davon.

Dennoch gibt es in diesem Fall keine andere Wahl, als davon Gebrauch zu machen. Ich kann in das Unterbewusstsein der Leute eindringen. Was auch immer sie in ihren Gedanken verbergen: Ich finde es. Selbst jemand wie Wilkins, kann sich nicht vor mir verbergen.« »Wieso sind sie kein Patient?« Er grinste und schüttelte den Kopf. »Ihre Welt ist wirklich klein Foster. Denken sie wirklich, dass wir jeden einsperren, nur weil er ein paar Löffel verbiegt?« Er strich sich eine dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht und humpelte in Richtung Ausgang. Es brachte nichts

mehr, mit dieser Frau zu diskutieren. Für sie, war er nur einer derer, die sie eigentlich jagte. Sie würde nie etwas anderes in ihm sehen. Es war ihm aber auch egal, was sie von ihm dachte. Sie alle kümmerten ihn wenig. Er war hier, um einen Auftrag zu erfüllen. Hätte Heidenreich ihn nicht um seine Hilfe gebeten, wäre er überhaupt nicht mitgekommen. Für so einen Schwachsinn war er zu schwach auf den Beinen. Diese Zeit war lange vorüber, in der er loszog und Patienten für die Anstalt suchte. Momente wie dieser waren es, die ihn dazu bekräftigten, möglichst bald in den Ruhestand zu gehen. Vielleicht würde er

sich irgendwo an der Westküste zur Ruhe setzen. San Fransisco vielleicht. Obwohl - eher nicht. Sein Bruder lebte dort mit seiner Familie. Musste wohl ein anderes Ziel her. Vielleicht Bora Bora? War eine Überlegung wert. Dwight saß gedankenverloren auf dem Sofa und sah Fern. Der Arm war bandagiert. Die Brille lag zerbrochen auf einem Tisch, auf dem außerdem noch mehrere leere Bierflaschen standen. Das Handy hatte er achtlos in die Ecke geworfen. Er legte die Stirn in Falten. Wie konnte es eigentlich so weit kommen? Das fragte er sich schon die ganze Zeit. Er hatte den Job angefangen,

um den Menschen zu helfen, und zu anfangs wirkte es genau richtig. Er und Ethan, sie bewegten etwas, auch wenn es vielleicht nicht viel ausmachte. Sie halfen jenen, die den Weg verloren hatten und mit ihrem besonderen Leben nicht umzugehen wussten. Menschen wie Kathertina, Karl Collins, oder Michaela Wood. Das erschien ihm ein guter Sinn zu sein. Jetzt, schien es alles wertlos. Angefangen mit Hammonds Rücktritt, der so vieles verändert hatte. Sie waren mit Maulkörben eingeengt und konnten nicht mehr so agieren wie vorher. Mussten sich an Regeln halten, die ihnen nicht wirklich logisch vorkamen. Wofür? Heidenreichs Politik,

die Patienten wie Tiere zu jagen. Absolut absurd. Da war er mit Ethan einer Meinung. Der war allerdings nicht mehr da. Verschwunden. Wahrscheinlich sogar tot. Katherina hatte es getan. Warum? Wie hatte ein Augenblick das Mädchen so sehr verändern können? Es gab so vieles, das er nicht zu wissen schien. So viele offene Fragen. Dinge, die ihm sogar sein bester Freund verheimlichte. Er fühlte sich betrogen. Gab es überhaupt noch einen Grund, weiter zu machen? Die Anderen würden es auch ohne ihn schaffen. Sie hatten Wilkins, das war ein Sieg. Mit ihm gab es eine Bedrohung weniger da draußen. Er wurde nicht mehr benötigt. Foster

und Peterson schafften das auch allein. Man würde ihnen einfach einen neuen Arzt zur Seite stellen. Das war doch so. Funktionierte etwas nicht mehr, wurde es einfach ersetzt. Das Handy klingelte. Er versuchte es zu ignorieren, aber nach ein paar Minuten entschloss er sich doch, dran zu gehen. Es überraschte ihn nicht, dass er Eileens Stimme am anderen Ende der Leitung hörte. »Hickins. Sind sie da? Wir wissen wo Ethan ist. Wir können ihn und Hammond retten!« »Schön. Viel Glück dabei Foster«, säuselte er in den Hörer und legte ein Bein über das andere. Mit der freien

Hand spielte er mit einem Bierdeckel. Ihm war wirklich nicht danach, mit dieser Frau zu sprechen. Dennoch ließ sie sich nicht so einfach abwimmeln. »Sind sie betrunken? Egal. Wir brauchen ihre Hilfe. Ich weiß-« Jemand griff den Hörer. Der Afroamerikaner konnte hören, dass sich die ehemalige Agentin lauthals beschwerte und denjenigen beschimpfte. Eine tiefe männliche Stimme drang ihm nun ans Ohr. Sehr vertraut. »Hickins. Was meine Kollegin damit eigentlich sagen will, ist, dass sie ihren Hintern jetzt in Bewegung setzen werden.« Das klang nicht nach einer Bitte. Das

