Biografien & Erinnerungen
Der Abschied fiel so schwer - ***Istanbul***

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"Der Abschied fiel so schwer - ***Istanbul***"
Veröffentlicht am 16. Mai 2014, 20 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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Der Abschied fiel so schwer - ***Istanbul***

Der Abschied fiel so schwer - ***Istanbul***

Istanbul! Die bezaubernde Stadt am Bosporus. Denke ich zurück, so sehe ich uns wieder im Transitraum sitzen und auf den Abflug in die Heimat warten. Wir, das waren zum einen meine Schwägerin Bärbel und ihr damals sechszehnjähriger Sohn Alex, sowie mein Mann Klaus und ich natürlich.In nur 5 Tagen erkundeten wir diese Stadt.Und nur ein Bruchteil davon bekamen wir zu Gesicht.Doch auch Istanbul war traurig und ihr fiel der Abschied ebenso schwer. Diese atemberaubende Metropole, die sich als Einzigste auf zwei Kontinenten befindet, hatte uns in ihren Bann

gezogen.Ihre Geschichte ist geprägt von den Spuren alter Kulturen; Griechen, Römern, Osmanen und wohl auch Christen. Schon lange hegten wir den Wunsch und wollten und konnten nun auch ihren Zauber hautnah erleben. Nach nur fünf Tagen, hieß es dann Abschied nehmen. Wir warteten im einfach ausgestatteten Transitraum. Alex rief die Oma an, um unsere Ankunft mitzuteilen, schon erfolgte die Aufforderung zum Einstieg und nach einer kurzen Einweisung durch das Flugpersonal erhoben wir uns in die

Lüfte. Gerade hatten wir uns gemütlich zurück gelehnt und die Augen geschlossen, es war immerhin erst 6 Uhr in der Früh, da vernahmen wir ein leises „Pling! Pling!“. -Oh, wie schön, gleich gibt es Frühstück -dachten wir. Doch dann, deutlich lauter und wie bei einem Kurzzeitwecker ohne Ausschaltknopf „Pling!Pling!Pling!.....“. Vorsichtig öffnete ich meine Augen und sah, bei einem Blick aus dem Fenster, viele Boote auf dem Schwarzen Meer und konnte erkennen, wie uns die Fischer freudig zuwinkten. Das Flugzeug sank tiefer und wir staunten, wohl auch die Piloten, das war kein Winken, sondern

diese Männer gaben uns Zeichen, die in Richtung Süden deuteten. Die Crew folgte dieser Aufforderung und drehte den Flieger und so kehrten wir nach Istanbul zurück. Beim Verlassen des Flugzeuges bemerkten wir noch vier türkische Mechaniker im Blaumann, die vor uns zur Tür eilten. „Wie geil ? Die sind ja echt mutig. Wollten die etwa das Teil in der Luft reparieren?“ liess Alex mit einem breiten Grinsen verlauten. Oder war es doch Magie, die uns nach Istanbul zurück rief? Nur drei Stunden wurden uns noch einmal Zuteil. Während dieser kurzen Wartezeit aßen wir das köstlich pappige türkische Weißbrot, das

sich vor uns in einem Rucksack versteckte. Den Durst stillte uns die Fantastisch klebriger Limonade, die Alex aus seiner Tasche hervor zauberte. Auch blieb uns genug Zeit für einen Gang zur Toilette. Mit Bewunderung stellten Bärbel und ich fest, türkische Frauen besitzen noch Anstand. Diese, zwanzig oder dreißig Damen, rauchten nicht in der Öffentlichkeit. Die Kabinen waren zwar durch die vom Nikotin geschwängerte Nebelwand schwer zu finden, aber wir bezeugten ihnen, mit wedelnden Händen, unseren Respekt Dann war es endlich soweit, Alex tätigte den Anruf zur Oma und der Bus brachte

uns zum neuen Flugzeug. Auf dem Weg zur Gangway rief ein Passagier im Berliner Dialekt: “ Eh, Kiek ma da! Hoffenlich ham se nich det billjeTesa da anjetackert!“ „Ob dat wohl gaud geit?“ fragte auch Klaus mit einem skeptischen Blick auf die grauen breiten Klebestreifen, die an den Heckflügeln, gut sichtbar für alle in der Sonne prunkten. Unser Vertrauen jedoch war grenzenlos und konnte durch nichts erschüttert werden. Nun, wir saßen wiederum fest angeschnallt auf unseren angestammten Plätzen. Die hübschen Stewardessen präsentierten ihre entzückenden

