Geboren in der fliegenden Stadt, ist Kellvian lange mit einem Leben konfrontiert, das sich manch einer Wünschen würde. Doch als er sich eines Tages entscheidet, sein behütetes Leben als Sohn des Kaisers hinter sich zu lassen , beginnt für ihn eine Reise, von deren Ausgang plötzlich das Schicksal des ganzen Kaiserreichs abhängen könnte. Nichts ahnend, das bereits eine Macht in den Schatten lauert, die nur auf ihre Gelegenheit gewartet hatte, bricht Kellvian auf in eine Welt, die am Rand eines Bürgerkriegs
steht.
Bildquelle : Jochen Pippir / pixelio.de
,,Alles in Ordnung mit euch Herr ? Verzeiht die Frage.“ Konstantin drehten den Kopf halb, während er das Pferd auf dem er saß etwas zügelte. Er hatte es nicht zu eilig den Ort des Treffens zu erreichen, der genau in der Mitte zwischen den beiden Benachbarten Heerlagern liegen sollte. ,,Alles bestens.“ Ein Zug aus hundert blau uniformierten Gestalten folgte dem Kaiser und seinen übrigen Begleitern. Neben dem Hochgeneral und Riach hatte auch Tamyra Lahn darauf bestanden, ihn zu
dem Treffen mit den Ältesten zu begleiten. So erstaunt er darüber gewesen war, er hatte nicht abgelehnt. Ein Diplomat mehr konnte nicht Schaden, egal was Melchior gesagt hatte. Aber Götter, wenn er Recht hatte… Dann müsste alles genau so geschehen, wie er es geschildert hatte. Und wenn es zutraf… dann fühlte er so etwas wie Stolz. Er ließ sich etwas in der Kolonne zurückfallen, bis er auf Höhe mit dem General war. Riach ging zu Fuß, hielt aber trotzdem erstaunlich gut mit. Konstantin hatte irgendwann einmal gehört, das viele Gejarn Pferden nicht ganz trauten. ,,Wenn ihr euch Sorgen macht, die
Gejarn könnten etwas dummes versuchen, dann können wir jederzeit warten und mehr Verstärkung anfordern.“ , erinnerte Dagian Einher ihn. ,,Keine Verstärkung kann mich retten, fürchte ich. Ich gehe in mein Grab. Wie ihr wisst…“ Der Hochgeneral sah ihn einen Moment völlig entgeistert an und versuchte offenbar etwas zu sagen. ,,Herr, ich weiß nicht was…“ Kurz glaubte Konstantin so etwas wie nackte Panik im Gesicht seines Gegenübers zu sehen. Die Hand des Generals wanderte einen Moment näher an sein Schwert. Was solle das denn ? ,,Natürlich nicht.“ Der Kaiser gab dem Pferd wieder die Sporen und ließ den
General hinter sich zurück. Vor ihnen kam das Lager der Gejarn langsam hinter einigen Hügeln in Sicht. Von den Zelten aus kam ihnen bereits eine Prozession nicht unähnlich ihrer eigenen entgegen. Konstantin hielt an und wartete, während seine Leute sich sammelten und die Ältesten und deren Leibwache sich näherten. Eine Hand des Kaisers ruhte ständig auf dem Schwertgriff. ,,Riach. Jetzt wäre wohl der richtige Augenblick für euch wieder die Seiten zu wechseln.“ , meinte er. Der Gejarn lachte verhalten. ,,Mit Verlaub, ich habe es nicht sehr eilig, das zu tun.“ ,,Noch irgendetwas, das iwir über
diese… Leute wissen sollten?“ , wollte Dagian wissen. ,,Wie ich schon sagte, sie sind keine einige Gruppierung. Im gewissen Sinne gilt das für alle Clans. Unter den verschiedenen Gejarn gibt es mindestens genau so viele Konflikte, wie es Stämme gibt. Momentan hält sie wohl vor allem ihre Wut auf … nun… euch zusammen, aber es ist verwunderlich das es überhaupt zu einem derartigen Bündnis kam.“ ,,Ihr sagt das, als bedauert ihr es, das euer Volk sich zusammenreist, wenn es hart auf hart kommt.“ , bemerkte der Kaiser. ,,Nein, natürlich nicht. Ich fürchte aber,
was folgen könnte, vorausgesetzt, wir hätten Erfolg. Atle Fehden verschwinden nicht einfach und das einzige, was viele bisher an Blutrache oder ähnlichem gehindert hat, war die Oberhand des Kaiserreichs. Wir haben ein Recht auf diesem Land frei zu leben. Die Frage die ich mir stelle ist, ob wir es auch können.“ Die sich nähernden Gejarn kamen endlich zu einem halt. Konstantin ging ihre Reihen mit einem Blick durch. Auch wenn die wenigsten klare Rangzeichen oder ähnliches trugen, stachen die Ältesten heraus. Eine Handvoll Männer und Frauen, die sich etwas abseits hielten und weniger kriegerisch denn
gebrechlich wirkten. Sah man von einigen ausnahmen einmal ab. Ein großer Wolf mit komplett grauem Pelz fiel dem Kaiser ins Auge. Das war seltsam. Soweit er wusste, hatte sich keiner ihrer Clans gegen das Imperium gerichtet und noch wichtiger, es gab nur wenige Berichte von Überläufern. Zuerst dachte er an eine Leibwache, welche die Ältesten schützen sollte. Aber das schien Angesicht der auf beiden Seiten versammelten Streitkräfte kaum Sinn zu ergeben. Eine fast gespenstische Ruhe, die nur vom gelegentlichen Schnauben der Pferde und dem Klirren von Waffen und Geschirr unterbrochen wurde hatte sich über das Feld gelegt.