wusste er. Der Student schloss die Augen und nahm einen Schluck aus seiner Bierflasche. »Leland, richtig? Ich hätte nicht gedacht, dass man sie damit hineinzieht.« Er konnte den anderen Lachen hören. »Heidenreichs Wege sind unergründlich. Sie schert sich nicht um uns, das wissen sie doch. Ich hoffe ihr Gehirn funktioniert im Augenblick noch gut genug um zu wissen, dass sie immer noch mit uns arbeiten. Es ist ihre Pflicht. Haben sie das etwa schon vergessen? Oder kneifen sie jetzt etwa, weil einmal nicht alles fröhlich und flockig endet? Da frage ich mich

wirklich, was Rain an ihnen gefunden hat.« Er setzte sich auf und ballte die Hand zur Faust. Dieser Kerl hatte vielleicht Nerven. Wenn er so darüber nachdachte, wusste er wieder, warum er ihn nicht leiden konnte. Akerman hatte nie wirklich verborgen, dass er ein Arschloch war. Ein Umstand, der ihn nicht gerade charmant wirken ließ. »Sie wissen nichts Leland. Sie sitzen nur in ihrem Büro. Sie sind nicht da draußen. Sie haben keine Ahnung wie-« »Bla bla bla. Wäh wäh, die ganze Welt ist gemein. Hab schon verstanden Hickins. Bleiben sie zu Hause. Ich dachte einfach nur, dass ihnen Ethan ein

bisschen mehr bedeutet!« Es wurde aufgelegt. Er starrte ins Leere und biss sich auf die Unterlippe. »Mieser Wichser!« »Ethan. Ethan wachen sie auf.« Er öffnete die Augen. Schwaches Licht und der Gestank von Farbe begrüßte ihn. Seine Gedanken kreisten. Der Schmerz in der Brust schien verschwunden. Nein. Er war nicht mehr so stark wie zuvor. Er sah sich um und entdeckte Norman, der etwas entfernt an einem Fass gefesselt war. Dann hörte er, wie jemand etwas versprühte. Sein Blick glitt zum Mittelpunkt der Halle, wo Katherina auf dem Boden hockte.

Neben ihr stand Lambert. Wie üblich, sagte er nichts. Das Mädchen hob langsam den Kopf und lächelte matt. »Ethan. Du bist aufgewacht. Keine Sorge. Ich habe mich um deine Verletzung gekümmert. Alles konnte ich natürlich nicht wegzaubern. Das schöne Loch, dass dir deine Freundin gezaubert hat, ist zwar noch da, aber ich hab es verbunden. Für den Moment bist du so gut wie geheilt. Ein Dankeschön wäre angebracht oder?« Er verzog das Gesicht. Sie empfand keinerlei Unbehagen, wegen dem was sie getan hatte. Diese Patientin hatte in den letzten Tagen für eine Menge Chaos gesorgt. Vieles davon wollte er selbst

noch nicht glauben. Er sah das Mädchen in ihr, dass ihnen immer auf ihren Einsätzen geholfen hatte, und nicht das Monster, das sie nun zu sein schien. Sie war vollkommen verändert. Die Regenbogenaugen fixierten ihn, ehe sein Blick auf den Boden wanderte. Erst konnte er nicht erkennen, was sie eigentlich dort malte, aber dann begriff er: Ein großes schwarzes Loch. Mit viel Liebe gemalt. Die Details der Krümmungen, die Farbtiefe. Alles war genau durchdacht. Ihm schwante nichts gutes dabei. »Katherina. Was auch immer du vorhast, ich bin mir sicher, dass es nicht so enden muss, und tief im Innern weißt du

das auch. Wilkins ist fort. Du musst seinen Plan nicht mehr weiter verfolgen.« Sie grinste und wischte sich eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht. Das Mädchen stand auf und hockte sich schließlich genau vor ihn. Mit einer Hand fuhr sie ihm die Wange entlang und sah ihm in die Augen. »Du hast es nie begriffen, oder Ethan? Albert hatte nie etwas damit zu tun. Er war nur ein Mittel. Ich brauchte Hammond nur, um ihn auf meine Seite zu ziehen. Schade, dass ihr ihn so früh ausgeschaltet habt. Er war eine wichtige Figur für mich, aber ich brauche ihn nicht. Das tat ich nie. Ich wollte ihm nur

das Gefühl geben, wertvoll zu sein. Einen Sinn in seinem zerstörten Leben zu sehen. Solange, bis sein Antlitz zusammen mit allem von dieser Welt getilgt wird.« Sie wuschelte ihm durch das rabenschwarze Haar und gab ihm einen Kuss auf die Stirn, ehe sie sich erhob und durch die Halle schritt. Er sah ihr fragend nach. »Darum geht es dir also. Das schwarze Loch soll alle bestrafen. Ist es nicht so?« »Wieder falsch Ethan. Es war schon immer klar, dass die Menschen niemals mit unseresgleichen koexistieren würden. Dafür sind sie zu steif und

