Romane & Erzählungen
Die Idee, Eure Meinung!!! - Die Idee zu einer Geschichte Meinungen!!!

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"Die blöde Muse hat mich überfallen! Kann man was draus machen?"
Veröffentlicht am 23. Mai 2014, 196 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

Ich schreibe hauptsächlich um zu unterhalten. Dabei möchte ich Menschen jeden Alters, jeden Geschlechts und egal welcher Herkunft unterhalten. Meine Ambitionen liegen bei den spannenden und aufregenden Romanen. Jedoch experimentiere ich hin und wieder auch mal an anderen Genres herum. Mehr über mich: www.porterthomson.de.tl sowie bei Facebook: "Porter Thomson, Autor aus Cuxhaven" und bei Google+ unter der web-Adresse: ...
Die blöde Muse hat mich überfallen! Kann man was draus machen?

Die Idee, Eure Meinung!!! - Die Idee zu einer Geschichte Meinungen!!!

Anmerkung

Wie ein Blitz, überfiel mich kürzlich, bei einem Spaziergang am heimischen Wattenmeer, die Muse zu einer Idee für eine Geschichte.

Das was Ihr hier lesen könnt ist im Moment noch Alles! Was haltet Ihr davon? Wie kann die Geschichte weiter gehen? Was könnte man von dem was da ist verbessern? Ich bitte dringend um Eure konstruktive Meinung!

Aber zunächst wünsche ich Euch hoffentlich spannende Stunden! Auch sind noch nicht alle Rechtschreib- und Grammatikfehler beseitigt. Man möge es mir nachsehen! Es ist ein erster Entwurf!

Das Friesengold


Einleitung

Hat sich nicht schon ein Jeder von uns die Frage gestellt, warum es so viele spannende Geschichten aus und über das Mittelalter gibt? Da gibt es Geschichten von Helden und Rittern, von Burgen mit ihren Fürsten und Burgfräuleins oder auch vom einfachen Volke, wie dem kleinen Bauern oder dem einfachen Handwerker.

Die Antwort ist schnell gefunden! Die

Epoche, in der jene Geschichten spielen, die man gemeinhin als das Mittelalter bezeichnet, wird in der Historie als die Epoche geführt, in der so detailliert das Zeitgeschehen in Schrift und Bild festgehalten wurde wie selten zuvor! Man sagt, das eigentliche Mittelalter begann etwa im 8. und 9. Jahrhundert nach Christi Geburt, also etwa die Zeit, in der die frühgeschichtlichen Merowinger durch die Karolinger entmachtet wurden. Während in der Zeit der Merowinger die Geschichtsschreibung nahezu zum Erliegen kam, da es in jener schwierigen nachrömischen Zeit einfach wichtigere Dinge zu tun gab, erblühte die

Geschichtsschreibung in der darauf folgenden Zeit der Karolinger zu neuem Leben.

Als das römische Reich um das das Jahr 480 nach Christus unterging, oder vielmehr sich als das byzantinische Reich in den Osten von Europa zurück zog, entstand in Mittel- und Westeuropa eine Art Machtvakuum, in deren Folge sich die Franken mit den Merowingern als dominierendes Herrschergeschlecht in Mittel- und Westeuropa etablierten. Zu jener Zeit lag Europa wirtschaftlich und kulturell in Trümmern. Einhergehend mit der durch die Merowinger voran getriebenen Christianisierung wurden zahlreiche der damaligen zeitgenössischen

und „heidnischen“ Schriften und Bildnisse einfach vernichtet oder sind verschollen. Dies hatte zur Folge, dass aus jenen „Dunklen Jahrhunderten“ heute so gut wie nichts bekannt ist und um das Wenige das man weiß, sich zahlreiche Mythen und Märchen ranken. Das macht es einem Autor so schwer, eine Geschichte aus jener Zeit halbwegs authentisch und zugleich auch spannend nieder zuschreiben.

Ich stelle mir diese graue Vorzeit recht interessant vor und möchte daher das Unmögliche wagen! Ich möchte eine spannende Geschichte schreiben, die eben in jener Epoche der verlorenen Jahrhunderte spielt!

Schon der Beginn dieser Geschichte könnte sich als schwierig darstellen! Wie haben wir uns Mitteleuropa, sagen wir mal meine Heimat das spätere Norddeutschland, meinetwegen an der Elbmündung, vorzustellen? Dem interessierten Leser sei schon jetzt gesagt, auf jeden Fall ganz anders als heute!

Stellen wir uns vor, dass die Küstenlandschaft des späteren Deutschland wild und urwüchsig war! An einen Küstenschutz, wie wir ihn heute kennen war damals natürlich noch nicht zu denken! Schutzlos war die Küste den Unbilden der Natur ausgesetzt. Gnadenlos brachen Stürme und damit

einhergehende Sturmfluten über das Land herein und hinterließen ihre deutlichen Narben in der Landschaft.

Also denken wir uns als erstes die heutigen, die Landschaft prägenden Deiche weg. Die Küste war eine Naturlandschaft die im Laufe der Zeit, unter dem Einfluss der Gezeiten, stetig sein Antlitz veränderte.

Denken wir uns die schönen Sandstrände weg, an die es Jahr für Jahr hunderttausende Touristen zieht. Vielmehr müssen wir uns die Küste als ein mit Küstengras zugewachsenes Feuchtgebiet vorstellen in dem unzählige Küstenvögel, außer Möwen vielleicht, die Landschaft prägen. Möwen wurden

erst Jahrhunderte später durch Seefahrer aus Indien eingeschleppt und haben die Küsten quasi „unterjocht“.

Während heute das Hinterland der Küste von ausgedehnten flachen Wiesen geprägt ist, auf denen bestenfalls Kühe und Schafe weiden und jede Menge Windräder für unseren Lebensstandard sorgen, waren diese Gebiete um das Jahr 500 eine sumpfige Landschaft mit zahlreichen Mooren, kleineren Seen und ausgedehnten urwüchsigen Auwäldern.

Natürlich war damals auch nicht an ein Netz von Wegen oder gar befestigten Straßen zu denken! Diese wurden erst später, nur zum Zwecke des Binnenhandels, erschaffen. Doch mit wem

wollte man in dieser Zeit in jener Region Handel treiben? Handelszentren wie Hamburg, Bremen, Cuxhaven oder Wilhelmshaven gab es damals noch nicht! Also brauchte man auch keine Wege und Straßen.

Die Region, in der wir uns befinden, nannte sich schon damals Friesland und zog sich von der heutigen holländischen Küste bis hinauf in das heutige Cuxland an der gewaltigen Elbmündung. Zu jener Zeit gab es nur wenige politische Konflikte in und um Friesland. Ein oder zweimal beanspruchten die Merowinger das südliche Friesland im heutigen Holland mit seinem strategisch wichtigen Maasdelta. Ansonsten stand Friesland in

jener Zeit weder unter dem Einfluss der Merowinger mit ihren Franken noch hegten, so wird vermutet, die Angelsachsen von der britischen Insel irgendwelche Interessen. Warum auch? Dieses riesige Sumpfgebiet, welches ständig den Gewalten des Meeres ausgesetzt war, machte sich bei den Merowingern wie auch bei den Angelsachsen denkbar uninteressant.

Das soll aber nicht heißen, dass in Friesland keine Menschen oder bestenfalls nur Steinzeitmenschen lebten! Weit gefehlt! Denn Friesland konnte doch mit einigen interessanten Ressourcen und Produktionszweigen aufwarten. So war Friesland bedingt durch

seine Nähe zum Meer mit reichhaltigen Fischgründen gesegnet. Infolge dessen, da sie für damalige Verhältnisse den Fischfang nahezu perfektioniert hatten galten sie auch als die besten Schiffsbauer jener Zeit und verfügten schon damals über eine beachtliche und vor allem wehrhafte Handelsflotte. Dies war nötig, weil es zur See doch einen mächtigen Feind gab, vor dem es sich zu verteidigen galt, nämlich die Wikinger aus dem skandinavischen Norden!

Auch hatte Friesland zwei wertvolle Bodenschätze vorzuweisen! In der damaligen Zeit wurden an Frieslands Küste Unmengen von Bernstein, dem Gold des Meeres, an die Küsten gespült

und die Friesen brauchten ihn sich nur noch einsammeln. Gilt auch heute noch Bernstein als ein edles Schmuckstück so war er damals sogar eine Art Handelswährung! Der zweite Bodenschatz war wenn auch bei weitem schwieriger zu gewinnen so doch in rauen Mengen verfügbar und so wertvoll, dass bis ins späte Mittelalter darum Kriege geführt wurden. Ja ja! Schon damals wusste man den Wert zu schätzen von...Salz.

Die Friesen töpferten auch und gewannen, da es an ausgedehnten dichten und vor allem trockenen Wäldern mangelte, Torf. Zudem hatten die Friesen eine zutiefst religiöse Affinität zu Holz.

Sie waren der Meinung Bäume und Wasser seien beseelt, weshalb sie sich scheuten Holz zu verbrennen.

Seit je her, so auch damals, haben die Friesen eine erfolgreiche Schaf und Ziegenzucht. Sie stellten in jener Zeit mit die besten wetterfesten Wolltextilien ihrer Zeit her.

Doch wie darf man sich den Friesen an sich vorstellen? Da stößt denn auch der Wissensstand unserer Historiker auf seine Grenzen. Weder ist heute bekannt, wie sich die Urfriesen unterhielten, sprich ob ihre Sprache mehr an das Skandinavische, das Angelsächsische, das Fränkische oder gar an das Germanische angelehnt war. Noch ist

bekannt wie die politische und gesellschaftliche Struktur beschaffen war. Es ist bekannt, dass es in Friesland eine Monarchie gab. Aber man weiß nicht wie sich der Herrscher und die anderen Adligen im Friesenland bezeichneten. Man vermutet dass sich der Herrscher selbst als Herzog betitelte, welcher heute natürlich seinem Rang nicht mehr gerecht werden würde. Aber wie sich der niedere Adel nannte oder gar untergliederte ist heute weitgehend unbekannt!

Die Friesen hatten auch ihre eigenen Götter, die jedoch stark an die Nordischen Götter um Odin und Thor angelehnt waren. Auch flossen die

friesischen Götter mit in die nordische Edda ein, quasi die Wikingerbibel. Ihre bedeutsamsten Gottheiten waren zum einen der Gott des Wassers und der Luft, der Schutzgott der Seefahrt, dem auch das Wetter unterlag, Wöda. Dieser Wöda erfüllte auch zugleich die Funktion des Kriegsgottes.

Als Göttin der Tugend, der Häuslichkeit und Anmut galt Frigga. Wenn die männlichen Friesen manchmal Monate lang unterwegs waren wachte Frigga über Haus, Hof und Familie.

Ein weiterer Gott, den die Friesen sehr verehrten war der Gott Forseti, der Gott der Rechtsprechung. Es gab noch ein paar weitere Göttinnen und Götter, wie

für Krankheit, Tod und Verdammnis die Göttin Hel, für die Fruchtbarkeit, Lust und Sinnlichkeit die Göttin Phosete und für den Tanz und die Gefräßigkeit den Gott Korn und noch einige mehr, für jede Alltagssituation den passenden Gott sozusagen.

Auch war der Glaube an diversen Haus und Naturgeistern bei den Friesen allgegenwärtig und nichts Schlimmes oder Fürchterliches! Vielmehr fänden die Friesen ihr Haus unheimlich, wenn es nicht wenigstens einen Hausgeist gäbe!

Um in meinem Vorhaben überhaupt voran kommen zu können, werde ich versuchen in der nun folgenden Geschichte meinen Friesen etwas Leben einzuhauchen, indem

ich mich von wissenschaftlichen und kulturellen Erkenntnissen aus benachbarten Völkern der Friesen inspirieren lasse. Gleichwohl der Wissenstand bei diesen Völkern jener Epoche gleichermaßen gering ist. Aber, von dem Einen weiß man bei dem einen Volk etwas und über das Andere weiß man eben bei dem anderen Volk ein paar Sachen. Am Ende kochen sie alle bloß mit Wasser! Solange hinten eine „homogene“ Geschichte herauskommt, möge mir der Leser die eine oder andere wissenschaftliche Ungenauigkeit verzeihen.

Mir ist schon klar, dass jeder Wissenschaftler und Historiker bei dieser

Geschichte die Hände über dem Kopf zusammenschlagen wird! Ja Hallo!? Es soll eine unterhaltsame und spannende Geschichte werden die sich in einer zeitlichen Epoche abspielt über die so gut wie nichts bekannt ist. Für mich ist wichtig, dass sich diese Geschichte so oder ähnlich zugetragen haben könnte! Alles Weitere ist Lehrbuch!



Kapitel 1

Die braunen Ledereimer baumelten lustig am ehernen Krumholz herum, der da schwer auf den Schultern der kleinen

Freda lastete. Gekonnt watete sie von Buschen zu Buschen um so lange wie möglich den kalten Fluten des herbstlichen Wattenmeers zu entgehen. Ihr dicht gefolgt, bewegte sich ebenso geschickt von Grasbüschel zu Grasbüschel ihr jüngerer Bruder Harka, der wenigstens einen Kopf kleiner war als seine Schwester. Doch musste sich Harka nicht mit den noch leichten Eimern abschleppen. Ihm oblag alleinig die Aufgabe seine Schwester zu begleiten.

Soweit die Beiden schon zurück denken konnten, wurde ihnen wieder und wieder eingebläut, nie, wirklich niemals, allein ins Wattenmeer hinaus zu laufen! Zu schnell könnte die eifersüchtige Göttin

Ran in ihrer Saline im göttlichen Meerespalast rühren und sich der Schlund des Meeres auftun, auf dass er einen Menschen allein im Wattenmeer verschlinge.

Freda und Harka oblag an jenem Tag die mühselige Aufgabe aus einem der Priele im Wattenmeer ein paar Eimer sauberes Meereswasser zu holen, auf dass die Frauen im Dorf dieses zu dem wertvollen Salz verkochen könnten. Da das Wasser, wenn es an die Küste schlug zu verschmutzt war, musste man immer auf die beiden Tagesabschnitte warten, an denen sich das Wasser langsam zurück zog und sich in den ausgespülten Gräben im schlammigen Wattenmeer sauberes

Salzwasser ansammelte.

Diese Arbeit der Salzgewinnung war ein mühseliges Handwerk, bei dem die Kinder unzählige Eimer Wasser ins Dorf schleppten welches dann in mehreren Verfahren verkocht und abgeschöpft und wieder verkocht wurde nur um am Ende noch nicht einmal zu sehen wofür man einen halben Tag lang Eimer geschleppt hat. Für einen kleinen Beutel Salz, welcher noch nicht einmal eine Kinderhand ausfüllen würde, waren so viele Eimer Wasser nötig, welche die Kinder vielleicht in einem viertel Mond (etwa eine Woche) nach Hause tragen konnten. Nach einem ganzen Mondzyklus hatte man mit Glück so viel Salz

gewonnen um damit etwas Handel betreiben zu können.

Auch wenn die beiden Kinder beinah täglich mit diesem Salz zu tun hatten, sind sie doch noch nie in den Genuss gekommen auch nur eine kleine Priese dieses weißen Pulvers zu kosten. Sorgfältig wurde jede noch so kleine Krume trocken und sicher aufbewahrt, auf dass ihr Vater Thore das gewonnene Salz mit auf seine weiten Handelsreisen nehmen konnte.

Sollten denn die kleinen Salzbeutel trocken ihr Ziel erreichen, würden sie die Familien im Dorf viele Monde mit dem wichtigen Getreide versorgen, welches in Angelsachsen überall zu gedeihen schien,

allerdings in Friesland kaum oder gar nicht. Dafür verstanden sich die Angelsachsen nicht sonderlich gut in der Salzgewinnung. Diese gegenseitigen Bedürfnisse machten die Friesen und die Angelsachsen bereits seit langer Zeit zu guten Handelspartnern.

Nun war endgültig der Punkt erreicht, da hinter den beiden Kindern die dichte grüne Küste mit seinem Meer aus sprödem Küstengras lag und sich vor ihnen das weite offene Watt ausdehnte. Nun mussten sie wohl oder übel in das doch recht kalte Wasser der zurückweichenden Nordsee!

War die Luft schon so kalt, dass ihr heißer Atem kleine Dampfwölkchen aus

ihren Mündern stieß, fühlte sich das  Wasser an ihren kleinen Füßen noch eisiger an, während sie durch das schlickige Watt hin zu ihrem Priel stapften. Dieses Priel lag so günstig, dicht bei der Küste und mit einem tiefen Wassereinschluss, dass man bis zum Auflaufen des Meeres das Wasser schöpfen konnte ohne von der Göttin Ran verschlungen zu werden.

