Geboren in der fliegenden Stadt, ist Kellvian lange mit einem Leben konfrontiert, das sich manch einer Wünschen würde. Doch als er sich eines Tages entscheidet, sein behütetes Leben als Sohn des Kaisers hinter sich zu lassen , beginnt für ihn eine Reise, von deren Ausgang plötzlich das Schicksal des ganzen Kaiserreichs abhängen könnte. Nichts ahnend, das bereits eine Macht in den Schatten lauert, die nur auf ihre Gelegenheit gewartet hatte, bricht Kellvian auf in eine Welt, die am Rand eines Bürgerkriegs
steht. Bildquelle : Jochen Pippir / pixelio.de
Die Kabine war winzig, wie Kellvian schon auf den ersten Blick feststellte. Mehr ein ausgebauter Stauraum. Die Decke war so niedrig, das er sich nur halb geduckt bewegen konnte um nicht mit dem Kopf dagegen zustoßen und die Einrichtung bestand genau aus dem Bett und einem klapprigen Tisch, auf dem eine Öllampe vor sich hin flackerte. Durch ein verglastes Bullauge konnte er die Wellen sehen, die von Zeit zu Zeit gegen die Außenwand der Windrufer schlugen du das ganze Schiff ständig in Bewegung hielten. Eden hatte sie zwar schon gewarnt, trotzdem begeisternd war
die Vorstellung nicht, die folgenden Nächte hier zu verbringen. Aber im Augenblick war Kell Müde genug, das ihm das egal war. Er hätte direkt auf dem Boden schlafen können. ,,Was wird geschehen, wenn wir dort sind ?“ Die Müdigkeit war schlagartig verflogen.. Irgendwie hatte er die Frage gefürchtet, sich aber gleichzeitig darauf vorbereitet. ,,Was meinst du ?“ Kell setzte sich halb auf und sah zu Jiy, die nur zögerlich eintrat und sich neben ihn niederließ. ,,Wir werden das hier alles aufklären. Ich bin mir sicher, dass ich in der fliegenden Stadt ein paar Antworten bekomme.“ Er wusste, dass er auswich,
aber im Augenblick musste er nachdenken. Was nicht stimmte, wie er sich sofort in Gedanken berichtigte. Nein verdammt, er musste nicht nachdenken. Er kannte die Antwort und alles andere wäre unehrlich. Jiy gegenüber und sich selbst. ,,Ich weiß, aber… darum geht es mir auch nicht. ,Nicht grade zumindest. Was wird aus uns?“ Die Gejarn lehnte den Kopf an seine Schulter und Kellvian legte einen Arm um sie. Es war schön einfach einmal einen Moment Ruhe zu haben, dachte er. Nicht vor etwas wegzulaufen oder Angst haben zu müssen. Als er mehr aus einer Laune heraus aus der fliegenden Stadt
geflohen war, wer hätte gedacht, das sich alles so entwickeln könnte? Er war naiv gewesen und war es wohl noch immer. Aber er fürchtete sich nicht mehr, nicht vor dem was geschehen war oder noch passiere konnte. Und Jiy… er bereute sicher nichts. ,,Was soll sein Jiy ?“ , fragte er. ,, Du weißt was ich meine. Du bist wer du bist Kellvian. Der Sohn eines Kaisers. Und ich bin, wer ich bin.“ ,,Hör mir zu. Das ist mir egal. Und wenn jemand ein Problem damit hat, soll er mir das ins Gesicht sagen. Ich weiß was ich fühle. Und deshalb interessiert mich auch nur was du denkst. Nicht irgendwelche Adeligen , nicht mal der