Ichbezogen. Sie haben Angst vor den fremden Dingen dieser Welt. Anders herum sind wir zu stur geworden. Unser Hass hat uns blind werden lassen. Das kann nicht mehr repariert werden. Es gibt nur eine Lösung. Ich mache all dem ein Ende.« Das erste mal schaltete sich Lambert ein. »Ich dachte, du wolltest ihm nur drohen. Du hast nie etwas davon gesagt, das Ding auch wirklich zu benutzen.« Sie grinste. »Michael, Michael. Du bist jung und dumm. Das hier kann nicht wieder geradegerückt werden und das weißt du auch. Denkst du, irgendjemand würde

dich akzeptieren? Mit deinen Fähigkeiten? Sie haben viel zu viel Angst davor. Sie würden dich nie verstehen. Sie haben dich doch nie verstanden. Das hast du mir erzählt. Deshalb habe ich dich doch dafür ausgewählt, mir zu helfen. Du bist genau wie ich. Nie hat jemand unsere Talente verstanden. Man hat uns dafür verachtet und erniedrigt. Ist es das was du willst? Für den Rest deines Lebens in einer Anstalt leben, nur weil du anders bist?« Sie sah ihn ernst an. Er schüttelte und senkte den Kopf. Ethan seufzte. »Katha. Im Innern weißt du, dass das nicht richtig ist. Die echte Katherina

weiß das. Du musst dich nur daran erinnern. An dein früheres Leben. Das hier bist du nicht. Du bist das Mädchen, das Pizza und Pandafiguren mag.« Sie schüttelte den Kopf. »Unsinn! Ich war das nie. Für euch beide war ich doch immer nur ein Versuchskaninchen, mit dem ihr gespielt habt. Ich war nie wichtig für euch. Ihr habt eine Gefahr in mir gesehen und nichts weiter. Eine Bedrohung, die ihr ausschalten musstet. Deshalb habt ihr diesen kindlichen Verstand in meinen Kopf gepflanzt!« Sie trat auf Rain zu und ließ ihren Kopf hin und her kreisen. »Ich kann sie in meinem Kopf hören,

Ethan. Wie sie schreit und nach dir ruft. Sie versteht nicht, dass du auch sie nur belogen hast. So wie uns alle. Du hast uns immer nur das blaue vom Himmel geredet. Dabei hat es dich nie interessiert, was aus uns wird. Du wolltest uns nur unter Kontrolle halten, aus Angst dass wir durchdrehen und Amok laufen. Du interessierst dich nur für die, die in deinen Augen ungefährlich sind. Diese Naiomi zum Beispiel. Was machst du, wenn sie mal richtig aus der Haut fährt? Sperrst du sie dann auch ein, und wirfst den Schlüssel weg?« »Du weißt, dass das nicht wahr ist Katherina. Hör dir doch einmal selbst zu!

Du bist blind vor Wut!« »Unsinn! Du verstehst gar nichts Ethan! Aber das ist nun auch nicht mehr wichtig. Bald wird alles vorbei sein. Und du darfst es mit ansehen.« »Also Ellie. Eine Idee, wie wir an diesem Hengst vorbeikommen? Wenn der weiter so seine Kreise zieht, bezweifle ich das nämlich!« Sie hatten sich hinter einem Hügel südlich der Halle versteckt. Neben ihr, Peterson und Leland befanden sich noch zehn von Heidenreichs Männern dort. Das war mehr als genug. So dachte sie zumindest, doch jetzt war sie sich nicht mehr so sicher. Es schneite und war

kalt. Von außen schien alles ruhig. Der kopflose Reiter patrouillierte auf dem Gelände. Ansonsten schien es keine Vorkehrungen zu geben, um mögliche Eindringlinge abzuwehren. War Katherina so arrogant zu glauben, dass sie Sie nicht finden würden? Foster war sich darüber nicht sicher. Ihr Blick glitt zu Dirk, der das Betäubungsgewehr geschultert hatte. Zwar wusste sie nicht, ob sie überhaupt eine Möglichkeit hatten, das ganze ohne Gewalt zu lösen, aber sie mussten es zumindest versuchen. Compton zu töten war keine Alternative. Vor allem mussten sie schnell handeln. »Wir müssen ihn ablenken. Ein anderer

Plan fällt mir im Augenblick nicht ein. Ein Teil von uns muss ihn vom Gelände weglocken, damit der Rest in die Halle kommt, um Hammond und Ethan zu befreien.« »Falls Rain überhaupt noch lebt«, erklärte Leland und kratzte sich am Bart. Sie warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. »Bloß nicht zu optimistisch werden Akerman.« Er zuckte mit den Schultern. »Ihnen kann es doch egal sein was aus Rain wird. So wie ich weiß, sind sie nie gut mit ihm ausgekommen. Sie machen das hier nur, um Eindruck zu schinden. Erfolg ist ihnen wichtig und nicht die

Menschen, die mit ihrer Arbeit zu tun haben. Sie müssen mich nicht anlügen. Ich habe sie durchschaut. Nächstenliebe ist ihnen nicht sonderlich wichtig Eileen. Das haben sie oft genug bewiesen, seitdem sie für die Anstalt arbeiten. Also müssen sie jetzt nicht damit anfangen, etwas anderes zu behaupten.« Sie sah zu ihm. »Sie können mich mal.« »Gerne. Nur weiß ich nicht, ob ihr Partner so ganz damit einverstanden wäre.« Dirk runzelte nur die Stirn und zündete sich eine Zigarette an. »Leute. Können wir uns bitte auf die