Schon bald hatten Freda und Harka jenes Priel erreicht. Nun mussten sie noch einige Zeit verweilen, bis denn das letzte Wasser abgelaufen war und sich das Wasser im Priel, welches einen richtigen kleinen See bildete, gesetzt hatte. Das waren immer die schrecklichsten

Momente beim Salzwasserholen im Herbst und im Winter. Auch wenn die Kinder ein jedes mal wieder versuchten den optimalen Zeitpunkt abzupassen, an dem sie am Ufer los liefen, hatten Sie doch viel zu oft das Pech, vor dem Priel warten zu müssen. Sie standen notgedrungen da und fühlten stetig steigend die eisige Kälte in sich hinauf kriechen. Langen Zähnen gleich, schlug die eisige Kälte in ihre nackten Beine und sie konnten sich nicht dagegen erwehren, musste sich doch zunächst das Wasser im Priel reinigen!

Gelangweilt standen sie da und beobachteten das langsam abfließende Wasser. Wütend darüber wieder den

richtigen Zeitpunkt verpasst zu haben schniefte Freda durch die Nase und warf einen flüchtigen Blick auf jenes unheimliche Eiland welches da mitten im Watt lag und wo sich auch bei zurückgezogenem Wasser keiner ihrer Sippe hin verirrte. Auf jener unheimlichen düsteren Insel mit seinen vielen Bäumen gingen böse Geister um, sagte man sich!

Endlich konnte man es wagen, und vorsichtig den ersten Ledereimer Salzwasser abschöpfen!

„Hier! Halt mal!“, waren Fredas erste verdrießliche Worte an ihren kleinen Bruder, seitdem sie das Dorf verlassen haben, welches sich gleich hinter den

hohen Dünen befand.

Routiniert reffte Freda ihr schweres dicht gewirktes Wollkleid und klemmte es unter dem alles zusammen haltenden Lederriemen um ihren Bauch. Schneeweiß blitzten ihre kräftigen Waden hervor, denen sich die vom Schlick verschmutzten, kleinen Füße anschlossen.

Ganz langsam, um ja nicht zu viel Schlick aufzuwühlen, watete das Mädchen knietief in das eiskalte Wasser und verweilte einen Moment, bis sich der wenige Schlick der unweigerlich aufgewühlt wurde erneut setzte. Beißend kribbelte die unbarmherzige Kälte in ihren Beinen.

„Freda mir ist kalt!“, jammerte der kleine

Harka am Rande, während er noch immer die leeren Eimer hielt und sie jetzt seiner Schwester anreichte.

„Ja mir etwa nicht!?“, schnauzte sie ihren Bruder an. „Mir fallen auch gleich die Füße ab! Aber ich bin bald fertig!“

Ganz langsam ließ Freda den Eimer ohne ein Geräusch ins Wasser gleiten und zog ihn unter größter Kraftanstrengung ebenso langsam wieder heraus. Sein beachtliches Gewicht und die ungünstige Körperhaltung wollten das doch zierliche Mädchen fast durchbrechen lassen, als sie den jetzt vollen Eimer hinaus zu ihrem Bruder hievte. Sie nahm von Harka den anderen Eimer und beobachtete wieder einen Moment das Wasser im Priel

ob auch kein Schlick aufgewühlt worden ist. Dann wiederholte sie die anstrengende Prozedur des Wasserschöpfens und entstieg eilig dem kalten Wasser. Nun brauchte sie auch nicht mehr aufpassen! Jetzt hatte das Wasser genug Zeit sich erneut zu reinigen.

Freda löste wieder das gereffte Kleid und wuchtete sich mit dem schweren Krummholz die beiden Eimer auf ihre Schultern. Mit scheinbar wackligen Füßen lief sie, gefolgt von Harka, eilig zurück zum Ufer, wo schon ihre und Harkas warme Fellschuhe auf sie warteten.

„Freda!“, begann Harka, während er sich

seine Stiefel über die nackten Füße zog. „Das macht kein Spaß! Lass uns doch Fische fangen oder nach Krebsen suchen! Wie früher!“

„Du weißt, wir brauchen das Salz!“, erwiderte Freda etwas angenervt. „Da uns der Torf kein Salz mehr geben möchte müssen wir es eben dem Meer abstrotzen. Ohne Salz haben wir kein Getreide. Ohne Getreide müssen wir im nächsten Winter hungern!“

Insgeheim stimmte das Mädchen ihrem kleinen Bruder ja zu, doch hatte sie auch die Einsicht in die Notwendigkeit und lebte nicht mehr so unbekümmert in den Tag hinein wie Harka! Sie war jetzt, da sie erst kürzlich zur Frau wurde, ein

fester Bestandteil der dörflichen Gemeinschaft und hatte ihren Anteil zum Sippenleben beizutragen! Dazu gehörten eben auch so unliebsame Tätigkeiten wie das Salz zu verkochen.

Schwer lag das Krummholz auf ihren Schultern als sie gefolgt von ihrem Bruder die sandige Düne erklomm. Gleich dahinter lag, wie an die Düne angeschmiegt, ihr kleines Dorf, welches in einem Kreisrund angelegt von einer kleinen Wiese umgeben war. Diese Wiese war mit dem Aufbau ihres Dorfes entstanden und bildete im ewigen Zwielicht des dichten Auwaldes einen Lichtpunkt des Lebens.

Den Mittelpunkt des Dorfes bildete ein

prächtiger Eisenbaum, in dessen Schatten auch Rat gehalten und Forseti, der Gott des Rechts angerufen wurde. Im Moment balgten sich ein paar kleinere Jungen unter den ausladenden Ästen jenes erhabenen Eisenbaums, der wie kein anderer Baum für Beständigkeit und ein langes Leben stand.

Der Abstieg von der Düne, mit den beiden hin und her baumelnden schweren Eimern auf den Schultern war immer das schwierigste am Wassertransport! Strebten doch die schweren Eimer immer schneller und nachdrücklicher den Hang hinab, dass Freda stets ordentlich gegen halten musste. Es war anstrengend und Freda ächzte unter der Last, stets darauf

gefasst jeden Moment das Gleichgewicht zu verlieren und zu stürzen. Das durfte natürlich nicht geschehen! All die Mühsal wäre umsonst gewesen!

Jetzt, da sie des Dorfes gewahr wurden, rannte Harka auch schon los. Für ihn gab es jetzt keinen Grund mehr bei seiner Schwester zu bleiben und ließ sie mit ihren schweren Eimern einfach zurück. Das Toben mit seinen Altersgenossen war jetzt natürlich viel wichtiger!

„Geh nur!“, stieß Freda missmutig hervor und musste erneut wankend die Eimer aus tarieren. Sie hatte den Abhang zur Hälfte bewältigt.

„Komm, lass dir helfen, schöne Freda!“ hörte sie plötzlich hinter sich die

vertraute wenn auch nicht angenehme Stimme eines Mannes.

Freda wandte den Blick und sah Garlef, den Knut des Herzogs, auf sich zu eilen. In wenigen Sprüngen hatte er den Hang hinab gesetzt und war bei ihr.

Wo kommt der so plötzlich her!War er die ganze Zeit oben auf der Düne? Was hat der da gemacht? Hat der mich beobachtet, wie der Wolf ein zu erlegendes Reh?

War ihr schon als kleines Kind dieser schmierige und grobschlächtige Mann, mit seinen kleinen Augen und der spitzen Nase als unsympathisch erschienen, verstärkte sich dieses Gefühl seit kurzem mehr denn je! Aus einem ihr

unerklärlichen Grund schlich Garlef neuerdings häufiger scheinbar zufällig um sie herum. Schnell suchte sie dann das weite. War er doch für seine Brutalität unter den Kindern des Dorfes berühmt!

Kreuzten sich ab und an wie zufällig ihre Blicke, setzte er sogleich sein verschlagenes Grinsen auf, welches in Freda stets ein ihr neues unerklärliches Unbehagen hervor rief.

Immer öfter suchte er auch den direkten Kontakt zu ihr, obwohl sie so gar keinen Wert darauf legte, und verwickelte sie in nervige und belanglose Gespräche. Was bezweckte er damit? Das war doch früher nicht so! Früher war sie, wie alle Kinder

des Dorfes, ihm ein Graus, welche er einfach nur ignorierte oder schlimmer noch böse beschimpfte und mit Steinen nach ihnen warf.

Nicht selten hatte Freda vor ihm Reißaus nehmen müssen. Wenn sich dummerweise ihre Wege kreuzten, war doch Garlef schnell mit Fußtritten dabei.

Sogleich griff Garlef nach dem Krummholz, als er Freda erreicht hatte und schnappte sich mit Leichtigkeit die schweren Eimer von ihren Schultern.

„Die sind doch für eine junge hübsche Frau viel zu schwer!“, Garlef grinste ihr breit ins Gesicht.

Freda wollte noch protestieren, war es ihr doch sichtlich unangenehm Garlef

dank schuldig zu sein! Doch die erleichternde Wohltat auf ihren Schultern überwog dann doch die Vorbehalte. Sie nahm das Krumholz.

„Danke Garlef!“, presste sie widerwillig hervor und trottete etwas hinter Garlef bleibend ihrem Helfer hinterher.

„Ach dafür doch nicht! Ich habe bemerkt, dass Du neuerdings Frauenarbeit verrichtest. Das ist bestimmt ziemlich schwer und neu für dich nicht wahr?“

„Man gewöhnt sich dran!“, gab Freda knapp von sich. Sie war absolut nicht auf eine Unterhaltung mit diesem schmierigen Garlef aus!

Behände, als wären die vollen Eimer noch leer, lief Garlef laut pfeifend den

Hang der Düne hinab ins Dorf.

Alle Weiber der Sippe, die gerade mit derlei alltäglichen Arbeiten beschäftigt waren, schauten innehaltend auf und betrachteten sich die Szenerie, wie der schon lange verwitwete Garlef der jungen Freda die schweren Eimer mitten durch das Dorf zu ihrem Elternhaus schleppte. Sie sahen, dass Freda diesen Dienst scheinbar gern in Anspruch nahm und ihm, das Krummholz in der Hand, wie ein Hündchen dicht folgte.

Sofort steckten einige Frauen die Köpfe zusammen und tuschelten.

Freda lief rot an! Oh wie war ihr das peinlich! Ein böser Verdacht keimte in ihr auf, während sie weiterhin Garlef, mit

dem Krummholz in der Hand folgte. Sollte Garlef diese peinliche Situation gar herauf beschworen haben? Aber warum? Offensichtlich genoss er es, dass alle Blicke im Dorf, inzwischen sogar die der Kinder, auf ihm ruhten! Die ersten jüngeren Mädchen begannen unauffällig zu kichern. Am liebsten wäre ihnen Freda wütend an die Gurgel gesprungen!

Jetzt trat auch noch zu allem Überfluss Mutter vor das Haus und empfing diese sonderliche Prozession lächelnd.

In diesem Augenblick wollte Freda vor Scham einfach nur noch im Erdboden versinken! Sie, Freda, die Tochter des Ältesten, hat sich von dem allseits

geschnittenen und gemiedenen Garlef helfen lassen! Aber es ging doch alles so schnell! Sie hatte doch gar keine Möglichkeit seine Hilfe abzuschlagen! Ruck zuck hatte er ihr auch schon die Eimer von den Schultern genommen!

Wie sah denn das jetzt aus? Das sah ja gerade so aus als würde sich Freda mit Garlef dem Kinderschreck abgeben! Oh wie war das peinlich! Sobald konnte sie sich nicht mehr unter den Gleichaltrigen blicken lassen!

„Garlef!“, rief die Mutter lächelnd und lief den Beiden entgegen. „Das ist aber äußerst zuvorkommend von dir, dass Du meiner Tochter die schwere Bürde abgenommen hast! Sie wird es dir

sicherlich danken!“

„Oh Zoske! Ein Blick aus den bezaubernden blauen Augen deiner Tochter ist mir Lohn genug und keine Worte des Dankes sind noch von nöten!“, erwiderte Garlef übertrieben höflich, hängte die Eimer in ein eigens dafür gefertigtes hölzernes Gestell und trat wieder den Heimweg zu seinem großen Rundhaus am Dorfrand mit jenem berüchtigten Loch, wo ab und an die Leute einsaßen, die aufgrund eines Vergehens vom Ältestenrat eine Strafe auferlegt bekommen haben und in diesem Loch auf die Vollstreckung warteten.

Garlef nickte im Vorbeigehen freundlich der Mutter zu und schaute mit einem

seltsamen Blick Freda von oben bis unten an, der ihr so bei noch keinem Menschen aufgefallen ist.

„Freda!“, sagte er bloß, nickte ihr zu und bewegte sich aufrechten Ganges durchs Dorf.

Alle Blicke hafteten auf Garlef und schwenkten immer im Wechsel zwischen ihm und der noch immer sprachlosen Freda vor ihrem Elternhaus.

Was ist hier gerade passiert? Nicht genug, dass die gerade erlebte Szene über alle Maßen peinlich war, nein! Wahrscheinlich jeder im Dorf hat es mitbekommen und man hätte die nächsten Wochen, wenn nicht sogar den ganzen langen Winter hindurch etwas zum

Tuscheln, auf Fredas Kosten!

Ich muss hier weg!

Keinen Moment länger wollte sie diese Blicke ertragen!

„Mutter! Können wir eben die Eimer entleeren gewiss kommt bald das Wasser zurück!“

Unten im Watt wäre sie zunächst nicht mehr diesen stechenden Blicken ausgesetzt!

„Na komm Kleines!“

Mutter und Tochter schnappten sich die Eimer und gingen damit durch das Haus nach hinten auf den kleinen Hof vor dem Schafstall zu einer großen Feuerstelle, wo bereits der große Eisenkessel eingeheizt war, der wertvollste Besitz der

Familie. Vater hat ihn mit der Mathilda den weiten Weg vom Franken hier her geholt und dafür einen großen Beutel Bernstein bezahlt!

Dieser Kessel war zwar unhandlich und viel schwerer als ein herkömmlicher Kupferkessel. Dafür konnte man in ihm aber besser das Salz auskochen. Bekam doch das Meersalz aus Kupferkesseln einen fauligen Geschmack und mit unter wurden die Leute, welche dieses faulige Salz genossen haben, sogar von Hel, der Göttin des Siechtums und des Todes heimgesucht!

Die Mutter goss ihren Eimer in den Kessel und nahm ihrer doch recht zierlichen Tochter den anderen Eimer ab,

da Freda gewiss Probleme bekommen hätte den schweren Eimer über die hohe Kannte des Kessels zu wuchten.

„Das war aber äußerst zuvorkommend von Garlef, dir zu helfen! Findest Du nicht auch, Freda?“

Warum fing Mutter schon wieder mit diesem Thema an? War es denn noch nicht peinlich genug, dass alle Frauen und Mädchen im Dorf Freda zusammen mit Garlef dem Kinderschreck gesehen haben?

„Ja! Ja!“, antwortete Freda leicht genervt. „Wer weiß was ihn da geritten hat!“

Freda schnappte sich beide Eimer und machte sich daran wieder zu

verschwinden. Doch Mutter hielt sie am dicken Wollärmel zurück und drehte sie zu sich herum.

„Aber Kindchen! Weißt Du denn nicht, was es bedeutet, wenn ein junger oder allein lebender Mann einer Jungfrau bei der häuslichen Arbeit hilft?“

Im ersten Moment wusste Freda nicht worauf ihre Mutter da hinaus wollte.

Wie Jungfrau, häusliche Arbeit, allein lebender oder junger Mann? Na klar! Das war der Auftakt dazu um eine Jungfrau zu freien. Ja na und? Was hat das mit mir...

Freda konnte den Gedanken nicht zu Ende spinnen. Blankes Entsetzen trat in ihr Gesicht!

Bei Frigga! Vor einem halben Mond habe ich von Mutter die Bluttücher bekommen...! Garlef freit um mich!!!

„Ja aber ich bin doch...! Ich kann doch nicht...!“, stammelte Freda entsetzt und stimmlos.

„Mutter! Das ist Garlef und ich bin doch erst...“

Freda konnte nicht genau sagen wie alt sie war. So weit reichten ihre Zählkünste nicht. War es doch Frauen und Mädchen untersagt weder lesen, schreiben noch rechnen zu lernen!

Sprachlos schüttelte Freda den Kopf und klappte klarer Worte nicht mehr fähig den Mund auf. Sie ließ die Eimer fallen und schaute verzweifelt ihre Mutter an.

„Ich weiß Freda! Das muss für dich jetzt alles sehr überraschend kommen. Ich selber war nur ein oder zwei Jahre älter als du, als dein Vater damit begann um mich zu freien!“

Mutter nahm Freda in die Arme, bei der jetzt alle Zurückhaltung gewichen war und ihre heißen Tränen sich in einem verzweifelten Schluchzen ergossen.

„Ach und so schrecklich wie er immer tut ist Garlef gewiss nicht! Du musst doch zu geben, dass du in einen guten Stand einziehen würdest! Garlef ist direkt dem Herzog unterstellt und unterhält von ihm einige Lehen. Du und deine Kinder ihr müsstet nie Hunger...“

„Kinder!!!“, schrie Freda entsetzt auf und

stieß ihre Mutter von sich.