Kaiser.“ ,,Dein Vater…“ ,,Ja…. Aber das ist egal, verstehst du Jiy? Es bleibt wie es jetzt ist. Es sei denn… du wolltest nicht mehr. Ich meine ich könnte es verstehen. Das wird kompliziert, bestenfalls.“ ,,Kennst du mich so schlecht ?“ Ihre grünen Augen schienen einen Augenblick im halbdunkel aufzublitzen. Kellvian lachte leise. ,,Nein. Ehrlich gesagt, ich hatte auch nicht damit gerechnet. Aber es wäre mir egal wenn Jiy. Ich liebe dich. Und so dumm wie es klingt, dazu gehört auch, dass ich es verstehen könnte wenn du gehen willst. “ ,,Wie könnte ich ?“ fragte die Gejarn
,,Würdest du denn einfach gehen, wenn wir auf den Weg in Clangebiete wären?“ ,,Nein .“ , antwortete er. ,,Ich will dich aber auch in nichts hineinziehen. Oder etwas überstürzen. Du und… das alles bedeutet mir zu viel.“ Jiy lehnte sich ein Stück vor. ,,Du machst dir wirklich zu viele Sorgen.“ ,,Ich fürchte es.“ Ihre Lippen fanden sich und sie ließen sich zurück aufs Bett fallen. Die Sonne blendete Kellvian als er die Augen aufschlug. Einzelne Lichtstrahlen fanden ihren Weg durch das kleine Fenster der Kabine und tauchten die Umgebung in den rötlichen Schein der
Morgensonne. Er konnte das Wasser gegen die Bordwand schlagen hören, während er versuchte aufzustehen. Ein Gewicht auf seinem Arm hielt Kell zurück. Jiy schlief noch. Es schien ihm immer noch alles ein wenig wie ein Traum, während er die Gestalt neben sich musterte. Ihre Augen waren geschlossen. So vorsichtig wie möglich um die Gejarn nicht zu wecken, stand er auf. Jiy regte sich kurz, als er endlich auf die Füße kam, schlummerte dann aber weiter. Kellvian musste unwillkürlich lächeln. Ein ungewohntes Gefühl hatte von ihm Besitz ergriffen. Er brauchte einen Moment um es als das zu erkennen, was es war. Kellvian war glücklich. Nicht
einfach nur froh sondern einen Augenblick lang einfach Zufrieden. Was nun auch noch vor ihnen lag, sie würden sich ihm gemeinsam stellen. Was hatte er getan um jemand wie sie zu verdienen? , dachte er. Vielleicht ging es auch gar nicht darum. Alles, was ihn im Augenblick kümmerte, war die schlafende Frau neben ihm. Was kümmerte ihn der Rest? Kurz keimte die Idee in ihm auf, nicht zurück zu gehen. Eden könnte sie einfach später absetzen. Irgendwo, vielleicht Richtung Laos. Zyle könnte sie vielleicht sogar bis nach Helike bringen. Weit weg von dem ganzen Wahnsinn. Der Wunsch blieb jedoch nicht lange. Er könnte das nicht
verantworten, so einfach war das. Ein jüngerer Kellvian, der vor nun knapp einem halben Jahr in den Herzlanden gestrandet war hätte das vielleicht getan. Weglaufen, ein längst vergessenes Versprechen zurückzukehren hin oder her. Aber jetzt nicht mehr. Den Kopf noch immer in Gedanken begann er sich anzuziehen. Die nur halb geschlossene Narbe an seiner Seite machte ihm kaum mehr Kopfzerbrechen. Es dauerte, aber die Wunde schien trotz allem langsam zu verheilen. Ihm vielen ein paar dunkle Striemen auf seinem Arm auf. Waren das etwa Klauenspuren? Eine Bewegung hinter ihm veranlasste Kellvian den Kopf zu
drehen. ,, Sieht nicht schön aus,“ , meinte Jiy, während sie sich aufsetzte, die Decke über die Schultern gelegt. Kellvian lachte. ,, Die könntest du wirklich mal schneiden.“ ,, Normalerweise nutzen Krallen sich schnell von alleine ab.“ ,, Möchtest du auf irgendetwas hinaus ?“ Die Gejarn warf ein Kissen nach ihm, dem er Geschickt auswich. Bevor Kell jedoch wusste wie ihm Geschah wurde er auch schon von den Füßen gezogen und schlug aufs Bett, die Gejarn über sich. Unschuldig grinsend legte Jiy den Kopf auf seine Brust und sah ihn einen Augenblick nur Schweigend