Mission konzentrieren? Ihr könnt später streiten. Ich werde den Reiter zusammen mit den Anderen ablenken. Ihr geht in die Halle. Ich versuche nachzukommen.« Er reichte Foster das Gewehr. »Es ist mir egal, was du darüber denkst Ellie. Versuch nur, niemanden umzubringen. Das ist alles.« Sie verzog das Gesicht und gab den Männern ein Zeichen, sich in Bewegung zu setzen. Langsam bewegte sich die Gruppe zwischen den Hügeln hindurch auf das Gebäude zu. Einer der Männer holte eine Leuchtpistole hervor und feuerte einen Schuss in die Luft ab. Der Hengst des Reiters wieherte auf, bevor

er sich in Bewegung setzte und auf sie zuhielt. »Los jetzt. Er ist gleich hier«, raunte Peterson. Foster und Leland setzten sich in Bewegung, wobei die junge Frau schnell einen Vorsprung bekam. Der Engländer rief ihr nach. »Hey. Warten sie bloß nicht auf den Krüppel. Ich komme zurecht!« Ihm tat das Bein Weh. Verflucht. Dafür musste Heidenreich ihm eine Gehaltserhöhung geben. Andernfalls konnte sie ihn mal kreuzweise. Das hier war Blödsinn. Comptons Kräfte waren viel zu groß. Sie würde sie wie Insekten zerquetschen, aber das schien niemand von ihnen wirklich begriffen zu haben.

Er schüttelte den Kopf, während Pistolenschüsse an sein Ohr drangen. Der Reiter war auf die anderen Männer getroffen. Einer schrie auf. Sie mussten sich sputen. Hoffentlich hielt Peterson lange genug durch. Ansonsten sah es schwarz für sie aus. Sie erreichten die Eingangstür. Im Innern konnte er hören, wie Katherina sprach. Sie waren anscheinend noch nicht zu spät. Das war gut. Er blickte zu Foster. »Wenn wir drin sind, lassen sie mich mit dem Mädchen sprechen. Vielleicht kann ich zu ihr durchdringen.« Foster hob skeptisch die Braue. »Wieso sollte sie mit ihnen

reden?« »Genau Leland. Wieso sollte sie das?« Er wandte den Blick um. Hickins kam durch das Gebüsch auf sie zu. Damit hatte er nicht gerechnet. Eileen schien positiv überrascht über diese Wendung. Der Student lehnte gegen die Wand. Sein Atem roch nach Bier, aber ansonsten schien er nicht angeschlagen zu sein. Außer, man rechnete die Armbandage ein. »Was mache Sie denn hier?«, wollte Foster wissen. »Sieht man das nicht? Ich will meinen besten Freund retten. Also. Was genau machen wir, wenn wir drinnen sind?« »Wir müssen erst einen Überblick über

die Situation gewinnen. Dann können wir auch entsprechend reagieren. Wahrscheinlich wird Compton uns direkt attackieren. Darauf müssen wir vorbereitet sein. Foster? Sie jagen ihr einen Pfeil in den Arsch, wenn sie irgendetwas dummes versucht. Hickins? Sie suchen Hammond und Ethan und befreien die beiden. Wenn alles gut geht, dann kommen wir aus dieser Sache heraus, ohne dass einer von uns den Löffel abgibt. Zumindest wäre ich von dieser Idee sehr angetan.« Die anderen nickten zustimmend. Der 44-Jährige atmete tief durch. Er würde es vor ihnen nicht zugeben, aber er war aufgeregt. Niemand von ihnen wusste,

was sie hinter dieser Tür erwarten konnte. Es war ein Spiel auf Risiko und so etwas hasste er wie die Pest. »Das waren Schüsse!«, erklärte Michael und lief in Richtung der Tür. Katherina hob den Arm und deutete ihm stehen zu bleiben. »Bleib hier. Sie werden nicht weit kommen. Der Reiter wird sie aufhalten. So oder so kommen sie zu spät.« Die 16-Jährige schien keine Angst vor dem zu haben, was sich draußen abspielte. Ethan sah sie eindringlich an. Er hatte bereits versucht die Fesseln zu lösen. Ohne Erfolg. Wahrscheinlich hatte das Mädchen sie durch ihre

Fähigkeit beschworen. »Es ist genug Kat. Hör auf damit. Ich kann verstehen, dass du wütend bist. Wir sind nicht deine Feinde. Ein Teil von dir weiß das auch. Es ist der Andere, der mir nicht zuhören will. Katherina. Du musst ihn überzeugen. Ich will dir helfen. Das wollte ich immer.« Sie sah ihn traurig an und schüttelte den Kopf, ehe sie auf ihre Malerei Zuschritt. »Es ist zu spät Ethan.« Die Tür zur Lagerhalle wurde aufgestoßen. Foster, Dwight und Leland betraten die Halle. Michael stürmte nach vorne, wurde aber sofort von einem Pfeil ruhiggestellt. Er sackte zusammen.