„Mutter! Bin ich nicht selber fast noch ein Kind!!? Sieh mich doch an! Wo bin ich denn eine Frau, geschweige dass ich Kinder bekommen könnte!!?“

Mit beiden Händen strich sich Freda über ihren wahrlich noch kindlichen und schlichten Körper!

„Ich kann doch nicht zu diesem alten Mann ins Haus ziehen und seine Schlafstatt teilen!!! Garlef könnte doch fast mein Vater sein!!!“

„Ach Kindchen! Nach unseren Sitten hat dich Phosete mit deinem ersten Blut zur Jungfrau gemacht! Von diesem Zeitpunkt an steht es jedem alleinigen Mann offen, um dich zu freien. Aber warte doch erst

einmal ab was dein Vater...“

„Nein!!!“

Freda drehte sich um und rannte heulend durch das Haus und davon. Neugierig bis betroffen starrten die Frauen des kleinen Dorfes der weinenden Freda hinterher, wie sie über die Düne ans Meer verschwand.

In einer etwas abgelegenen Kuhle im losen Sand der Düne ließ sich Freda einfach fallen und schrie ihre ohnmächtige Verzweiflung in den Sand.

Was konnte es Schrecklicheres geben, als ihr restliches Leben mit einem solch schrecklichen Mann zu verbringen, dem es eine Freude bereitete die Leute des Dorfes schlecht zu behandeln und der

keine Gelegenheit ausließ die spielenden Kinder zu verschrecken, sobald sie in seine Nähe kamen? Gut! Vielleicht war es auch als Knut des Herzogs seine Aufgabe die Leute schlecht zu behandeln und ihnen fristgemäß die Abschläge für den Herzog aus den hohlen Rippen zu quetschen. Aber trotzdem! Ausgerechnet dieses Scheusal, welches ihr erst vor ein paar Monden schmerzhaft ein Bein gestellt hat, als sie ihm beim Fangspiel mit anderen Kindern versehentlich zu nahe kam, dieses Scheusal wollte jetzt Freda in sein Haus und in seine Schlafstatt führen!

Oh nein! Niemals werde ich in sein Haus gehen! Lieber gehe ich vorher ins

Walhalla!


***

Brüllend wie ein Monster brach die tosende See über die mutig ankämpfenden Männer auf dem Schiff herein. Während die einen alle Riemen besetzt hielten und der Älteste am Steuerruder gegen die Wellenberge ankämpfte, auf dass ihr Schiff ja nicht quer zu den Wellen geriet, schöpften die anderen Männer der Besatzung, mit allem was da war, so schnell es eben ging das einbrechende Wasser von Bord. Selbst die Helme mit den imposanten Hörnern mussten in dieser Situation des

drohenden Ertrinkens für diese entwürdigende Arbeit herhalten.

Verzweifelt kämpften die Männer im Angesicht des Todes. Nicht zum ersten mal dankte der Älteste dem Drachenkopf am Bug seines Schiffes, dass er einen Großteil des Wassers vom Inneren fern hielt. Sonst wäre das Schiff wahrscheinlich, so dachte sich der Älteste, schon mit Mann und Maus abgesoffen und die Männer würden vor Odin um Vergebung und Aufnahme ins Walhalla bitten.

Wieder kletterte das Schiff ächzend einen Wellenberg hinauf und wollte nach Steuerbord abdriften. Das wäre das Aus gewesen! Mit allen ihm zur Verfügung

stehenden Kräften und seinem ganzen Gewicht warf sich der Älteste in das Steuerruder und drückte den Holm des an Steuerbord heraushängenden Steuerruder so weit es ging nach Steuerbord, auf dass sich, wenn ihnen die Meeresgötter in jener Nacht gesonnen waren, das Schiff wieder frontal zu den Wellen ausrichtete. Sonst würden sie unweigerlich kentern!

Noch immer drehte sich der Drachenkopf, wenn auch langsamer in Richtung Steuerbord. Panisch spürte der Älteste bereits wie sich sein Schiff bedenklich zur Seite neigte, während es unaufhörlich jenen Wellenberg empor kletterte.

Sie könnten Glück haben, dass es das

Schiff noch hinauf auf die Spitze des Wellenberges schafft und sich dann auf seinem Fluge ins Wellental hoffentlich wieder ausrichten ließe!

„Oh Ihr Geister der Unterwelt! Es ist noch zu früh die Messer zu wetzen!!!“ schrie der Älteste in den schwarzen Sturm hinaus. Wie zur Antwort peitschte ein Blitz dicht gefolgt von einem Donnerschlag durch die Nacht.

Das Schiff hatte schon fast die Spitze des Wellenberges erreicht. Jedoch stand es jetzt fast quer zur Welle und wurde bedenklich stark zur Seite weg gedrückt.

„Nur noch ein kleines Stück!!!“, schrie der Älteste, dann geschah das Unausweichliche!

Als wäre ein gewisser Punkt überschritten neigte sich jetzt das Schiff immer schneller zur Seite ab. Die Männer im offenen Schiff konnten sich nicht mehr halten und rutschten den Kameraden an Steuerbord in die Riemen.

Jetzt, da das Schiff seinen Antrieb verloren hatte, ging alles sehr schnell. Unaufhaltsam bewegte sich jetzt die Mastspitze auf die Wellen zu und wurde auch schon samt Mast und gerefftem Segel vom Meer verschlungen. Wie einen schweren Stein wollte es jetzt auch das Schiff auf seinen finsteren Grund herab ziehen.

Wer des Schwimmens mächtig war, und das waren bei weitem nicht alle Männer

an Bord, sprang jetzt in Todesangst in die eisigen Fluten und versuchte soweit wie möglich Abstand zu gewinnen um nicht auch in die Tiefe gezogen zu werden.

Fast versunken fiel das Schiff nun ins Wellental. Eine Hand voll Männer strampelten um ihr Leben als eine erneute gewaltige und brechende Welle alles Leben unter sich begrub.

***

„Wie sieht es da oben aus Ole!?“, rief Thore zu seinem Mann in der Mastspitze.

Ole, der Kleinste und wendigste der Männer an Bord begutachtete gerade die

Aufhängung des Segels.

Der Sturm letzte Nacht hatte doch gewaltig an der Mathilda, das schlanke Plattboot, gezerrt. Einige male hatte der lange Mast bedenklich geächzt und Thore meinte gar ein leichtes Knacken vernommen zu haben. Das wäre auf hoher See selbstverständlich verhängnisvoll gewesen, würden sie ihren Mast verlieren! Allein auf Muskelkraft angewiesen, würden sie noch Monate bis in ihre friesländische Heimat benötigen! Auch wenn sie das nächste Land anlaufen wollten, würde es Wochen wenn nicht gar Monate dauern, bis sie einen passenden neuen Mast gefunden und auch noch eingebaut hätten!

„Er scheint nicht gebrochen zu sein!!“, rief Ole hinunter zu seinem Ältesten, wie man den Anführer eines Bootes nannte. „Die Aufhängung könnte erneuert werden. Die ist schon ganz schön durch gewetzt!“

An einen zusammen gewirkten Lederknebel, mit dem die lange Rah des Segels am Mast befestigt war und auch in den Wind gedreht werden konnte, sollte es nicht scheitern! Irgendwo an Bord war immer etwas derbes Leder aufzutreiben, welches sich dafür verarbeiten ließe. Zur Not hatten sie noch ein paar solide Häute an Bord, die sie leider nicht, wie erwartet, bei den Kelten hoch oben im nördlichsten

Angelsachsen verkauft bekommen haben.

„Ja gut Ole! Dann kannst Du ja wieder runter kommen!“

Thore widmete sich wieder der Arbeit an Deck. Er und seine Männer waren noch immer dabei, das letzte Wasser von Bord zu schöpfen.

Das war aber auch ein Sturm letzte Nacht! Die Mathilda und die Männer hatten ordentlich zu kämpfen, den Unbilden der Götter stand zu halten. Doch man sagte nicht umsonst, dass diese Region um die Hebriden herum auch die gefährlichsten Wasser waren. Wurde doch der Göttin Ran nachgesagt hier vermehrt auf der Suche nach ihrem treulosen Göttergatten zu sein und

darüber ein jedes mal in Rage zu geraten, dass sich das Meer auftat und so manches Schiff in die Tiefe riss.

„Thore!!“, hörte er Ole, noch immer in der Mastspitze, seinen Namen rufen. „Backbord voraus da treibt etwas im Wasser!“

„Was?“, wollte Thore wissen. Hin und wieder erwies sich Treibgut doch als recht interessant, gerade nach Nächten wie der Zurückliegenden.

„Das ist noch nicht zu sagen! Könnte ein Mast sein oder ein Stück Planke!“

„Da hat's wohl ein paar Männer letzte Nacht dahin gerafft! Mögen die Götter ihrer Seelen gnädig sein!“

Wurde gelegentlich etwas Holz an die

Küste gespült war das im Dorf immer ein freudiges Ereignis. Gar tolle Sachen konnte man daraus herstellen, wie Werkzeuge zum Torf stechen oder manchmal auch Schlickschlitten, die sie benötigten, wenn sie im Watt Krebse und gestrandete Fische sammelten.

Aber im Moment wäre ein zerborstener Mast oder ein paar Planken eines gesunkenen Schiffes nur Ballast an Bord, wollten doch Thore und seine Männer noch vor dem Winter wieder zu Hause sein und die Mathilda winterfest gemacht haben!

„Da haben wir jetzt keine Zeit dafür! Komm runter Ole!“

Thore schnappte sich einen Eimer und

begann wie die anderen Männer, die nicht gerade in den Riemen hingen, Wasser zu schöpfen.

„Da bewegt sich was!!“, schrie Ole auf einmal hektisch!

Thore sah erneut hinauf.

„Was meinst Du?“

„Da hängt ein Mensch an dem Holz! Ja! Er winkt uns zu!“

Jetzt lief Thore doch nach vorn zum geschwungenen Bug der Mathilda und schaute Backbord voraus. Die noch immer aufgeraute See versperrte ihm zunächst die freie Sicht. Ständig türmten sich Wellen auf, die eine freie Sicht, weiter als drei Schiffslängen, verhinderten. Doch endlich konnte auch

Thore einen Blick auf jenes Treibgut werfen!

Es war gut fünf Schiffslängen entfernt! Da trieb offensichtlich ein geborstener Mast im Wasser und war nur noch ein Spielball der Wellen. An ihm konnte man jetzt deutlich einen Menschen erkennen, wie er sich verzweifelt an diesem Stück Holz klammerte.

Der Ärmste war dem Tod geweiht, wenn man ihn nicht schleunigst da raus holte! Ein Wunder dass der Bursche überhaupt noch lebt! Das Wasser im frühen Herbst war schon recht kalt!

„Juwe!“, rief Thore nach hinten zum Steuermann. „Geh hart Backbord!“

Thore sprang in die Mitte des Bootes und

zog aus einer Vertiefung eine lange Stange hervor, welche an ihrer Spitze einen Haken aus Holz aufwies. Mit solchen langen Stangen holte man, was auch vor kam, über Bord gegangene Männer zurück ins Schiff oder man barg eben interessantes Treibgut wie dieses hier. Nun! Ob dieser Mensch interessantes Treibgut sein würde, das sollte sich bald zeigen! Vielleicht konnte man ihn ja irgendwo einlösen! Oder er könnte sich an Bord oder später im Dorf nützlich machen! Wenn er zu nichts, oder zu nichts mehr, zu gebrauchen wäre, könnte man ihn noch immer über Bord werfen oder später in die Sümpfe jagen, wo sich dann die Wölfe und Bären um ihn

kümmern würden.

Schiffbrüchige waren Todgeweihte und verdankten ihr Leben nur noch denen, die sie vielleicht auffischten. Ihr Leben gehörte quasi den Rettern! Der Dank ihrer Errettung war, sollten sie keine wohlhabenden Angehörigen zum Auslösen haben, die ewige Knechtschaft und am Ende ein schneller bis zuweilen qualvoller Tod. Alles war möglich!

Die Mathilda zog Backbord an, auf dass sie nur drei oder vier Schritte an jenem zerborstenen Mast mit seinem anhängenden Menschen vorbeischwamm. Gekonnt angelte Thore nach dem Schiffbrüchigen der auch dankbar nach dem Haken griff. Augenscheinlich war

ihm jedes Schicksal lieber als der drohende Eisestod oder der Tod durch Ertrinken. Schon beim ersten Versuch hatte Thore den armen Kerl am Haken, wohl nicht zuletzt weil der Schiffbrüchige noch bei Sinnen war und auch einer Rettung entgegen arbeitete.

Sogleich packten drei weitere Mannen bei Thore mit an und wuchteten gemeinsam mit ihrem Ältesten den recht großen Mann in der typischen Bekleidung eines Seefahrers an Bord. Nass und schlotternd platschte der junge Mann auf den hölzernen Boden der Mathilda. Jetzt da ihm auch noch der eisige Wind umwehte, musste dem jungen Mann die Kälte wohl wie viele schneidende Messer

auf der Haut brennen!

„Los hängt ihm ein Fell über! Nicht dass der uns noch verreckt bevor wir ihn nach seinem Namen fragen konnten.“

Sogleich eilte Onor, einer der Friesen, los und kramte aus einem Ballen der erworbenen Waren ein Rentierfell hervor, wie sich die Friesen im Nordland bei den Dunklen Menschen erklären lassen haben.

Sie hatten es doch tatsächlich fertig gebracht die Wikinger, ihre Erzfeinde, zu umsegeln und bei den Suomi, einem eigenartigen Volk noch weiter oben im Norden als die Wikinger, jene edlen Felle zu erstehen. Diese Felle würden die Friesen und ihre Familien im kommenden Winter eine wohlige Wärme

spenden.

Die friesischen Männer schwelgten in den Nächten während der Heimreise in illustren Fantasien welche gar lustigen Spielchen sie mit ihren Frauen unter jenen Fellen spielen würden und gaben abends bei einem Becher Met eine tolle Geschichte nach der Anderen zum Besten, was sie wohl alles mit ihren Frauen anstellen wollten. Je frivoler dann eine Geschichte war, desto lautstarker wurde sie mit vulgärem Gelächter honoriert.

Thore nahm Onor das Fell ab und warf es „seinem“ Menschen über. Der lag noch immer schlotternd am Boden und bekam jetzt einen Zipfel des Felles zu greifen.

Er fühlte es einen Moment, schaute irgendwie verdutzt darauf und riss plötzlich das Gesicht nach oben um seine Retter in Augenschein zu nehmen.

Die Friesen wichen ein wenig zurück. Diese Augen!! Solche Augen hatten sie ihr Lebtag noch nicht gesehen. In einem leuchtenden und strahlenden Blau starrten sie ihnen entgegen und je mehr das Wasser aus seinen Haaren entwich, desto heller wurden die eh schon blonden Haare und legten sich in dichten Wellen über sein Haupt um schließlich über seine Schultern zu fallen.

Der doch recht feine Bart, der sich glatt um seine Wangen und dass Kinn legte, ließ erahnen, dass dieser Mann nicht älter

zwanzig Sommer sein konnte.

Aber diese ungewöhnlich blauen Augen wollten dem friesischen Ältesten das Blut in den Adern gefrieren lassen, als wären diese Augen Eiskristalle und dieser Mann dem Eis entsprungen.

Hat er vielleicht deswegen so lange im eiskalten Wasser überlebt, weil es dort wo er herkam wohl noch viel kälter war?

Thore wollte sich keiner voreiligen Panik hingeben und schob die aufkeimenden Vermutungen beiseite. Er packte seinen Menschen am Oberarm und half ihm auf die Beine. Wieder wichen die Friesen einen Schritt zurück. Dieser Mann maß wenigstens einen Kopf mehr als der Größte unter ihnen und hatte breite

Schultern, dass die Friesen daneben eher unscheinbar wirkten.

„Verdammt! Ein Nordmann!“, brummelte Thore in seinen Bart.

Ungünstiger hätte es gar nicht laufen können! Nicht genug, dass sie letzte Nacht in diesem Monstersturm fast untergegangen wären, nein! Jetzt mussten sie auch noch einen Schiffbrüchigen bergen. Das wäre ja aus bereits genannten Gründen auch nicht so schlimm! Aber hätte das nicht wenigstens ein Franke, ein Angelsachse oder ein Jütländer sein können!? Musste das ausgerechnet so ein verdammter Wikinger sein? Diese Wikinger waren als Gefangene in der Regel so stur, dass man

sie kaum für eine halbwegs sinnvolle Beschäftigung einsetzen konnte. Zu sehr waren sie von ihrem Stolz zerfressen, als dass sie sich zu niederen Tätigkeiten, die sie zweifelsohne erwarteten, herab lassen würden.

Selbstsicherheit vortäuschend stellte sich Thore vor diesen Riesen und schaute nach oben, ihm in die blauen Augen.

„Wikinger!“, sagte er bloß mit einem entschlossenen tiefen Ton der Inbrunst, der seine nicht wirklich stabile Selbstsicherheit widerspiegeln sollte.