Tänzchen. Währenddessen wurde das Flugzeug zur Startbahn gerollt. Die Düsen heulten auf! Die Piloten legten sich ordentlich ins Zeug und gaben Vollgas! Mit mehr als 300 Sachen schoss nun die Maschine über die Piste... ! Wir wähnten uns schon in den Lüften und fragten uns, ob wir noch einen kurzen Blick auf das wundersame Istanbul erhaschen könnten. Ur plötzlich spürten wir einen starken Ruck! - Hörten laut die Reifen quietschen! - und wir wurden auf unseren Sitzen heftig hin und her geschleudert! Der Pilot legte, bei vollem Schub wohl

bemerkt, eine fulminante Vollbremsung hin. Nach ein paar Sekunden, in denen wir in gespenstischer Stille verharrten, wagte der ein oder andere doch einen vorsichtigen Blick aus dem Fenster. Nur knapp zwei Meter fehlten bis zum steinigen Abhang, an dessen Grund munter plätschernd der Bosporus vorbei rauschte. Das kühle Nass war zum Greifen nah. Jedoch wurde ich jetzt ein wenig neidisch auf die Männer im Cockpit, da sie wohl den besten Panoramablick inne hatten, der vielleicht sogar bis zum Goldenen Horn reichte. Einige von den jüngeren Passagieren, zu denen sich auch unser Alex gesellte,

klatschten Applaus und jubelten vor euphorischer Begeisterung: " Zugabe! Zugabe! Das war echt Geil! " Alex rief noch: "Das ist voll cool, das glaubt mir keine Sau!" In uns kam jetzt ein seltsames Gefühl auf. Hat Istanbul ihre Magie eingesetzt und uns davor bewahrt als gemeines Fischfutter im wunderschönen Bosporus zu enden. Die Besatzung und später auch das Bodenpersonal, waren völlig sprachlos. Sie beherrschten lediglich nur ein paar Brocken ihrer Muttersprache - Türkisch! Aber wir konnten ihnen einfach nicht böse sein, wurden uns wiederum ein paar schöne Stunden von dieser magischen

Stadt beschert. Auf dem Weg zum Bus, der uns zum Transitraum bringen sollte, konnte jeder die sichtbaren Schäden am Flugzeug betrachten. Von den Reifen zog stinkender Qualm um die Nasen und die Klebestreifen hatten sich, wie von Geisterhand, in Luft aufgelöst. Das war auch dem Berliner nicht entgangen: " Kiek! Kiek! Se sin wech! Einfach wech! Ick wusste det hält nie nich!" Auch im Bus war er kaum zu beruhigen. Er erzählte uns, dass er schon einige Jahre als Handelsvertreter in der Türkei tätig wäre und das er so ein Desaster noch nie erlebt hätte. Weiter sagte er, dass er mit der Verständigung in diesem

Land sehr gut zu recht käme. Für uns deutschen Passagiere erübrigte sich somit die Frage, wer die Rolle eines Anführers übernehmen könnte. Die Wahl fiel einstimmig auf unseren neuen Freund,- den Berliner! Und er nahm seine Rolle sehr ernst. Durch lange zähe Verhandlungen mit Verantwortlichen der Fluggesellschaft und des Airports erreichte er, dass wir den nicht sehr einladend aussehenden Raum für ungefähr 30 Minuten verlassen durften. In kleinen Grüppchen stürmten wir die Bistros mit duftenden Speisen und vor allem frischen Wasser. Einige Menschen, deren Weg wir jetzt kreuzten, rümpften missbilligend ihre Nasen über