Die Blondine sah die Neuankömmlinge an, bevor sie ihre Hand auf den Boden legte und das Schwarze Loch aktivierte. Ein starker Zug begann sich zu erheben. Einzelne Fässer in der Nähe wurden direkt verschlungen, doch war es bei weitem nicht so stark, wie ein Original. Noch nicht. Je mehr es verschlang, desto größer würde es werden. Dwight band Ethan und Hammond los, während Leland einen Schritt auf das Mädchen zumachte. »Hallo Kat. Lange nicht gesehen. Interessante Idee, die du da hast. Dein Plan ist aufgegangen. Wir können jetzt nichts mehr tun, um dich zu stoppen.« Sie sah ihn an. Auch Ethan trat an seine

Seite, doch Akerman hielt ihn mit einem Arm zurück und schüttelte den Kopf. Das Mädchen lächelte matt. »Versuchen sie jetzt nicht ihre Psychospielchen. Ich weiß, dass ich das Richtige tue.« Leland hob die Braue und sah sie argwöhnisch an. Wieder tat er einen Schritt auf das Mädchen zu. Ihr Haar wehte stark im Wind des Lochs. Doch stand sie eisern dort. Seine Kraft schien auf sie keine Wirkung zu haben. »Das Richtige? Haben wir jemals darüber urteilen können, was wirklich richtig oder falsch ist Katherina? Glaub mir: Es gibt eine Menge Leute auf diesem Ball, die dieses Schicksal

verdienen. Dennoch sollte der Tod aller nicht die Lösung sein. Die Welt hat ihre Makel. Gier, Hass und Leid. Das will ich nicht abstreiten, aber gibt es nicht auch Dinge, die es wert sind, gerettet zu werden? Du bist kein Monster Katherina. Das warst du nie, oder?« Sie sah ihn ernst an. Keines seiner Worte schien eine Wirkung zu haben. »Sie haben keine Ahnung davon Leland, wie es ist zu sein wie wir. Sie stehen da und denken, das alles ist nur ein Spiel.« Der Arzt grinste nur und schüttelte den Kopf. »Glaub mir Kat. Ich weiß genau wie sich das manchmal anfühlt. Du fühlst dich missverstanden. Die Menschen

sehen in deiner Kraft einen Fluch und keine Gabe, als welche du sie verstehst. Du könntest damit so viel gutes tun, wenn du es nur wolltest. Sieh dich mal richtig um. Selbst jetzt noch gibt es Menschen, die gutes für dich wollen, auch wenn du sie alle mit in den Abgrund reißen willst.« Das Loch wurde immer größer. Er hatte Probleme sich auf den Beinen zu halten, so dass Rain ihn stützen musste. Zusammen bewegten sie sich näher an das Mädchen heran. Der 32-Jährige sah seine alte Freundin mit einem gemischten Ausdruck in den Augen an. Die Situation war mehr als surreal. Alles stand am Abgrund, und sie sollte dafür

verantwortlich sein. Ein Teil von ihm weigerte sich noch immer, das zu glauben. So lange hatte er mit ihr zusammengearbeitet. Mit diesem freundlichen Mädchen, das noch so viel über diese Welt lernen musste. Es war als hätte eine höhere Macht entschieden, ihr diese Chance einfach wegzunehmen. Sie förmlich in diese Rolle gezwungen. Das war einfach nicht fair. »Katherina. Bitte. Leland hat Recht. Das hier muss nicht so enden. Ich weiß, dass du leidest. Du hast so viel Kummer in deinem Leben ertragen müssen, und ich kann mir nicht einmal ansatzweise vorstellen, wie das für dich gewesen sein muss. Trotzdem heißt das nicht,

dass alles schlecht sein muss. Wir können nach Hause gehen und von vorne anfangen. Gemeinsam eine Lösung finden. Du bist kein schlechter Mensch. Das weißt du doch auch. Du bist einfach Katha. Unsere kleine Katha.« Sie waren nur noch wenige Meter von dem Mädchen entfernt, das jetzt den Kopf senkte. Verwirrtheit dominierte ihre Züge. Tränen liefen ihre Wangen herab. Das Loch wurde unkontrollierbar. Blitze schlugen in alle Richtungen aus. Sie wirkte so verloren. Es war jetzt an ihm, das zu beenden und ihr zu helfen. Damit sie wieder die werden konnte, die sie einmal war. Der Arzt machte einen Schritt auf sie zu und hob

beschwichtigend die Hand, doch Leland kam ihr zuvor. Er sah das Mädchen mitfühlend an.Einen Arm legte er ihr auf die Schulter. Sie schmiegte sich an seine Brust und umarmte ihn. Der 44-Jährige sah zu Ethan und streichelte ihr durch das Haar. Der Sturm des Lochs zerrte an seiner Kleidung. »Es ist alles gut Kat.« Er griff in seine Manteltasche. Einen Augenblick lang hielt er inne, ehe er ein Messer hervorholte. »Alles ist gut.« Ethan schrie noch, doch erreichten seine Worte das Mädchen nicht mehr. Kalter Stahl bohrte sich in ihre Brust. Mit einem Mal schien alles um sie herum