an. ,,Was wenn es schlicht… nicht funktioniert ?“ Sie klang zum ersten mal wieder völlig ernst. Der besorgte Unterton in ihrer Stimme gefiel ihm gar nicht. Zärtlich strich er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. ,, Vielleicht machen wir uns darum Gedanken, wenn s soweit ist. Es sei den, du wüsstest mehr als ich. Und bis Melchior uns wieder findet haben sich düstere Prophezeiungen hoffentlich erst einmal erledigt.“ ,, Du glaubst also wirklich, das er noch lebt ?“ , fragte Jiy. ,, Du nicht ?“ ,, Ich mache mir lediglich
Sorgen.“ ,, Und wer macht sich jetzt zu viele Gedanken ?“ ,, Das ist was anderes… Ich habe Gründe.“ ,, Ach ?“ ,, Man kann dich doch keine Sekunde aus den Augen lassen.“ , meinte Jiy lachend. ,,Wäre nicht das erste mal, das du etwas völlig verrücktes und dummes machst. “ ,, Angefangen damit einem Essensdieb wieder auf die Beine zu helfen was ?“ ,, Und diesem dann Blind zu folgen. Und dann einer Gruppe gefangener Gejarn zu helfen ohne einmal nachzudenken. Und dann…“ ,, Habe verstanden. Wenn man es so
betrachtet, kannst du dir wohl wirklich Sorgen machen. “ Er tastete und bekam den Gegenstand zu fassen, den er gesucht hatte. Eine einfache Kette an der in einer grob geschmiedeten Fassung ein grüner Kristallsplitter hing. Der Stein schien mit einem kaum merklichen inneren Licht zu glühen, das langsam heller und dunkler wurde. ,, Bis dahin jedoch hätte ich gerne , dass du den hier bekommst.“ Jiy betrachtete das Juwel einen Augenblick. ,, Der Splitter, den du gefunden hast ?“ Sie nahm die Kette an sich und schien fast einen elektrischen Schlag zu erwarten. ,, Warum ?“ ,, Sieh es einfach als Geschenk. Es ist… nur ein Gedanke.“ , erklärte er. ,, Der
Stein ist an mich gebunden. Solange er leuchtet bin ich am Leben. Irgendwo.“ ,, Das würde aber voraussetzen, das ich vorhabe, von dir weg zu kommen. Zögerlich streifte sie den Anhänger über und setzte sich wieder auf. ,,Du machst dir doch auch Gedanken, oder ?“ ,,Über vieles. Nichts von all dem, was geschehen ist macht einen Sinn. Ich glaube nicht, dass der Orden hinter all dem steckt. Oder zumindest nicht alleine.“ ,,Aber die Zauberer und die Artefakte… „ Jiy runzelte die Stirn. ,, Wer hätte sonst die Mittel dazu, Kell ?“ ,,Ich weiß es nicht Jiy. Ich weiß nur, ich übersehe etwas und ich werde das Gefühl
nicht los, nur in eine weitere Falle zu laufen. Und dann noch… das hier.“ Er richtete eine Hand auf die fast völlig heruntergebrannte Öllampe, worauf die bläulich vor sich hin glimmende Flamme an Intensität zunahm und als strahlend goldenes Feuer den Raum erleuchtete. Einzelne Funken stiegen aus der Glut auf und verpuffen in einem kleinen Schauer aus Partikeln. Mit einer weiteren Bewegung unterband Kellvian den magischen Strom wieder, der das Feuer nährte. Er wollte nicht noch ausversehen das Schiff in Brand stecke. ,,Wie machst du das ?“ ,,Ich weiß es nicht. Es ist… einfach da. Manchmal habe ich das Gefühl, das wäre