unsere Ausdünstungen. Nach fast sechs Stunden in einem geschlossenen Raum, mit gut 200 Menschen, von denen die Hälfte auch noch der Nikotinsucht frönte, mussten wir wohl müffeln wie, als wenn wir mehrere Tage oder gar Wochen in einer herunter gekommenen Hafenspelunke eingesperrt gewesen wären. Hätten sie jedoch gewusst, dass wir gezwungenermaßen in diese Räucherkammer zurück kehren müssten, wäre uns ihr Mitleid sicher gewesen. Inzwischen hatte auch der Berliner neue Informationen erhalten. Die Fluggesellschaft konnte irgendwo in Europa ein intaktes Fluggerät auftreiben,

das dann allerdings noch vier oder fünf Stunden brauchte, bis es uns in Istanbul zur Verfügung stehen würde. Aber wir Passagiere saßen ja sprichwörtlich jetzt im selben Boot. Und mit all uns zur Verfügung stehenden Mitteln versuchten wir uns die Wartezeit zu verkürzen. Ein paar türkische Männer dachten wohl auch, dass der Raum einer Verschönerung bedürfe und zauberten unter ihrem Kaftan bunte Teppiche hervor. Natürlich wussten wir, dass dies Gebetsteppiche sind und auch, das die Zeit für ein Mittagsgebet längst überschritten war. So bekamen wir ein paar kleine Einblicke in ihre Kultur. Wir konnten zwar nicht

alles von dem Gemurmel verstehen, doch das Wort "Allah" verstand jeder. Ein fünfjähriges Mädchen und ihr, vielleicht ein Jahr älterer Bruder, bestaunten dies bunte Treiben und fragten aufgeregt ihre Mutter: “Fliegen wir jetzt mit dem Teppich nach Hause?“ freudig klatschte die Kleine dabei in die Hände. "Ich will aber vorne sitzen." sagte ihr Bruder, mit mürrischen Blick, zum Vater. Der erklärte den Beiden, ruhig und mit einem verschmitzten Lächeln, dass nicht genug Platz wäre für all die Menschen und außerdem bei dem Regen, der gerade einsetzte, könnten die Teppiche auch gar nicht fliegen. Die Kinder gaben sich mit dieser Antwort zu Frieden. Wir stellten

nun unsererseits auch Überlegungen zu etwaigen Alternativen an. Vielleicht mit einem Auto oder dem Zug?- keine Chance ohne Fahrzeugpapiere und kaum noch Geld in den Taschen. Viele der Muslime hatten inzwischen heimlich den Flughafen verlassen und waren wohl zu ihren Lieben zurück gekehrt. Hatten sie etwa das Vertrauen in die moderne Technik verloren? Nur wenige von ihnen, zumeist jüngere Leute, zeigten mehr Mut und hofften vielleicht auf den Beistand ihres Gottes. Endlich, nach nur weiteren sechs Stunden, öffneten sich die Türen zum Rollfeld. Der Bus fuhr seltsamer Weise dieses Mal in eine andere Richtung. Alle

blickten sich erstaunt um und an. "Hurra!", rief ich erfreut "Wie schön, wir fahren bestimmt zum Hotel und können noch hier bleiben." bemerkte jedoch, wenn auch schmunzelnd, das gequälte Lächeln in den Gesichtern der übrigen Fahrgäste und einige Damen drohten mir mit ihren Regenschirmen. Doch Alex zischelte mich richtig böse an:"Du spinnst wohl. Ich habe heute Abend noch ein Date." Beruhigt hatte er sich erst wieder, als das Flugzeug in Sichtweite kam. Auf dem Weg zur Treppe wurde der Flieger argwöhnisch beäugt und ohne Ausnahme setzte jeder nur widerwillig seinen Fuß auf die erste Stufe. Heute

noch vernehme ich manch leisen Stoßseufzer. Zügig und reibungslos nahmen wir unsere wohlbekannten Plätze ein. Die Sicherheitsgurte klickten fast einstimmig ins Schloss und jeder Passagier verfolgte nun aufmerksam die Anweisungen der Flugbegleiter. So schauten alle unter die Sitze, ob da auch wirklich Schwimmwesten deponiert waren und die über uns befindlichen Sauerstoffmasken wurden einer genauen Prüfung unterzogen. Beim Start wurde es mucksmäuschenstill in der Kabine. Alle Ohren achteten auf ungewöhnliche Geräusche. Und endlich, nach einer Odyssee von unzähligen Stunden, die schon morgens früh um vier Uhr begann,