Der Riese quittierte das nur mit einem tiefen Brummen, zeigte aber sonst keine Aggressivitäten. Wahrscheinlich war er sich der Übermacht jener fünfundzwanzig

Friesen an Bord der Mathilda bewusst.

Mit einer schnellen Bewegung rammte Thore plötzlich seinen Ellenbogen in die Magengrube des Wikingers. Mit einem Grunzen sackte der, völlig unvorbereitet wie er war, zusammen.

„Fesselt ihn und bindet ihn sitzend an den Mast. Sollte uns ein Wikingerschiff über den Weg fahren, dürfen die ihn auf keinen Fall sehen. Sonst sind wir und unsere Familien des Todes.“

„Schmeißen wir ihn lieber wieder über Bord!“, schlug Hank ein schmächtiger etwas in die Jahre gekommener Ruderer vor.

„Nein! Vielleicht bekommen wir ihn noch als Bärentöter oder so was bei einem

Gaukler verkauft! Wir nehmen ihn erst mal mit!“

„Ich weiß nicht ob das eine so gute Idee ist, Thore!“, mahnte jetzt auch Tünnes an, ein sonst guter Freund von Thore.

Die allgemeine Verunsicherung der Mannschaft, bezüglich des gefangenen Wikingers, der inzwischen wie befohlen sitzend an den Mast gebunden war, konnte man deutlich spüren.

„Was ist nur mit Euch los? Das ist ein Mann! Ihr tut gerade so als hätten wir eine ganze Horde von denen an Bord! Nun reißt euch mal zusammen!“

„Thore! Das ist ein verfluchter Wikinger! Man sagt sich, die essen sogar Menschenfleisch!“, gab Hank erneut zu

bedenken!

„Na dann wird er ja an dir alten Zausel seine helle Freude haben, nicht wahr? Ihr habt meine Entscheidung gehört! Also wieder an die Riemen! Ich wollte noch vor Wintereinbruch bei Zoske, Harka und Freda sein!“

***

Das Dorf hatte die letzte Sturmnacht recht gut überstanden. Zum Glück fiel die dazu gehörige Flut eher glimpflich aus. Vorsorglich hatte man einige der kräftigeren Burschen nach allen Wasserseiten über die Dühne und etwas entfernter an den breiten Fluss geschickt

um das steigende Wasser im Auge zu behalten. Doch weder trat der breite Fluss nenneswert über die Ufer, noch kroch das Meer die Dünen empor.

Dennoch brachten sich die Dorfbewohner mit ihrem Hab und Gut letzte Nacht auf ihrem Galgenberg, in der Nähe des Dorfes, der mit fünf Mannslängen Höhe über Allem lag, vor den möglichen Fluten in Sicherheit.

Nun, da sich der Sturm gelegt hatte, waren die Dorfbewohner in ihr Dorf zurück gekehrt und begannen damit die Hütten wieder zu errichten, welche dem starken Wind nicht standgehalten hatten. Jene klapprige Hütten gehörten den alten und alleinigen Weibern, denen bereits

durch Hels Heimsuchung oder durch ein Unglück auf See die Männer gestorben waren.

Diese Witwen, die das Schicksal so hart prüfte, wurden von der Dorfgemeinschaft so gut es eben ging durchgebracht, mitversorgt. Aber dennoch fristeten sie ein ärmliches Dasein, bis auch sie einmal von Hel heimgesucht wurden und ins Walhalla einkehren durften.

Ein reges Treiben herrschte im Dorf! Jeder packte irgendwie irgendwo mit an, versuchte sich einzubringen und nützlich zu machen. Interessiert schaute Garlef den Frauen, Mädchen und Burschen zu wie sie wieder Ordnung brachten in dieses Chaos.

Garlef selbst beteiligte sich freilich nicht an den Aufräumarbeiten! Zum einen war sein Haus unbeschadet geblieben, und zum anderen waren die Dorfbewohner selbst verpflichtet für das Wohlergehen des Knuts zu sorgen, so ein Erlass eines Herzogs aus grauer Vorzeit. Dies wurde so erlassen weil eben der Knut eines Dorfes sich selten großer Beliebtheit erfreute. Wenn ein Dorf gegen diesen Erlass verstieß hatte es mit empfindlichen Strafen seitens des Herzogs zu rechnen, der durchaus auch mal ein paar Bewaffnete in ein aufrührerisches Dorf schicken konnte.

Garlef hatte seine Runde fast abgeschlossen und wusste auch schon so

ungefähr, was er Herzog Rolfo berichten könnte, wenn er sich in Kürze zu ihm in sein Rundfried begab um den herbstlichen Tribut abzuliefern.

Er hatte sein Haus schon fast erreicht, als ihm die kleine Freda ins Auge fiel, wie sie gerade ein paar Schafe aus ihrem Haus trieb, die dort Zuflucht vor dem Sturm gesucht hatten. Diverse Krüge und Kannen umschmeißend und von Fredas wilden Flüchen begleitet, stoben die Schafe aus dem Haus. Freda folgte ihnen kurz darauf und blieb außer Atem im Eingang stehen. Mit dem Wollärmel ihres Gewandes wischte sie sich über die verschwitzte Stirn und hinterließ ein paar verklebte blonde Strähnen, die sogar ein

wenig Garlefs Aufmerksamkeit erregten.

Er konnte sich für seinen Geistesblitz, den er einige Tage zuvor gehabt hatte, gar nicht genug loben! Dieses Mädchen war einfach zu goldig anzuschauen, als sie sich, gefolgt von ihrem dümmlichen kleinen Bruder, mit jenen Wassereimern über das Watt bewegte. Als sie dann am Priel ihr Gewand reffte um in`s Wasser zu waten, musste Garlef beim Aufblitzen ihrer weißen Waden sogar eine kleine Regung in seinen Lenden wahrnehmen. Wann war ihm das zuletzt passiert, dass sich sein Speer in den Beinkleidern aufrichtete, außer vielleicht morgens nach dem Aufstehen und vor dem Pinkeln? Nach kurzem Überlegen fiel es

Garlef ein. Zuletzt war es bei seiner Frau, dass sich sein Speer aufrichtete. Doch dummerweise ist ihm Mara nach einem bedauerlichen Unfall, wie es im Dorf hieß, weg gestorben. In jener Nacht hatte seine Mara mal wieder ein wenig Prügel bezogen und ist leider unglücklich gegen einen Stein an der Feuerstelle gestürzt.

Ja warum musste sie auch so trocken sein als ich es mit ihr treiben wollte!, versuchte sich Garlef in jenem Moment zu rechtfertigen, als er an Mara dachte und Freda dabei beobachtete, wie sie mit nackten weißen Waden im kalten Wasser herum watete.

Fast erschrocken stellte er seinen

ausgewachsenen Speer fest. In diesem Augenblick wusste er, was ihm die ganze Zeit gefehlt hatte! Er wusste in diesem Augenblick dass er wieder eine Frau brauchte! Er wusste in diesem Augenblick, als er das Mädchen da so im Wasser mit den Eimern hantieren sah, dass Freda eine Jungfrau geworden sein musste! Er wusste dass Freda die Tochter des Ältesten war und er es mit ihr bei Hofe weit bringen konnte! Er wusste, als er Freda sah und seinen Speer fühlte, dass er genau dieses Mädchen haben wollte!

Indem er dieses Mädchen in sein Haus führte, könnte er schon in Kürze zum Ältesten des Dorfes ernannt werden. Mit

dieser Stellung des Knuts und des Ältesten eines Dorfes konnte er bei Hofe durchaus die Stellung eines herzöglichen Gefolgsmanns erlangen! Endgültig würde er dem Stand des Gemeinen oder des Leibeigenen entsteigen!

Erschrocken stellte Garlef unter seinen weiten Gewändern auch jetzt, bei den Gedanken an Freda, seinen aufgerichteten Speer fest und hoffte inständig, dass die Anderen im Dorf nichts bemerkten.

Freda hatte sich nach der Schafhatz wieder gesammelt und schaute sich nun um wohl auf der Suche nach neuerlicher Arbeit. Dabei streiften sich ihre beiden Blicke.

Garlef setzte sein lieblichstes Lächeln auf

und winkte ihr rüber. Entsetzt schaute das Mädchen beiseite und eilte davon durch das Dorf die Düne hinauf.

Garlef wusste, dass es da oben einen stillen Flecken gab, an den sie sich gerne zurück zog oder sich auf die Lauer legte um ihren Vater auf der Mathilda herbeizuschauen.

Langsam folgte Garlef der davon eilenden Freda. Er hatte keine Eile! Er wusste ja wo sie hin wollte und spazierte gelassen zur Düne. Er wollte die Gelegenheit beim Schopfe packen und mit ihr vernünftig reden. Dieses Katz und Mausspiel musste doch mal ein Ende haben. Spätestens zum Einzug in sein Haus sollten sie sich beide einig sein!

Wie würde denn das aussehen?

Freda verschwand gerade hinter der Kuppe der Düne, als Garlef den Rand des kleinen Dorfes erreichte. Gemütlich, als wenn nichts wäre, stieg er die Böschung der Düne mit seinem spröden Binsengras und den vereinzelten Büschen empor.

So langsam sollte Freda bei ihrem Rückzugspunkt angekommen sein. In der Hoffnung, dass sie sich etwas beruhigen würde, wollte ihr Garlef noch einige Augenblicke Zeit der Besinnung geben um sie dann vielleicht in ein belangloses Gespräch zu verwickeln und sich ihr als gar nicht so schlechte Partie zu zeigen.

Garlef glaubte ihr schon, dass sie nicht sehr große Stücke von ihm hielt. Aber das

könnte sich doch noch entwickeln! Fast immer entwickelte sich die Zuneigung eines Paares erst nachdem der Mann seine Auserwählte zu sich ins Haus holte. Von daher sollte sich Freda doch bitteschön nicht so anstellen! Solange sie nur ihren Pflichten im Haus nach kam, sollte sie doch ein sorgenfreies Leben haben! Ja! So oder mit ähnlichen Argumenten sollte er doch das Mädchen besänftigt bekommen!

Auch Garlef hatte jetzt die Krone der Düne erreicht und schaute sich einen Moment um. Der Wind blies ihm noch kräftig um die Ohren und ließ seine strähnigen Haare lustig umher flattern. Die Kälte hier oben war schon etwas

unangenehm und und biss ein wenig in seinem Gesicht.

Irgendwo rechts von ihm war jene Kuhle im Sand, in die sich Freda immer ganz gerne zurück zog. Das hatte Garlef in den letzten Tagen, da er ihr unauffällig nachstellte, herausgefunden.

Und richtig! Als er sich einige Schritte nach rechts bewegte hörte er bereits ein leises Schluchzen. Die Stimme kannte Garlef inzwischen zu gut. Das war Freda! Hatte sein Blickkontakt mit ihr sie wirklich so sehr in Angst versetzt? Ja aber warum denn nur? Nahm sie ihm denn noch immer krumm, dass er sie als Kind stets gescheucht und mit Steinen nach ihr geworfen hat? Na ja nun! Das

war eben so! Nur so verschaffte man sich den nötigen Respekt vor diesen nichtsnutzigen Rotzplagen! Alle machten das so, fand Garlef!

Schnell hatte er jene Sandkuhle zur Meerseite gefunden. Eine schöne Weitsicht über das Meer und die Insel hatte man von hier. Von diesem Punkt aus konnte Freda wahrlich die Mathilda bereits Stunden vor Eintreffen am Horizont ausmachen!

Das Mädchen hatte Garlef nicht kommen hören und saß in ihrer Kuhle, ihren Blondschopf auf den Knien verschränkt, dass man nicht sehen konnte dass sie weint. Jedoch war es nicht zu überhören!

Garlef stellte sich am Rande der Kuhle

auf und schaute einen Moment gelangweilt auf das Meer. Das Wasser war gerade vollendend aufgelaufen so dass weite Teile des grünen Küstenstreifens jetzt überspült waren.

„Warum weinst Du denn?“

Erschrocken fuhr Freda herum und wich sogleich krebsfüßig vor Garlef zurück.

„Was willst Du!!! Geh weg von mir!!!“, schrie sie ihn panisch an.

„Hey Freda! Freda! Freda!“, versuchte Garlef das Mädchen zu beruhigen und sprang zu ihr in die Kuhle, um sie in den Arm zu nehmen. „Du brauchst doch keine Angst vor mir zu haben!“

Doch Garlef kam nicht dazu sie in den Arm zu nehmen. Er hatte sie noch nicht

ganz erreicht, da war sie auch schon wieselflink aufgesprungen und wollte aus der Kuhle springen um das Weite zu suchen. Reaktionsschnell hakelte er jedoch sein Bein zwischen ihre Füße, was sie sogleich vornüber straucheln ließ. Ohne sich noch abfangen zu können, stürzte Freda nach vorn und landete mit dem Gesicht im weichen Sand.

Nun war es Garlef ein Leichtes, zu ihr zu springen und sie mit festem Griff seines Arms zu umklammern ohne dass sie noch eine Chance der Befreiung gehabt hätte.

Freda begann panisch zu schreien und versuchte sich dennoch los zu strampeln.

„Gib doch endlich Ruhe! Ich will doch nur mit dir reden Weib!“, rief Garlef,

jetzt doch sichtlich angenervt.

Doch das Mädchen dachte gar nicht daran sich zu beruhigen und ließ nicht locker in ihren Bemühungen sich zu befreien.

„Es reicht jetzt!“

Garlef packte sie am Kragen ihres Gewandes und schlug ihr dreimal hintereinander mit der flachen Hand ins Gesicht.

Jetzt endlich hatte Freda wohl ein Einsehen, dass ein Entkommen unmöglich war und hörte auf sich so wild zu gebärden. Sie saß nur noch weinend im Sand und hielt sich die linke Wange, wo sie zweimal getroffen wurde.

„Können wir uns jetzt wie normale Menschen unterhalten?“

Freda nickte nur schluchzend.

„Also gut! Lass dir zunächst einmal gesagt sein, ich werde dich nicht mehr scheuchen oder mit Steinen nach dir werfen. Du bist nämlich kein Kind mehr wie wohl inzwischen jeder im Dorf mitbekommen hat. Ich werde dich fortan mit dem Respekt behandeln, dem eine Frau gebührt. Hast Du das verstanden, Freda?“

Das Mädchen schaute nur nach unten und schluchzte.

Garlef nahm ihr Kinn und zog ihr Gesicht hoch, damit sie ihn ansah. Ihre Haut war unglaublich samtig weich.

„Hast Du mich verstanden?“, wiederholte Garlef ruhig seine Worte.

„Ja!“, gab sie leise und weinerlich von sich.

„Sieh mal Freda! Du bist jetzt eine Jungfrau und musst langsam an deine Zukunft denken! Mir ist vor zwei Sommern leider meine geliebte Mara gestorben. Seither bin ich allein und habe lange meine Trauer mit mir herum getragen, die mich daran gehindert hat, mich einer anderen Frau zu zu wenden. Doch jetzt bist Du zur Jungfrau geworden und in mein Leben getreten. Ich glaube, dass ich über den Tod von Mara inzwischen so weit hinweg bin, dass ich mich einer anderen Frau, also dir, zu wenden kann. Ich möchte dass Du zu mir ins Haus ziehst. Wir würden uns

wundervoll ergänzen! Ich wäre nicht mehr allein und du und unsere Kinder habt ein sorgenfreies Leben!“

Auf einmal begann Freda wieder laut zu jammern.

„Was hast Du denn plötzlich?“

„Garlef!!!“ schrie ihn das Mädchen heulend an. „Ich bin doch noch viel zu jung!!! Warum nur ich!!! Warum keine Andere, keine Ältere!!?“

„Ach Freda! Weil Du es mir einfach angetan hast! Ich mag dich eben, nur dich!“

Freilich wollte Garlef dem Mädchen nichts von seinen wahren Beweggründen erzählen. Das hatte sie nicht zu interessieren.

„Und außerdem ist es durchaus keine Seltenheit dass Mädchen mit dreizehn Jahren, du bist doch glaube ich dreizehn Jahre alt, in das Haus eines Mannes ziehen.

„Bitte Garlef! Ich möchte das nicht!“, flehte ihn das Mädchen an. „Schau mich doch an! Was auch immer Phosede geritten hat, aber ich bin doch noch keine Frau!! Schau doch her!!!“, schrie sie ihn am Ende an und riss verzweifelt ihr Gewand auf, damit Garlef ihre nicht vorhandene weibliche Brust sehen konnte. „Ich bin noch keine Frau!!!“

Garlef war völlig überrumpelt und wie vom Donner gerührt. Erschrocken und mit weit aufgerissenen Augen wich er ein

Stück zurück. Er musste sich zwingen die Fassung wieder zu finden.

Wie kann dieses Weibsbild nur so schamlos sein!