Konstantin wusste, dass sie von beiden Lagern aus genau beobachtet wurden. Seine Leute, bereit aus ihren Schanzen hervorzubrechen, wenn etwas schief ginge. Genau wie wohl die Gejarn. Die nächsten Minuten mussten alles entscheiden. Oder war die Entscheidung schon gefallen, als er dumm genug gewesen war, Melchior anzuhören? Er hatte ihm vor zwanzig Jahren nicht geglaubt. Er würde es auch jetzt nicht tun. Mag sein, das sie alle an Fäden hingen, aber wie der Ordensoberste Tyrus immer sagte: Fäden konnten schwingen oder reisen. Es waren keine starren Ketten. Irgendwie hatte das Bild aber nichts
Tröstliches. Die Ältesten machten keine Anstalten, auf die wartenden Truppen des Kaisers zuzukommen. Weitere Spielchen, wie es den Anschein hatte. Dann eben so, seufzte Konstantin. Er würde sich nicht auf ein solches Geduldsspiel einlassen. Er war der Kaiser Cantons auch wenn das einige nicht mehr zu Kenntnis nehmen wollten. Er wartete nicht auf jemanden. ,,Bleibt mit den Truppen etwas zurück.“ , wies er Dagian an.,,Wir wollen nicht, das durch unvorsichtiges Handeln alles eskaliert. Aber sorgt dafür, dass sie die Banner sehen. Vielleicht erinnert sie das an etwas sehr
wichtiges.“ Der General nickte, ohne zu protestieren. Die zweit für viele Worte war vorbei. Auf einen Wink hin hielten die Truppen kurz inne, bevor sie dem Kaiser und Riach folgten, so dass diese einen kleinen Vorsprung gewannen. Tamyra Lahn trat ebenfalls in die Reihen der einfachen Soldaten zurück und erhielt eines der drei kaiserlichen Banner, welche die Truppe mit sich führte. Auf blauem Grund schimmerten ein goldener Löwe und ein silberner Adler in der Nachmittagssonne. Konstantin Belfare hielt nicht an oder blickte zurück. Selbstsicher saß der Herrscher im Sattel, während er auf
halbem Weg zwischen den zwei Trupps langsamer wurde. ,,Sind die hohen Ältesten zu Feige dem Wort eines Kaisers zu vertrauen ? “ , rief er mit nicht wenig Spott in der Stimme. ,,Oder erwartet ihr, das ich zu euch komme, wie ein Gläubiger zu einem müßigen Schuldner ?“ Die nur grade so angedeutete Beleidigung zahlte sich aus, wie der Kaiser es gehofft hatte. Die versammelten Clan-Oberhäupter setzen sich an der Spitze ihrer eigenen Leibgarde in Bewegung. Auf ihrer Seite gab es keine Banner oder Flaggen und Konstantin musste daran denken, was Riach ihm gesagt hatte. Der Botschafter
hatte sich dicht neben ihm gehalten und sah sichtlich nervös zu den übrigen Gejarn hinüber, als diese eintrafen. Erneut war es einen Augenblick lang Totenstill. Es war der Kaiser, der das Schweigen zuerst brach. ,,Ich bin Konstantin Belfare, rechtmäßiger Kaiser Cantons, anerkannter Herr und Gebieter über alle Provinzen. Erklärt mir, wieso ihr es wagt, mir mit einem Heer entgegenzutreten und euch offen gegen mich zu stellen.“ ,,Die Gründe wurden euch ausreichend dargelegt…. Kaiser.“ , erwiderte eine Fuchs-Älteste und sah dabei direkt i Richtung des Botschafters. ,,Zumindest
nehme ich das an ?“ ,,Riach, es freut mich das ihr lebt.“ , meinte der graue Wolf, der Konstantin schon zuvor aufgefallen war. ,,Ebenso schön euch wiederzusehen Fenisin.“ Der Abgesandte trat ein Stück vor und ob Zufall oder nicht stand nun zwischen dem Kaiser und den Ältesten. ,,Könnten wir das auf Nachher verschieben ?“ , fragte ein weiteres Clan-Oberhaupt. ,,Es gibt zwei Möglichkeiten. Akzeptiert die Bedingungen. Unabhängigkeit für die Herzlande, oder lasst es bleiben. Dann werden die Waffen entscheiden.“ ,,Und ihr wisst genau, das ich eben das nicht einfach tun kann. Diese Lande