zu verschwimmen. Rain konnte sich nicht bewegen. Wie erstarrt sah er einfach nur zu, wie das Messer in ihrer Brust thronte und Akerman einen Schritt zurückmachte. »Es tut mir leid. Manche Dinge müssen getan werden«, erklärte er noch. Die Blondine fuhr mit ihrer Hand über ihre Wunde. Blut benetzte ihre Finger. Sie sah zu Ethan und lächelte schwach. »Ich habe es dir gesagt Ethan. Das hier kann nicht mehr repariert werden.« Sie fiel, verschwand und das Loch mit ihr. Der Schmerz kehrte in dem Moment zurück, in dem sie vom Antlitz dieses Planeten verblasste. Er spürte, wie die Wunde, die von Naiomis Platte übrig

war, wieder wirkte. Sein Blick galt Leland, der einfach nur auf die Stelle starrte, an der sich noch zuvor das schwarze Loch befand, ehe er selbst in die Schwärze der Bewusstlosigkeit hinabsank. »Sie haben alles, was sie wollten Roberta. Ich hoffe Sie sind zufrieden. Das Mädchen ist tot. Jetzt können sie sich wieder in Ruhe ihrem Pudel widmen.« Leland saß auf einem Stuhl im Büro der Anstaltsleiterin. Hammond saß neben ihm und hatte das Gesicht in den Händen vergraben. Heidenreich verzog keine Miene, sondern zog einfach nur an

ihrer Zigarette. Nach den Geschehnissen im Lager, war Ethan wieder ins Krankenhaus gebracht worden. Michael Lambert war zurück im B-Trakt. Alles war wieder normalisiert. Zumindest wenn man von Heidenreichs Meinung ausging. Für ihn hatte das ganze einfach nur einen bitteren Beigeschmack. »Sie können mich so viel verurteilen wie sie wollen Leland, aber sie selbst stecken da mit drin. Sie können sich von keiner Schuld freisprechen. Sie haben meinen Auftrag befolgt, ohne ihn zu hinterfragen.« Er sah sie an und trank einen Schluck Wasser. »Das habe ich. Und ich kann damit

Leben. Wir hätten dem Mädchen nicht mehr helfen können, ohne ihr Bewusstsein zu verändern, aber das hätte nicht funktioniert, nicht wahr? Wir wissen beide, wie Essentia funktioniert. Ohne Lucas und Rebecca hätten sie das Mädchen niemals wieder hinbekommen. So konnten sie das Problem einfach aus der Welt schaffen. Sie haben mich dafür benutzt und ich habe mich benutzen lassen. Das muss ich akzeptieren. Sie aber, müssen mit den Folgen leben und dabei wünsche ich ihnen viel Spaß.« Er erhob sich vom Stuhl und schritt in Richtung Tür. »Wo wollen sie denn jetzt hin?« »Ich sehe nach unserem Mitarbeiter.

Zumindest einer von uns sollte so viel Anstand besitzen, ihm die Situation richtig zu erklären.« Die Tür flog ins Schloss. Norman und Roberta blieben beide zurück. Der alte Mann sah sie vorwurfsvoll an. Ihm fehlten die Worte. »Ich hoffe sie sind zufrieden Roberta. Sie haben alles vernichtet, wofür andere so hart gearbeitet haben. Sie müssen wahrscheinlich großartig fühlen.« »Machen sie mir keine Vorwürfe Norman. Ich habe nur das Chaos beseitigt, dass sie überhaupt erst mit ihrer Friedenspolitik ausgelöst haben! Sie haben nie begriffen, dass man diesen Leuten nicht helfen kann! Sie sind

eine Gefahr für alle um sich herum. Sie wollten immer nur mit ihnen spielen. Sie haben sie sogar als ungefährlich angesehen, und wohin hat uns das geführt? Waslow, die Zwillinge. Soll ich mehr aufzählen? Sie haben zugelassen, dass einige der gefährlichsten Individuen sich nun wieder frei auf diesem Planeten bewegen können. Es war ihre Schuld Norman! Als sie damals Compton in den A-Trakt verlegten, haben sie diesen Stein in Gang gesetzt.« Er sah sie kopfschüttelnd an. Heidenreich war schon immer dieser Ansicht gewesen, und es gab nichts, das er daran ändern konnte. Niemals. »Man hätte es auch anders lösen können.

Ohne, dass jemand sterben muss.« Sie drückte ihre Zigarette im Aschenbecher aus. »Manchmal, muss man eben Opfer bringen Norman. Sie waren nie zu einem solchen bereit. Sie waren zu weich. Ich habe die Ordnung wieder hergestellt, auch wenn sie das nicht akzeptieren wollen.« Er stand auf und sah sie fassungslos an. »Ordnung? Das hier ist keine Ordnung. Das ist Chaos, geboren aus Unwissenheit und Ignoranz.« Norman schritt nun ebenfalls zur Tür. »Einen schönen Tag noch.« »Ich weiß, dass sie mich jetzt

wahrscheinlich noch mehr hassen, als sie es sowieso schon tun. Ich kann es ihnen nicht einmal verübeln. So vieles ist jetzt anders. Für uns beide. Wir haben einfach nur noch nicht begriffen, dass sich die Welt um uns verändert hat. So viel schreckliches gescheit jeden Tag. Ich dachte, ich könnte zumindest ein wenig davon verhindern. Ich weiß, dass das für sie kein Trost ist. Das wird es wohl auch nie. Ich erwarte auch nicht, dass sie mich verstehen. Sie sollen mir einfach nur zuhören.« Ethan nickte. Er sah Leland nicht an. Die ganze Zeit hatte er noch kein Wort verloren. In seinem Innern fühlte er sich einfach nur leer. Katherina hatte er