„Lass uns noch ein wenig Zeit! Ich flehe dich an, Garlef!“

Freda schloss wieder ihr Gewand und schaute ihn mit Tränen in den Augen an. „Ich habe Angst!“

Garlef hatte seine äußere Gelassenheit wieder gefunden, war aber innerlich noch immer aufgewühlt. Er setzte sich neben Freda in den Sand der Kuhle.

„Nun sieh doch mal Kleines! Wenn es dir nur um das Teilen der Schlafstatt geht, da könnte man sich doch einigen. Wir haben doch alle Zeit der Welt!“

Er legte einen Arm um ihre schmalen Schultern. Freda zitterte wie Espenlaub. Ob nun vor Angst oder weil sie fror, konnte Garlef nicht sagen.

„Solange Du deine Pflichten in unserem Haus erfüllst wirst Du ein sorgenfreies Leben haben. Da habe ich überhaupt keine Zweifel! Du bist doch eine fleißige Frau!“

„Ich bin keine Frau!“ jammerte Freda verzweifelt mit gebrochener, leiser Stimme und schaute dabei vor sich auf den Boden!

Möchte dieses dumme Ding das denn nicht begreifen? Darum geht es doch gar nicht!

„Du bist also keine Frau? Und warum

verrichtest Du dann Frauenarbeit? Warum hat dich dann Phosede zur Jungfrau gemacht und wie bitteschön erklärst Du dir das?“

In einer schnellen Bewegung packte Garlef plötzlich Fredas Hand und schob sie unter seine Beinkleider auf seinen noch immer aufgerichteten Speer.

Aufschreiend zog das Mädchen die Hand weg, sprang panisch auf und wollte davon laufen. Doch Garlef packte sie bei den Haaren und zog sie zu sich heran. Panisch starrte sie ihn an.

„Glaubst Du etwa, Du würdest das bei mir bewirken, wenn Du noch keine Frau wärst?“

Mit Gewalt presste er ihr seine Lippen

auf den Mund und ließ sie wieder frei. Sofort sprang Freda auf und rannte heulend davon.

„Alles Weitere kläre ich mit deinem Vater!“, rief ihr Garlef noch höhnisch lachend hinterher.

***

Wunde Scheuermale hatten sich inzwischen an den den Stellen gebildet, wo sich die festen Lederriemen tief in seine Haut schnitten. Nicht ein einziges mal hatten ihn die Friesen von den Fesseln befreit, damit er sich wenigstens über der Reling lösen durfte. Vor lauter Angst, der körperlich überlegene Soron

könnte fliehen wollen, beließen sie ihn die ganze Zeit über in jenen Fesseln am Mast gebunden. Nur einmal am Tag lösten sie seine Hände und gaben ihm unter vorgehaltenen Klingen ihrer kurzen und breiten Bronzeschwerter die kurze Gelegenheit einen halb verschimmelten Kanten Brot sowie einen Becher faulig stinkenden Wassers zu sich zu nehmen. Hätte er sich in diesen Momenten nur einmal etwas schneller bewegt, dachte sich Soron, dann hätten diese Friesen ihm vor lauter Angst den Kopf abgeschlagen. Doch was dachten sich die Friesen nur dabei? Glaubten sie wirklich, Soron würde allein über die friesische Mannschaft herfallen? Oder glaubten sie

etwa Soron würde zurück ins kalte Meer springen? Er war doch nicht lebensmüde! Nein! Soron wollte irgendwie sein Glück an Land versuchen! Oder vielmehr musste er sein Glück an Land versuchen! Das wusste er! Wenn er nicht versuchte zu fliehen, würden ihn die Friesen auf irgendeine Weise kaputt spielen und dann einfach töten und vielleicht in ein tiefes Loch schmeißen oder so.

So viel anders konnte Friesland nicht sein! Er war zwar noch nie in Friesland, doch sagte er sich, dass dieses Land auch nur ein Stück Küste des selben Meeres war, an dem auch seine Heimat das Nordland lag. Vielleicht gelang ihm die Flucht und er konnte sich in einem

entlegenen Fjord für eine Weile versteckt halten, ein paar Murmeltiere oder Steinböcke erlegen und so zumindest den Winter überbrücken. Kälte und Wetter sollten ihm keine Sorgen bereiten. Gewiss gab es irgendwo in den Felsen der Fjorde eine geschützte Höhle.

Kurzum, Soron hatte diesbezüglich schon konkrete Pläne. War denn ersteinmal der Winter vorbei, würde er versuchen zu Fuß einen Weg in die Heimat zu finden.

Doch zunächst musste er diese Fahrt überstehen! Das war allerdings nicht so einfach! Nicht genug, dass ihn diese Lederriemen schmerzhaft in den Körper schnitten und er sich fühlte wie er roch, nämlich wie ein Schwein. Nein! Bei jeder

Gelegenheit ließen sie ihm spüren, was sie von ihm hielten. Wann immer ihr Anführer, dieser Thore wie Soron inzwischen schon mitbekommen hatte, mal nicht hinschaute traktierten ihn die anderen Friesen mit derben Fußtritten oder Schlägen ins Gesicht oder in seine Magengrube. Soron kam es so vor als wollten alle außer dieser Thore ihn lieber tot als lebendig sehen. Doch irgendwie schien dieser Thore noch Pläne mit Soron zu haben, auf dass er seine Leute so gut es eben ging in Schach hielt. Doch eben nicht gut genug! Zu oft fanden seine gehässigen Männer, oder waren sie doch nur verängstigt, die Momente um ihn zu misshandeln oder zu demütigen.

Es war wieder so weit! Zwei Friesen traten mit Eimern vor ihn und überschütteten Soron in mehreren Schwellen mit kaltem Meerwasser um grob das weg zu spülen, dass selbst bei dieser miserablen Verpflegung zu Tage trat.

Die Friesen spülten die Auswürfe über eigens für das abfließende Wasser in das Boot eingearbeitete Rinnen mit mehreren Eimern Wasser von Bord.

Jetzt, da Soron wieder halbwegs sauber war, würden, wie jeden Tag, die Verhöre beginnen. Doch für Soron kam eine Kooperation mit diesen hässlichen Friesen nicht in Frage. Drum stellte er sich so gut es ging dumm und tat so als

verstünde er nicht, was die Friesen von ihm wollten. Ohne Unterlass erwarteten sie von ihm, dass er ihnen seinen Namen und seine Heimat nannte. Doch er würde sich davor hüten den Friesen etwas preiszugeben. Nachher waren sie so töricht und griffen sein Dorf an, weil sie glaubten, jetzt wo Sorons Schiff unter gegangen ist, gäbe es im Dorf kaum noch kampfbereite Männer! Doch war sein Dorf ein mächtiges Fort mit mehreren Schiffen, von denen jedes einzelne dem friesischen Schiff überlegen war. Aber warum ein Leben seiner Brüder und Schwestern gefährden? Also wollte Soron sich auf jeden Fall stur stellen auch wenn es noch so unangenehm wurde.

Dieser Thore trat vor Soron. Hinter ihm stand der, den Soron für den Stellvertreter oder Berater hielt. Ständig waren die beiden am tuscheln und beratschlagen. Dabei fielen immer wieder ihre Blicke auf ihn.

„Nun mein Freund! Ich bin zu einer Entscheidung gekommen, die mir ehrlich gesagt nicht leicht fällt.“, begann der Anführer der Friesen. „Aber meine Männer sind absolut nicht gewillt, dich auf unsere Frauen und Kinder los zu lassen. Da du auch keinerlei guten Willen zeigst, sehe ich mich gezwungen, dem Ganzen ein Ende zu bereiten.“

Plötzlich zog dieser Thore ein langes gebogenes Messer hervor, wie man es

auch zum zerlegen von Fischen nimmt. Jetzt fuhr Soron doch der Schrecken in die Knochen und Panik machte sich in ihm breit. Die Friesen wollten ihn tatsächlich noch hier an Bord ihres Schiffes ermorden! Soron wird nie wieder seine Heimat, seine Mutter und seine Geschwister sehen. Und auch seine Luna, die er im nächsten Frühjahr in sein Haus führen wollte, würde er nie wieder sehen, nie wieder ihre warme weiche Haut, ihre vollen Brüste und ihre sinnlichen Lippen spüren! Man würde ihn einfach so ehrlos wie ein Schwein oder ein Schaf abschlachten!

„Ich hätte dir gerne ein längeres Leben beschert. Aber Du scheinst es vorzuziehen

zu sterben.“

Thore setzte die scharfe Klinge an seinen Hals.

„SORON!!!“, hörte er sich plötzlich die ersten Worte schreiend wimmern, seit dem er auf diesem schrecklichen Friesenschiff gefangen gehalten wurde. „Mein Name ist Soron!!!“

Sofort nahm Thore die Klinge von seinem Hals.

„Oh! Er kann sprechen! Man höre sich das an! Sogar unsere Sprache scheint er zu beherrschen!“

Das war nun wirklich nicht weiter schwer. Hatte doch das Friesische sehr viel Ähnlichkeit mit dem Nordischen der Wikinger. Warum das so war, darauf

konnte sich Soron keinen Reim machen, was ihm allerdings auch ziemlich egal war.

„Gut Soron! Wenn Du unsere Sprache beherrscht, wirst Du auch schon wissen, dass mein Name Thore ist und ich der Älteste bin. Da Du dem Meere übergeben eigentlich dem Tode geweiht gewesen bist, liegt fortan dein Leben in meinen Händen! Stelle dich gut mit mir und du sollst noch ein langes Leben genießen dürfen. Arbeite gegen mich und ich denke mir eine besonders schmerzhafte Art zu sterben für dich aus! Hast Du mich verstanden?“

Widerwillig nickte Soron und schaute sein Gegenüber von unten herauf blitzend

an. Er war wütend, weniger auf Thore, als vielmehr auf sich selbst! Er fühlte sich schwach wie ein Weib! Er war im Angesicht des Todes eingeknickt. Diese Schande würde für ewig auf ihm ruhen und wenn der Zeitpunkt seines Todes käme bliebe ihm ein Einzug in die Ruhmeshalle von Walhalla auf ewig verwehrt. In diese kamen nur Männer von Ehre! Doch die hatte Soron gerade eben verspielt! Was sollte nun aus ihm werden?

Thore wandte sich von ihm ab.

„Ich glaube, nun können wir auch etwas mit ihm anfangen. Zuhause werden wir den Ältestenrat einberufen und beratschlagen was wir mit ihm machen.“

Er ging nach vorn zum Bug. Als er mit jenem Tünnes wieder im Gespräch vertieft war nutzte Hank die Gelegenheit und trat kräftig in Sorons Magengrube.

„Verdammter Wikinger!“, zischte er. „Warum stirbst Du nicht einfach?“

***

Wann immer es ihr möglich war, zog sich Freda an diesen Ort zurück und schaute betrübt über das Watt, rüber zu jener unheimlichen Insel, welche keiner betreten durfte und auch nicht wollte, sagte man ihr doch böse Naturgeister nach. Wie anders ließ es sich sonst erklären, dass auf jener abgelegenen Insel

riesige Bäume wuchsen, mächtiger als alle Bäume die es hier auf dem Festland gab? Die Leute sagen die bösen Naturgeister hätten auch riesige Ungeheuer auf jene Insel gezaubert die den Menschen mit einem Bissen verschlingen konnten ohne zu kauen!

Doch woher wissen das die Leute, wenn sie noch nie da waren?, fragte sich Freda des Öfteren, wenn sie hinüber schaute zu jener Insel.

Doch jetzt saß Freda einfach nur traurig auf jener Düne und ihre Blicke schweiften ziellos in die Ferne.

Auf keinen Fall wollte sie im Dorf Garlef über den Weg laufen! Seitdem er sie hier oben überrascht hat, war ihr seine

Gegenwart unerträglicher denn je. Hat er früher, wie das klingt, früher! Es ist doch erst ein paar Wochen her! Hat er ihr früher ein Bein gestellt oder mit Steinen nach ihr geworfen suchte sie schnell das Weite. Wollte Freda nicht geschubst, getreten oder von irgendwelchen Steinen getroffen werden, brauchte sie sich einfach nur von ihm fernhalten!

Doch jetzt war es viel schlimmer als früher! Jetzt wurde sie von Garlef belagert, sobald er ihr gewahr wurde. Er schlich um sie herum, er bedrängte sie und versuchte sie mit kleinen Geschenken, wie bunten Steinen, manchmal sogar mit einem kleinen Bernstein, oder ein paar kleinen

Herbstblühern einzulullen, sie milde zu stimmen. Doch half alles werben nichts! Freda fand Garlef einfach nur abscheulich!

Zu tiefst bereute es Freda inzwischen, dass sie versucht hat Garlef umzustimmen, indem sie ihm ihre Kindlichkeit zeigte. Anstatt ihn mit ihrem kindlichen Körper abzuschrecken, hatte sie scheinbar mehr denn je seine Begehrlichkeiten ihr gegenüber geweckt! Allenthalben bedrängte er Freda um sie zu berühren. Er legte seine großen und schmierigen Hände um ihren Körper und streichelte sie dabei. In seiner Gier schob er gar seine Hand unter ihr Kleid um sie zwischen den Beinen zu berühren.

Nur mit Mühe konnte sie sich seinem massigen Körper entziehen. Wenn er versuchte sie erneut zu küssen schlug ihr dann widerlich der faulige Gestank aus seinem Mund entgegen. Ekel erfüllte sie wenn ihr Blick in seinen geöffneten Mund fiel, wo schon ein Großteil seiner Zähne nur noch schwarze Stummel waren oder ganz und gar fehlten.

Bei jedem anderen Menschen wäre ihr das egal gewesen! Es war eben normal, dass ab einem gewissen Alter die Zähne immer schlechter wurden und gar ausfielen! Wenn man Pech hatte strafte einem die Göttin Hel mit unsagbaren Zahnschmerzen, bei denen dann oft nur noch das Herausbrechen des fauligen

Zahns und das Ausbrennen der Wurzel half. Das war eine schreckliche Tortour! Die Betroffenen kreischten dabei wie am Spieß und verloren nicht selten das Bewusstsein.

Wie gesagt, schlechte Zähne bei den Erwachsenen war für Freda nichts Ungewöhnliches! Aber da sie Garlef an sich schon abstoßend fand, verstärkte sein stinkender Mund nur noch diesen Zustand.

Hatte sie als Kind hier oben auf der Düne gesessen und ihren Vater von seinen Reisen „herbei geschaut“, so fürchtete sie heute den Tag, an dem er heimkehren würde. Weil noch am selben Abend würde

Garlef bei ihm darum bitten Freda in sein Haus und in seine Schlafstatt führen zu dürfen.

Wie Vaters Antwort sein würde, war Freda schon jetzt klar! Sie wusste leider zu gut, dass Garlef als der Knut des Herzogs gemeinen Einfluss auf den Herrscher Frieslands hatte. Nicht nur einmal hat er in den letzten Wochen vor ihr damit geprahlt und wie gut es doch Freda und ihre Kinder bei ihm haben würden. Bei dem Gedanken daran, sich von Garlef überall berühren lassen zu müssen, fuhr ein stechender Schmerz durch Fredas Inneres und sie musste sich unwillkürlich schütteln.

Garlef trieb Jahr für Jahr den Tribut für

den Herzog ein und konnte, je nachdem wie gut die Dorfbewohner mit ihm gestellt waren, etwas hin biegen, dass die Leute ihren Tribut eben später oder Stück für Stück entrichten konnten. Andererseits konnte Garlef den Dorfbewohnern das Leben auch zur Hölle machen! Garlef wusste das! Die Leute wussten das! Freda wusste das und ihr Vater, der wohlhabendste Bürger des Dorfes, der wusste das natürlich auch!

Freda bezweifelte, dass Vater ihre glückliche Zukunft seinen florierenden Geschäften vorzog! Garlef konnte dafür sorgen, dass der Tribut, den Vater an den Herzog entrichten musste, unerträglich hoch anstieg. Lieber würde Vater das Leid

seiner Tochter in Kauf nehmen, als dass er sein Geschäft und die Existenz seiner Männer gefährdete!

Bei diesen schrecklichen wie hoffnungslosen Gedanken brach Freda erneut in Tränen aus, wie so oft in den letzten Wochen, und verbarg ihr Gesicht auf den Knien.

Die Tränen brachten für einige Minuten etwas Linderung, erleichterten ein wenig ihr Seelenleid, auch wenn sich dadurch keines ihrer Probleme gelöst hatte.

Sie schaute jetzt, durch die Nase schniefend und sich mit dem Ärmel die Tränen wegwischend, wieder auf und richtete ihren Blick erneut in die Ferne.

Einem Knüppel gleich, schlug sie das was

sie da sah nieder auf den Boden der entsetzlichen Realität. Am Horizont leuchtete weiß und blassblau das große Segel der Mathilda.

***

Es ist doch immer wieder der schönste Anblick für einen heimkehrenden Seemann, wenn am Horizont die Heimat erscheint und die Gegenwart der Familie beinah greifbar ist.