gar nicht ich. Es ist mehr Instinkt glaube ich. Aber das sollte nicht sein.“ ,,Wieso nicht ? Ich bin die letzte die viel über Magie weiß, aber ist das so ungewöhnlich? Viele Dinge lernt man am besten Instinktiv. Bogenschießen, Schwimmen, Instrumente spielen…“ ,,Selbst die größten Zauberer in der Geschichte Cantons brauchten meist Monate bis Jahre des Trainings um ihre Begabung zu meistern. Ich selber habe Zeit gebraucht um meine Heilfähigkeiten kontrollieren zu können. Und das gilt als einfache Disziplin. Das hier… ist einfach da. Ich glaube das erste Mal gespürt habe ich es allerdings bereits in
Vara.“ ,,Melchior hat mir davon erzählt ich…“ Jiy verstummte. Der Abend, an der Kell versucht hatte ihr die Wahrheit zu sagen und der nicht nur für sie sondern für die ganze Stadt in einem Desaster geendet hatte. Es war keine besonders schöne Erinnerung. ,,Er sagte auch, du wärst ein Seelenträger ?“ ,,So nannte er es zumindest. Ein Geist aus dem alten Volk… Das würde wohl zumindest einiges erklären.“ Jiy schien einen Moment nachzudenken. ,,Ich glaube ich hatte dir davon erzählt, was die Gejarn über Seelen zu wissen glauben ?“ ,,Reinkarnation, oder ? Ich glaube aber
nicht, dass das zutrifft. Ich bin ich und wenn ich mal jemand anderes war, erinnere ich mich nicht daran. Das, was das hier verursacht ist etwas völlig anderes. Ich habe teilweise schon Gedanken, die nicht ganz meine zu sein scheinen.“ Er schüttelte den Kopf. ,,Ich mache mir vielleicht auch wirklich einen Kopf um nichts.“ ,,Was immer es auch ist. Ich bin hier.“ Kellvian nickte. ,, Und dafür bin ich dankbarer.“ Er stand auf. ,, Komm, wir können schlecht den ganzen Tag hier herumsitzen. So gern ich das auch tun würde.“ ,, Können schon.“ , meinte sie neckisch und legte die Arme um
ihn. ,, Wenn du dir eine gute Ausrede einfallen lässt, vielleicht…“, erwiderte er lachend, stand dann aber doch auf. Sie würden noch ein paar Tage auf See sein. Mehr als genug Zeit, dachte er, aber sie würde wohl trotzdem zu schnell vorbei sein. Er würde nachsehen, wie es den anderen ging und sich etwas auf dem Deck die Beine vertreten. Jiy seufzte, gespielt enttäuscht, bevor sie sich ihm anschloss. Auf dem kurzen Gang, der herauf zur nächsten Ebene und von dort aus auf das Oberdeck führte war verlassen und die Türen der anderen Zimmer geschlossen. Kellvian klopfte gegen eine der Türen
ohne, das sich etwas geregt hätte. Offenbar waren sie einige der ersten, die Wach waren oder Zyle war schon auf. So oder so, die meisten Leute würden sich wohl auf dem Deck aufhalten und nicht in der stellenweise beklemmenden Enge im Schiffsrumpf. Vielleicht konnten sie dort auch herausfinden, wo man auf diesem Schiff etwas Essbares auftrieb. Das Schwächegefühl das die Zauber vom Vortag in Kellvian ausgelöst hatten war zu Hunger geworden. Er wertete das einmal als gutes Zeichen, auch wenn er noch keinen Spiegel zur Hand gehabt hatte um nachzusehen, ob seine Haare wieder den gewohnten Farbton
annahmen. Ein schon fast vertrautes Zwicken an seinem Hinterkopf beantwortete die Frage fast auf der Stelle. ,, Das war das letzte.“ , meinte Jiy fröhlich.