gehören euch so oder so seit jeher und ich hatte nie vor das zu ändern. Aber einfach zu fordern, das ich die Oberhoheit über ein siebtel Cantons abtreten ist freundlich ausgedrückt, frech. Bestenfalls muss ich von Unwissenheit eurerseits ausgehen. Schlimmstenfalls… legt ihr es wirklich auf einen Krieg an. Noch ist es nicht zu spät. Ich verspreche jedem, der jetzt die Waffen niederlegt, dass dies keine Folgen für ihn haben wird. Noch weiter. Wir können jetzt sofort reden. Aber ich werde mir nicht diktieren lassen, was ich zu tun habe. Nicht mit vorgehaltenen Klingen, den davon verfüge ich über mehr als genug eigene.“ ,,Und
was ist das Wort eines Mannes wert, der eine nicht verteidigte Kleinstadt niederbrennen lässt, weil sie ihm ein Dorn im Auge ist ?“ ,,Wir hatten berechtigten Grund zu der Annahme, das ihr dort Truppen zusammenzieht. Ich werde mich nicht dafür entschuldigen, aber wir können über einen Ausgleich verhandeln. Wenn ihr zuerst die Waffen niederlegt.“ , erwiderte Konstantin angespannt. ,,Der einzige Ausgleich, der mich interessiert, ist euer Blut.“ Waffen wurden gezückt und Leute riefen durcheinander. Die kaiserliche Garde legte auf ein stilles Kommando hin fast zeitgleich auf die versammelten Gejarn
an, die ihrerseits Pistolen und Schwerter zückten. ,,Ich werde mich nicht von euch bedrohen lassen!“ , rief Konstantin, nun selber wütend. Egal wie sehr er sich vorgenommen hatte, beherrscht zu bleiben, das war der kleine Schritt zu weit gewesen. ,,Ihr wagt es von Bedrohung zu reden, wo ihr doch…“ ,,Ruhe.“ , Fenisins Stimme war trotz des allgemein einsetzenden Lärms deutlich zu vernehmen, richtete aber wenig aus. ,,Wenn wir jetzt… Ein Schuss hallte über das Feld. Niemand konnte später mehr sagen, wer ihn abgegeben hatte. Und natürlich wollte es
keine Seite zugeben, den Kampf begonnen zu haben. Einen Augenblick lang war wieder einmal alles ruhig. Ein Sturm der Atem holte. ,,Oh…“ Riach taumelte zurück, einen sich langsam ausbreitenden roten Fleck auf der Brust. Der Botschafter schien mehr überrascht als das er schmerzen empfand. Dann gaben seine Füße nach und er sackte im Gras zusammen. Konstantin sah weg. Es hatte eine gewisse, kranke Ironie. Die ersten Blutstropfen der Schlacht stammten von dem Mann, der alles gegeben hatte, sie zu verhindern. Eine Gewehrsalve durchbrach den Moment der Stille und füllten die Luft
mit Pulverdampf. Kugeln sausten knapp an Konstantin vorbei und mähten die erste Reihe der zielloser vorgehenden Gejarn praktisch sofort nieder. Mehrere Älteste stürzten getroffen und nur einige wenige Projektile verfehlten überhaupt ihr Ziel. Allerdings war die Leibgarde der Ältesten auch um einiges größer, als die Gardetruppe, die der Kaiser mit sich gebracht hatte. Aber das half den Gejarn nur so lange, bis die Hauptstreitmacht eintraf. Konstantin ließ sich auf dem Pferd etwas zurückfallen, so dass er wieder in sicherer Nähe zu seinen Gardisten war, die grade ihre Formation auflösten um den Nahkampf mit den abtrünnigen
Gejarn zu suchen. Viele warfen ihre einmal abgefeuerten Gewehre weg und griffen zum Degen oder nutzten Bajonette um weiterzukämpfen und den nachrückenden Schützenlinien so Zeit zum nachladen und zielen zu verschaffen. Die ersten Klingen prallten aufeinander und das Gras färbte sich rot. Konstantin ließ die Zügel des Pferdes los und vertraute darauf, dass das Tier ihn auch so sicher tragen würde. Stattdessen holte er mit dem Schwert aus und trafen einen heranstürmenden Gejarn, der wohl nicht damit gerechnet hatte, das der Kaiser selbst in den Kampf gezogen wurde. Die magisch verstärkte Klinge durchtrennte Knochen wie Papier und