Aufgeregt richteten sich alle Männer noch einmal etwas her, um nicht so ganz verwahrlost nach der langen Heimreise zu erscheinen. Verschlissene Kleidung wurde ersetzt, Haupthaar und Bart etwas

gerichtet und das Boot an sich etwas aufgeräumt. Den Wikinger hatte man schon in den Morgenstunden mit einigen Eimern Wasser gereinigt. So heraus geputzt könnte man ruhigen Gewissens die Heimat anlaufen. Schließlich würde nachher, wenn das Wasser am höchsten stand, das gesamte Dorf am Ufer versammelt sein um die Heimkehrer zu begrüßen!

Allen voran würden seine Zoske, der kleine Harka und Freda ihn begrüßen. So war es immer! Zuerst begrüßte die Familie des Ältesten ihren Mann und Vater. Dann folgten Garlef der Knut vom Herzog und erst nach ihm der Rest des Dorfes! So war es Sitte, so würde es auch

wieder sein!

„Sichert den Wikinger, bevor wir anlanden! Nicht dass er noch über unsere Frauen und Kinder herfällt!“

Thore wandte sich an diesen Soron

„Du wirst dich doch hoffentlich zu benehmen wissen!“

Soron nickte grimmig drein schauend.

„Hast Du dir schon überlegt, wo Du ihn lassen möchtest?“, wurde Thore von seinem alten Freund Tünnes gefragt.

Derweil legten die anderen zunächst eine Schlinge um den Hals des Nordmanns. Und wickelten die Lange Leine aus verflochtenem Leder um den Mast. Jetzt hielten zwei Männer die Arme des jungen blonden Hünen fest, während ein dritter

die Bauchfesselung um den Mast löste.

„Wir müssen sehen! Zur Not stecken wir ihn in das Loch bei Garlef. Da kann er zumindest nicht ausbrechen, und unsere Frauen und Kinder sind vor ihm sicher. Wir werden sehen! Ich werde mich heute Abend noch mit Garlef wegen des zu bestimmenden Tributes und so unterreden.“

Ohne lang zu zögern fesselten jetzt die Männer dem Wikinger die Arme auf dem Rücken und stellten ihn erneut mit dem Rücken vor den Mast, um ihn bis zur Ankunft noch einmal zu fixieren.

Thore und Tünnes gingen nach vorn zum Bug und schauten voraus. Die Küste kam immer näher! An Steuerbord lag die

verfluchte Insel und vor ihnen erstreckte sich die grüne Küste. An der einen Stelle, wo der Grünstreifen des Küstengrases nicht allzu breit war, würden sie kurz vor der heimatlichen Düne anlanden können!

Thore konnte schon Einzelheiten erkennen! Irgendwo da oben in der Düne in einer Kuhle, versteckte sich die kleine Freda immer und ersehnte an Tagen wie diesen die Ankunft ihres Vaters herbei. Bestimmt war sie schon freudig schreiend ins Dorf gelaufen und hatte von der nahenden Heimkehr der Mathilda berichtet.

Ach die Freda! Ja das ist schon ein goldiges Kind, und so schlau! Musste sie

auch als Mädchen geboren werden? Fuchsgescheid wie sie ist, hätte sie durchaus einmal das Geschäft erben und mehren können! Aber so müssen wir hoffen dass sie von einem wohlhabenden oder einflussreichen Mann in dessen Haus geführt wird. Wie auch immer! Bis dahin ist ja noch ein Weilchen Zeit!

***

Garlef hatte sich seine besten Sachen angelegt. Ein Bursche kam vorhin ins Dorf gerannt und meldete krächzend, sich im Stimmbruch befindend, die nahende Mathilda. Es war diesmal wohlgemerkt nicht Freda, welche wie

sonst die Mathilda schreiend ankündigte!

Vielleicht war sie ja schon so aufgeregt, heute Abend zu Garlef in das Haus zu ziehen, dass sie es schlicht und ergreifend noch nicht bemerkt hat?

Garlef hatte ein edles Gewand aus hellem Leder an. Darüber zog er sich eine gepflegte Tunika aus weißem Schaffell über und scheitelte mit den Fingern sein strähniges Haar. Auch durch seinen langen Bart glitten noch einmal seine Finger, ob nicht noch irgendwo Speisereste von der letzten Mahlzeit klebten, einer dicken Suppe aus gequollenen Körnern mit allerlei Kräutern und einer kleinen Prise Meersalz, die er unauffällig vom

herzögliche Tribut abgezogen hatte. Das durfte natürlich Keiner wissen! Bei Unterschlagung konnte der Herzog sehr empfindlich reagieren! Doch wer wollte ihm etwas nachweisen?

Geschniegelt und gestriegelt schaute Garlef an sich herab und befand sich für angemessen genug gekleidet. Jetzt noch seine Fellmütze auf den Kopf, dann konnte er vor das Haus treten.

Das Dorf war in Erwartung der Mathilda bereits in heller Aufregung.

Eilig hatten die Weiber Alles aufgeräumt, die Schlaflager bereitet und die Feuerstellen eingeheizt. Gewiss wollten die Männer nach der langen Entbehrung endlich wieder etwas Warmes

essen. Und was nach dem Essen kommen würde war den Frauen auch klar und drapierten auf den Schlafstätten Mistelzweige, denen eine anregende Wirkung bei den Frauen nachgesagt wurde, legte man sich diesen Zweig beim Liebesspiel unter das Kopflager. Die Kinder des Dorfes waren schon hinauf auf die Düne geklettert und schauten gespannt zur Mathilda. Freilich war es ihnen verboten, schon hinunter zum Ufer zu laufen. Dieses erste Recht oblag der Frau des Ältesten, also Zoske mit ihren beiden verbliebenen Kindern. Dann folgte Garlef als Knut des Herzogs. Diesmal wollte sich Garlef beim Empfang der Heimkehrer aus taktischen

Gründen so dicht wie möglich bei Freda bewegen.

Wo ist sie überhaupt?

Garlef konnte sie in dem hektischen Treiben des Dorfes nicht ausmachen!

Bestimmt ist sie schon oben auf der Düne bei den anderen Kindern. Das steckt wohl noch in ihr drin! Wahrscheinlich muss sie sich erst noch an den Gedanken gewöhnen, jetzt eine Frau zu sein.

Garlef schaute die Düne hinauf und suchte die Kinderschar ab. Er konnte aber keine Freda unter ihnen entdecken!

Das gibt es doch nicht! Vielleicht ist sie ja noch im Elternhaus?

Garlef drehte sich um und erblickte vor Thores Haus nur Zoske mit diesem Bengel

an der Hand, wie sie sich ebenfalls ratlos suchend nach ihrer Tochter umschaute.

Das würde Thore erzürnen, wenn Freda bei der Begrüßung nicht anwesend sein sollte. Das wäre eine denkbar ungünstige Gelegenheit Thore darum zu bitten, dass Freda zu ihm ins Haus zöge!

„Verdammt nochmal! Wo steckt nur dieses dumme Ding?“, brummelte er in seinen verfilzten Bart und schaute rüber zu Zoske, die nur ratlos mit den Schultern zuckte.

Garlef schwenkte schon wieder den Blick zur Düne, als er aus den Augenwinkeln sah, wie Freda gerade aus der Hütte einer der Witwen huschte um sich unauffällig in die Sümpfe zu verdrücken.

„Was macht die da? Will sie abhauen?“

Sofort setzte ihr Garlef nach. Noch hatte Freda nicht bemerkt, dass sie aufgeflogen war und lief in diesem Augenblick geduckt über die kleine Wiese, welche das Dorf vom sumpfigen Auwald trennte.

Mit großen schnellen Schritten holte Garlef schon bald das Mädchen ein. Ihn trennten vielleicht noch fünf Schritte von Freda, als sie sich plötzlich umdrehte und entsetzt in Garlefs Gesicht starrte.

Erschrocken wollte sie los rennen, da hatte sie Garlef auch fast erreicht.

Wahrscheinlich wäre sie ihm im allerletzten Moment noch entkommen, wenn sie nicht in diesem Augenblick über

einen hervorstehenden Stein gestolpert wäre! Aufschreiend stolperte sie zu Boden.

Garlef, der sie augenblicklich erreicht hatte, packte sie an ihren blonden Haaren, zerrte das schreiende Mädchen auf die Beine und hielt ihr den Mund zu.

„Sag mal Freda! Möchtest Du nicht deinen Vater begrüßen? Wir gehen jetzt artig zu den Anderen, heißen die Mathilda willkommen und haben uns alle ganz doll lieb! Wenn Du dich nicht benimmst, sorge ich dafür, dass Ihr schon bald hungern werdet! Stürze deine Familie nicht ins Elend! Hast Du mich verstanden?“ Garlef kam mit seinem Gesicht dicht vor dem ihrigen und glitt

mit seiner Zunge über ihre Wange.

Freda wimmerte verzweifelt.

„Und jetzt lächelst Du, wenn wir wieder ins Dorf kommen! Denk immer an meine Worte!“


***

Noch immer stehend am Mast gefesselt starrte Soron der Küste entgegen. Doch war er verwirrt. Wo war er hier bloß gelandet? Wo waren die bis zum Himmel reichenden Berge? Wo waren die tiefen Fjorde? Hier war alles platt und trist, wie das nasskalte und graue Wetter. Hier gab es nichts als grüne Küste, ein paar kleinere Dünen und verkrüppelte lichte

Wälder. Hier gab es keine Fjorde, keine Felsen und auch keine dichten Wälder. Hier würde Soron keine Murmeltiere oder Bergziegen jagen können um den Winter zu überbrücken. Gab es hier überhaupt Tiere?

Sorons Hoffnungen, die ihn all die Wochen am Leben gehalten hatten schwanden zusehends. Was sollte er hier? Alles war so anders!

Dieser kleine Wicht, Ole nannte der sich, stellte sich neben Soron. Kommischerweise hatte dieser Zwerg von allen Friesen auf diesem Schiff die geringste Angst und behandelte Soron neben dem Ältesten fast normal.

„Ja Soron! Da wären wir! Willkommen in

Friesland!“

***

In Freudiger Erwartung stand Thore am Steuerruder und lenkte, wie es Sitte war, die Mathilda selber an die lichte Uferstelle, um sie dort kontrolliert anlanden zu lassen, was bei dieser Art Schiffe mit ihren flachen Böden, daher auch Plattboote genannt, kein Problem war.

Auf der heimatlichen Düne waren bereits die Bewohner des Dorfes zu erkennen, wie sie sich, einer Prozession gleich, den sandigen Abhang hinunter bewegten um die Mathilda und ihre Männer zu

begrüßen.

Ja dort! Ganz vorne weg! Das musste Thores Familie sein! Er erkannte bereits Zoske mit dem kleinen Harka an der Hand und kurz dahinter Freda, die von Garlef dicht gefolgt wurde.

Oh was würde das für ein freudiges Wiedersehen nach der langen Zeit auf See! Insgeheim musste sich Thore doch eingestehen, dass er Heim, Weib und Kinder vermisst hatte. Auch wenn es ihn immer wieder hinaus zog aufs Meer, wurde er doch bei jeder Heimkehr von einer tiefen Glückseligkeit heimgesucht, die er natürlich als ganzer Kerl und Ältester, vor seinen Männern niemals eingestehen würde. So ließ er eben die

letzten Tage mit markigen Sprüchen und flätigen Bemerkungen über Heim und Familie den harten Kerl heraushängen. Seine Männer standen ihm in nichts nach. Es war davon auszugehen, dass es ihnen genauso ging wie Thore.

Mit einem leichten Knirschen unter dem Schiffsboden lief die Mathilda sanft auf Grund.

Jetzt begannen seine Männer doch zu jubeln und Thore sah es ihnen nach, wollte doch bei ihm die Freude ebenfalls übersprudeln. Doch musste er vor Dorf und Mannschaft die würdige Haltung des Ältesten wahren und kletterte gefolgt von Tünnes über die Bordwand der Mathilda um ins seichte Wasser des Ufers zu

springen. Dass er sich dabei nasse Füße holte war ihm egal.

Auch seine Frau kam ihm lächelnd entgegen.

Jetzt konnte es auch Thore kaum noch erwarten. Er beschleunigte ein wenig sein Tempo und breitete kurz vor Zoske und Harka die Arme aus.

„Kommt her, lasst euch in die Arme schließen!“, rief er freudig und begrüßte seine Familie.

***

Freda blieb noch zurück. So lange wie möglich wollte sie den schrecklichsten Moment ihres noch jungen Lebens hinaus

zögern, an dem sie zu Garlef ins Haus ziehen musste! Das dem so war, daran bestand bei Freda nicht der geringste Zweifel. Selbst der kleinen Freda leuchteten die Druckmittel, die Garlef gegen seinen Vater in der Hand hatte ein.

„Na?“, flüsterte Garlef leise von hinten und stupste sie leicht an der Schulter.

Langsam und mit unsicherem Blick trat das Mädchen vor ihren Vater, der ihr jetzt auch gewahr wurde und sie freudig in den Kreis seiner Familie einschloss.

„Freda meine Kleine! Lass auch du dich in die Arme nehmen! Freust Du dich denn gar nicht mich wieder zu sehen?“

„Doch Vater!“, erwiderte Freda zaghaft und verzog, ein schmales Lächeln

aufsetzend, das Gesicht.

Vater schloss auch Freda in seine Arme und legte sein Haupt auf die Köpfe seiner Familie.

„Nun bin ich endlich zu Hause!“

„Thore mein Freund!“, meldete sich Garlef im Hintergrund. „Ich hoffe ihr hattet eine glückliche und erfolgreiche Reise.“

Thore ließ von seiner Familie ab und reichte demonstrativ Garlef die Hand.

Das war für die anderen Seeleute das Zeichen jetzt auch stürmisch ihre Familien begrüßen zu dürfen. Euphorisch stürzten sie sich auf ihre ebenso jubelnden Familien.

Ein wirres Stimmengewirr ließen Vaters

Worte fast untergehen, die er Garlef erwiderte. Freda verstand auch nicht alles. Zu tief hing sie in ihrer panischen Verzweiflung, dass alles um sie herum verschwamm oder wie von ganz fern klang. Sie verstand nur etwas von guten Geschäften und einem Schiffbrüchigen den sie aufgefischt hätten.

„Aber selbstverständlich, mein lieber Thore!“, hörte sie Garlef mit seiner unangenehmen Stimme antworten. „Sperrt ihn doch gleich in das Loch. Ich habe dann auch noch Dringendes mit dir zu besprechen!“

„Meinetwegen!“, erwiderte Vater, der wohl damit rechnete, dass Garlef sogleich das Geschäftliche regeln wollte,

was für einen Knut nichts Ungewöhnliches wäre. „Schau dir nur eben deinen neuen Gast an, bevor ihn meine Leute ins Loch stecken!“

Vater rief vier seiner Männer ran.

„Bringt noch eben den Wikinger zu Garlef ins Loch!“

Ein Wikinger? Vater hat einen echten Wikinger aufgefischt?

Freda hat noch nie einen Wikinger gesehen! Nach den Erzählungen der Eltern stellte sie sich die Wikinger als riesige Monster mit langen Krallen, spitzen Zähnen und einer pelzigen und wildwuchsigen Mähne vor, die da so kaum noch Ähnlichkeit mit Menschen hatten! Wie konnten sie auch? Fraßen sie

doch das Fleisch ihrer Opfer, wie man sich erzählte!

Sogleich liefen vier Mann los zur Mathilda. Jetzt gingen auch Garlefs neugierige Blicke zur Mathilda um sich seinen künftigen Gast anzuschauen.

„Was hast Du mit ihm vor Thore?“, fragte Garlef neugierig. „Diese Nordmänner sind nicht gerade für ihre Umgänglichkeit berühmt.“

„Entweder er fügt sich, oder ich werde ihn als Bärentöter verkaufen! Du kannst ja gegeben des Falles den Herzog fragen ob er Interesse hätte. Vielleicht als einen Teil des Tributs oder so!“

„Wir werden sehen!“, antwortete Garlef mit einem gewissen Unterton, den Freda

aus seiner Stimme heraus zu hören glaubte.

Die vier Männer schwangen sich wieder an Bord der Mathilda und machten sich am Mast zu schaffen, hinter dem etwas angebunden zu sein schien.

Gespannt schaute Freda zu und erwartete jeden Moment ein hässliches Untier, welches da von den vier Männern von Bord gezerrt würde.

Es rumpelte einige male an Bord, dann wurde der Wikinger hinter dem Mast hervor gezerrt. Doch sah Freda da alles andere als ein Monster mit blitzenden Augen und langen fletschenden Zähnen. Es war nur ein normaler Mann, der zugegeben sehr groß war. Er überragte

Vaters Männer wenigstens um Haupteslänge und hatte Schultern so breit wie ein wahrhaftiger Bär! Kein Wunder, dass ihn Vater auch als Bärentöter verkaufen würde!

„Du meine Güte! Der hat sich so einfach auffischen lassen?“, fragte Garlef bei diesem imposanten Anblick skeptisch.