schwebten wir über den Wolken der Heimat entgegen. Klaus und Alex hatten es sich auf den freien Plätzen gemütlich gemacht, Bärbel und ich schmiedeten Pläne für das bevorstehende Wochenende. Die meisten der Passagiere waren total ausgelaugt und freuten sich auf eine erfrischende wohlriechende Dusche und ein sauberes Bett. Auch unser Freund, der Berliner, der hinter uns saß, glitt langsam ins Träumeland hinüber. Wir lauschten lächelnd seinem Gemurmel, das von einem tiefen Seufzer begleitet wurde: “Barlin, ick liebe dir.“ Die Reise war ein Geburtstagsgeschenk

für meinen Mann.Seine Schwester Bärbel fand das Superschnäppchenangebot in einer Zeitschrift der größten Krankenkasse unseres Landes. Gefeiert haben wir einen Tag vor der Heimreise in einem der besten Hotels von Istanbul. Bei der geglückten Landung im verschneiten Berlin spendeten wir jubelnden Beifall, den wir bis dato stets vermieden hatten.


©Zentaur/Neufassung/16/05/14

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Monczi 
war es zufällig Onur Air....:-)
mit sehr viel Humor geschrieben
ja diese Stadt ist allemal eine Reise wert
habe vier Jahre in der Türkei gelebt und liebe dieses Land immer noch
lieben Gruß
Monczi
Vor langer Zeit - Antworten
Zentaur Hallo liebe Monczi,
erst mal vielen Dank für deinen Besuch bei mir und für die schönen Geschenke.
nein, es war nicht Onur Air, es war die Turkish Airlines
und ja, auch ich finde dieses Land und die Menschen faszinierend. Wir haben dort viele Freundschaften geschlossen. Für das kommende Jahr planen wir eine Rundreise durch Kapdokien.
LG Helga
Vor langer Zeit - Antworten
Monczi 
wunderschön
da wünsche ich viele gute Eindrücke
Vor langer Zeit - Antworten
pekaberlin Aller guten Dinge sind drei!
Du hast den Beweis erbracht, Helga!
Aber, solange du nicht die Besatzung an Fallschirmen siehst, beim Blick aus dem Kabinenfenster, besteht zumindest noch Hoffnung.
Liebe Grüße Peter
Vor langer Zeit - Antworten
Zentaur für die nächste Flugreise werde ich vorher einen Crashcurse zum Piloten absolvieren.
vielen Dank lieber Peter
und ich wünsche dir sonnige Tage in Berlin
LG Helga
Vor langer Zeit - Antworten
Milan01 Ich bin noch nie geflogen, daher weiß ich nicht mal ob ich so schon Ängste hätte oder nicht. Als ich das mit den Klebestreifen gelesen hatte, wurde mir gleich mulmig und ich wäre nie, niiieee eingestiegen.
Vom Lesen allein bekam ich schon ne Krise, um so bemerkenswerter, dass du dies so "locker" hingenommen hast. Hut ab.
Übrigens: sehr gut beschrieben, toll zu lesen.
Lg Milan
Vor langer Zeit - Antworten
Zentaur Nach diesem Desaster haben wir für zwei Jahre keine Flugreise unternommen.^^Vielleicht erzähle ich mal, wo wir dann hin geflogen sind.;-(
vielen Dank für deinen Besuch und die schönen Coins
wünsche dir sonnige Tage
LG Helga
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EllaWolke Gern gelesen Deine Erlebnisse ...
Lg Ella
Vor langer Zeit - Antworten
Zentaur vielen Dank liebe Ella für deinen Besuch bei mir und die schönen Geschenke.
LG Helga
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Liebe Helga, bin mit Spannung deiner Reiseerzählung gefolgt ....Respekt vor deiner "Coolness" und deinem Humor. Mir wär da ganz schön mulmig gewesen ....Istanbul! Ja, diese Stadt hat wirklich ein ganz besonderes Flair. In ihr treffen und mischen sich das Abend- und das Morgenland.
Mit liebem Gruß
Ingrid
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