nicht retten können. Die, die am wenigsten für ihr Schicksal konnte, war vor seinen Augen gestorben, ohne dass er es verhindern konnte. Und warum? Für das größere Wohl? So langsam fragte er sich, was in dieser Welt überhaupt noch gut oder schlecht war. Leland war nicht der Schlüssel, zu diesen Antworten. Er war einfach nur eine Figur, die über das Spielfeld bewegt wurde. Er konnte ihm nicht böse sein. Egal wie sehr er es auch versuchte. Seine ganze Wut galt Heidenreich, die sie alle hintergangen hatte. Für sie waren die Patienten nie menschlich gewesen. Das wusste er jetzt. Für diese Erkenntnis hatte eine

gute Freundin mit dem Leben bezahlen müssen. »Ich hasse sie nicht Leland. Es ist einfach nur furchtbar endgültig. Katherina ist weg und wird nie wieder zurückkommen. Ich konnte mein Versprechen ihr gegenüber nicht einlösen. Ich habe als Arzt versagt. Das verstehe ich jetzt. Ich habe nie begriffen worum es wirklich geht. Wie sich diese Leute wirklich fühlen. Kat war allein und fühlte sich verlassen, egal wie sehr wir uns auch bemühten. Im Innern war sie immer einsam. Ich habe das einfach nur zu spät gesehen. Auch wenn ich es nicht akzeptieren kann, aber sie haben ihr Frieden

gegeben. Jetzt leidet sie nicht mehr.« Der 44-Jährige sah seinen Kollegen an. Die Krücke lehnte achtlos an der Wand, während er selbst auf der Bettkante saß. »Ich hab ihre Heulerei schon immer gehasst Rain. Dieses Gefühlsgedusel war nie etwas für mich, aber jetzt verstehe sie zumindest ein bisschen. Ich bin eben nicht der Typ, der solche Bindungen hat. Ich habe niemanden, den ich einmal vermissen würde, wenn er weg wäre. Für mich endet jeder Tag gleich. Ich bin nur für mich und muss auf niemanden achten. Sie sind es, der die Verantwortung tragen muss.« Er seufzte und fuhr sich mit der Hand durchs

Gesicht. »Ich will damit nur sagen, dass sie das nicht allein tun müssen. Auch wenn es ihnen schwerfällt. Ich erwarte auch nicht, dass wir beide Freunde werden.« Ethan nickte nur darauf. Leland fühlte sich schuldig. Das war offensichtlich. Er würde es jedoch nie zugeben. Dafür war er sich zu stolz. Dennoch akzeptierte er das. Es war schwer zu sagen, was nun auf sie zukam. Sicher war nur, dass es nie wieder so werden würde wie früher. Sie standen an der Schwelle zu einer neuen Zeit. Wie die aussah, konnte niemand wissen. »Hey. Na ihr alten Brummbären?« Die Männer hoben ihre Köpfe und sahen

zur Tür. Naiomi stand dort, nur mit ihrem Krankenhausleibchen bekleidet und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie wirkte zwar angeschlagen, aber schien gute Laune zu haben. Der Verband um ihre Brust war fort. Der Schnitt des Reiters verschwunden. Sie bemerkte Lelands Blick und hob tadelnd den Zeigefinger. »Ich weiß schon, wo sie hingucken, sie alter Lustgreis.« »Sie machen es mir auch nicht gerade schwer Miss Winchester. Da können sie gleich nackt rumlaufen.« »Sicher?« Ethan schüttelte den Kopf und grinste. Wie konnten sie so tun, als wäre alles in

Ordnung? Das war ihm unbegreiflich. Ein Schrei riss ihn aus seiner Lethargie. Als nächstes folgte ein undefinierbares Geräusch vom unteren Stockwerk, auf dem sich die Intensivstation befand. Die drei tauschten alarmierte Blicke aus. Sofort rannte Naiomi los. Ethan stand auf. Leland hielt ihn fest. »Sie bleiben hier alter Junge!« Er drückte ihn auf das Bett zurück. Er wehrte sich. »Ich komme mit!« »Sie schlafen jetzt!« Er hielt ihm die Hand an die Stirn und Ethan sank ins Reich der Träume. Leland ergriff seine Krücke und wanderte zum Aufzug, der sich gerade

schloss. Naiomi hatte einen kleinen Vorsprung. Wie dumm von ihr! Sie wusste doch gar nicht, was sich da unten abspielte. Wahrscheinlich war Wilkins erwacht. Ihn hatte er im Augenblick gar nicht bedacht. Das machte die Situation nur umso gefährlicher. Er seufzte und hämmerte mit seiner Faust auf den Knopf des Fahrstuhls. »Komm schon, du Scheißding!« Die Tür öffnete sich wieder und er betrat das Innere. Mit einem Knopfdruck ging es abwärts. Mit einem Mal überkam ihn Eiseskälte. Er fror regelrecht. Was war hier nur los? Die Tür öffnete sich und er erstarrte. Vor