„Ich vermute mal, dass er eine Gefangenschaft vor zog als den qualvollen Kältetod im Meer!“

„Dem wird wohl so sein!“

***

Jeweils zwei der Friesen hielten ihn an den Armen fest, als Soron von Bord der

Mathilda gezerrt wurde und im seichten Wasser der Küste landete.

Haben die nicht einmal einen Anleger hier?

Bei sich zu Hause ragte weit hinaus bis ins schiffbare Wasser eine Holzbrücke, welche von den Wikingerschiffen am Kopfende angelaufen wurde. Diese Holzbrücke ermöglichte eine viel bessere Be- und  Entladung des Schiffes und, das war noch fast wichtiger, man kam trockenen Fußes an Land!

Soron war über die Rückständigkeit dieser Friesen doch sehr erstaunt. Wie war es diesen primitiven Menschen nur möglich diese doch recht guten Schiffe zu bauen und fast alle bekannten Meere

zu befahren?

Soron blieb einen Moment stehen und überblickte die Szenerie welche sich ihm hier bot. Wohl das ganze Dorf war auf den Beinen und stand zum Teil bis zu den Knien im Wasser um ihre Männer zu begrüßen. Sie alle standen da und glotzten ihn an als wäre er ein abscheuliches Monster oder hätte eine bösartige Krankheit.

„Los! Geh schon weiter!“, schnauzte ihn einer der Friesen an und schob ihn weiter in Richtung Ufer, gefolgt von den erstaunten Blicken der Dorfbewohner. Die Männer führten ihn zu Thore und noch einem schmierigen hässlichen Kerl, der aber die elegantesten Kleider trug.

Scheinbar war das eine einflussreiche Person aus dem Dorf. Denn an Bord war Soron dieser Kerl noch nie aufgefallen.

Die Männer blieben mit Soron vor Thore und diesem anderen Mann stehen. Etwas im Hintergrund stand noch eine kräftige Frau mittleren Alters, mit braunen Haaren, einer beachtlichen Oberweite und einem Knaben an der Hand, der wohl etwas einfältig drein schaute. Zwischen der Frau und diesem Kerl stand ein junges Mädchen, welches zu Sorons Überraschung fast ebenso blondes Haar wie er selbst hatte. Scheinbar fasziniert schaute ihn dieses Mädchen mit großen blauen Augen an und schien ihn sogar etwas anzulächeln! Der erste Mensch

unter diesen Friesen, der ihn anlächelte, scheinbar keine Angst vor ihm hatte. Dieses kleine Mädchen hatte allen Anderen etwas voraus und sah anscheinend in ihm kein Monster oder so was, sondern einen Menschen aus Fleisch und Blut.

„So Garlef!“, begann Thore dem anderen Mann zu erklären. „Das ist dein neuer Gast für die nächsten Tage! Er nennt sich Soron und war bis jetzt recht friedfertig. Aber sieh dich dennoch vor! Ich trau dem Braten nicht!“

„Mach dir mal keine Sorgen! Wir werden uns schon anfreunden, nicht wahr Wikinger?“

Unverhofft verpasste ihm dieser Garlef

einen kräftigen Schlag in die Magengrube, dass sich Soron vor Schmerz krümmen musste. Soron bekam noch mit, wie das Mädchen kurz aufschrie.

„Bringt ihn ins Loch!“, befahl Thore seinen Männern.

Sogleich richteten ihn die Männer wieder auf und schoben ihn weiter zu jener Düne.

Ich könnte mich einfach losreißen und davon laufen. Aber sie sind alle bewaffnet! Und wo sollte ich hin? Hier ist alles so anders.

Soron hatte keine andere Wahl, als sich in jenes Loch bringen zu lassen und auf eine Gelegenheit in der Zukunft zu hoffen.

Hinter der Düne führten ihn die Männer durch ein wirklich ärmliches Dorf, ohne jede Sicherung. Es gab hier keine mannshohen Palisaden, keine Wachtürme, geschweige denn Wachen. Einem Feind böte sich jenes Dorf wie auf einem Präsentierteller an. Wenn Soron jemals wieder nach Hause kommen sollte, würde man ihm wahrscheinlich keinen Glauben schenken, wie einfach die Friesen im eigenen Land zu schlagen seien. Oder war es nur jenes kleine Dorf hinter dieser Düne, welches so ungeschützt war, da es einfach zu klein, zu unbedeutend war?

Die Friesen führten Soron einmal quer durch das Dorf von einfachen Hütten wie

er es empfand. Bei sich daheim waren die Hütten der einfachen Leute wohl prächtiger als die größten Häuser jenes Dorfes.

Ganz am Rande des kreisrunden Dorfes, eigentlich schon fast außerhalb stand eine der größeren Hütten des Dorfes. Diese war kreisrund, mit Schilf bedeckt und an der Spitze des Daches erkannte Soron eine Öffnung, durch die wahrscheinlich der Rauch der Feuerstelle in jener Hütte abzog.

Zu dieser Hütte führten ihn die Männer. Neben der Hütte öffneten sie eine schwere Eichenholzklappe, die einzig mit ein paar Löchern versehen war. Einer der Männer schob einen Riegel beiseite und

hob jenen Deckel an. Darunter offenbarte sich Soron ein tiefes Schwarzes Loch, dessen Wand mit Feldsteinen ummauert war. Auch der Grund dieses Loches war mit vielen Steinen in Lehm gebettet ausgelegt. Kaum war die Klappe geöffnet stießen die Männer Soron hinein und ließen hinter ihm den Deckel zu fallen.

***

„Komm doch rein Garlef! Und mache es dir an meinem Feuer gemütlich!“, wurde Garlef höflich von Thore in dessen Haus gebeten, wie es sich für einen Ältesten gehörte, der den Offiziellen Vertreter des Herzogs in seinem Haus empfing.

Garlef kam dem gerne nach und nahm sogleich ohne eine Bitte abzuwarten platz. Die Hütte war angenehm warm.

Das ist doch was Schönes, wenn man abends nach Hause kommt und das Weib hat das Haus schon gemütlich eingeheizt und Essen zubereitet und würde sich abends dem Manne hingeben.

Schnell schüttelte Garlef die bildhafte Vorstellung ab, wie Thore und Zoske es miteinander trieben.

Ab morgen werde ich das alles auch wieder haben! Noch besser als damals bei Mara!

„Zoske!“ rief Thore zu seiner Frau, die gerade mit den beiden Kindern das Haus betrat. „Haben wir für Garlef noch von

dem guten Met da?“

„Mit Sicherheit!“

Sogleich kramte die Frau eine dickbauchige Tonflasche hervor. Derweil sich Freda und deren einfältiger Bruder etwas abseits des Feuers im Rücken des Vaters platz nahmen.

Zoske schenkte den beiden Männern in ebenfalls tönernen Bechern von jenem süßen Honigwein ein, von dem sie extra für solche Anlässe einen kleinen Vorrat versteckt hatte. Dann setzte sie sich zu den Kindern und nahm Freda in den Arm, die sichtlich traurig drein schaute.

„Nun denn, Garlef! Begann Thore das geschäftliche Gespräch in einem souveränen Ton. „Gleich morgen früh

können wir an Bord gehen und den Tribut von der Ladung berechnen. Ich denke an dem Zehntel der letzten Jahre hat sich nicht viel geändert. Wie schon gesagt, könntest Du mit dem Herzog auch nochmal bezüglich des Wikingers sprechen. Vielleicht könnte man ihn anteilig mit dem Tribut verrechnen. Wie Du schon richtig vermutet hast, zur Arbeit taugen die nicht viel!“

„Ich denke mal, lieber Thore, dass wir uns schon einig werden. Und für den Wikinger werde ich beim Herzog gewiss einen sehr guten Preis erzielen. Aber es gibt da noch ein anderes freudiges Ereignis zu bereden. Weshalb ich mich eigentlich sofort mit dir treffen wollte.

Nach nunmehr zwei Jahren bin ich über die gute Mara hinweg.“

„Ja! Ein gutes Mädchen war das! Du hattest an ihren Verlust schwer zu tragen!“

„Ja ja!“ Garlef warf einen verstohlenen Blick zu Freda, die jetzt panisch zu den beiden Männern schaute.

„Wie es der Zufall will gibt es da eine neue Frau in meinem Leben.“

Zoske nahm Freda gleich etwas fester in den Arm und schaute sorgenvoll zu Garlef.

„Oh das freut mich für dich!“, rief Thore sogleich. „Solange allein zu sein ist auch nichts für einen Mann! Du hast gut daran getan dich den Frauen wieder zu öffnen.“

„Ja ja! Das sehe ich genauso! Deshalb möchte ich diese Jungfrau auch in mein Haus nehmen.“

„Na das sind doch mal erfreuliche Neuigkeiten. Die Auserwählte wird sich bestimmt riesig freuen. Aber sag an, wer ist die Glückliche? Aus unserem Dorf kann es meines Wissens keine Jungfrau sein. Kommt sie vom Nachbardorf?“

„Nun ja! Sie kommt schon aus unserem Dorf. Du musst wissen, dass sie erst kürzlich, als Du für das Wohl unseres Dorfes unterwegs warst, von Phosede zur Jungfrau erhoben wurde. Wie es der Zufall will habe ich mich doch Hals über Kopf in sie verliebt und möchte sie nun in mein Haus führen.“

„Das freut mich wirklich für dich! Zur Feier des Tages werde ich auch ein Schaf opfern.“

Thore hatte noch immer nicht begriffen worauf Garlef eigentlich hinaus wollte.

„Verschone das Schaf! Gib mir vielmehr deinen Segen damit ich die Frau in mein Haus führen kann!“

„Ach Garlef! Du bist nun wirklich der Letzte im Dorf, der von mir das Einverständnis braucht um eine Frau in sein Haus zu führen!“

Mit einem weiteren Seitenblick erkannte Garlef, dass Freda wie ein Häufchen Elend in den Armen ihrer Mutter lag und in Tränen aufgelöst war.

„Aber nun sag schon wer ist die

Glückliche, die ich gleich morgen früh gratulieren kann!“

„Warum bis morgen früh warten? Beglückwünsche Freda doch gleich!“

Für einen Moment entglitten Thore alle Gesichtszüge, bis er so richtig realisierte was da gerade vor sich ging.

„Waaas!!!“, schrie er wutentbrannt und stürzte sich auf Garlef.

„Bedenke was Du tust!!!“ schrie Garlef und hob die Hände! „Greifst Du mich an, greifst Du den Herzog an!“

„Du Schwein!!! Sie ist erst dreizehn!!! Was zum Henker soll das!!!“

Thore war dunkelrot vor Wut angelaufen und im Hintergrund wimmerte Freda. Jetzt da die Katze aus dem Sack war,

brauchte sie sich auch nicht mehr zu verstellen.

„Es soll unser aller Schaden nicht sein! Freda und unsere Kinder haben für alle Zeit ausgesorgt. Mit mir als deinem Schwiegersohn werden deine Geschäfte besser denn je laufen und ich, mit dem Dorfältesten in meiner Familie, werde künftig einen noch stärkeren Einfluss bei Hofe haben, was sich nicht zu Letzt auch auf die Geschicke des Dorfes niederschlägt. Stell Dir nur vor geringere Tribute, geringere Abforderungen wie z.B. Bewaffnete gegen die Franken oder so. Alles nur, weil ich meinen Einfluß geltend machen kann.“

„Du bist wahnsinnig! Sie ist doch noch

ein Kind!“

„Es hat schon Königshäuser gegeben, da wurden die Prinzessinen oder Prinzen noch jünger vereint!“

„Wir sind aber keine Könige, verdammt!!!“, schrie Thore aufgebracht.

„Nein! Aber die Beweggründe sind die selben! Politik und Macht! Darauf kommt es im Endeffekt an!“

„Dann warte doch noch ein Weilchen bis sie ein wenig gereift ist!!“ flehte Thore schon fast.

„Thore! Ich gehe auch schon auf die Vierzig zu! Ich werde nicht jünger! Wie viel Zeit bleibt mir denn noch um im Leben voran zu kommen! Im Übrigen solltest Du dir mal die Konsequenzen

ausmalen, wenn Du meinem Begehren entsagst. Das Dorf hat sich so schön entwickelt! Es wäre doch Schade darum!“ Mehr brauchte Garlef nicht zu erzählen. Fast greifbar schwebte das Unausgesprochene im Raum.

Ein Moment herrschte Schweigen.

„Oh Garlef! Eines sei dir gesagt!“, begann Thore mit eisiger Stimme. „Das kann vor den Göttern nicht rechtens sein! Irgendwann wirst Du dafür zur Rechenschaft gezogen das verspreche ich dir!“

„Das werden wir sehen! Also? Wie ist deine Entscheidung?“

Thore rang mit sich. Wahre Kämpfe zeichneten sich auf seinem Gesicht ab.

Zoske und Freda lagen sich in den Armen und heulten laut. Und der einfältige Bursche konnte gar nicht begreifen, dass da gerade seine Schwester verschachert wurde. Er grinste einfach nur blöd in die Runde.

Garlef übte sich in Geduld und schaute in das verzweifelte Gesicht von Thore.

Innerhalb weniger Minuten hatte er eine ganze Familie in größtes Unglück gestürzt. Doch das war Garlef egal. Hauptsache seine Pläne gingen auf!

„Also gut Du mieses Schwein! Wie viel Zeit bleibt uns noch?“

„Es ist alles soweit vorbereitet! In Anbetracht der Umstände möchte ich sie eigentlich gleich mitnehmen, jetzt

sofort!“

„Warum nur? Ist es nur Gier?“

„Aber nein! Natürlich liebe ich Freda auch!“

Ohne Erbarmen zog Garlef das schreiende Mädchen über den Dorfplatz zu seinem Haus. Wer nun glaubte Fredas verzweifelte nach Hilfe rufende Schreie hätten einen der Dorfbewohner vor die Tür gelockt, um wenigstens mal nachzuschauen, was da vor sich ging, den muss ich enttäuschen.

Freda wurde in ihrer Not allein gelassen. An alten Traditionen und Sitten wurde nicht gerüttet und schon gar nicht wenn der Knut seine Finger im Spiel hatte, wollte man seines Lebens noch einmal

froh werden!

Fest an der Hand gepackt, dass Garlef ihr die Selbe zu brechen drohte, zog er das Mädchen hinter sich her durch das nächtliche Dorf und alle Dorfbewohner taten so, als hätten sie nichts bemerkt.

Freda fühlte sich schrecklich. Sie fühlte sich so machtlos, so ausgeliefert! Nichts und niemand in der Welt vermochte ihr jetzt noch zu helfen! Und dann war da noch diese Ungewissheit, was da jetzt auf sie zu käme! Noch nie hatte sie sich darüber groß Gedanken gemacht. Hat sie doch noch bis vor ein paar Wochen mit den anderen Kindern des Dorfes gespielt!

Sie hatten sein Haus erreicht. Mit einer Hand schob Garlef den schweren

Holzriegel beiseite, öffnete die Tür und stieß Freda in das finstere Innere des runden Hauses. Sie stürzte der Länge nach zu Boden und hörte den schweren Riegel erneut vor die Tür poltern.

„So Freda! Ich werde Dir jetzt erklären wie das abläuft!“ Garlef packte Freda am Arm und zog sie auf die Beine. „Zunächst einmal entzünden wir beide zusammen unser heimisches Feuer. Als Zeichen dafür, dass fortan dies unser beider Heim ist. Danach bereitest Du mir der Göttin Frigga zu ehren ein erstes Abendmahl. Das ist nicht weiter schlimm. Ich habe da schon etwas vorbereitet. Anschließend gehen wir dann schlafen. Das war schon unser erster

gemeinsamer Abend. Du siehst! Es ist alles halb so schlimm! Nicht wahr?“

Durch das Dunkel der Hütte wurde Freda zur Feuerstelle geführt und von Garlef zu Boden gedrückt..

„Siehst Du? Hier ist die Feuerstelle, Ich packe jetzt etwas trockenes Moos in die Mitte.“

Garlef hatte sich tatsächlich auf diesen Abend vorbereitet. Es lag trockenes Moos und ein Stapel Torf und zwei Feuersteine beim Moos. In die Mitte der Feuerstelle häufelte er jetzt etwas Moos und drückte Freda die beiden Feuersteine in die Hand.

„So Freda! Entfache nun unser heimisches Feuer!“

„Garlef bitte!“, wimmerte Freda verzweifelt. „Bitte lass mich wieder gehen! Ich flehe dich an! Ich habe solche Angst!“

„Zünde jetzt bitte unser heimisches Feuer an!“ wiederholte sich Garlef noch immer im ruhigen Ton.

„Ich kann doch nicht!“, jammerte Freda nur noch, unfähig irgendeiner Handlung.

„DU SOLLST DAS SCHEISS FEUER ANZÜNDEN!!!“, schrie Garlef plötzlich und schlug mit der flachen Hand in Fredas Gesicht, dass sie zur Seite flog und schmerzhaft auf dem Boden landete.