selbst Panzerungen wie einfachen Stoff. Ein schwerer Schlag gegen seine linke Schulter warf Konstantin aus dem Sattel und er Schlug hart auf dem Boden auf. Eine Kugel hatte eine gewaltige Delle in die Schulterplatte seiner Rüstung geschlagen, aber der Stahl war verstärkt genug um auch so etwas Stand zu halten. Mühsam richtete er sich wieder auf und besah sich den Verlauf der Schlacht. Wenn man das so nennen konnte. Der erste ferne Donner der Kanonen hallte über das Land. Steine, Erde und Körperwurden durch die Luft geschleudert, als die schweren Projektile in die Reihen der nachrückenden Gejarn krachten und endlich stießen auch die
ersten Nachzügler der Hauptarmee zu der Hundertschaft, die Konstantin mit sich geführt hatte. Er wehrte eine Klinge ab, die auf seinen Hals zielte und fand sich Auge in Auge mit dem grauhaarigen Wolf wieder. Fenisin, wenn er sich richtig erinnerte. Obwohl der Mann geschickt kämpfte, war er dem Kaiser nicht gewachsen. Mit einer Bewegung schlug er seinem Gegner die Waffe aus der Hand. ,,Verschwindet und sagt das auch den anderen.“ , wies Konstantin den verdutzten Mann an. Offenbar hatte er damit gerechnet, gleich zu sterben. ,,Aber… das… wieso ? Ich dachte es gäbe keine Wahl. Das ihr nie zustimmen
würdet und die Ältesten… sie sind viel zu stur. Euer Tod schien die einige Wahl…“ ,,Wer hat euch diesen Schwachsinn den eingetrichtert ? Ich sage das, weil ich nicht will, dass heute ein guter Mann umsonst gestorben ist. Zieht euch zurück, sofort und ich bin nicht gezwungen euch alle abschlachten zu lassen. Denn das ist was hier grade passiert, wenn ihr euch kurz umseht. An einem anderen Tag finden wir vielleicht eine friedliche Lösung.“ ,,Der Meister hat gelogen…“ ,,Was ?“ Der Kaiser war sich nicht sicher, ob er den Mann richtig verstanden hatte.
,,Nicht wichtig. Ich… Götter ich wollte euch töten.“ Fenisin schüttelte den Kopf, bevor er losrannte und im Pulverdampf verschwand. ,,Bis zu einem anderen Tag… hoffe ich.“ Auch die übrigen Gejarn zogen sich langsam zurück. ,,Verfolgt sie nicht.“ , rief der Kaiser über den nur langsam abklingenden Schlachtenlärm und das Stöhnen der Verwundeten hinweg. Der Kampf war kurz gewesen, aber heftig. Konstantin stützte sich auf den griff seines Schwerts. Götter, er wurde zu alt für so etwas. Ein unerwarteter Schlag von hinter ihm
holte ihn fast von den Beinen. Der Hohle Klang von Metall, das auf Metall schlug… das daraufhin splitterte. Der Kaiser sackte zusammen und sofort waren ein dutzend Gardisten in blauer Uniform um ihn, die den gefallenen Monarchen abschirmten. Konstantin konnte Blut spüren, das ihm über die Hände und aus dem Mundwinkel lief. Wer ? Der Schütze musste nah gewesen sein. Direkt hinter ihm… Mühevoll drehte er den Kopf, erkannte aber nur Dagian. Was… sein verstand konnte das Bild des Generals nicht mit der Wunde und der Pistole in seiner Hand zusammenbringen. ,, Der Kaiser ist getroffen. Hierher,
Verfolgt diese Bastarde. Dafür zahlen sie uns.“ Dagian ? Das machte keinen Sinn. Er war doch entkommen. Es wäre der Wolf gewesen, der ihn hätte töten sollen… ,, Wir hätten eine Lösung gefunden.“ , flüsterte er. ,, Oh vertraut mir Konstantin. Wir finden eine. Eine endgültige. Dafür werde ich Sorge tragen.“