ihm stand Naiomi mit dem Rücken zum Aufzug. Sie war steifgefroren, so wie der Rest des Korridors. Leland ging schnurstracks an ihr vorbei zum Zimmer, in dem Wilkins liegen sollte. Das Bett war leer. Das hier konnte nur eines bedeuten. Hinter sich hörte er Schritte. Die Kälte nagte an ihm. Er konnte die Nähe des Anderen spüren. Angst machte sich in ihm breit. »Ich habe mich schon gefragt, wann du dich zeigst«, erklärte er langsam. Seine Stimme zitterte. Teils vor Furcht, teils vor Kälte. Seine Glieder schmerzten. Er fror am ganzen Körper. Es musste -20 Grad hier drin sein. Mindestens. »Es ist so, wie sie es mir immer beim

Schach erklärt haben Doktor. Man muss auf den richtigen Moment für seinen Zug warten. Das hier ist er. Und niemand hat ihn kommen sehen. Das ist das Geheimnis daran.« Er erschauderte. Noch immer starrte er auf das leere Bett vor sich und hatte sich auf die Krücke gestützt. »Was willst du nun tun? Mich töten, wie Miss Winchester?« »Nein. Das Mädchen wird überleben, wenn sie sich beeilen. Wie sie wissen, braucht es einige Zeit, bis der Körper sämtliche Funktionen abschaltet. Sie haben etwa noch fünf Minuten, bevor die Sauerstoffzufuhr im Gehirn der Kleinen versagt. An ihnen selbst habe ich

überhaupt kein Interesse. Ich habe, weshalb ich hergekommen bin. Das ist alles.« Er konnte fühlen, wie der Andere ihm eine Hand auf die Schulter legte. »Sie haben sich wacker geschlagen Leland. Treudoof folgten sie ihren Befehlen. Und wohin führt sie das? Am Ende stehen sie mit nichts da. Sie haben versagt.« Erneut hörte er Schritte. Der andere entfernte sich. Akerman schritt sofort zum Bett und drückte den Notruf, ehe er zu Boden sank. Er griff in die Tasche und holte sein Telefon hervor. Zum Glück war Heidenreich noch im Büro. »Akerman. Was ist

los?« »Ich muss ihre kleine Seifenblase platzen lassen, Roberta.« Er grinste. »Wir sitzen tief in der Scheiße!«

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Hörbuch

Über den Autor

Thommy
Also, dann will ich auch ein wenig von mir Preisgeben, damit ihr wisst was für ein Mensch eigentlich hinter den Geschichten steht ;)

Ich hab schon geschrieben da war ich gerade mal 12 Jahre alt und ging noch zur Schule. Mich hat es irgendwie immer fasziniert in eigene Welten einzutauchen und diesen Form und Gesicht zu geben. Ob es einfache Fanfictions, oder eigene kleinere Ideen waren. Meine ersten Geschichten waren auch nicht mit Klassikern zu vergleichen, oder hatten einen besonderen Kern. Es war lediglich der Wunsch das zu Papier zu bringen, was mir im Kopf rumspukte. ^^

Eine meiner ersten Geschichten war eine Art Wild-West Adaption und wohl so inspirierend wie der morgendliche Toilettengang, aber das ist es nicht was mich bei so etwas tangiert. Ich bin keiner von den Leuten denen es darum geht, was andere über das denken was er schreibt. Ich will meine Inspirationen, meine Gedanken einfach nur mit den Leuten teilen. Mir ist es wichtig dass die Leute Spaß an dem haben was ich schreibe. Ich will meine Ideen und meine Fantasien mit ihnen teilen. Das ist mir wichtig ;)

Was mich dabei inspiriert? Das kann unterschiedlich sein. Ein guter Song, von Disturbed, den Foo Fighters oder anderen wie zum Beispiel Lifehouse oder Stone Sour.
Andererseits kann es auch nur ein einfacher Gedanke, oder eine Frage sein die mir gerade durch den Kopf geht. Das ist ganz unterschiedlich. Ich bin auch nicht unbedingt derjenige der in seinen Geschichten auf Action achtet, oder dass der Held am Ende das Mädchen bekommt, sondern darauf eine Welt zu zeigen die vielleicht nicht immer perfekt ist und wie die Leute in ihr mit den dortigen Begebenheiten zurecht kommen.
Ich bin auch kein Freund von "Happy End" - Geschichten, wenn ich ehrlich bin, da sie manchmal nicht der Wahrheit entsprechen. Das Leben ist eben nicht immer eine Blumenwiese über die die Leute fröhlich hinwegtänzeln, sondern bietet seine Herausforderungen und Prüfungen an denen man wächst und reift. Das versuche ich auch in meinen Stories zu zeigen und zu verdeutlichen, auch wenn es vielleicht nicht immer ganz gelingt ^^

Ansonsten gibt es eigentlich nicht viel zu sagen^^ Ich wünsche jenen Leuten die über meine Geschichten stolpern viel Spaß mit ihnen und hoffe dass sie vielleicht etwas von den Gedanken übermitteln können, die mich dazu bewogen haben sie zu schreiben.
In diesem Sinne:
Liebe Grüße,
Thommy =)

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