Sofort packte er das Mädchen bei den Haaren und zerrte es zur Feuerstelle.

„Du entzündest jetzt unser heimisches

Feuer sonst prügel ich dich windelweich wenn es sein muss! Also los! Hier sind die Feuersteine.“ Erneut drückte ihr Garlef die beiden scharfkantigen schwarzen Steine in die Hand.

Mit zittrigen Händen und noch immer weinend schlug Freda wieder und wieder die Steine aneinander. Es flogen auch zahlreiche Funken. Doch irgendwie wollte das Moos kein Feuer fangen.

„Du dummes Weib!“, schnauzte Garlef das Mädchen an und stieß sie beiseite. „Bist Du selbst zum Feuer machen zu dämlich oder was!?“

Nach wenigen Versuchen fing das Moos Feuer. Sogleich fütterte Garlef die spärliche Flamme mit kleinen Bröckchen

Torf bis das Feuer lichterloh brannte und die bis jetzt dunkle Hütte erhellte. Freda schaute sich um und erblickte bis auf ein paar Töpefe und Krüge nur noch ein Schlaflager aus vielen Schaffellen die in einer Art Holzrahmen ausgelegt waren.

Anschließend durfte Freda noch als erstes gemeinsames Abendmahl eine Grütze aufwärmen. Jedoch verging ihr bei dem Anblick, wie Garlef sich Löffel um Löffel direkt aus dem Kessel in den fauligen Mund stopfte, der Appetit und schaute angewidert ihrem Mann beim essen zu, der auch nicht mit Rülpsen und lauten Essgeräuschen geizte. Aber das war Freda gewöhnt weil das alle Männer so machten.

Nach unzähligen Löffeln dieser Grütze und einigen Bechern Met, welchen er sich und Freda in zwei Becher einschenkte schien er satt zu sein und quittierte seinen vollen Bauch mit einem lang gezogenen Rülpser. Unappetitlich hingen noch einige Krümel Grütze in seinem verfilzten Bart.

Freda hingegen, die den Genuss von Met bisher nicht gewöhnt war bekam ein sonderbares Gefühl, als wolle sich um sie herum alles in Bewegung versetzen. Sie wurde von einer schweren Müdigkeit übermannt.

Garlef strich sich mit der Hand über den Bart und die Essensreste wohl nicht weg sondern breit.

„Ja das war gut! So Freda! Nun gehen wir schlafen!“

Endlich! Im Schlaf kann ich dieses Scheusal am leichtesten ertragen.

„Ja Garlef! Wo darf ich bitte schlafen?“

„Wo Du schlafen darfst?“ Garlef begann lauthals zu lachen. „Das war jetzt nicht wirklich dein Ernst? Du schläfst natürlich bei mir! Ich bin dein Mann, Du bist meine Frau!“

„Ja aber Du hattest gesagt, wir hätten alle Zeit der Welt!“, versuchte Freda ihren Mann ängstlich an seine Worte zu erinnern.

„Wie kannst Du es wagen dich mir zu verweigern!“

Wütend sprang Garlef auf und hatte Freda

schon am Kragen gepackt. Er zerrte sie auf die Beine und zog ihr Gesicht ganz dicht vor das seine, dass ihre Füße in der Luft schwebten. Ein widerlicher Gestank aus Fäulnis, Grütze und Met schlug ihr übel entgegen. Entsetzt starrte sie ihrem Tyrannen ins wutverzerrte Gesicht

„Ich sage dir das jetzt nur einmal und dann nie wieder! Hast Du mich verstanden!?“

Krümel der Grütze schlugen Freda ins Gesicht.

„Bitte nicht! Bitte nicht!“, wimmerte sie.

„Halt die Klappe!“

Freda verstummte.

„Du bist mein Weib! Wenn ich dich nehmen will, dann hast Du dich gefälligst

zu fügen! Ist das in deinem Schädel angekommen!?“

Er stellte Freda zurück auf die Beine und löste den Knoten des Lederriemens, der ihr schweres Wollkleid zusammen hielt. Nun hing es ihr lose und viel zu weit über den Schultern.

In der Gewissheit was nun kommen würde brach Freda in Tränen aus und weinte, wie nur ein Kind weinen kann. Garlef striff ihr das Kleid von den Schultern, dass es zu Boden fiel. Seine schmutzigen Hände glitten über ihren nackten Körper.

„Du bist so schön!“ geiferte er mit stierem Blick und schob sie rückwärts zu seinem Schlaflager um sie dort nieder auf

die Felle zu drücken.

„Bitte nicht, Garlef!“

Mit Entsetzen sah sie wie Garlef die Schnürung seiner Beinkleider löste und sie von seinen Lenden rutschten. Nur noch im Hemd stand etwas langes und dickes bei ihm hervor, wie es Freda noch nie zuvor gesehen hat. Sie hatte wohl etwas ähnliches gesehen, wenn früher die Mutter den kleinen Harka gewaschen hat und Freda dabei zuschaute. Aber das, was da bei Garlef hervor stand war so groß so gewaltig. Und vor allem waren da über all Haare!! Panik baute sich in Freda auf, als sie Garlef mit diesem stieren wahnsinnigen Blick an starrte. Ihr Herz begann zu rasen und ihre Atmung

ging immer schwerer.

„Nein!!!“ schrie sie nur noch, als sich Garlef zu ihr herab begab.

***

Die schrillen Schreie dieses Kindes, welches da wohl gerade die Hölle durchleben musste, weckten Soron erneut aus seinem Halbschlaf.

„So ein mieses Schwein!“ murmelte er und setzte sich auf. „Das arme Kind!“

Zu gerne hätte er dem armen Gechöpf geholfen und diesem abartigen Monster den Hals umgedreht. Jedoch war dieses Loch so ganz ohne Hilfsmittel absolut ausbruchsicher.

Diese Friesen stellten sich ihm mehr und mehr als wilde Monster dar. Eins um andere mal schockten diese Friesen in ihrer Lebensweise unserem Wikinger. Nicht genug, dass sie allem Fremden, wie ihm den Wikinger feindlich und verschlossen gegenüber traten, dass sie ihn wirklich versklaven und am besten in den Tot schicken wollten. Nein! Sie machten in ihrer abartigen Grausamkeit noch nicht einmal vor Kindern halt! Gut! Es war davon auszugehen, dass nicht alle Friesen derartige Monster waren wie jenes Schwein da oben, das sich da gerade an dem Kind verging. Aber die anderen, und das machte sie in Sorons Augen mitschuldig, ließen es geschehen

und schauten weg! Die grellen Schreie des Mädchens mussten doch durch das ganze Dorf schallen! Soron war schockiert und wütend zu gleich, wütend über seine Machtlosigkeit.

Er sprang auf und hämmerte mit der Faust gegen die Klappe über seinem Loch.

„Hey Friese!!!“, schrie er. „Such Dir eine richtige Frau du dreckiges Schwein. Oder bist Du so ein Schlappschwanz, dass Du es nur bei Kindern bringst!!?“

Die Schreie des Kindes setzten aus und nur noch ihr wehklagendes Heulen war zu hören. Wenig später polterte der schwere Riegel der Haustür.

Der Deckel des Lochs ging auf und dieser Kerl, der am Ufer neben Thore und

jenem blonden Mädchen stand starrte zu ihm herab.

„Halt dein Maul, du verdammter Wikinger!“

Im nächsten Moment übergoss sich ein heißer Brei über Soron. Vor Schmerzen aufschreiend sackte der zusammen. Und versuchte seinen Kopf von diesem heißen Brei zu befreien. Dieser Friese ließ die Klappe wieder zu fallen und verriegelte sie wieder.


***

In ihrer Verzweiflung war Freda aus Garlefs Nachtlager gekrabbelt und hatte sich in den gegenüberliegenden Bereich

des runden Hauses zurück gezogen. Die wütenden Schreie dieses Wikingers im Loch, der ihr tatsächlich als Einziger, wenn auch nur verbal, beistand, hatten Garlef derart aus der Fassung gebracht, dass sein Ding aus Freda rutschte und er seine rechte Mühe hatte Freda damit erneut zu malträtieren.

Aufstehen und laufen konnte sie nicht. Ihr Unterleib war erfüllt von schrecklichen zerreißenden Schmerzen und etwas flüssiges und warmes lief aus ihr heraus. Als sie herab schaute erkannte sie mit Entsetzen verschmiertes Blut an ihrer Scham und an den Oberschenkeln. Würde sie jetzt sterben?

Als sie den Wikinger schmerzvoll

aufschreien hörte fuhr ihr der Schrecken erneut in die Glieder. Was hatte Garlef dem armen Wikinger angetan? Schlechtes Gewissen machte sich in ihr breit weil dieser Mann wegen ihr leiden musste.

Ich bringe allen Menschen um mich herum nur Unglück! Warum füge ich mich nicht einfach? Dann muss niemand mehr leiden!

Die Tür flog wieder auf und Garlef trat ein. Als er sein Nachtlager verlassen vor fand schaute er sich wütend um und ging bedrohlich auf Freda zu. Bei ihrem Anblick am Boden begann sich das Ding zwischen seinen Beinen wieder aufzurichten.

„Habe ich Dir erlaubt die Schlafstatt zu

verlassen Weib!?“

Panisch robbte Freda rückwärts vor ihm davon und stieß mit dem Ellbogen gegen die Feuerstelle. Da stürzte sich Garlef wütend auf sie und presste mit seinen Knien ihre Schenkel auseinander.

Der Gewalt und der Masse Garlefs hilflos ausgeliefert griff Freda verzweifelt neben sich und tastete nach etwas woran sie sich halten konnte um die Schmerzen besser zu ertragen.

Zerreißend drang Garlef in ihr ein und Freda schrie schmerzerfüllt auf. In diesem Moment bekam ihre Hand etwas zu greifen. Doch zuckte sie gleich wieder zurück. Es war einer jener heißen Steine, welche die Feuerstelle begrenzten.

Diese Schmerzen, als Garlef wieder und wieder zu stieß und dabei wie ein Tier grunzte, waren so schrecklich. Es musste aufhören!

Laut aufkreischend packte Freda den heißen Stein, hob ihn an und ließ ihn mit aller Kraft auf Garlefs Schädel nieder krachen.

Leblos sackte der massige Körper zur Seite und blieb auf dem harten Lehmboden liegen. Verzweifelt schwang sich Freda auf setzte sich auf Garlef und ließ wieder und wieder den schweren, heißen Stein auf seinen Kopf nieder gehen. Dabei schrie sie vor Schmerzen, dass sich ihre Stimme überschlug. Doch immer weiter drosch sie auf den Schädel

ein. Nie wieder sollte ihr Garlef Schmerzen zufügen!

Erst als der Schädel unter dem Stein zerbrach und eine blutige graue Masse umher spritzte, wurden ihre Schläge schwächer. Schließlich ließ Freda den heißen Stein fallen und sackte geschafft zur Seite.

Ihr Unterleib ein einziger zerreißender Schmerz und mit brennend heißen Händen lag sie da und atmete schwer. Aber Freda war trotz alle dem in diesem Moment glücklich. Der Alptraum hatte ein Ende! Nie wieder würde Garlef sie quälen können!

Nach einigen Minuten des Verharrens, begannen sich ihre Gedanken zu ordnen.

Was würde nun geschehen? Mit Schrecken wurde ihr bewusst, dass sie nun im Dorf als Mörderin da stehen würde. Wahrscheinlich würde sie spätestens der Herzog, wenn er Garlef vermisste, aufhängen lassen. Freda kam zu der schrecklichen Erkenntnis, dass sie, wollte sie überleben, das Dorf verlassen musste, für immer und sofort! Übermannt von dieser Einsicht begann sie zu schluchzen und schaute neben sich. Da lag Garlef! Die Augen weit aufgerissen und sein Hinterkopf gespalten. Eine graue Masse war zu sehen. Garlef war eindeutig tot!

Mitten im Raum lagen noch immer ihr Kleid und der Lederriemen. Eilig zog sie

sich an und schaute sich unentschlossen um. Was sollte sie jetzt machen? Wohin sollte sie jetzt gehen? Noch nie zuvor hat sie ihr Dorf verlassen! Nie zuvor hat sie andere Menschen gesehen als die Leute ihres Dorfes! Sie wusste nicht, was es hinter jenem Sumpfgebiet gab, welches ihr Dorf umgab. Freda stand wahrhaftig vor dem Nichts! Hatte sie denn, als kleines Mädchen, das sie ja war, überhaupt eine Chance auch nur die nächsten Nächte in der Wildnis zu überleben? Immerhin gab es da draußen Wölfe, Bären und große Wildkatzen, für die Freda wahrscheinlich eine leichte Beute war!

Plötzlich hörte sie ein lautes Stöhnen. Sie

erschrak, in der Annahme es sei Garlef. Doch der lag noch immer tot neben ihr. Wieder war da dieses schmerzvolle, langgezogene Stöhnen.

Der Wikinger! Wollte er mir nicht schon vorhin helfen? Vielleicht haben wir eine größere Chance, wenn wir gemeinsam fliehen?

Sogleich versuchte Freda aufzustehen. Doch die stechenden Schmerzen im Unterleib warfen sie wieder zurück und ließen sie schmerzvoll aufschreien. Es blieb ihr nichts weiter übrig als auf allen Vieren zur Tür zu krabbeln. Auch wenn ihr dabei die verbrannten Hände schmerzten, krabbelte sie weiter. Waren doch diese Schmerzen etwas erträglicher.

Mit Mühe schob sie den schweren Riegel beiseite und fand im Dunkel den Weg zum Loch.

„Hallo! Hörst Du mich?“, flüsterte sie, um nicht die Leute des Dorfes zu wecken.

„Ja!“ bekam sie von einer tiefen raunenden Stimme zur Antwort.

„Ich lasse dich jetzt frei! Aber Du musst mir helfen. Allein schaffe ich das nicht! Der Deckel ist zu schwer für mich!“

„Alles klar!“

Freda schob den Riegel der Klappe beiseite. Sogleich stieß der Wikinger den Deckel auf und kletterte aus dem Loch. Er hockte sich zu der am Boden liegenden Freda und strich ihr über das blonde Haar.

„Ach Du bist das! Es tut mir so leid, was dieses Schwein mit dir gemacht hat! So ich muss jetzt los! Ich danke dir!“

Der Wikinger war im Begriff zu gehen.

„Warte bitte!“

„Was ist noch?“

„Nimm mich bitte mit! Ich habe ihn getötet!“

„Bist Du verrückt? Wie stellst Du dir das vor?“

„Sie werden mich hängen!“

„Mich auch, wenn sie uns beide erwischen. Mach's gut!“

„Bitte ich flehe dich an! Ich weiß nicht wie ich das allein schaffen soll! Du bist stark und ich...“

„Und Du...?“

Freda kam zu der Erkenntnis, dass sie für den Wikinger von keinem Nutzen war, eher eine Belastung. Traurig schaute sie zu Boden.

„Siehst Du! Du wärst mir nur ein Klotz am Bein! Also leb wohl! Such dir irgendwo ein Versteck und versuche irgendwie über die Runden zu kommen!“

Der Wikinger lief los.

Der kann mich doch nicht einfach so zurücklassen dieser...

„Soron!!“, fiel ihr plötzlich sein Name wieder ein.


***

Da drehte sich Soron noch einmal um und

ging zu dem Mädchen, das noch immer am Boden lag, zurück. Sie schaute zu ihm auf als er vor ihr trat. Schließlich hockte er sich zu ihr nieder um in ihre blauen Augen zu schauen.

Sie hat sich meinen Namen behalten. Was mache ich mit ihr? Man wird sie hängen, wenn man die Leiche findet! Ach verdammt! Aber vielleicht kennt sie sich hier ein wenig besser aus als ich?

„Also gut! Wahrscheinlich kennst Du dich ein wenig besser hier aus als ich. Warte einen Moment!“

Soron verschwand in dem Haus und fand recht zügig den Dolch und ein kurzes breites Schwert dieses Friesen. Beides nahm er an sich und ging wieder nach

draußen zu dem Mädchen.

„Laufen kannst Du wahrscheinlich auch nicht! Was?“

Zaghaft lächelnd schüttelte das Mädchen den Kopf.

„Verdammt! Na komm!“

Soron nahm das Mädchen auf die Arme und verschwand mit ihr im finsteren friesischen Auwald.

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Über den Autor

PorterThomson
Ich schreibe hauptsächlich um zu unterhalten. Dabei möchte ich Menschen jeden Alters, jeden Geschlechts und egal welcher Herkunft unterhalten. Meine Ambitionen liegen bei den spannenden und aufregenden Romanen. Jedoch experimentiere ich hin und wieder auch mal an anderen Genres herum. Mehr über mich: www.porterthomson.de.tl sowie bei Facebook: "Porter Thomson, Autor aus Cuxhaven" und bei Google+ unter der web-Adresse: https://plus.google.com/+PorterThomsonAutorausCuxhaven/posts

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